Die zweite Frage sei mir zwei Wochen vor der Europawahl auch erlaubt. Eigentlich müsste so etwas ja früher fertig wer den und müsste zur Popularisierung und zur Beantwortung der Frage, was uns Europa nützt, wesentlich früher da sein. Zum jetzigen Zeitpunkt nützt es nur noch für einen Pressehin weis im Zusammenhang mit der Regierung. – Sei’s drum: Wie war der Ablauf? Wie kam es dazu, dass es beim Vorankom men in der Sache so knapp zuging?
Vielen Dank, Kollege Hofelich. – Zum einen kam die Idee für dieses Onlineportal, für diese Form der Präsentation von Mittelzu flüssen aus Europa auch aus Gesprächen mit den kommuna len Landesverbänden, die ein ureigenes Interesse daran ha ben, dies in einer Gesamtschau darzustellen. Diesen Ball ha ben wir gern aufgegriffen und haben dabei schnell gemerkt: Ein Vorhaben, alle europäischen Projekte zusammenführen zu wollen, würde misslingen. Diesen Überblick haben wir nicht.
Es gibt eine Vielzahl europäisch geförderter Projekte, die wir im Grunde nur bedingt zur Kenntnis bekommen. Deswegen haben wir diesen Weg der „Best Practices“ – auf Deutsch: der besten Beispiele – gewählt und haben letztlich auch die Kom munen abgefragt. Wir haben uns auch von den Kommunen Projekte benennen lassen, weil die Kommunen selbst am ehes ten einschätzen können, welche Projekte mit europäischer Förderung den größten Nutzen, die stärkste Wirkung in die Bevölkerung hinein haben. Die uns auf diesem Weg gemel deten Projekte haben wir dann in dem Onlineportal zusam mengefasst.
Damit will ich nicht den Anspruch erheben, dass das jetzt für bestimmte Fördertöpfe repräsentativ ist. Wir haben jeden ein
zelnen Bereich herausgegriffen und untergliedert, weil wir der Überzeugung sind, dass es etwas bringt, den Menschen trans parent zu machen, in welchen Projekten vor der eigenen Haus tür nicht nur „Europa“ draufsteht, sondern auch „Europa“ drin ist.
Sie haben die Parallele zur Präsentation der EU-Kommission erwähnt. Ja, da muss man aufpassen, dass keine Parallelstruk turen geschaffen werden. Aber die Rückmeldungen, die ich aktuell habe, sind positiv, nachdem viele sofort auf diese Sei ten zugegangen sind.
Wir haben deshalb den Plan – da komme ich zu Ihrer zweiten Frage –, dass dieses Projekt keine Eintagsfliege ist, sondern dass wir auch für den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen daran anknüpfen und diese Transparenz fortsetzen.
Wenn sich in der Bevölkerung irgendwo Skepsis zeigt, dann ist das immer wieder die Frage: Wo fließen denn die vielen Gelder hin? Da können wir mit einem solchen Onlineportal Transparenz schaffen.
Warum erst jetzt? Das war schon eine Fleißaufgabe. Ich gebe zu, die Zusammenstellung war schon vor Monaten fertig. Aber diese Art der Darstellung, der Präsentation über das Online portal hat eben Zeit gekostet. Trotzdem finde ich es wichtig, gerade auch in dieser Phase – vor Wahlen – den Menschen die Gelegenheit zu geben, sich umfassend zu informieren. Wenn das einige Wochen oder Monate früher gekommen wäre, wä re es nicht zu früh gewesen. Ich würde aber sagen: Es ist jetzt auch nicht zu spät.
Ich signalisiere nochmals: Es ist unsere Absicht, dieses For mat auch über den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen hi naus zu pflegen.
Herr Minister, im Augenblick ha ben wir die fünfte Auflage des INTERREG-Programms – von 2014 bis 2021. In dieser Periode stehen uns so viele Förder mittel zur Verfügung wie nie zuvor, nämlich knapp 110 Mil lionen €.
Die Frage ist: Können wir diese Mittel auch aufbrauchen? Das INTERREG V betrifft nicht nur den Oberrhein. Daneben gibt es auch noch das INTERREG-Programm für das Gebiet Al penrhein-Bodensee-Hochrhein, für das zusätzliche Millionen zur Verfügung stehen. Bis 2021 sollten die Mittel aufgebraucht sein, um eine größtmögliche Wirkung zu erzielen.
Vielleicht noch eine Nachfrage: Es gibt von der Tigermücken forschung am Oberrhein – die Frage ist, wie man über Gren zen hinweg die Maßnahmen untereinander abstimmt – bis hin zu anderen klimarelevanten Fragen eine Vielzahl von kleinen Projekten. Diese sind schwer als Leuchtturmprojekte zu ver kaufen. Sie machen aber doch auch Sinn.
Wie können wir – das ist meine zweite Frage, wenn Sie erlau ben – diese Projekte noch mehr in den Vordergrund stellen, damit auch diese gut bei der Bevölkerung ankommen, auch wenn sie möglicherweise zunächst einmal ein süffisantes Lä cheln hervorrufen?
Insofern ist es sinnvoll, nicht nur auf die großen Projekte zu setzen, sondern einen Mix aus den unterschiedlichen Projek ten zu betrachten. Es ist natürlich Sinn und Zweck eines sol chen Onlineportals, die Leuchttürme darzustellen, aber auch die Vielzahl der kleinen Projekte, die Sie zu Recht benennen. Wir wollen da auch nicht bewerten oder gewichten. Es geht um die ganze Bandbreite.
Zur Frage, ob alle INTERREG-Mittel bis zum Ende der lau fenden Förderperiode verbraucht sein werden: Für eine Viel zahl wird es so sein. Für Europa gilt aber nichts anderes als in jedem anderen Haushalt: Es gibt Projekte, die über den lau fenden Finanzrahmen hinaus Fortsetzung finden. Da wäre es nicht besonders klug und sinnvoll, sie nur wegen eines Stich tags zwanghaft zum Abschluss bringen zu wollen. Es ist durch aus sinnvoller, sie auch mit einer gewissen Stetigkeit in den nächsten Förderrahmen hineinzuführen.
Deswegen waren wir übrigens so darauf erpicht, dass der nächste Mehrjährige Finanzrahmen jetzt schon verlässlich be schlossen sein sollte. Dann könnte man diesen nahtlosen Über gang vom derzeitigen Finanzrahmen in den nächsten sicher stellen und gewährleisten. Das ist jetzt nicht gelungen. Das bedauern wir.
Aber noch mal: Ich gehe davon aus, dass es gelingt, die über schaubare Zahl von Projekten, die bis zum Ende dieser Peri ode nicht abgeschlossen sind – als Präsident des Oberrhein rats hatten Sie da sicherlich auch einen ganz eigenen Einblick –, über den Zeitpunkt des aktuellen Förderrahmens hinaus fortzuführen und die Finanzierung dann auch im nächsten För derrahmen sicherzustellen.
Herr Minister, die Donauraum strategie interessiert die Menschen insbesondere auch in mei nem Wahlkreis Ulm immer wieder. Jetzt kommt die entspre chende Frage: Abgesehen davon, dass es durch den Austausch mit den anderen Ländern zwischenmenschliche Kontakte gibt, wie viel profitiert die Wirtschaft in Baden-Württemberg von der Donauraumstrategie, die vom Land auf europäischer Ebe ne auch entsprechend forciert vorgetragen wird?
Ich ver mute, dass man diese Frage nicht präzise beantworten kann. Das hieße, den Mehrwert Europas – bezogen auf die Donau anlieger – jetzt auf Baden-Württemberg herunterzubrechen. Ich hätte jedenfalls die Zahl nicht präsent. Ich habe die Zahl präsent, die insgesamt gilt, den Einkommensgewinn für jeden einzelnen Bundesbürger, der laut der Bertelsmann-Studie von vor wenigen Tagen bei etwa 1 200 € liegt. Inwieweit das jetzt im Besonderen auf die Wirtschaft in Baden-Württemberg he runtergebrochen werden kann, habe ich im Moment nicht pa rat. Ich würde aber gern recherchieren, ob es dazu Zahlen gibt.
Weil Sie die Donauraumstrategie angesprochen haben: Spe ziell bei der Donauraumstrategie geht nach meinem Eindruck der Mehrwert weit über das hinaus, was Sie als „Vorteile für die Wirtschaft“ benennen. Die sind für Baden-Württemberg sicher greifbar. Aber bei den Donauanliegern geht es nach meiner Überzeugung vor allem um die Frage der Rechtsstaat lichkeit, der Wertegemeinschaft. Deshalb planen wir im Sep tember in Ulm eine Justizministerkonferenz, um uns genau diesen Fragen zu widmen. Da stehen nicht Euro und Cent im Vordergrund. Da geht es darum, wie es uns in Europa gelingt, in diesem Donauraum eine Rechts- und Wertegemeinschaft zu erhalten, die wir als Fundament Europas gewährleistet wis sen wollen.
Herr Minister, Sie haben erwähnt, dass 2021 die nächste Periode des Mehrjährigen Finanzrah mens beginnt. Was tut die Landesregierung dafür, dass auch in Zukunft die Mittel, die aus den europäischen Fonds zu uns kommen, in der neuen Förderperiode 2021 bis 2028 in glei cher Höhe wieder zur Verfügung stehen?
Das ist natürlich eine große Klaviatur, die es zu spielen gilt. Es sind unterschiedliche Wege, auf denen wir unterwegs sind.
Was mein Ressort angeht, gilt es, über die Landesvertretung in Brüssel, die wir ja maximal „bespielen“, Kooperationen und Netzwerke zu den einzelnen Generaldirektionen herzu stellen, wo wir versuchen, unsere ureigenen baden-württem bergischen Interessen etwa im Bereich Bildung/ERASMUS, im Bereich Forschung/Hochschule und im Bereich Landwirt schaft auf der europäischen Ebene einzuspielen.
Man muss immer wieder auch – ich sage das bewusst – zur Kenntnis nehmen: Europäer zu sein kann nicht nur bedeuten, am Ende des Tages möglichst viel für sich herauszuholen. Eu ropäer zu sein heißt natürlich auch, sich in diese Europäische Union so einzufügen, dass für möglichst viele am Ende eines Tages ein europäischer Mehrwert steht.
Es ist eine gewisse Zweigleisigkeit. Ich will Ihnen versichern: Wir machen unsere eigenen baden-württembergischen Inter essen geltend. Ich bin auch Mitglied im Ausschuss der Regi onen, wo die Regionen und Kommunen die Chance haben, ih re Anliegen auch auf die europäische Ebene zu transportieren. Auch diese Wege nutzen wir.
Wir haben die Europaministerkonferenz. Da sind alle Kolle ginnen und Kollegen aus Deutschland dabei. Da gehen die In teressen auseinander, aber auch dort sucht man natürlich Ver bündete. Man hat auf der europäischen Bühne nur dann die Chance, sich durchzusetzen, wenn es gelingt, europäische Partnerschaften zu schmieden.
Schließlich – das ist ein Vorteil, der leider absehbar endet – haben wir mit dem aktuellen Haushaltskommissar Günther Oettinger zumindest einen direkten Ansprechpartner. Er steht
nicht im Verdacht, baden-württembergische Interessen einsei tig wahrzunehmen. Seine Verantwortung ist umfassend. Wir dürfen bei ihm aber unterstellen, dass er die baden-württem bergische Situation und unsere Anliegen in besonderer Weise kennt, und natürlich nutzen wir diese Verbindung im Rahmen unserer Möglichkeiten.
Sehr geehrter Herr Mi nister Wolf, vielen Dank für Ihre Ausführungen. – Ich habe jetzt mitbekommen, dass Baden-Württemberg sehr erfolgreich an der letzten Förderperiode teilgenommen hat. Schätzungs weise 5 Milliarden € sind nach Baden-Württemberg geflos sen.
Jetzt haben Sie die Best-Practice-Beispiele aufgeführt, und mich würde einfach interessieren – Best-Practice-Beispiele kann man ja auch dazu nutzen, etwas für die Zukunft zu ler nen –, was die Landesregierung, was die Ministerien daraus lernen und ob es Bereiche gibt, für die Sie sich wünschen wür den, dass vonseiten der Landesregierung, der Kommunen und der jeweiligen Institutionen hierauf noch verstärkt geschaut wird. Vielleicht können Sie hierzu noch ein paar Ausführun gen machen.
Denn jedes Ressort setzt im Rahmen seiner Zuständigkeit zu nächst einmal seine eigenen europapolitischen Schwerpunk te. Die baden-württembergische Landesregierung ist jedoch die erste und vielleicht sogar die bislang einzige Landesregie rung, die sich mit Blick auf den Mehrjährigen Finanzrahmen ein abgestimmtes Bild, eine abgestimmte Position über alle Ressorts verschafft hat. Wir haben also zumindest einmal die se erste Hürde genommen, da wir im Land selbst nicht über die künftige europäische Förderpolitik streiten, sondern einen gemeinsamen Nenner haben. Da haben wir Schwerpunkte ge setzt.
Für Baden-Württemberg hat bisher – das wird auch in Zukunft so sein – die Förderung der Landwirtschaft einen hohen Stel lenwert. Da fließen auch beträchtliche Fördergelder aus dem Gesamtanteil.
Für Baden-Württemberg hat das Thema „Forschung und In novation“ einen hohen Stellenwert. Die Kollegin Bauer hat sich bereits vor einigen Monaten mit mir in Verbindung ge setzt, um mit Blick auf Horizont 2020 und die Zeit danach ei nen kontinuierlichen Schulterschluss zu üben und diese An liegen zu vertreten.
Baden-Württemberg hat aus Sicht der Bildung ein hohes In teresse an der Erasmus+-Förderung, das heißt an der Unter stützung junger Menschen, um Begegnungen in Europa zu er möglichen.
Das sind, wenn Sie mich so fragen, auf die Schnelle die Schwer punkte, die es zu setzen gilt. Aber noch einmal: In jedem Res
sort gibt es hierzu eigene Punkte – ich denke hier etwa an den Kollegen Umweltminister und andere –, und wir stimmen das ab. Die Landesregierung von Baden-Württemberg hat es ge schafft, sich auf eine einheitliche Linie festzulegen.
Vielen Dank. – Zu nächst noch eine kurze Nachfrage zur Erläuterung des EMFF, des Europäischen Meeres- und Fischereifonds.