Nächster Punkt: Die Region Stuttgart mit 2,8 Millionen Men schen ist größer als sechs unserer deutschen Bundesländer. Die Regierungserfahrung einer Frau Kramp-Karrenbauer ent spricht etwa der Regierungserfahrung in einem großen Land kreis hier in Baden-Württemberg. Diese Landkreise haben al le auf doppelte Buchführung umgestellt.
Der allerletzte Punkt: Wir haben vom Finanzministerium ge lernt, dass wir eigentlich alles haben, um doppelte Buchfüh
rung zu betreiben. Alle Elemente sind vorhanden, nur wollen wir sie nicht gesetzlich verankern. Meine Damen und Herren, meine Kollegen Abgeordneten, das hinterlässt bei mir ganz große Fragezeichen.
(Beifall der Abg. Anton Baron und Bernd Gögel AfD – Abg. Jonas Weber SPD: Tosender Applaus von zwei Abgeordneten!)
Gibt es weitere Wortmel dungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Aussprache tat sächlich beendet.
Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 16/6080 zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Finanzen zu über weisen. – Damit sind Sie einverstanden. Das ist so beschlos sen.
Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Mi nisteriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau – Evaluation des Bildungszeitgesetzes – Drucksache 16/2152
Auch hierzu gibt es für die Begründung fünf Minuten extra; für die Aussprache sind fünf Minuten je Fraktion vorgesehen.
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, Kolleginnen und Kollegen! Es ist spät. Das ist der letzte Tagesordnungspunkt mit Redezeit, aber er ist wichtig. Wich tig ist, dass wir heute über dieses Thema sprechen, und zwar noch bevor die Wahl stattfindet.
Wenn ich ehrlich bin, wundert es mich manchmal schon, was sich insbesondere die Grünen alles erlauben können, ohne dass es einen Aufschrei in der Öffentlichkeit gibt. Eigentlich ist das wirklich eine Täuschung der eigenen Basis, über einen Koalitionsvertrag abstimmen zu lassen, ohne die Basis darü ber zu informieren, dass es in geheimen Nebenabreden noch weitere, zum Teil sehr brisante Informationen gibt – so ge schehen etwa mit Blick auf das Bildungszeitgesetz BadenWürttemberg. Da haben Sie vorab in Geheimabsprachen mög liche Einschnitte in die politische Bildung vereinbart.
Im Raum steht aktuell aber nicht nur die Frage einer Täu schung der eigenen Parteibasis, sondern auch einer möglichen Täuschung der Wählerschaft. Seit März liegen die Ergebnis se der Evaluation vor. Wir wissen aber bis heute nicht, was die Wirtschaftsministerin nun damit macht.
Vordergründig geht es darum, nun noch Stellungnahmen ein zuholen. Aber wen haben Sie dabei eigentlich alles einbezo gen, Frau Ministerin? Ich selbst habe mit der Friedrich-EbertStiftung als einem maßgeblichen Bildungsträger telefoniert – sie war nicht einbezogen. Wer also dann, und wer vielleicht auch nicht?
Die Fragen sind drängend. Erhalten Sie das Bildungszeitge setz Baden-Württemberg in der vorliegenden Form? Oder werden Sie tatsächlich die angedrohten Einschnitte im Be reich der nicht beruflichen Bildung durchführen? Wollen Sie
wirklich ehrenamtliche Qualifizierungen beschneiden, indem Sie etwa einer Empfehlung des Umfrageinstituts folgen und einen Eigenanteil der Teilnehmenden einfordern?
Eigentlich schwer vorstellbar, würden Sie damit doch Ihre Sonntagsreden von der Stärkung des Ehrenamts in diesem Land völlig bloßstellen.
Wollen Sie wirklich Eingriffe in die politische Bildung vor nehmen, und das in einer Zeit, in der europaweit übelste Rechtsradikale Tag für Tag ihr Gift und Fake News verbrei ten?
In der Folge wären beispielsweise Seminare des DGB wie et wa „Rechtspopulismus – und sein Frauenbild“, aber auch „Mitbestimmung 2035“ oder das „Kommunalpolitische Se minar“ nicht mehr bildungszeitfähig.
Sie würden sich damit aber nicht nur gegen die Gewerkschaf ten stellen. Hinter dem Bildungszeitgesetz steht ein breites Bündnis von Naturfreunden, Landesfrauenrat, Landesjugend ring, kirchlicher Erwachsenenbildung oder auch Landfrauen und Arbeiterwohlfahrt.
Ich freue mich an dieser Stelle außerordentlich, dass u. a. der Landesbezirksleiter von ver.di, Kollege Martin Gross, diese Debatte verfolgt.
In einer auch von ver.di unterstützten Broschüre des Bündnis ses Bildungszeit ist zu lesen – ich zitiere –:
Mit dem Bildungszeitgesetz werden die Menschen in ih rer Partizipationsfähigkeit durch politische Bildung ge stärkt. Sie werden befähigt, sich in einer kulturell, religi ös und wertemäßig pluralen Gesellschaft zu orientieren.... Insbesondere die politische Bildung stärkt die aktive Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in Gesellschaft und Staat und leistet damit einen wichtigen Beitrag für ein funktionierendes demokratisches Gemeinwesen.
Ich frage insbesondere Sie, Kolleginnen und Kollegen der Grünen: Wollen Sie ernsthaft im Jahr 2019 an diese Zielset zungen die Axt anlegen? Insbesondere die Menschen in den Betrieben wollen wissen, wie Sie dazu stehen, und zwar vor der Wahl.
Nur einem Drittel der Beschäftigten – so das Ergebnis Ihrer Umfrage – ist die Bildungszeit bekannt. Meine Frage an die Wirtschaftsministerin, aber auch an die Koalitionsparteien: Sind Sie bereit, das Bildungszeitgesetz mit einer Werbekam pagne bekannter zu machen?
25 % der Teilnehmenden gaben weiter an, dass es zu Streitig keiten im Unternehmen kam. Wie steht die Landesregierung dazu? Was sagen Sie zu der Empfehlung des Umfrageinsti tuts, dass Bildungszeit abgelehnt werden soll, wenn die Maß nahme beispielsweise von einer Gewerkschaft finanziert wird? Das wäre unseres Erachtens ein massiver Angriff auf die Ge werkschaften. Wie ist die Position der Landesregierung dazu?
Weiter steht im Raum, dass Kleinunternehmen in Zukunft im Falle einer Ablehnung diese nicht mehr schriftlich vornehmen müssen. Soll das dann durch Zuruf auf dem Gang erfolgen? Welche Möglichkeiten hätten Beschäftigte dann, dagegen vor zugehen?
Die Position der SPD-Fraktion ist weiterhin eindeutig: Wir fordern, die Bildungszeit bekannter zu machen. Wir wenden uns entschieden gegen jeden Versuch, bei der politischen Bil dung oder bei der ehrenamtlichen Qualifizierung Einschnitte vorzunehmen.
Aber ich frage Sie, Kolleginnen und Kollegen von den Grü nen: Wie stehen Sie dazu? Und ich frage Sie, Frau Ministe rin: Was sind Ihre Pläne? Die Beschäftigten im Land wollen Antworten, und zwar heute und nicht erst nach der Wahl.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Baden-Württemberg ist ein dynami scher Wirtschaftsstandort, und die Art, wie wir arbeiten, ver ändert sich. Die Veränderung ist natürlich nicht nur technolo gisch – darüber reden wir allerdings sehr häufig –, sie betrifft z. B. auch die Verantwortung, die die einzelnen Arbeitneh merinnen und Arbeitnehmer tragen. Es geht um Entschei dungsfelder, die es früher nicht gab, die heute aber zu ihrem Job gehören. Für diese Jobs der Zukunft müssen die Arbeit nehmerinnen und Arbeitnehmer kompetent sein, und daran ar beiten wir.
Darum ist für meine Fraktion klar: Ein dynamischer Wirt schaftsstandort braucht mehr Weiterbildung. Dazu trägt das Bildungszeitgesetz bei, und das zeigt auch die Evaluation, die wir heute hier im Plenum besprechen.
Die Evaluation des Bildungszeitgesetzes ist jetzt vorgenom men worden. Warum haben wir das gemacht? Wir hatten es tatsächlich im Koalitionsvertrag so vereinbart. Sie liegt seit Mitte März vor; der Kollege hat es gesagt. Sie ist öffentlich; alle Bürgerinnen und Bürger können sie sich anschauen und bewerten.
Zum Prozess der Evaluation gab es einige Konflikte über die Form, den Zeitraum und einzelne Fragen. Auch wir haben uns damit beschäftigt. Die Frau Wirtschaftsministerin und das Wirtschaftsministerium haben danach noch mal Gespräche geführt und konnten auch einige Irritationen ausräumen. An dererseits haben sich einige Institutionen nicht an der Evalu ierung beteiligt, was natürlich schade ist. Wir wollen uns den noch mit den Ergebnissen auseinandersetzen, und wir finden dort auch wichtige Ansatzpunkte.
Die Ergebnisse der Evaluation zeigen, dass die Bildungszeit in Baden-Württemberg im Großen und Ganzen gut funktio
niert. Beispiel Inanspruchnahme: In der Evaluation ist nach der Inanspruchnahme im Jahr 2017 gefragt worden. Da war das Gesetz erst anderthalb Jahre alt. In diesem Jahr haben über 1 % der Anspruchsberechtigten die Bildungszeit wahrgenom men. Die Evaluation ergibt, dass dies im Schnitt der anderen Länder liegt. Andere Länder machen dies zum Teil aber schon seit den Siebzigerjahren. Insofern kann sich das Ergebnis in Baden-Württemberg sehen lassen. Die Bildungszeit in BadenWürttemberg ist eine ganz neue Bildungsfreistellung. Für so eine neue, noch unbekannte Pflanze ist es doch bemerkens wert, dass sich in Baden-Württemberg schon so viele An spruchsberechtigte weiterbilden wie in anderen Ländern. Das kann man der Bildungszeit positiv anrechnen.
Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bewerten das Ge setz überwiegend positiv. Sie sagen, dass sie dadurch moti viert werden, weitere Weiterbildungen zu machen. Die Bil dungszeit wird am häufigsten für die berufliche Weiterbildung und dabei gerade für Aufstiegsfortbildung genutzt, also für langfristige Weiterbildung.
Wie sehen es die Unternehmen? Dort fällt es gemischt aus. Das ist nicht weiter überraschend. Die Unternehmen, die be fragt wurden, geben durchaus positive Effekte an. Sie sagen, dass die Bildungszeit auf die Persönlichkeitsentwicklung, die Motivation und die Zufriedenheit der Beschäftigten einen po sitiven Einfluss hat. Ich finde, das ist doch eine klare Aussa ge.
Auch Unternehmen sagen, die Bildungszeit füge sich gut als unterstützendes Element für die betriebliche Weiterbildung ein. Auch das finden Sie in diesem Evaluationsbericht.
Andererseits gibt es natürlich Kritik von den Unternehmen, dass sie einen Teil der Kosten der Bildungszeit tragen, näm lich die Freistellung. Die Unternehmen sagen, sie möchten lieber, dass es ohne Kosten für sie selbst abläuft. Das ist auch schon vor dem Bildungszeitgesetz bekannt gewesen. Es ist ei ne Position, die man natürlich formulieren kann; es ist aber auch nichts Neues.
Aber was ist aus Sicht der Allgemeinheit wichtig? Da fand ich einen sehr schönen Satz in der Evaluation. Der heißt: