Wir möchten Kultur finanzieren, die dem Menschen, auch dem Zuschauer, dient und ihm guttut – auch dem Bürger, der sich entspannen möchte. Wir sprechen uns für eine solide und kos tengünstige Finanzierung aus.
Das gilt für den laufenden Betrieb und auch für die erforder liche Renovierung des denkmalgeschützten Gebäudes.
Die Kreuzbühne ist nicht zu finanzieren. Aber das ist auch nicht die Voraussetzung für die Qualität der Inszenierungen. Das sieht man an der Met in New York, und das sieht man auch an der Mailänder Scala: Die sind, wahrhaftiger Gott, nicht schlecht.
Die Vorstellung, dass man eine Außenwand eines 160 Jahre alten Gebäudes einfach so verschieben kann, ist bestenfalls naiv und zeigt ein eklatantes Unverständnis für Technik.
Ganz herzlichen Dank. – Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Wenn man sich Pläne und Luftaufnahmen von Stutt gart aus dem Herbst 1944 anschaut, nach den schweren Luft angriffen des Jahres, dann sieht man ein fast durchgängig zer störtes Stadtzentrum in Trümmern.
Nur ganz wenige Gebäude haben die Angriffe überstanden und stehen zwischen den ausgebrannten und zerstörten Häu sern wie in Schutt gefasste Juwelen. Dazu gehören der Turm der Stiftskirche und das Opernhaus von Max Littmann. Wäh rend das direkt angrenzende Schauspielhaus Opfer des Bom bardements und der Flammen geworden ist, blieben das so genannte Große Haus und der Verwaltungsbau stehen und überstanden den Krieg. Mir ist das ein mahnendes Bild eines glücklichen Schicksals, das ich durchaus als Auftrag verste he.
Aber man muss gar nicht so weit zurückschauen. Wenn heu te in Fernsehsendungen aus der Landeshauptstadt berichtet wird, dann sieht man als Symbolbild im Hintergrund meist das festlich erleuchtete Stuttgarter Opern- und Balletthaus hin ter dem Eckensee. Es steht für dieses Land, für diese Stadt. Es gibt nicht viele Gebäude mit dieser Geschichte und dieser Symbolkraft.
Schon 1924 ist es unter Denkmalschutz gestellt worden, und bis auf die ganz kurze Nachkriegszeit, als die amerikanischen Besatzer das Haus als Club nutzten, war dieses Gebäude ei nes: Theater.
Als vor 40 Jahren, 1984, die letzte wichtige Restaurierung ab geschlossen wurde, sprach der damalige Ministerpräsident Lo thar Späth von der notwendigen „Sicherung der Vergangen heit, um weitere Schritte in die Zukunft gehen zu können“.
Und er sagte: „Die Politiker müssen diese Räume zur Verfü gung stellen“, und zwar in dem Sinn, dass wir „den Künstlern die Freiheit dazu geben, diese Räume zu nutzen“. Auch das verstehe ich weiterhin als Auftrag.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Haus, das der inter national anerkannten Staatsoper und dem weltweit bekannten Stuttgarter Ballett gewidmet ist, ist nicht nur ein Gebäudebe stand, sondern ein Wahrzeichen dieses Landes. Wir haben ei ne Verantwortung dafür. Zugleich ist es eine höchst innova tive und lebendige Exzellenzeinrichtung, die international strahlt. Wir haben es gehört: Heute sind die Württembergi schen Staatstheater mit rund 1 400 Beschäftigten eines der größten Dreispartenhäuser der Welt, und es ist die größte Kul tureinrichtung des Landes Baden-Württemberg und der Lan deshauptstadt Stuttgart.
Es ist, was die Akustik und die Bühnenwirkung angeht, noch immer von höchster Qualität, ebenso wie seine künstlerischen Ensembles.
Ich weiß, dass Sie, lieber Herr Rivoir, und viele von Ihnen hier im Raum aus eigener Anschauung bestätigen können, auf was für einem herausragenden Niveau hier gespielt, getanzt, ge sungen, musiziert und interpretiert wird. Rund 430 000 Men schen strömen jedes Jahr in die Vorstellungen der Staatsthea ter; auch das sollte man bei Diskussionen wie dieser im Blick haben. Das ist keine kleine Gruppe, das sind viele. Und wer mal versucht – anscheinend außer Herrn Balzer –, privat für das Stuttgarter Ballett Karten zu bekommen, der weiß, wie beliebt das Haus ist. Das gilt für alle Arten der Inszenierun gen, nicht nur für John Cranko.
Für diesen Erfolg arbeiten – ich habe es vorhin schon gesagt – 1 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter täglich Hand in Hand, gemeinsam mit künstlerischen Gästen aus aller Welt, um einzigartige Inszenierungen zu erschaffen. Es ist schon ge sagt worden: Sie machen das zum Teil unter Arbeitsbedingun gen, die wir uns alle hier nicht wünschen. Sie kennen die Räu me ohne Fenster, die alten Technikanlagen, die maroden Flu re. Erst vor wenigen Wochen ist in der Herren-Sologarderobe der Fußboden in Teilen durchgebrochen.
Es muss klar sein: Jede weitere Verzögerung löst kein Prob lem, sondern verschärft es. Diese Modernisierung und Erwei terung ist nicht nur ein Projekt für unsere Generation. Es ist ein Vorhaben, das in die Zukunft ausstrahlt.
Liebe Damen und Herren, wir haben hier gestern ziemlich um fassend über den Wirtschaftsstandort und den Anspruch, den wir haben, gesprochen. Ich teile übrigens die Bedenken und Sorgen ausdrücklich, genauso wie den Blick auf die Chancen, die wir hier aufgrund der hohen Forschungs- und Innovati
onskraft haben. Aber ein Standort zeigt seine Exzellenz und Qualität auch darin, wie er mit Kunst und Kultur umgeht. Wenn wir den Anspruch aufgeben, dass die am weitesten strahlende Kultureinrichtung dieses Landes nicht auf bestem Niveau arbeiten kann, dann ist das kein gutes Signal und die sem Land und seinen Potenzialen nicht angemessen.
Aus all diesen Gründen haben wir in den letzten Jahren in ei nem geordneten und geregelten Verfahren im Verwaltungsrat, in dem alle Fraktionen, die hier vertreten sind, an einem Tisch sitzen, gemeinsam mit der Stadt Stuttgart intensiv und sehr sorgsam Sanierungs- und Erweiterungsbedarfsalternativen und -optionen geprüft, bis das jetzige Umsetzungskonzept stand. Bis heute liegt kein besserer, schnellerer, billigerer Vor schlag vor als der, der vom Verwaltungsrat des Staatstheaters beschlossen worden ist. Auch heute habe ich nichts davon ge hört.
Natürlich ist nichts, was wir beschlossen haben, alternativlos, aber eine Alternative muss eine bessere Option eröffnen, sonst macht sie keinen Sinn.
Jetzt schauen wir uns die Alternativen, die heute genannt wor den sind, an. Lieber Herr Rivoir, ich weiß ja, Sie sind dem Haus und dem Projekt im Großen und Ganzen verbunden, aber auch Sie können der Versuchung nicht widerstehen, po pulistisch Zahlen in den Raum zu werfen, die jeglicher Grund lage entbehren. Wir wissen momentan tatsächlich nicht, wie hoch die Kosten sind. 2 Milliarden € ist eine Schätzung aus der Presse. Ich kann dazu nichts sagen, weil ich nicht weiß, auf welcher Basis diese Schätzung erfolgt ist. Ich kann sie nicht bestätigen; man sollte mit dieser Zahl vorsichtig sein.
Es stimmt auch bei allen Verzögerungen und Schwierigkei ten, die wir haben – und auch dazu komme ich nachher – nicht, dass der Start 2044 ist. Da haben Sie jetzt glatt noch einmal drei Jahre draufgelegt.
Bleiben wir bei den Fakten, und schauen wir uns an, was pas siert. Mein Zeitlauf spielt vom Umzug 2041, ich weiß nicht, wie Sie auf 2044 kommen.
Sie haben fürs Gelingen plädiert, und Sie haben den Vorschlag gemacht: Wir machen ein Moratorium und prüfen, wo geeig nete Standorte in der Stadt sind und wie wir einen Neubau re alisieren können, weil das am Ende günstiger und schneller wird.
Fangen wir mal an mit „schneller“: Wir haben 19 Standorte ernsthaft und intensiv auf das Potenzial geprüft, ob sie für ein Ausweichquartier oder einen Neubau zur Verfügung stehen
würden. Wir haben uns das Thema Schule angeschaut, und wir haben uns auch andere Dinge angeschaut, jetzt über 15 Jahre. Ich habe nicht gesehen, dass die Stadt Stuttgart durch einen Bombeneinschlag plötzlich Grund und Boden bekom men hätte, auf dem man neuerdings bauen könnte, wo man vor fünf Jahren noch nicht bauen konnte. Sie haben gesagt, seit fünf Jahren habe sich die Welt verändert. Ich sehe das hier nicht; es gibt diesen Grund und Boden nicht.
Wenn die Stadt Stuttgart entscheiden würde, dass sie das Kö nigin-Katharina-Stift Gymnasium hier nebenan abreißen will, dann muss erst eine neue Schule gebaut werden. Also, wir bauen eine neue Schule, deren Standort wir noch nicht haben. Wir finden einen Standort für eine neue Schule, wir bauen ei ne neue Schule, wir reißen eine Schule ab, und dann machen wir die Planung für den Bau hier, und dann realisieren wir hier einen Neubau. Wie das schneller gehen soll, muss mir jetzt noch jemand vorrechnen. Ich glaube, dass es nicht schneller geht. Es geht nicht schneller.
Stichwort „billiger“: Wir haben dann einen Neubau hingebaut, an dem nur noch die Oper spielt, und das Ballett spielt im Litt mann-Bau. Das bedeutet, wir brauchen zwei Orchester: eines für die Oper und eines für das Ballett. Wir brauchen eine min destens doppelt so große Ballettkompanie; denn das Ballett soll ja dann jeden Abend tanzen und nicht mehr nur in den Zeiten, die es bis jetzt hat. Das ist mit der Kompanie nicht zu machen. Wir brauchen zwei Teams für die gesamte Bühnen technik, für die Garderoben, wir brauchen extra Werkstätten, wir haben höhere Energiekosten. Billiger wird ein Neubau, der parallel zum Littmann-Bau betrieben wird, der auch noch saniert werden muss – nicht vergessen: den müssen wir auch noch sanieren –, nicht.