Protokoll der Sitzung vom 13.07.2016

Wir können in Baden-Württemberg froh sein, dass wir in der Summe nur 47 Milliarden € Schulden haben; das ist sehr richtig. Mein Sohn wird sich getröstet fühlen.

Aber reden wir einmal nicht über Milliarden, reden wir auch nicht über Millionen. Reden wir einfach über 44 000 € – also prozentual schon gar nichts mehr, wahrscheinlich null Kom ma null null null irgendwas Prozent. Sie, Herr Ministerpräsi dent, genehmigen sich 44 000 € mehr Mittel für Verwaltungs aufgaben – dies natürlich zusätzlich zu den ohnehin schon üp pigen 250 000 €, die im Haushalt standen. Das sind in der Summe 294 000 €. Wissen Sie eigentlich, was der Deutsche als sogenannter Urlaubs- und Reiseweltmeister pro Kopf und Jahr für Urlaub ausgibt? 1 000 €. Diese 1 000 € muss er vor her einplanen und kann sich anschließend auch nicht einfach zusätzliches Geld genehmigen. Die Bürger planen nämlich frühzeitig mit ihren Ausgaben.

Wir dürfen also sehr gespannt sein, ob es noch einen Vierten Nachtragshaushalt geben wird, ob noch mehr vom wertvollen Steuergeld für eine Politik der Kurzsichtigkeit ausgegeben

wird, ob wir uns noch weiter von der Einhaltung der Schul denbremse entfernen. Im Jahr 2020 müssen alle Bundeslän der die Schuldenbremse einhalten. Aber der Traum davon, die Schuldenbremse einzuhalten, rückt in weite Ferne.

Das liegt natürlich auch an Ihrer Politik, Herr Kretschmann. Sie bauen 98 zusätzliche Stellen in den Ministerien auf. Gleichzeitig wird, wenn das Geld dann nicht reichen sollte, schon daran gedacht, eventuell die Steuern zu erhöhen, und die einzige Steuer, deren Erträge dem Land direkt zufließen, ist die Grunderwerbsteuer. An sie wird man – wie bereits zu Beginn der vergangenen Legislaturperiode – wieder herange hen. Wollen wir nicht hoffen, dass es so weit kommt. Wollen wir vielmehr hoffen, dass sich für junge Familien der Erwerb eines Eigenheims nicht wieder verteuert, sondern dass wir durch eine Änderung der Politik hier zu einem Konsolidie rungskurs kommen. Hier setze ich nun wirklich meine Hoff nung auf Ihren Einfluss, auch auf Ihren Einfluss, Herr Abg. Wald.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten und der AfD)

Bei einem strukturellen Defizit in Milliardenhöhe sollten wir wirklich nicht auch noch 98 Stellen zusätzlich schaffen, nur um Ministerien aufzublähen. Das müsste auch durch Um schichtungen und durch Qualifizierungsmaßnahmen möglich sein.

Baden-Württemberg ist das Land der Häuslebauer, ist das Land der Selbstständigen. Sie, sehr geehrter Herr Minister präsident, machen daraus das Land der Ministerialbürokratie. Sie bringen Parteiklientel in Lohn und Brot und nehmen das Risiko auf sich, dass sich in den nächsten Jahren der Grund erwerb für junge Familien möglicherweise verteuert.

Vielen Dank.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten und der AfD)

Meine Damen und Her ren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aus sprache ist damit beendet.

Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 16/240 zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Finanzen zu über weisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so be schlossen.

Punkt 2 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion GRÜNE, der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD und der Fraktion der FDP/DVP – Gesetz zur Änderung des Unter suchungsausschussgesetzes – Drucksache 16/275

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion und fünf Minuten für den Zusammenschluss fraktionsloser Abgeordneter.

Die antragstellenden Fraktionen sind übereingekommen, die Begründung des Antrags in ihre Ausführungen zu integrieren.

Für die Fraktion GRÜNE darf ich das Wort dem Kollegen Sckerl erteilen.

Sehr geehrter Herr Prä sident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Landtags fraktionen von Grünen, CDU, SPD und FDP/DVP legen heu te einen gemeinsamen Gesetzentwurf zur Modernisierung des Untersuchungsausschussgesetzes vor. Für meine Fraktion be grüße ich es sehr, dass wir in inzwischen fast schon bewähr ter Weise ein interfraktionelles Einvernehmen zwischen den vier Fraktionen zur Stärkung der Rechte des Parlaments und der einzelnen Abgeordneten erzielen konnten. Denn diese Zie le – das ist uns wichtig – stehen eindeutig im Mittelpunkt die ser Reform.

Untersuchungsausschüsse, meine Damen und Herren, haben in der parlamentarischen Demokratie eine wichtige Funktion zu erfüllen. Der Landtag erhält, wenn er das machen will, mit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses die Möglich keit, parlamentarische Kontrolle über eine Regierung auszu üben. Insbesondere hat traditionsgemäß in Untersuchungsaus schüssen auch die Minderheit, die im Landtag bei Gesetzes initiativen oder anderen Initiativen in der Regel keine Mehr heit erzielen kann, die Möglichkeit, in gleicher Weise mitzu wirken.

Zu Recht gilt deshalb ein Untersuchungsausschuss als ein scharfes Schwert des Parlaments bzw. auch der Opposition.

Unser derzeitiges Untersuchungsausschussgesetz stammt aus dem Jahr 1976. Es ist einfach etwas in die Jahre gekommen und etwas angestaubt. Es spiegelt technische Entwicklungen nicht mehr wider und wird einem modernen Verständnis von transparenter Kontrolle einer Regierung durch das Parlament längst nicht mehr gerecht.

Hierunter fallen insbesondere Anforderungen an die Transpa renz und Normenklarheit für alle an einem Untersuchungsge schehen Beteiligten und Betroffenen.

Alle drei Untersuchungsausschüsse der letzten Wahlperiode haben auch deutlichen Änderungsbedarf reklamiert, weil die Defizite in ihrer Arbeit deutlich geworden waren. Der vorlie gende Gesetzentwurf setzt die wichtigsten Empfehlungen die ser drei Untersuchungsausschüsse nun um. Ich will sie kurz aus unserer Sicht skizzieren.

Wir konkretisieren und erweitern die Reichweite des An spruchs auf Vorlage von sächlichen Beweismitteln an einen Untersuchungsausschuss. Das ist wichtig und aufgrund des technischen Fortschritts auch angebracht. Es geht nicht mehr allein um die klassische physische Akte. Vielmehr muss der Aktenbegriff in Zukunft selbstverständlich modernen Anfor derungen genügen. Auch E-Mails und elektronische Daten jeglicher Art fallen künftig ausdrücklich unter den Aktenbe griff des Untersuchungsausschussrechts und sind damit Teil der möglichen Beweismittel eines Untersuchungsausschus ses.

Die Novelle stellt auch klar – auch das ist notwendig; das wis sen die zum Teil leidvoll geprüften Kollegen aus dem letzten NSU-Untersuchungsausschuss, die Aktenberge zu bewältigen hatten, sehr gut –, dass die elektronische Form der Aktenvor lage unter Umständen geboten, weil effizient sein kann.

Wir stellen auch das Recht auf Persönlichkeitsschutz klar. Wir hatten ja in einem der Untersuchungsausschüsse der letzten Wahlperiode durchaus Diskussionen über die Abgrenzung zwischen dem Recht einer Person auf Schutz ihrer persönli chen Daten und dem Auskunftsanspruch eines parlamentari schen Ausschusses. Das Stichwort „Gönner-Mails“ ist einige Wochen durch die Landespresse gewabert. Hierüber wurde dann durch ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs entschie den. Das im Entwurf vorliegende Gesetz folgt jetzt sozusagen dieser Rechtsprechung und nimmt eine Abgrenzung vor.

Wir flexibilisieren die Mitgliederzahl von Untersuchungsaus schüssen und passen sie damit den künftigen Herausforderun gen besser an, als es bisher der Fall war.

Wir reformieren den Betroffenenstatus. Es war auch notwen dig, hier Abgrenzungen und Rechtsklarheit zu schaffen.

Wir stärken das Recht der Obleute in einem Untersuchungs ausschuss, Beweisaufnahmen nach deren Abschluss jeweils zu bewerten, ohne eine Gesamtbewertung der Ausschusstä tigkeit vorzunehmen. Da gab es ja immer eine gewisse recht liche Grauzone. Hier erfolgt jetzt eine Klarstellung.

Es wird das Recht auf Einsetzung eines Ermittlungsbeauftrag ten eingeführt. Das hat sich im NSU-Untersuchungsausschuss als hilfreich und zweckdienlich erwiesen.

Ich lege besonderen Wert auf die Feststellung, dass Grüne und CDU in dieser interfraktionellen Übereinkunft auch als Re gierungsfraktionen eine sehr parlaments- und auch oppositi onsfreundliche Reform mittragen, ja sogar initiiert haben, mei ne Damen und Herren. Wir regeln in tatsächlich großzügiger Weise Minderheitenrechte. Das ist keine Selbstverständlich keit.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Doch!)

Das kommt nicht allzu oft vor.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Doch!)

Aber wir machen es, weil für uns die Stärkung der Rechte des Abgeordneten unbestritten im Mittelpunkt steht.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU, der SPD und fraktionslosen Abgeordneten)

Stichworte: Die Regelung über die immer umstrittene Zeu genreihenfolge, die Begründungspflicht für die Regierung, wenn sie etwas nicht vorlegen will, oder aber auch die Mög lichkeit der Minderheit, die Rechtmäßigkeit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses vom Verfassungsgerichtshof überprüfen zu lassen, sind solche Instrumente, die wir jetzt neu einführen.

Mit der Novelle des Untersuchungsausschussgesetzes machen wir auch den Weg frei für die Einsetzung des zweiten NSUUntersuchungsausschusses noch vor der Sommerpause. Das hatten wir vier Fraktionen den Wählerinnen und Wählern ge meinsam vor der Landtagswahl zugesagt, und das wollen wir in der kommenden Woche auch punktgenau mit dem Einset zungsbeschluss zum neuen Untersuchungsausschuss einlösen.

Namens meiner Fraktion darf ich mich zum Abschluss bei den Fraktionen von CDU, SPD und FDP/DVP für die gute Zusam

menarbeit bedanken, namentlich bei der Kollegin Razavi, den Kollegen Dr. Kern und Gall, aber auch dem Kollegen Binder sowie den parlamentarischen Beraterinnen und Beratern.

Meine Fraktion wird der Novelle des Untersuchungsaus schussgesetzes zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Für die CDU-Fraktion er teile ich das Wort der Kollegin Razavi.

Herr Präsident, meine sehr geehr ten Damen und Herren! Wenn es im Plenum um das Thema Untersuchungsausschuss geht, sind sich Regierung und Op position in der Regel alles andere als einig. Immerhin gilt ja normalerweise, dass ein Untersuchungsausschuss das schärfs te Schwert der Opposition gegenüber der Regierung ist. Um so erfreulicher ist es, dass wir heute einvernehmlich die Re form des Untersuchungsausschussgesetzes auf den Weg brin gen. In der vergangenen Legislaturperiode hatten wir insge samt drei Untersuchungsausschüsse: „EnBW-Deal“, „Schloss garten II“ und „NSU“. Jeder einzelne dieser drei Untersu chungsausschüsse hat einen Bedarf zur Änderung des Unter suchungsausschussgesetzes festgestellt und in seinem Ab schlussbericht festgehalten.

Das heißt natürlich nicht, dass das Untersuchungsausschuss gesetz in seiner noch geltenden Form rechtswidrig wäre. Es hat sich aber in den drei Untersuchungsausschüssen gezeigt, dass es nicht mehr zeitgemäß ist. Deshalb haben die Fraktio nen – jedenfalls die, die bereits in der vergangenen Legisla turperiode im Landtag vertreten waren – beschlossen, dem Untersuchungsausschussgesetz zu seinem Geburtstag – es wird nämlich in diesem Jahr 40 Jahre alt – eine Verjüngungs kur zu verordnen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Super!)

Herr Drexler, ist Ihnen das entgangen?

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Natürlich nicht!)

Das gefällt Ihnen. Es gefällt ihm. Schön.