Legt man diese Anforderungen für die Ausgestaltung der Re form zugrunde, so kommt man zu der Feststellung, dass ein zig und allein ein Modell möglich ist, bei dem die Wohnungs- und Grundstücksfläche maßgeblich ist. Nur das Flächenmo dell ist einfach, sparsam und aufkommensneutral zugleich. Alle anderen Modelle sind bürokratisch und zu teuer in ihrer Umsetzung. Zudem wird durch komplizierte Regelungen nicht mehr Rechtssicherheit zu erwarten sein – im Gegenteil. Ich prophezeie Ihnen eine Klagewelle, die die Kosten der Reform noch weiter in die Höhe treiben wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, helfen Sie mit, un nötige Bürokratie zu verhindern, helfen Sie mit, die Kosten der Reform möglichst gering zu halten, und helfen Sie mit, dass es für die Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württem berg keine Mehrbelastungen gibt.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir führen heute im Land tag eine Debatte über ein Thema, über das wir auch täglich in der Presse lesen können. Positiv kann ich nach der Ausspra che schon einmal anmerken, dass sich die allermeisten Red ner in den Zielen einig sind, nämlich dass wir eine Grundsteu er brauchen und wollen, die den Anforderungen des Bundes verfassungsgerichts entspricht, dass wir eine Grundsteuer auf den Weg bringen wollen, die im Aufkommen neutral ist, die die jetzigen Einnahmen von 14 Milliarden € bundesweit oder 1,8 Milliarden € in Baden-Württemberg also nicht übersteigt.
Wir wollen, dass die neue Grundsteuer nachvollziehbar ist, dass sie möglichst einfach gestaltet ist, dass sie im Zeitrah men umsetzbar ist, und die meisten haben auch gesagt, dass sie unbedingt die Einnahmen der Grundsteuer für die Kom munen sichern wollen. Das ist schon einmal eine gute Aus gangsbasis, wenn in diesen wesentlichen Punkten hier im Haus Einigkeit besteht.
Meine Damen und Herren, das Thema hat die AfD auf die Ta gesordnung gesetzt. Ich will an dieser Stelle noch einmal deut lich machen, dass die Antwort auf die Große Anfrage der AfD gestern im Ministerrat beschlossen und im Anschluss an den Landtag versandt worden ist. Das liegt daran, dass Sie Frist verlängerung bis zum 20. Mai gewährt haben. Es ist also al les vollkommen fristgerecht und korrekt verlaufen.
Verwundern tut es aber, wenn Sie die Debatte aufsetzen, be vor Sie die Antwort überhaupt kennen, meine Damen und Her ren.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Abg. Anton Baron AfD: Es ist halt eine Aktuelle Debatte!)
Nicht nur das, Sie scheinen Ihre vorgefertigte Meinung unab hängig von den Antworten zu haben. Sie haben mittlerweile
auch das haben Sie hier angekündigt – eine weitere Große Anfrage zum gleichen Thema eingereicht, und zwar bevor Sie die Antwort auf die erste Große Anfrage kennen. Auch das ist durchaus bemerkenswert und erstaunlich, meine Damen und Herren.
(Abg. Anton Baron AfD: Es gibt viele Aspekte zu be trachten! – Abg. Bernd Gögel AfD: Da sehen Sie mal, wie viele Fragen es gibt! – Weitere Zurufe von der AfD)
Unabhängig davon ist das Thema Grundsteuer leider nicht neu. Es beschäftigt uns nicht erst seit Monaten, es beschäftigt uns nicht erst seit Jahren, sondern es beschäftigt uns seit Jahr zehnten. Das heißt, es ist wirklich ein komplexes Thema, und es ist ein Thema, bei dem es extrem schwierig ist, Einverneh men zu erzielen. Sie haben es bereits selbst angesprochen: Die Bundesregierung muss einen Gesetzentwurf vorlegen; sie muss ihn vorlegen und beschließen lassen. Der Bundesrat muss seine Zustimmung geben, der Bundestag muss seine Zu stimmung geben. Wir brauchen also in vielen verschiedenen Gremien eine Lösung, die mehrheitsfähig ist.
Tatsache ist natürlich auch, dass es in der Phase, in der wir uns jetzt befinden – an dieser Stelle will ich auch einmal ganz klar sagen: der Ball liegt im Spielfeld der Bundesregierung –, viele Befürchtungen gibt. Warum liegt der Ball im Spielfeld der Bundesregierung? Die Bundesregierung muss einen Ge setzentwurf beschließen. Das hat sie bis heute nicht getan. Der Presse ist sogar zu entnehmen, dass nicht einmal klar ist, ob das, was Herr Scholz im Bundesfinanzministerium erarbeitet hat, bereits in der Ressortabstimmung ist oder nicht, meine Damen und Herren.
Wie dem auch sei; das muss die Bundesregierung für sich klä ren. Meine Erwartung ist aber ganz klar: Wir brauchen mög lichst schnell einen von der Bundesregierung beschlossenen Gesetzentwurf; erst dann können wir, das Land Baden-Würt temberg, weiter agieren, meine Damen und Herren.
Jetzt lassen Sie uns noch über einige Dinge sprechen, die wichtig sind. Die Grundsteuer betrifft natürlich alle. Sie be trifft die Eigentümer und über die Möglichkeit, die Grund steuer an die Mieter weiterzureichen, auch die Mieter. Das ist klar.
An die AfD gerichtet will ich sagen: Bei Ihnen ist nicht klar, was Sie jetzt eigentlich wollen. Wollen Sie die Grundsteuer komplett abschaffen?
(Beifall des Abg. Udo Stein AfD – Oh-Rufe von der AfD – Zurufe von der AfD, u. a. Abg. Udo Stein: Ge nau! – Abg. Andreas Stoch SPD: Das interessiert doch niemanden!)
(Zurufe von der AfD, u. a. Abg. Hans Peter Stauch: Wir haben doch volle Kassen! – Gegenruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Ja, super! Ein Treppen witz! – Abg. Winfried Mack CDU zu Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Die wissen doch gar nicht, was sie wollen!)
Dann hört Ihre Beschreibung aber auch schon auf; denn Sie sagen nicht, wie wir 1,8 Milliarden € allein in Baden-Würt temberg ersetzen sollen. Das ist nicht durchdacht. Das ist ein fach nur Populismus, meine Damen und Herren.
(Beifall bei den Grünen, Abgeordneten der CDU so wie der Abg. Andreas Kenner SPD und Daniel Kar rais FDP/DVP – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE zu Abg. Anton Baron AfD: Da muss er selbst lachen! – Gegenruf des Abg. Anton Baron AfD: Der Wald! – Gegenruf des Abg. Reinhold Gall SPD: Der lacht im mer!)
Einerseits betrifft die Grundsteuer alle, wenn es um das Zah len geht, aber andererseits profitieren auch alle von der Grund steuer.
Denn ohne die Grundsteuer, die konjunkturunabhängig ist, könnten unsere Kommunen viele Leistungen der Daseinsvor sorge nicht zur Verfügung stellen. Denken Sie an Kindergär ten, Schulen, eine funktionierende Infrastruktur, Parks, Bü chereien, Volkshochschulen, Kulturangebote, Schwimmbäder und auch an viele wichtige Angebote für Seniorinnen und Se nioren.
Meist ist es so: Das, was vor Ort vorgehalten wird, ist immer selbstverständlich. Erst dann, wenn es darum geht, ob wir uns das in Zukunft noch alles leisten können, merken viele Men schen,
(Abg. Anton Baron AfD: Schauen Sie sich doch ein mal Ihre Steuermehreinnahmen an! – Zuruf des Abg. Stefan Räpple AfD)
wie essenziell es ist, dass die Kommunen finanziell gut und verlässlich ausgestattet sind, damit sie diese wichtigen Auf gaben der Daseinsvorsorge erfüllen können, meine Damen und Herren.
Es gab vor einem guten Jahr ein Urteil des Bundesverfas sungsgerichts, wonach das jetzige Bewertungsgesetz nicht mehr verfassungskonform ist. Das ist auch relativ leicht nach vollziehbar; denn zur Bemessungsgrundlage gehören die Ein heitswerte, und diese stammen in den neuen Bundesländern aus den Dreißigerjahren und in den alten Bundesländern aus den Sechzigerjahren. Dass das der heutigen Wertentwicklung nicht mehr entspricht, ist ja wohl offensichtlich.
Deshalb: Es kann nicht alles beim Alten bleiben. Wenn wir es nicht hinbekommen, wenn die Bundesregierung es nicht hin bekommt, zeitnah einen Gesetzentwurf vorzulegen, dann be steht tatsächlich die Gefahr, dass es die Grundsteuer als wich tige kommunale Einnahmequelle ab dem 1. Januar nächsten Jahres nicht mehr gibt. Das können wir alle uns nicht leisten, meine Damen und Herren.
Nein, jetzt nicht. Ich muss erst einmal meine Ausführungen weiterführen. Dann erübrigt sich vielleicht auch die eine oder andere Frage.
(Oh-Rufe von der AfD – Abg. Anton Baron AfD: Drei Monate haben Sie gebraucht, um die Große Anfrage zu beantworten! – Zuruf des Abg. Daniel Rottmann AfD)
Das Bundesverfassungsgericht hat – das ist unüblich – zwei Fristen gesetzt. Frist Nummer 1: Bis Ende dieses Jahres muss ein Gesetz beschlossen sein. Frist Nummer 2: Wir haben dann noch bis Ende 2024 Zeit, diese gesetzliche Grundlage umzu setzen. Vielleicht denken nun viele, das ist ewig viel Zeit. Die ser Zeitraum ist aber in Anbetracht der Aufgaben, die dann folgen, wirklich sehr kurz.
Insgesamt geht es um 35 Millionen wirtschaftliche Einheiten – in Baden-Württemberg um 5,5 Millionen. Egal, welches Modell der Grundsteuer in Zukunft beschlossen wird, müssen erst mal alle Eigentümerinnen und Eigentümer ermittelt wer den. Sie müssen angeschrieben werden, und sie müssen An gaben zur jeweiligen wirtschaftlichen Einheit machen. Allein das ist sehr zeit- und personalaufwendig.
Der Bundesfinanzminister hat ausrechnen lassen, dass bun desweit, egal, welches Modell einer Grundsteuer es in Zukunft geben wird, 2 200 Finanzbeamte benötigt werden, um diese 35 Millionen wirtschaftlichen Einheiten neu zu bewerten.
Meine Damen und Herren, wir stehen unter extremem Zeit druck. Vor allem die Bundesregierung steht unter extremem Zeitdruck. Wir tun alles, damit die Grundsteuer auch in Zu kunft erhalten bleibt. Wir haben aber nicht erst jetzt damit an gefangen. Vielmehr wird die Debatte, wie gesagt, schon sehr lange geführt. Im Bundesrat hat deshalb bereits im November 2016 ein neues Grundsteuermodell, das sogenannte Kosten wertmodell, eine breite Mehrheit gefunden. Die Finanzminis ter und -ministerinnen der Länder haben sich bereits Ende 2016 im Bundesrat auf ein Modell verständigt, weil klar war, dass die jetzige Grundsteuer in ihrer Bewertung aller Voraus sicht nach nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entspricht.