Protokoll der Sitzung vom 05.06.2019

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wie keine andere Fraktion in diesem Parlament haben die Grünen in der vergangenen Legislaturperiode ihr bildungspo litisches Hauptziel, die eine Schule für alle, vorangetrieben. Im grünen Zukunftskonzept für die baden-württembergischen Schulen sind die Haupt- und Werkrealschulen schlicht nicht mehr vorgesehen.

Für die Lehrerinnen und Lehrer an den Haupt- und Werkreal schulen ist jedoch viel ärgerlicher, dass weder die CDU-Frak tion noch die Kultusministerin aktuell den Mut aufbringen, unseren Gesetzentwurf wenigstens als Grundlage für einen Diskussionsprozess über die Zukunftssicherung der Haupt- und Werkrealschulen zu nehmen.

Frau Ministerin Eisenmann, Sie müssten es eigentlich besser wissen. Denn Sie brauchten sich nur mit einer Persönlichkeit zu unterhalten, deren Amtsnachfolgerin Sie werden wollen. Niemand geringerer als Erwin Teufel sagte am 2. August 2011 gegenüber der FAZ online unter der Überschrift „Ich schwei ge nicht länger“ – Zitat –:

Die Hauptschule – warum sagt das niemand?! – muss in Einheit mit der Berufsschule gesehen werden. Ich hätte überhaupt nicht die moralische Kompetenz, einem jungen Menschen mit zehn Jahren und seinen Eltern nach der Grundschule zu sagen: „Sie geben vernünftigerweise Ihr Kind lieber in die Hauptschule“, wenn das die Entschei dung fürs Leben wäre. Aber ein Hauptschüler, der hat die Möglichkeit, nach der Hauptschule an einer zweijährigen Berufsfachschule auf seine Begabung bezogen zur mitt leren Reife zu kommen.

(Beifall des Abg. Dr. Rainer Balzer AfD – Abg. Rai mund Haser CDU: Das wichtige Wort ist „nach“! Nicht während!)

Er hat die Möglichkeit, zu einem beruflichen Abitur zu kommen.

Noch einmal an die CDU-Fraktion zum Mitschreiben:

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Langsam!)

Erwin Teufel ist der Überzeugung, dass die Hauptschule in Einheit mit der Berufsschule gesehen werden muss.

(Abg. Raimund Haser CDU: Und er hat „nach“ ge sagt!)

Nichts anderes ist das Anliegen der FDP/DVP-Fraktion mit unserem Gesetzentwurf zur beruflichen Realschule.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die heutige Debatte zeigt einmal mehr: Im Landtag von Baden-Württemberg gibt es der zeit nur eine einzige demokratische Fraktion, die sich ohne Wenn und Aber für ein leistungsorientiertes, ausdifferenzier tes Bildungssystem einsetzt,

(Abg. Raimund Haser CDU: Das ist die CDU!)

nämlich die FDP/DVP.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Ja, ja! – Zuruf des Abg. Gerhard Kleinböck SPD)

Wir wollen für jedes Kind in unserem Land die passende Schule und nicht die eine Schule für alle.

(Zuruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Deshalb sind für uns die Haupt- und Werkrealschulen auch in Zukunft unverzichtbar. Denn sie haben über Jahrzehnte be wiesen, dass sie ein entscheidender, weil sehr erfolgreicher Baustein in unserem Bildungswesen sind. Wir werden auch weiterhin für diese Schulart kämpfen.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Raimund Haser und Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! – Abg. Rai mund Haser CDU: Für das Protokoll: Wir haben bei de „Jawohl!“ gesagt!)

Für die Landesregierung er teile ich das Wort Frau Ministerin Dr. Eisenmann.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie ich schon bei der ersten Lesung sagte, begrüße ich es außerordentlich, dass wir uns mit den Haupt- und Werk realschulen, einer wichtigen Schulart in Baden-Württemberg, befassen, die es auch wahrlich verdient hat, dass man ihr Auf merksamkeit zukommen lässt.

Herr Kern, ich frage mich schon, wenn es Ihnen und der FDP/ DVP so ganz entscheidend darum geht, die Haupt- und Werk realschulen zu stärken, in die Zukunft zu führen, ein Bekennt nis abzugeben, wieso Sie sie dann in „Berufliche Realschu len“ umbenennen wollen,

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Ja! Das steht im Gesetz!)

den Begriff „Realschule“ benutzen und sich nicht zum Begriff „Haupt- und Werkrealschule“ bekennen. Dadurch entsteht der Eindruck, dass ein Etikettenschwindel vorgenommen werden soll. Das finde ich schade.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU – Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Die Begründung steht im Gesetz!)

Ich hatte gestern – während Sie Erwin Teufel lasen – ein Ge spräch mit gut 30 Haupt- und Werkrealschullehrkräften sowie -rektorinnen und -rektoren, um über die Zukunft der Haupt- und Werkrealschulen zu sprechen. Vor diesem Hintergrund kann man relativ deutlich ablesen: Natürlich sind der Ansatz und die Zielrichtung Ihres Gesetzentwurfs in dem Sinn, die berufliche Orientierung zu stärken, der richtige Weg.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Hört, hört!)

Damit haben wir auch begonnen. Sie wissen, dass wir in ver schiedenen Modellregionen gemeinsam mit der Agentur für Arbeit Berufsberatung an den Schulen machen, Berater vor Ort sind, die Schülerinnen und Schüler dort abholen, wo sie sich wohlfühlen – im schulischen Umfeld –, und dass die Schulen rückmelden, dass dies sehr, sehr gut angenommen wird, den jungen Menschen Selbstsicherheit gibt. Deshalb stimme ich Ihnen zu, wenn Sie sagen: Man holt die berufliche Orientierung in die Schulen.

Auch Berufsbegleitung, vielleicht auch Karriereplanung, wie es manche nennen, an diese Schulen zu holen, ist mit Sicher heit der richtige Weg.

Der falsche Weg hingegen ist: Sie transportieren die Schüle rinnen und Schüler gerade im ländlichen Raum an Berufs schulstandorte, die zum Teil weit entfernt sind, was in der Pra xis schlicht nicht umsetzbar ist. Das ist, finde ich, das Bedau erliche an Ihrem Gesetzentwurf. Ich halte ihn für nur bedingt durchdacht.

Der eine Punkt ist die Stärkung der beruflichen Orientierung, und der andere ist natürlich die Frage, wie wir die Standorte insgesamt stärken, weil wir diese Schulart als Perspektive für junge Menschen brauchen. Und wir haben immer noch Haupt- und Werkrealschulen mit 300, 400 Schülerinnen und Schülern und einer nahezu hundertprozentigen Vermittlung in eine an schließende Ausbildung. Das ist eine Qualitätsleistung, eine tolle Perspektive für das Handwerk, für viele Bereiche und gerade für die jungen Menschen.

Es ist der richtige Weg, dies zu stärken. Aber dafür brauchen wir auch diese Schulstandorte. Deshalb geht es in der Zukunft mit Sicherheit auch darum, wie wir die Schulstandorte quer durchs Land erhalten. Wir haben für das kommende Schuljahr erstmals erreicht, dass die Anmeldezahlen für die Haupt- und Werkrealschulen wieder steigen. Das heißt, wir können bei den Eltern eine leichte Trendwende in der Wertschätzung die ser Schulart erkennen. Umso wichtiger ist daher, dass wir quer durchs Land die Standorte erhalten.

Deshalb werden wir – auch das war gestern eine Rückmel dung der Lehrerinnen und Lehrer aus den Haupt- und Werkre alschulen – in ein anderes Messverfahren gehen. Wir werden uns davon lösen, in der Klasse 5 die Zahl aus dem Jahr 2016

als dauerhafte Grundlage für den Erhalt eines Schulstandorts zu nehmen, bevor wir ein Hinweisverfahren einleiten. Wir werden künftig die Klassen 5 bis 9 nehmen und daraus einen Durchschnitt generieren, um das Schulwahlverhalten besser abbilden zu können. In den Klassen 5 und 6 melden weniger Eltern ihre Kinder an, aber in den Klassen 6, 7 und 8 wird der Hauptschulstandort aufgrund von Wechseln aus anderen Schul arten wieder bedeutsam. Das ist Zukunftsstärkung der Haupt- und Werkrealschulen.

(Beifall bei der CDU)

Darüber hinaus stellt sich auch die Frage, wie wir uns das zu trauen können. Es wird ein Thema der anstehenden Haushalts beratungen sein, ein Beförderungsprogramm – nicht jedoch für alle Haupt- und Werkrealschullehrerinnen und -lehrer – zu generieren, in dem sich eine besondere Leistung, eine beson dere Unterstützung, ein besonderes Bekenntnis oder auch ei ne besondere Dauer im Schuldienst der Haupt- und Werkre alschule widerspiegelt. In solchen Fällen soll dann eine Be förderung nach A 13 möglich werden. An diesem Konzept ar beiten wir, sodass wir in den Haushaltsberatungen darüber dis kutieren können, ob wir uns dies zutrauen. Ich glaube, das ist ein Bekenntnis, das ist eine Stärkung dieser Schulstandorte.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Martin Grath GRÜNE)

Hingegen hat diese Schulart das Karren quer durchs Land und die Umbenennung in „Berufliche Realschule“, damit man ja nicht den Begriff „Haupt- und Werkrealschule“ benutzen muss, nicht verdient. Das haben die Lehrerinnen und Lehrer, die ei ne tolle Arbeit in diesen Schulen machen, und auch die Schü lerinnen und Schüler, die eine tolle Perspektive in unserem Land haben können und auch haben müssen, nicht verdient.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

In der zweiten Runde – – Okay. Die SPD hat noch Redezeit. Ich habe eine Wortmel dung von Herrn Abg. Kleinböck. – Bitte.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das haben wir al les verstanden, was er gesagt hat!)

Habt ihr schon verstanden, ja. Aber du weißt ja, manche Sachen muss man doppelt und dreifach sagen, weil das die Behaltensleistung erhöht.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Damit man es selbst versteht! – Abg. Raimund Haser CDU: Da durch werden sie aber meist nicht richtiger!)

Lieber Kollege Kern, Sie haben mich natürlich jetzt mit Ihrer Aussage provoziert, Sie wären die Einzigen hier im Haus, die sich darum kümmern würden, dass jedes Kind nach seinen Leistungen und Möglichkeiten gefördert wird.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die einzige demo kratische Fraktion!)

Wenn Sie sich einmal von Ihrem ideologischen Zwang, gegen die Gemeinschaftsschule zu sein, befreien würden, dann wür

den Sie schon sehen, dass wir hier mit der Gemeinschafts schule eine Schulart haben,