Wir müssen nämlich auch eine Frage klären, wenn wir diese Debatte mit diesem Titel führen: Warum ist die Gefahr größer geworden? Darauf gibt es meiner Meinung nach eine klare Antwort: Nach einer Verrohung der Sprache braucht sich nie mand über eine Verrohung der Sitten zu wundern. Wir wollen natürlich dieses Verbrechen nicht instrumentalisieren, aber wir können diese Debatte nicht führen, ohne die Rolle einer spe ziellen Partei,
eine Partei, die gegen Andersdenkende hetzt, die Verfassungs feinde in ihren Reihen duldet oder sogar in Schutz nimmt, die allen anderen gern eine Mitschuld an begangenen Verbrechen gibt, sich selbst aber lieber als Opfer von Niedertracht und Verleumdung darstellt, wenn sie selbst in Verantwortung ge nommen wird,...
... eine Partei mit Abgeord neten und auch Mitarbeitern, die Andersdenkende wahlweise – das sind Zitate – „erlegen“, „an die Wand stellen“ oder „aus dem Helikopter werfen“ wollen.
Überhaupt: Auch die Benutzung von Waffen scheint kein Ta bu mehr zu sein. Das lässt sich mit einem Beispiel aus diesem Haus untermauern. Der Abgeordnete Stauch hat z. B. am 18. Februar 2018 einen Facebook-Beitrag auf seiner Seite ge teilt. Darin steht wörtlich – ich zitiere –:
Der bewaffnete Bürger ist ein selbstbewusster Bürger. Er weiß, dass er sich nicht jederzeit oder nicht in allen La gen auf rechtzeitige staatliche Hilfe verlassen kann.
Wer auf diese Weise versucht, Selbstjustiz und den Einsatz von Waffen von Privatpersonen zu legitimieren, und damit das staatliche Gewaltmonopol anzweifelt, der bereitet den Boden für die entsprechenden Taten.
Ja, ich bin deshalb überzeugt, eine solche Partei hat natürlich auch eine Verantwortung und ja, ich sage auch, eine Mitschuld an der zunehmenden Gewalt, die wir erleben und die auch die ses Verbrechen zur Folge hatte.
Wir anderen, die Parteien und politisch Aktiven, stehen in der Verantwortung, uns das nicht gefallen zu lassen, sondern uns hinzustellen und klar zu sagen: Das darf es in einer Demokra tie, in einer wehrhaften Demokratie auf gar keinen Fall geben.
Es ist auch gut, dass wir hier in Baden-Württemberg darüber reden, denn es darf nicht als ein reines Problem Ostdeutsch lands abgetan werden, wie es manchmal leider immer noch passiert. Auch hier haben wir Erfahrungen. Ich erinnere an den Messerangriff eines Mannes in Heilbronn 2018 auf drei Männer mit Migrationshintergrund, ich erinnere an diverse Angriffe auf Asylunterkünfte im Land, die immer noch statt finden. Erst am Dienstag hat sich z. B. noch etwas Neues er eignet. Da wurde im Kreis Konstanz die Wohnung eines mut maßlichen Administrators von einer rechten Chatgruppe durch sucht.
Um bei Konstanz zu bleiben: Unsere Kollegin Nese Erikli ist gerade auch in der Presse, weil sie massiven Anfeindungen von der rechtsextremen Szene ausgesetzt ist. Deshalb möch te ich die Gelegenheit nutzen, Nese Erikli, aber auch allen, die im Land von Rechtsextremen bedroht werden, unsere volle Solidarität zu versichern.
Nein, ganz sicher nicht – auch nicht von Herrn Fiechtner und auch nicht von Herrn Merz. Das können Sie sich sparen. Sie haben nachher noch Ihre Redezeit.
Wir sehen es aber auch an der gestiegenen Zahl der Straftaten und am gestiegenen Personenpotenzial von Rechtsextremis ten in Baden-Württemberg.
Deshalb müssen die Sicherheitsbehörden noch so ausgestat tet werden, dass sie ihr Augenmerk noch einmal besonders stark auf die rechtsextreme Szene richten können. Dazu ge
hört auch, dass die offenen Haftbefehle gegen Rechtsextreme im Land mit mehr Fahndungsdruck vollzogen werden. Dazu gehört eine stärkere Schwerpunktsetzung auf die Gefährder überwachung in diesem Bereich, und natürlich muss auch Het ze vor allem im Netz deutlich konsequenter verfolgt werden.
Allerdings muss man auch sagen: Konsequente Strafverfol gung allein wird das Problem nicht lösen. Es funktioniert nur im Zusammenspiel mit Prävention. Deshalb müssen wir die politische Bildung im Land, die wir auch hier leider immer wieder verteidigen müssen, stärken.
Die Umsetzung entsprechender Landesprogramme oder Ext remismusprävention an Schulen sollten Schwerpunkte in der politischen Bildung sein. Wir haben hier mit der Landeszen trale, konex, den Demokratiezentren und vielen anderen gute Partner, die wir auch im Kampf gegen Rechts unterstützen sollen, genauso wie auch die LEUCHTLINIE, die die Bera tung für Opfer rechter Gewalt durchführt. Die sollten wir drin gend stärken. Außerdem brauchen wir eine wissenschaftliche Aufarbeitung, eine Anlaufstelle für die Erforschung und Do kumentation rechtsextremer Strukturen in Baden-Württem berg, also ein Institut. Das steht auch in den Empfehlungen der beiden NSU-Untersuchungsausschüsse. Wir müssen jetzt gemeinsam dafür sorgen, dass diese auch umgesetzt werden und nicht nur leere Floskeln bleiben.
Zum Schluss habe ich quasi noch einen Appell. Ich weiß, es ist manchmal schwierig und kostet Zeit und nervt, aber es hilft nicht, sich im Netz über Hasskommentare aufzuregen und dann einfach weiterzuscrollen. Es hilft auch nicht, den Fern seher abzuschalten, wenn in der hundertsten Talkshow wie der gegen andere Menschen gehetzt wird.
(Lachen bei Abgeordneten der AfD – Abg. Stefan Räpple AfD: Nennen Sie mal ein Beispiel! – Weite re Zurufe von der AfD)
Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem alle Menschen tatkräftig für die Werte und Ideale eintreten müssen, die ihnen wichtig sind, an dem wir herabwürdigenden Kommentaren aktiv widersprechen müssen und an dem wir Drohungen oder seelischer oder körperlicher Gewalt nicht nur mit Zorn begeg nen müssen, sondern mit aktivem Handeln. Das gilt nicht nur für Angriffe, die auf uns selbst abzielen. In Solidarität müs sen auch diejenigen verteidigt werden, die es vielleicht nicht selbst können. Deshalb müssen wir den Mut haben, uns auch zu wehren.
Wir haben auch die Grundlagen dafür, nämlich das Grundge setz, das ich Ihnen einmal ans Herz legen möchte. Sie wissen – Artikel 1 –:
Ich komme zum Schluss. – Dieses ewige, unveränderliche Versprechen des Grundgeset zes werden wir einlösen, indem wir den rechtsextremen Fein den der Demokratie, der Menschenrechte und unserer Verfas sung eine klare Antwort geben. Wir werden uns unsere offe ne Gesellschaft nicht zerstören lassen.
(Anhaltender Beifall bei den Grünen, der CDU und der SPD sowie Abgeordneten der FDP/DVP – Zuruf: Sehr gut! – Zuruf des Abg. Udo Stein AfD)
Meine Damen und Her ren, wir haben noch mehr Redner. – Als Nächster spricht für die Fraktion der CDU Herr Abg. Arnulf Freiherr von Eyb.
Sehr verehrte Frau Prä sidentin, verehrte Kolleginnen und geehrte Kollegen! Die Tö tung des Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke hat uns alle betroffen gemacht. Seinen Angehörigen gilt un ser Mitgefühl. Diese abscheuliche, durch nichts zu rechtferti gende Tat verurteilen wir aufs Schärfste.
Wir sollten jedoch zunächst die Generalbundesanwaltschaft und das BKA ihre Arbeit machen lassen und uns mit Speku lationen und Äußerungen über die Motive des Täters zurück halten. Wir haben zwar ein Geständnis, aber jeder Jurist weiß: Die Unschuldsvermutung ist erst dann aufgehoben, wenn ei ne Tat rechtskräftig verurteilt ist. Ich möchte also deshalb le diglich darum bitten, nicht bereits jetzt sämtliche Schlüsse zu ziehen. Diese können wir erst dann ziehen, wenn alle Ermitt lungen abgeschlossen wurden.