Jetzt erteile ich – bereits an der Startrampe stehend – dem Kollegen der SPDFraktion Jonas Hoffmann das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie gesagt, wir besprechen jetzt eine Änderung des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes, des Landesverwaltungszustellungsgesetzes und des Kommu nalwahlgesetzes. Bei oberflächlicher Betrachtung kommt man zu ähnlichen Schlüssen wie meine drei Vorredner.
Es geht um die Vereinheitlichung von Bundesrecht und Erfah rungsintegration von Gesetzen, die während Corona galten, in dieses Gesetz. Aber wir machen Oppositionspolitik, und wir gehen eben in die Tiefe des Problems. Und wenn man in die Tiefe des Gesetzentwurfs hineinschaut
(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Isabell Huber CDU: Oh, oh! Wir sind aber gespannt! – Gegenruf von der SPD: Das ist spannend für Sie!)
nur die Ruhe, Kollegin –, erkennt man, dass das Ministeri um nicht verstanden hat, wie man digitalisiert. Ich mache es Ihnen an drei Punkten – selbst in diesem kleinen detaillierten Gesetz – fest:
Erster Punkt: Authentifizierung und Signierung. Wir haben es schon oft gesagt und wiederholt: Die Grundlage für eine er folgreiche Digitalisierung ist eine flächendeckend verfügba re Möglichkeit, dass sich Bürgerinnen und Bürger authentifi zieren können, also nachweisen können, dass sie die Person sind, die sie sind, und signieren können, also digital feststel len: Das, was ich hier anklicke, möchte ich wirklich. Es ist leider eine Tragik, dass wir das in diesem Land nicht haben. Das ist ein Problem, und daran sind diverse Innenminister des Bundes über Jahre hinweg gescheitert.
Wenn wir jetzt aber den Kommunen vorschreiben, dass sie genau so etwas verwenden müssen: Was machen dann die Kommunen? Sie bauen Lösungen, die für die Breite der Ge sellschaft nicht funktionieren werden. Das bedeutet, sie inves tieren in großem Umfang, und am Schluss wird das nicht ge nutzt.
Hier, Herr Minister, bitte ich Sie: Finden Sie eine pragmati sche Formulierung an dieser Stelle; denn in der Praxis – in den Kommunen und den Unternehmen – gibt es deutlich prag matischere Anwendungen, die einen ähnlich hohen Rechtssi cherheitsgrad haben wie die qualifizierte elektronische Signa tur.
Punkt Nummer 2: De-Mail. Das sagt Ihnen wahrscheinlich al len hoffentlich nichts. Ich vermute, von Ihnen hat niemand ein solches Konto, aber das schreiben wir jetzt in ein Gesetz. Das ist ein Projekt gewesen, das gescheitert ist. Der „Sachverstän dige 2013“ hat das „Bullshit made in Germany“ genannt. Die einzigen Anbieter, die das wirklich noch anbieten – – Tele kom hat es letztes Jahr eingestampft. 1&1, der andere große Anbieter, hat angekündigt, am 30. Juni den Dienst für De-Mail einzustellen. Ich verstehe, dass die CDU da jetzt nicht einge stehen möchte, dass sie die Millionen, die man in Privatunter nehmen hineingesteckt hat, damit diese eine schlechte Lösung bauen, die am Schluss einfach auch schlecht funktioniert, nicht in Gänze abschreiben will.
Verantwortung? Ich sage nur „Neuland“ dazu. Das verstehe ich. Das wäre aber ein Produkt, das am 30. Juni nächsten Jah res eingestellt wird – witzigerweise genau an meinem 40. Ge burtstag.
(Abg. Ulli Hockenberger CDU: Dann feiern Sie zwei mal! – Abg. Thomas Poreski GRÜNE: Das ist eine Verschwörung! – Weitere Zurufe, u. a.: Das ist ja der Hammer!)
Das können wir in einem Gesetz, das in die Zukunft weisen soll, nicht unterstützen, meine Damen und Herren.
Dritter Punkt: Wenn Digitalisierung, dann richtig. Sie haben es gesagt: Wir ermöglichen hier die offene Rechtslegung im digitalen Raum. Das ist an sich, oberflächlich betrachtet, auch erst einmal ganz praktisch. Wir ermöglichen den Kommunen aber nicht, auf die Papierform zu verzichten. Das bedeutet, wir haben zwei Verwaltungsprozesse, und wir haben keine Einsparungen im Prozess. Wenn die Kommunen das freiwil lig machen wollen, dann sollen sie das gern tun. Ich denke, wir kommen hier mit einer digitalen Lösung weiter.
Jetzt wird gern auch der Satz bemüht, wir müssten alle Men schen mitnehmen. Ja, als Sozialdemokrat stehe ich genau da für: Wir müssen alle Menschen mit in die Zukunft nehmen. Wir müssen mit den Menschen Lösungen erarbeiten, wie wir das schaffen. Es ist aber keine Lösung, einfach in der Vergan genheit stehen zu bleiben. Deswegen auch hier: Bitte digita lisieren Sie richtig.
Zum Schluss: Ich bin gespannt, ob unsere Anmerkungen hier dann auch in der Fachdebatte im Ausschuss die eine oder an dere Erkenntnis hervorrufen.
Ich wünsche Ihnen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ei ne gute Weihnachtspause. Hoffentlich sehen wir uns dann im nächsten Jahr frohen Mutes hier wieder.
Vielen Dank. – Herr Präsident, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die digitalen Erleich terungen und Erweiterungen, die das Gesetz für Verwaltungs verfahren mit sich bringt, begrüßen wir natürlich grundsätz lich.
Angesichts des vielen Lobes und Eigenlobs, das es hier gab, darf man allerdings eines festhalten, nämlich dass das Land sich davon nichts selbst ausgedacht und nichts erfunden hat. Vielmehr kommt das alles im Zuge der schon erwähnten Si multangesetzgebung mit dem Bund, und ganz so simultan ist diese nicht. Wir sind nämlich da bis zu einem Jahr hinter dem Bund. Das muss man auch einmal kurz festhalten.
Wie gesagt, die Bemühungen werden begrüßt und unterstützt, auch von den angehörten Verbänden. Einwände und Anregun gen kamen von den kommunalen Landesverbänden: Land kreistag und Gemeindetag.
Ich möchte zwei Punkte herausgreifen: zum einen der Wunsch nach einer Übergangsfrist für manche technische Möglichkeit, weil die technische Infrastruktur noch nicht da ist bzw. Prozesse erst noch strukturiert werden müssen. Da ist die Bemerkung aus dem Innenministerium in der Geset zesvorlage im Wesentlichen ja richtig, dass es sich nämlich hauptsächlich um Möglichkeiten handelt und weniger um Pflichten und es den Kommunen sozusagen freigestellt ist, ob sie das nutzen.
Aber bemerkenswert ist doch, dass die Kommunen mit die sem Einwand, sie hätten gern eine Übergangsfrist, eingeste hen, dass sie einfach noch nicht so weit sind, um dem nach zukommen. Deshalb zeigt sich hier auch wieder, dass das gan ze schöne Gerede um Digitalisierung nichts bringt und auch die Gesetze nicht viel bringen, wenn wir doch feststellen, dass die Kommunen in unserem Land – gerade die kleineren – ein fach noch nicht so weit sind.
Deshalb ist es wirklich falsch, sich hier hinzustellen und zu sagen: Wir schaffen mit dem Gesetz Digitalisierung. Nein, wir schaffen Digitalisierung nicht mit Gesetzen, sondern indem wir in das Tun kommen und indem wir die Kommunen im Land unterstützen.
Dass die Kommunen noch nicht so weit sind, zeigt sich auch an einer etwas ulkigen Stellungnahme des Landkreistags und des Gemeindetags. Sie sagen nämlich, durch die Vorschrift in § 3a Absatz 5 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes – die Eingeweihten wissen jetzt, worum es geht – müsse den An tragstellern eine Kopie gegeben werden, was doch nur wieder Papierkram befördere. Das stimmt so natürlich nicht, weil „Kopie“ auch etwas anderes sein kann.
Aber das, wie gesagt, zeigt wieder, dass unsere Kommunen, gerade die kleineren, einfach noch in Papierform denken, den ken müssen, weil sie noch nicht so weit sind und ihnen eben auch die eigenen Möglichkeiten und Mittel fehlen, um die Di gitalisierung bei sich umzusetzen.
Deshalb müssen wir hier im Land endlich ins Tun kommen und die Kommunen bei ihren Digitalisierungsbemühungen noch besser unterstützen. Das vermissen wir, das vermissen vor allem auch die Kommunen.
Dann noch zur Stellungnahme des Normenkontrollrats: Auf einen wesentlichen Punkt, den der Normenkontrollrat nennt, wird überhaupt nicht eingegangen, nämlich: Es werden zwar die Erleichterungen für digitale Formen als Schriftformersatz lobend erwähnt, aber vor allem wird gesagt, dass man schau en müsse, wo man auf die Schriftform verzichten kann und eher zu der leichteren Textform nach BGB übergeht.
Das wird man in diesem Gesetz so nicht umsetzen können; dafür habe ich schon Verständnis. Aber vor allem müssen wir uns auf Bundesebene dafür einsetzen, dass, wie gesagt, diese Schriftformerfordernisse abgeschafft werden können. Erst dann haben wir eine echte Erleichterung, wenn wir zuneh mend die einfache Textform haben, die an vielen Stellen mög lich ist.
Weihnachten ist die Zeit der guten Wünsche. Ich habe vor al lem gute Wünsche für die Kommunen und an das Innenmi nisterium, das auch die Kommunen im Namen trägt: dass es sich künftig kraftvoll, intensiv, voller Interesse für die Belan ge der Kommunen in unserem Land einsetzt.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Ulli Hockenberger CDU: Genau so machen wir es! – Gegenruf der Abg. Isabell Huber CDU: In dieser Reihenfolge!)
Vielen Dank. – Herr Prä sident, meine Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf ver folgt wichtige Ziele, z. B. die angestrebte Digitalisierung und Vereinheitlichung, welche wir begrüßen.
Allerdings stößt der Gesetzentwurf auch auf Herausforderun gen in der praktischen Umsetzung. Viele Regelungen des Lan desverwaltungsverfahrensgesetzes sind für Praktiker ärgerlich
Bei der digitalen Verarbeitung personenbezogener Daten, et wa bei der öffentlichen Auslegung von Dokumenten, könnten Datenschutzprobleme hervorgerufen werden. Hierbei müssen ausreichende Datenschutzmaßnahmen in den Gesetzesvor schriften berücksichtigt werden, insbesondere bei der Online bereitstellung sensibler Informationen.
Ein weiteres Problem könnten die verlängerten Laufzeiten für postalische Bekanntgaben und Zustellungen sein. Verzöge rungen in Verfahren, insbesondere bei Fristenberechnungen, könnten die Folge sein.
Die tatsächlichen Auswirkungen auf Bürger, Unternehmen und die Verwaltungspraxis sowie die Vereinbarkeit mit Da tenschutz und digitaler Zugänglichkeit, z. B. wegen der ver pflichtenden Nutzung digitaler Instrumente etwa zur Einsicht nahme von Dokumenten, könnten Anlass zu weiteren Über arbeitungen geben.
Mit der zunehmenden Digitalisierung werden spezifische Re gelungen für einzelne Bundesländer erforderlich, was lang fristig die angestrebte Einheitlichkeit gefährden könnte. Des wegen möchten wir eindringlich darauf hinweisen, dass trotz der bewährten Simultangesetzgebung der Verwaltungsverfah rensgesetze in Bund und Ländern dem Land bei sinnvollen und notwendigen Änderungen eines Landesgesetzes die Hän de gebunden sind.
Ein eigenes Gesetz kann nur im Geleitzug mit allen anderen Bundesländern und dem Bund geändert werden. Das bedeu tet – abgesehen von Bagatellen – praktisch die Versteinerung eines Gesetzes. Die Verwaltung des Bundes bzw. von Bun desbehörden unterliegt nicht immer den gleichen Regeln und Anforderungen wie jene der Länder, sodass eine Änderung des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes unterbleibt, auch wenn dies für die Länder oder ein Land notwendig wä re.
Herr Hoffmann, ich muss Ihnen zustimmen: Beim Thema DeMail kommt dies nach über zehn Jahren jetzt reichlich spät. Es ist natürlich fraglich, ob das jetzt überhaupt noch sinnvoll ist, da dieses Projekt gescheitert ist. Aber eine schnellere Ab arbeitung von Problemen kennt man ja von dieser Regierung in der Regel nicht und muss froh sein, dass sie solche Themen dann überhaupt noch in Gesetzesform gegossen hat.
Als Fazit kann man hier sagen, dass die beabsichtigten Ände rungen zwar wirklich sinnvoll sind. Sobald aber in einem Land dringender Reformbedarf entsteht, der nicht bundesweit simultan umgesetzt werden kann, wird es problematisch. Hier ist es die Aufgabe der Regierung, eine Lösung zu finden.