Protokoll der Sitzung vom 27.06.2019

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Danke, Herr von Eyb!)

Aber so, wie es aussieht, haben wir es tatsächlich mit einem Schläfer zu tun. Es ist ein Mensch, der über viele Jahre, so weit wir wissen, nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und plötzlich zuschlägt.

(Zuruf des Abg. Dr. Heiner Merz AfD)

Diese abscheuliche Tat darf uns nicht den Blick dafür verstel len, dass wir unsere Zukunft nur mit Besonnenheit, Überblick und großer Sachkenntnis werden gestalten können.

(Beifall des Abg. Daniel Rottmann AfD)

Aus Sicht des Generalbundesanwalts spricht vieles dafür, dass der Ausgangspunkt für diesen Mord gewesen ist, dass ein ge waltgeneigter Mensch die Hemmschwelle zur Tatbegehung überschritten hat und Motive zugrunde lagen – der Kollege hat es schon beschrieben –, weil ein in Regierungsverantwor tung stehender Mensch gezeigt hat, wie unsere Gesellschaft mehrheitlich eingestellt ist, nämlich Menschen in Not zu hel fen.

(Beifall bei der CDU und den Grünen, Abgeordneten der FDP/DVP sowie des Abg. Harald Pfeiffer AfD)

Ich bin davon überzeugt, dass unsere baden-württembergische Polizei und der baden-württembergische Verfassungsschutz

alles in ihrer Macht Stehende tun, um Vergleichbares hier zu verhindern. Im NSU-Untersuchungsausschuss haben wir ge sehen, dass auf unsere Behörden hier in Baden-Württemberg Verlass ist.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der FDP/DVP)

Aber solche Taten sind natürlich geeignet, um die Frage zu stellen: Haben wir tatsächlich genügend getan? Müssen wir unsere Polizei und unseren Verfassungsschutz nicht personell und sachlich stärken? Soweit ich das sehe, wird das hier auch getan.

Umgekehrt dürfte aber auch klar sein, dass es nicht in unse rer Macht stehen kann, zu verhindern, dass hasserfüllte Men schen irgendwann zur Waffe greifen.

Lediglich im orwellschen Überwachungsstaat wäre es mög lich, dass der Staat zu jeder Zeit an jedem Ort vertreten ist und genau weiß, was passiert. Wir sind uns doch alle darüber ei nig, dass wir das nicht wollen.

Hier haben wir es in ganz besonderer Weise mit einer soge nannten „Leaderless Resistance“ zu tun, das heißt, mit einem Widerstand gegen den Staat ohne eine starke Führungsstruk tur. Hier werden keine Bekennerbriefe ausgegeben. Das macht es unseren Behörden besonders schwer, der Vernetzung die ser politischen Gewalttaten auf die Spur zu kommen.

Das bedeutet aber auch, dass es nicht möglich sein wird, alle gefährdeten Personen tatsächlich zu schützen. Der Aufwand wäre von keinem Staat der Welt zu leisten. Darüber hinaus würde es das Leben vieler Amts- und Mandatsträger unerträg lich machen. Selbst wenn wir alle schützen würden, die ge fährdet sein könnten – das sind viele Tausende –, würden wir nicht verhindern können, dass sich Täter stellvertretende Op fer suchen.

Das heißt, wir müssen unsere Anstrengungen dort verstärken, wo der Nährboden entsteht. Wir müssen den Nährboden ent ziehen im Internet und in den sozialen Medien, wo Hetze be trieben wird, wo man sich feige hinter der Anonymität ver steckt und somit Internet und soziale Medien missbraucht.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der SPD und der FDP/DVP)

Wir müssen schon bei den Kindern und Jugendlichen in un serem Land ansetzen und diese zu digitaler Zivilcourage be fähigen. Es muss klar sein: In den sozialen Medien und im In ternet muss aktiv moderiert werden, und das wird in BadenWürttemberg auch getan.

Noch unter der Landesregierung von Günther Oettinger wur de die Initiative „Kindermedienland“ initiiert. Es geht darum, dass wir mit engagierten Trägern – es wurde im vorherigen Debattenbeitrag zum Jugendlandtag beim Thema „Medien kompetenz von Kindern und Jugendlichen“ schon angespro chen; diesen Bereich müssen wir ausbauen – dafür sorgen müssen, dass Mediensicherheit und Medienkompetenz von den jungen Menschen in unserem Land erlernt wird.

Das von unserer Fraktion inszenierte Programm „Dem Rechts staat ein Gesicht geben“ soll Schülern im Gespräch mit Jus

tizpraktikern die Grundlagen von Rechtsstaat und Demokra tie näherbringen.

Die Landeszentrale für politische Bildung ist aktiv. Es gibt Beratungsstellen und Aussteigerprogramme. Die Programme und Angebote müssen stärker als bisher in einem Aufbruch für Demokratie gebündelt werden. Die Landeszentrale für po litische Bildung bereitet gerade die neue Auflage ihrer Grund rechtefibel für Schüler der vierten Klasse vor. Ich empfehle Ihnen: Besorgen Sie sich diese; sie ist bemerkenswert aufge macht.

(Beifall des Abg. Thomas Poreski GRÜNE)

Vor wenigen Tagen haben wir – wenige Schritte von hier, im Neuen Schloss – einen Vortrag des früheren Bundesverfas sungsrichters Professor Kirchhof über das 70-jährige Beste hen unseres Grundgesetzes gehört. Wir feiern den Umstand, dass sich die Menschen in unserem Land gegen ihren eigenen Staat wenden dürfen, wenn sie meinen, in einem ihrer Grund rechte verletzt zu sein.

Es kann doch aber nicht sein, dass wir gegen eine Person, die Hass, Wut und Zerstörung das Wort redet, das gesellschaftli che Klima vergiftet und unsere Gesellschaft unter dem Deck mantel der Meinungsfreiheit spaltet, indem sie sich sozialer Medien bedient, nicht wirksam eingreifen können. Hasskom mentare dürfen nicht ungestraft verbreitet werden.

(Beifall bei der CDU, den Grünen, der SPD und der FDP/DVP sowie Abgeordneten der AfD)

Wir alle wissen: Das ist leichter gesagt als getan. Medienun ternehmen und die Strafverfolgungsbehörden sind gefordert. Großkonzerne aus Übersee müssen mithelfen, geltendes Recht durchzusetzen. Ich habe gerade eben gelesen, dass Frankreich ein Abkommen mit Facebook getroffen hat, damit die über bordenden Hasstiraden in Frankreich gestoppt werden. Wir erleben gerade, was in Frankreich los ist.

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Das Internet hilft sicherlich mit, dass sich Menschen gegen seitig aufwiegeln und dann möglicherweise auch zur Tat schrei ten.

Ich könnte jetzt noch viel zu diesem Thema sagen, will mich aber – auch der Zeit wegen – beschränken. Eines ist klar: Wir müssen wachsam bleiben, wir müssen unsere wehrhafte De mokratie verteidigen, wir müssen dort einschreiten – und zwar auch jeder persönlich –, wo wir merken, dass etwas aus dem Ruder läuft.

(Beifall des Abg. Daniel Rottmann AfD)

Dann wird nämlich denjenigen, die gern dazu neigen, auch im Privaten mal über das Ziel hinauszuschießen, klargemacht: Die Gesellschaft duldet das nicht. Wenn wir das nicht tun, werden wir eines Tages der ganzen Hetze nicht mehr Herr werden.

(Beifall bei der CDU, den Grünen, der SPD und der FDP/DVP – Vereinzelt Beifall bei der AfD – Abg. Thomas Blenke CDU: Sehr gut!)

Herr Abg. von Eyb, Herr Abg. Räpple würde gern eine Frage stellen. – Nicht.

Dann hat das Wort für die AfD Herr Fraktionsvorsitzender Gögel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zu Beginn der von den Grünen beantragten Aktuel len Debatte über Rechtsextremismus und dessen Unterschät zung habe ich heute Morgen, Herr Maier, erst einmal gedacht: Ich habe mir ein falsches Konzept erstellt.

(Abg. Alexander Maier GRÜNE: Davon bin ich über zeugt! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wie immer!)

Aber schon bald – nach der dritten Minute Ihrer Ausführun gen – war ich dann doch zufrieden. Ich war genau richtig un terwegs.

(Abg. Sabine Wölfle SPD: Das sehen wir ja!)

Ich habe schon vorhergesehen, wo Sie sich mit Ihrer Hetze gegen eine demokratisch legitimierte Partei einreihen wollen.

(Beifall bei der AfD)

Sie haben das Thema heute sorgfältig ausgesucht, um der AfD Rechtsextremismus zuschreiben zu können

(Abg. Dr. Christina Baum AfD: Pfui!)

und ihr gleichzeitig eine Mitschuld für den Mord an dem Kas seler Regierungspräsidenten Walter Lübcke unterstellen zu können.

(Abg. Dr. Boris Weirauch SPD: Genau!)

Das ist sehr abscheulich.

(Abg. Sabine Wölfle SPD: Sie bereiten den Boden dazu!)

Das passt in die gesamte derzeitige Situation in Deutschland,

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

in der der Medienhype und die Ökohysteriker uns in eine Richtung treiben wollen. Meine Damen und Herren, das las sen wir uns nicht bieten.