Protokoll der Sitzung vom 05.06.2019

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Doch!)

Nein, darin steht: Die Schülerbeförderung muss vor Ort ge regelt werden.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Richtig!)

Sie sollte am Ende vor allem kostenfrei sein. Sie sagen nicht, wie die Schülerbeförderung kostenfrei gestaltet werden soll. Das, was Sie hier mit auf den Weg gäben, wäre eine Belas tung der kommunalen Finanzen. Daher haben Sie in Ihrem Gesetzentwurf genau auf diese zentrale Frage keine Antwort gegeben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Zum Abschluss möchte ich noch ein Zitat aus der Stellung nahme zu dem Gesetzentwurf anführen. Da heißt es:

Letztlich sind nicht die Schulart, deren Bezeichnung oder schulstrukturelle Fragen entscheidend, sondern das je weilige Konzept. Hier sind die bestehenden Ansätze der individuellen Förderung, des längeren gemeinsamen Ler nens und des binnendifferenzierten Unterrichts, wie sie im Rahmen der Gemeinschaftsschule erfolgreich umge setzt werden, zu beachten und als Maßstab, der sich be währt hat, zugrunde zu legen.

Das sagt der Baden-Württembergische Handwerkstag. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Martin Grath GRÜNE: Bravo!)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Haser das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute reden wir zum zwei ten Mal über den Gesetzentwurf der FDP/DVP, der es Schü lerinnen und Schülern der Haupt- und Werkrealschulen er möglichen will, zeitweise in Berufsschulen unterrichtet zu werden. Abgesehen davon, dass wir, wie es Kollegin Boser schon ausgeführt hat, die praktische Umsetzung infrage stel len – wie sollen z. B. 13-Jährige nur für einen kurzen Zeit raum statt in der Stadt A in die Werkrealschule in die Stadt B in die Berufsschule gehen? –, liegt der inhaltliche Ansatz des Gesetzentwurfs knapp daneben.

Das Gute an diesem Gesetzentwurf ist aber, dass er uns die Möglichkeit gibt, eine wichtige und sehr einfache Botschaft zu senden: Die Haupt- und Werkrealschulen sind quickleben dig. Sie sind ein wichtiger Baustein unserer Bildungsarchitek tur, und wir werden weiter daran arbeiten, dass es auch so bleibt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Jeden Tag! Sehr gut!)

Der Ansatz Ihres Vorstoßes ist richtig, die Lösung aber ist falsch. Denn die Übergänge in Beruf und Ausbildung aus den Haupt- und Werkrealschulen heraus scheitern ja nicht an feh lender Orientierung, sondern sie scheitern am Rechnen, am Lesen, am Pünktlich-zur-Arbeit-Kommen und an dem, was man gemeinhin Sozialverhalten nennt.

(Zuruf des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Dass Sie sich ausgerechnet da die Haupt- und Werkrealschu len ausgesucht haben, um über berufliche Orientierung zu re den, wundert mich. Genau dort gibt es ja Werkstätten in den Schulen, handwerklichen Unterricht. Da wird Alltagskompe tenz zwar nicht als Fach, aber fächerübergreifend thematisiert.

Und wer hat denn auch bei Ihnen im Wahlkreis Kooperatio nen mit der Wirtschaft? Das sind doch die Haupt- und Werk realschulen; das sind in der Regel eben nicht die Gymnasien.

Jeder aus diesen Schulen, der geradeaus laufen kann, wird von den Betrieben mit Handkuss genommen, und er wird weiter

gefördert. Die Betriebe leisten durch ihre duale Ausbildung wertvolle Arbeit – nicht nur für sich, sondern auch für die ih nen anvertrauten jungen Menschen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen)

Aus denen wird dann ja auch etwas.

Ich war in der letzten Woche bei einem Mittelständler, der un ersetzbare Teile für die weltweite Chipproduktion herstellt. Auf die Frage, was er denn studiert habe, sagte er mir: „Ich bin Kfz-Mechaniker.“ Er hat alles, was ein Unternehmer braucht: Er weiß, wie man Probleme löst, er weiß, dass Umsatz nicht gleich Gewinn ist, und er kann gut mit Menschen umgehen. Das genügt, um weltweit erfolgreich zu sein. Solche Fertig keiten lernt man auf jeder Schule, wenn man mit Menschen zu tun hat, die an einen glauben.

Umgekehrt wie von der FDP/DVP vorgeschlagen wird doch ein Schuh aus der Sache. Teuer für den Staat und bitter für den jungen Menschen selbst ist nicht, wenn jemand als 13-Jähri ger nicht weiß, ob er Zimmermann, Schreiner oder Metzger werden soll. Teuer ist es vielmehr, wenn ein 15-Jähriger im mer noch keinen Brief schreiben und immer noch keine Mehr wertsteuer ausrechnen kann.

Teuer ist es auch, wenn junge Menschen erst Abitur machen, dann überlegen, was sie damit anfangen sollen, danach erst einmal in Australien über ihre Zukunft nachdenken,

(Heiterkeit des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

anschließend irgendetwas aus dem Bauchladen von 13 000 Studiengängen in Deutschland herausziehen und schließlich nach drei Jahren Studium merken, dass sie eigentlich schon immer Altenpfleger werden wollten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Sandra Boser GRÜNE – Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch: Was gut ist!)

Über das Thema Berufsorientierung werden wir in diesem Haus noch oft sprechen. Sie wissen selbst, dass wir diesbe züglich große Schritte getan haben, an allen Schularten. Aber Ihr Gesetzentwurf wird dazu keinen Beitrag leisten. Deswe gen lehnen wir ihn ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sehr gut!)

Für die AfD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Balzer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen Abgeordnete! Die Grundtendenz dieses Gesetzentwurfs, die Stärkung des beruf lichen Bezugs, des Praxisbezugs, ist grundsätzlich durchaus zu befürworten.

(Beifall des Abg. Klaus Dürr AfD)

Doch die Werkrealschule, die nach dem Willen der Freien De mokraten durch eine berufliche Realschule ersetzt werden soll, hat bereits eine starke berufliche Orientierung – auch die Hauptschule. Wozu dann dieser Gesetzentwurf?

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Ich erkläre es Ih nen!)

Sie haben schon im Ausschuss versucht, das zu erklären, und es ist misslungen.

(Heiterkeit und Beifall bei der AfD – Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Sie sind für die besten Argumente nicht zugänglich!)

Durch das Wiederholen – das wissen Sie als Lehrer doch auch – ändert sich nicht der Inhalt, sondern nur die Tiefe des Ler nens.

Der Gesetzentwurf der FDP/DVP würde die Berufsfachschu len, die erfolgreiche Wirtschaftsschule, die zweijährige Be rufsfachschule Metall, die zweijährige Berufsfachschule Elek tro, belasten und würde Schüler dort abziehen.

Wir hätten in Zukunft eine Aufteilung, die noch weiter aufge splittet wäre – wir haben uns eben im Kleinen schon darüber unterhalten –: Wir hätten dann die berufliche Realschule, die „normale“ Realschule, die Gemeinschaftsschule, die Berufs fachschule, das berufliche Gymnasium, das „normale“ Gym nasium usw.

Mit Ihrem Gesetzentwurf würden die bewährten Schulen – Realschule und Berufsschule – kannibalisiert. Das ist relativ leicht vorhersehbar, da die Anzahl der Schüler zwar natürlich ein bisschen ansteigt, aber nicht in diesem Maß.

Wir hingegen möchten die bewährte Realschule und die be ruflichen Schulen erhalten respektive stärken.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Meine Damen und Herren, wo liegen die Probleme in der schulischen Wirklichkeit? Sie sind doch nicht in den vielen Schularten zu suchen. Problematisch hingegen sind das man gelnde Leistungsniveau und die mangelnde Aufmerksamkeit. Ein Ansatz zur Lösung könnte die Rückführung der Fächer verbünde sein, um die Werkrealschulen und die Hauptschu len, die es noch gibt, wieder zu leistungsorientierteren Schu len zu machen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Zwei Beispiele: MNT, Materie – Natur – Technik, so heißt ein Schulfach. Dabei werden Fächer miteinander verbunden, die nicht wirklich etwas miteinander zu tun haben: Physik, Che mie und Biologie. Das sollte wieder getrennt unterrichtet wer den.

Noch krasser ist das Fach MSG: Musik – Sport – Gestalten. Was, bitte, hat der Musikunterricht mit dem Sportunterricht zu tun?

(Abg. Klaus Dürr AfD: Nichts!)

Oder auch WZG, Welt – Zeit – Gesellschaft. Es ist, sagen wir es einfach einmal auf gut Badisch-Ehrlich, doch so: Wer ei nen Plattfuß hat, der kann vielleicht singen, und jemanden, der nicht singen kann, den kann man auch irgendwie durch winken.

Meine Damen und Herren, wir sollten hier ein Mindestmaß an Leistungsgedanken und Leistungserwartung beibehalten.