(Heiterkeit – Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen – Abg. Daniel Rottmann AfD: Klingt auch durchaus logisch! – Abg. Thomas Blenke CDU: Es ist alles gesagt!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, kommunale Aufga ben, die das Lebensumfeld der Bürgerinnen und Bürger be rühren, finden sich schwerpunktmäßig sozusagen auf kommu naler Ebene wieder – das wissen wir –, auf der Gemeindeebe ne. Es gibt durchaus aber auch Befassungen in den Landkrei sen, die die Menschen bewegen. Wir haben Beispiele genannt. In der Tat – Herr Dr. Goll, Sie haben ein Beispiel aus dem Kreis Göppingen genannt –: Standortfragen bezüglich Kreis einrichtungen sind durchaus ambivalent. So möchte jeder ein Krankenhaus, aber eine Kreismülldeponie möchte jeder nicht.
Diese Konstellationen müssen wir je nach Bevölkerungsstruk tur in einem Landkreis durchaus auch bedenken, wobei wir grundsätzlich diese Formen der Bürgerbeteiligung natürlich begrüßen, weil die Demokratie davon lebt, dass sich die Men schen auch auf Landkreisebene gegebenenfalls in ihre Ange legenheiten einmischen können.
Die Landesregierung hat zu diesem Thema auf verschiedene Anfragen hin Stellung genommen. Ich verzichte auf die Auf zählung im Einzelnen. Forderungen, die in diesem Zusam menhang immer wieder erhoben worden sind, hier jetzt etwas zu tun, haben wir gehört.
Wir wissen – das hat die Kollegin Erikli gesagt –, dass der Landtag 2015 eine Öffnung in Richtung Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene beschlossen hat. Wir haben im Koa litionsvertrag vereinbart, diese Regelung zu evaluieren. Das soll noch in diesem Jahr geschehen. Dann, meine Damen und Herren, erfahren wir auch auf einer gesicherten Datenbasis des Innenministeriums, wie sich diese Instrumente vor Ort ausgewirkt haben, ob der Effekt, den wir uns davon verspro chen haben, erreicht worden ist, oder ob die Sorge, die bei spielsweise unsere Haltung geprägt hat, berechtigt ist. Ich bin der Auffassung, dass wir jetzt abwarten sollten, bis wir genau diese Informationen haben. Dann können wir auf einer gesi cherten Datenbasis entscheiden.
Wir verweigern uns diesem Thema nicht grundsätzlich. Wir halten nur den Zeitpunkt an dieser Stelle für falsch. Ich per sönlich bin der Auffassung, dass die wissenschaftliche Beglei tung, die wir in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben ha ben, abgewartet werden soll. Diese soll ja beispielsweise auch ein Thema aufgreifen, das einem Bürgerentscheid immer zu geschrieben wird, wozu es aber unterschiedliche Auffassun gen gibt.
Ein wesentliches Argument für Bürgerentscheide soll die von einem Bürgerentscheid ausgehende Befriedungswirkung sein. Viele Bürgerentscheide – das wissen Sie, meine Damen und Herren – gehen jedoch relativ knapp aus, und hinsichtlich ei ner Befriedungswirkung, die mit einem Bürgerentscheid ein hergeht, habe ich bei einem Ergebnis von 51 : 49 – das ist mei ne persönliche Meinung – leichte Restzweifel.
Deswegen warte ich ab, bis uns diese Ausarbeitung vorliegt. Dann können wir über die weiteren Punkte diskutieren.
Deshalb glaube ich, dass heute nicht der richtige Zeitpunkt ist, um dieses Gesetz zu beschließen. Ich freue mich auf die Beratungen im Innenausschuss und auf die zweite Lesung. Dann schauen wir mal. Es wird sicher einen Zeitpunkt geben, zu dem wir in diesem Haus vielleicht mit einer gemeinsamen Initiative die Menschen erreichen und „ergreifen“ können.
Sehr geehrte Frau Landtagsprä sidentin, sehr geehrte Kollegen, meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf der FDP/DVP-Fraktion hat das Ziel, direktdemokratische Mitwirkungsmöglichkeiten auf
Landkreisebene einzuführen. Damit würden die Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten für die Bürger in Baden-Würt temberg auf Landkreisebene verbessert.
Interessant dabei ist – ich zitiere aus der Begründung des Ge setzentwurfs –, dass „in fast allen anderen Bundesländern die Instrumente Einwohnerantrag, Bürgerbegehren und Bürge rentscheid schon seit vielen Jahren auf der Landkreisebene etabliert sind“. Es geht hier also um direktdemokratische Ele mente, die unter einer CDU-Regierung undenkbar gewesen wären – wir haben die Ausführungen im Vorfeld gehört – und die in den vorliegenden Details möglicherweise auch GrünRot durchgerutscht sind. Es geht um Inhalte eines Gesetzent wurfs, die man bereits mit der Verfassungsänderung 2015 – damals auf Landes- und kommunalpolitischer Ebene – hätte mit durchsetzen können.
Doch kommen wir zum Inhalt. Es sollen erstens Bürgerbegeh ren und Bürgerentscheide auf Landkreisebene eingeführt wer den. Dabei werden auf Landkreisebene Amtshilfe, Zustim mungsquoren und Fristen an die Arbeit des Kreistags ange passt. Ansonsten enthält der Entwurf ähnliche Regelungen, wie sie auf der unteren kommunalen Ebene bestehen.
Als zweiter Punkt ist die Einführung von Einwohneranträgen auf Landkreisebene vorgesehen. Diese Einwohneranträge sol len möglich sein zu allen Themen, die in die Entscheidungs kompetenz des Kreistags oder seiner Ausschüsse fallen. So weit die Sachlage.
Uns, der AfD, ist die Umsetzung direktdemokratischer Ele mente von Anfang an ein wichtiges Anliegen gewesen.
Wir stellen fest: Der vorliegende Gesetzentwurf schließt eine bestehende Lücke. Es stellt sich aber die Frage, warum man bei der Verfassungsänderung 2015 die Kreisebene nicht mit einbezogen hat. Denn politische Entscheidungen sind oft noch immer zu weit entfernt von den Interessen der Bürger.
Das wollen wir von der AfD ändern. Dazu brauchen wir in Baden-Württemberg mehr effektive und transparente Verfah ren. Denn unbewegliche Abläufe – das wissen wir alle – för dern nach wie vor vor allem Politikverdrossenheit. Erforder lich ist eine Entbürokratisierung im Sinne von gesetzlichen Vereinfachungen, im Sinne von eindeutigen Gesetzen auch im Bereich der direkten Demokratie.
So etwas wie die Ablehnung einer Volksabstimmung über kos tenfreie Kitas versteht der Bürger nicht. Es ist ihm nicht zu vermitteln, wenn es in Baden-Württemberg keinen Finanzie rungsvorbehalt gibt, dass Abstimmungen trotzdem nicht zu gelassen werden.
Statt Abstimmungen gleich wieder einzukassieren oder zu sa botieren oder ad absurdum zu führen, wäre es anständiger, gar nicht erst dafür zu stimmen, direktdemokratische Elemente zuzulassen.
Vielleicht ist das der Grund, dass einige der Abgeordneten der Regierungsfraktionen gegen den Gesetzentwurf der FDP/DVP
stimmen werden. Dann müssen sie sich nämlich gar nicht erst weiter mit dem Bürgerwillen auseinandersetzen.
Wir wollen weg von einem Dualismus zwischen Regierenden und Regierten, weg von der Vorstellung, Menschen beherr schen zu wollen. Wir möchten, dass Parlament und Bevölke rung wieder näher zusammenrücken. Wir möchten nicht, dass die Bevölkerung von parlamentarischer und exekutiver Seite abgewatscht wird.
Mein Paradebeispiel, liebe CDU, ist die Einführung der Recht schreibreform im Bundesgebiet. In Schleswig-Holstein hat man – anders als in den anderen Bundesländern – damals ei ne Volksabstimmung zugelassen. Der CDU-Regierung ist da mals nichts Besseres eingefallen, als wenige Monate später das Ganze wieder einzukassieren. So sieht direkte Demokra tie nicht aus.
Ich komme zum Schluss. Der vorliegende Gesetzentwurf bie tet erstens einen wohltuenden Impuls für die direkte Demo kratie. Er ist zweitens eine Chance für mehr Bürgerbeteiligung und Mitbestimmung durch die Wähler und damit drittens ein Beitrag gegen Politikverdrossenheit und für die politische Ge staltung durch den Bürger.
Der Gesetzentwurf der FDP/DVP mag vielleicht nicht der gro ße Wurf sein, aber er schließt mehr als eine formale Lücke, und deshalb stimmen wir, die AfD-Fraktion, zu.
Wir stimmen vernünftigen Initiativen sehr gern zu, und die se scheinen hier im Parlament häufiger von der FDP/DVP als von den Regierungsfraktionen zu kommen. Aber dafür kön nen wir nichts.
Wenn es um direkte Demokratie geht, möchte ich alle Wahl berechtigten ermutigen, am 26. Mai zur Wahl zu gehen. Wäh len Sie die Kandidaten der Alternative für Deutschland in das Europaparlament und in die Kommunalparlamente.
(Vereinzelt Beifall bei der AfD – Abg. Raimund Ha ser CDU: Sie haben bei uns gar keinen! Man kann Sie gar nicht wählen! – Unruhe)
Denn mit uns werden Sie auch die direkte Demokratie stärken, anders als bei den Regierungs fraktionen.
(Abg. Raimund Haser CDU zur AfD: Bei uns be kommt ihr nicht mal eine Liste zusammen! Nicht ei nen einzigen Kandidaten habt ihr gefunden! – Gegen rufe von der AfD)
Im Übrigen darf ich darum bitten, hier keine parteipolitische Wahlwerbung zu machen. Wir sind hier im Parlament. Wir sollten uns in der Debatte auseinandersetzen. Es ging bisher generell um eine hohe Wahlbeteiligung; daran haben wir alle ein Interesse. Die eigene parteipolitische Wahlwerbung soll te außerhalb des Parlaments stattfinden. – Vielen Dank.