Protokoll der Sitzung vom 09.03.2022

Auch wenn man sich hierüber oft nicht ernsthaft Gedanken macht: Eine freie und eine unabhängige Berichterstattung der Medien in Deutschland ist für unser aller Leben fundamental und nicht wegzudenken.

(Beifall bei der CDU)

Aus gegebenem Anlass will ich durchaus auf die propagan distische Berichterstattung in Russland verweisen. Es ist eine politisch manipulierte Berichterstattung, um Menschen be wusst in die Irre zu führen, kriegerische Handlungen zu ver harmlosen und Kriegsverbrechen zu verniedlichen. Wir be grüßen deshalb ausdrücklich, dass die Europäische Kommis sion am 1. März die Verbreitung von Nachrichten über die rus sischen Sender „Russia Today“ und „Sputnik“ untersagt hat. Wo Medienfreiheit mit Füßen getreten wird, muss sanktioniert werden, und zwar konsequent und sofort.

(Beifall bei der CDU, den Grünen, der SPD und der FDP/DVP)

Zurück zum Medienstaatsvertrag: Jeder Bürger braucht frei en Zugang zu den Medien. Die Medienlandschaft hinkt auch heute noch einer barrierefreien Ausgestaltung hinterher. Si cherlich gibt es vereinzelt Angebote für hör- oder sehgeschä digte Mitmenschen, aber diese sind bei Weitem noch nicht flä chendeckend und umfassend. Gerade in der momentanen La ge jedoch wird deutlich, welche Macht Medien haben können und welche fatalen Folgen von fehlender oder fehlerhafter In formation ausgehen.

Umso wichtiger ist es, dass wir uns in Baden-Württemberg und in Deutschland für eine freie und vielfältige Medienland schaft einsetzen, die von jedermann wahrgenommen werden kann. Um dies zu erreichen – der Staatssekretär hat es uns dar gelegt –, haben sich die Regierungschefinnen und -chefs der Bundesländer auf eine Anpassung des Medienstaatsvertrags

verständigt. Dieser setzt zum Teil europarechtliche Regelun gen um und führt damit die weitgehende Barrierefreiheit in der Medienlandschaft ein.

Aber damit nicht genug: Die Regierungschefinnen und -chefs haben sich darauf verständigt, sogar schärfere Vorgaben zur Barrierefreiheit umzusetzen, als sie europarechtlich vorgese hen sind, also noch einen Schritt weiter zu gehen. Durch die Änderungen sollen Menschen mit Behinderungen einen gleich berechtigten Zugang zur Medienlandschaft haben, um ihre Meinungsfreiheit bestmöglich ausüben zu können und auch am medialen Diskurs teilzuhaben.

Mit dem neuen Medienstaatsvertrag wird klargestellt, dass die Angebote der Medien dem Abbau von Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen nicht entgegenstehen dürfen. Daneben werden weitreichende Pflichten zu einer Barriere freiheit eingeführt. So müssen Anbieter audiovisueller For mate künftig verpflichtend einen barrierefreien Zugang zu ih ren Darbietungen schaffen, solange dies verhältnismäßig ist. Entscheidend bei der Herstellung der Barrierefreiheit ist, dass auf die unterschiedlichen Belange, wie sie sich aufgrund der verschiedenen Behinderungen ergeben, Rücksicht genommen wird.

Neben diesen besprochenen und dargestellten Neuerungen werden auch Ordnungswidrigkeitstatbestände in Bezug auf die Barrierefreiheit angepasst und redaktionelle Anpassungen und Korrekturen vorgenommen.

Zur Umsetzung dieser sinnvollen Regelungen des Zweiten Staatsvertrags zur Änderung medienrechtlicher Staatsverträ ge ist die Zustimmung des Landtags notwendig. Wir werden im Ständigen Ausschuss Gelegenheit haben, darüber noch mals zu diskutieren und uns intensiv damit zu befassen. Im Anschluss daran darf ich Sie schon heute um Ihre Zustimmung bitten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen sowie des Ministers Manfred Lucha)

Vielen Dank. – Nächster Red ner in der Debatte ist Herr Abg. Jonas Weber für die SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir sprechen heute über den Zweiten Medienänderungsstaatsvertrag. Dieser hat – Sie ha ben es gesagt, Herr Staatssekretär Hoogvliet; Kollegin Kern und Kollege Wolf haben es auch gesagt – im Prinzip zwei gro ße Bausteine: Der eine ist der Jugendmedienschutz und der zweite die Barrierefreiheit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade in diesen Tagen – wer wollte das bestreiten? – wird uns doch klar, wie wichtig Teilhabe und der Zugang zu Medien, zu Informationen sind. Deswegen ist dieser Staatsvertrag vielleicht aktueller und wichtiger denn je.

Wenn wir in diesen Tagen über Medienlandschaft und Medi enpolitik diskutieren, dann kommen wir ganz zwangsläufig – das ist auch ganz wichtig – zur Frage, wie wir es denn mit der Pressefreiheit halten.

(Zuruf)

Putin führt nicht nur einen Angriffskrieg gegen die Ukraine, sondern er führt auch einen Informationskrieg. Es wurde be reits angesprochen: Während RT Deutschland trotz Zwangs geld einfach weiter sendet, verlassen freie Journalistinnen und Journalisten Russland, weil ihnen Haft droht, wenn sie ordent lich berichten. Das ist eine Sauerei, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP)

Ich bin Ihnen dankbar, Frau Kollegin Kern, dass wir Solida rität ausdrücken. Aber wir müssen auch dafür Sorge tragen, dass die Angebote von RT Deutschland und anderen in Deutsch land schlichtweg nicht mehr ausgestrahlt werden, ob im Rund funk oder im Netz. Das ist unsere Verpflichtung, das ist unser Auftrag. Sehr geehrter Staatssekretär Hoogvliet, der Kollege Stoch und ich haben Ihnen schon schriftlich mitgeteilt, dass wir Ihnen diesbezüglich jederzeit zur Seite springen; denn das kann es in dieser schwierigen Phase einfach nicht sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir den Zweiten Me dienänderungsstaatsvertrag anschauen, sei es mir doch gestat tet, zuvor einen Blick auf den Ersten Medienänderungsstaats vertrag zu werfen – der nie in Kraft getreten ist. Jetzt könnte man sagen: Okay, dann ist die Zählung falsch. Aber es wird trotzdem weitergezählt. Warum ist er nicht in Kraft getreten? Weil, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, die CDU Sachsen-Anhalt das Verfahren – erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik – unterlaufen hat, indem es keine Zustim mung des Landes Sachsen-Anhalt gegeben hat.

Der Schutz von Pressefreiheit und die Stärkung unserer Me dienlandschaft, das muss uns alle umtreiben. So etwas darf nicht wieder passieren. Ich sehe mit Sorge, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass aus Sachsen-Anhalt jetzt neuerdings auch Stimmen kommen, man müsse die ARD als nationalen Rund funksender ausschalten, abschalten. Das finde ich in dieser Debatte schwierig. Deswegen müssen wir dem entschieden entgegentreten. Ich weiß, lieber Kollege Wolf, dass Sie sich das nicht zu eigen machen, aber ich bitte Sie inständig, die Kolleginnen und Kollegen in Sachsen-Anhalt ein bisschen an Ihrer medienpolitischen Kompetenz teilhaben zu lassen, da mit sich das nicht durchsetzen kann.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Ministers Manfred Lucha)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht um Medienvielfalt, es geht um Pressefreiheit, es geht um die Unabhängigkeit der Medien, die bei uns durch einen guten Mix aus öffentlichrechtlichem Rundfunk, privatem Rundfunk und freiem Rund funk gewahrt wird. Dazu gehört ganz elementar, dass es eine Staatsferne gibt; denn das ist auch Bestandteil der Pressefrei heit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen – Minister Dr. Bayaz ist ge rade nicht da –, das bedeutet eben auch, dass man mit staatli chem Geld keine eigenen Rundfunkveranstaltungen, auch kei nen Podcast machen kann, weil die Staatsferne, wenn wir Pressefreiheit ernst nehmen, für uns alle gilt, auch für den Fi nanzminister des Landes Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Boris Weirauch SPD: So ist es!)

Und weil das alles so wichtig ist, Herr Kollege Hoogvliet, als letzten Wunsch von meiner Seite: Ich habe mich sehr gefreut, als Sie mir nach Ihrem Amtsantritt ein Gesprächsangebot ge macht haben und gesagt haben, wir sollten uns zusammenset zen und gemeinsam über Medienpolitik sprechen, weil es un ser gemeinsamer demokratischer Auftrag ist. Ich würde mir wünschen – das habe ich auch von anderen Medienschaffen den vernommen –, dass die abgesagten Gesprächstermine doch noch stattfinden. Es wäre gerade jetzt an der Zeit, dass wir gemeinsam in den Dialog treten und dass die Termine die Chance bieten, dass wir nicht nur hier am Pult, sondern auch darüber hinaus über die Zukunft der Medienlandschaft spre chen. Die Medienlandschaft ist für unsere Demokratie so ele mentar wichtig, dass wir das gemeinsam anpacken wollen. Unsere Unterstützung – die Unterstützung der SPD – haben Sie. Deswegen freue ich mich auf die Debatte.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Nächster Red ner in der Debatte ist für die FDP/DVP-Fraktion Herr Abg. Nico Weinmann.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen!

Behinderung ist eine schwere Last, die sich erleichtern lässt, wenn es uns gelingt zu lernen, wie wir uns auf Ver schiedenheit einstellen können.

So formulierte es Richard von Weizsäcker, unser ehemaliger Bundespräsident. Mit dem Gesetz zum Zweiten Staatsvertrag zur Änderung medienrechtlicher Staatsverträge greifen wir ebendiese Fähigkeit auf – zu lernen, die Verschiedenheit zur Chance zu erheben –, und wir passen die Regeln zur Barrie refreiheit an die EU-Richtlinien an.

Dabei geht es um die Frage, was überhaupt barrierefreie An gebote sind. Entscheidend ist hier, dass diese Angebote mög lichst ohne fremde Hilfe erreichbar sein sollen. Es geht um die Ergänzung der allgemeinen Programmgrundsätze, um die Erwartung, für alle Programmangebote das Bewusstsein für die Belange von Menschen mit Behinderungen zu schärfen, als Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Es geht um die Verschärfung der Berichtspflichten der Fernsehanstal ten über die Umsetzung der Barrierefreiheit, und schließlich sollen zukünftige Veröffentlichungen, Geschäftsberichte und dergleichen barrierefrei sein.

Gleichzeitig steht die neue Definition der Barrierefreiheit im Medienbereich gemäß dem neuen § 99a des Medienstaatsver trags unter der Prämisse, dass die Anbieter dadurch nicht un verhältnismäßig belastet werden sollen. Diese Beurteilung nehmen als Erstes die Anbieter selbst vor, und dies muss nach Regeln entsprechend dokumentiert werden.

Kritik kommt vom Sozialverband VdK, der die Definition der Barrierefreiheit als im Prinzip an die Leistungsfähigkeit der Anbieter geknüpft sieht; dies bleibe hinter dem Barrierefrei heitsstärkungsgesetz zurück.

Ebenso stößt § 99d auf Kritik, der das Recht des Verbrauchers vorsieht, bei einer vermuteten Verletzung der Barrierefreiheit

die Landesmedienanstalten einschalten zu können. Hier bleibt, so der VdK, unklar, wie und ab wann dann die Landesmedien anstalten von sich aus tätig werden müssen und ob sie ver pflichtet sind, bei einer Anzeige durch einen Verbraucher ein Verfahren einzuleiten.

Ebenso sollten Kleinstunternehmer nicht ausgenommen wer den, sondern sollten ihnen fachliche Hilfe und Unterstützung bei der Umsetzung an die Hand gegeben werden.

Die Kritik des VdK ist nicht von der Hand zu weisen. Insbe sondere die unklaren Pflichten der Landesmedienanstalten, tä tig zu werden, sind für den Verbraucherschutz eher unüblich. Andererseits geht es offenbar um einen ersten wichtigen Schritt im Hinblick auf die Barrierefreiheit, der allerdings von einer langen Übergangsfrist begleitet wird. Gerade in diesen von mir angesprochenen Fragen werden wir die Beratung im Stän digen Ausschuss nutzen, um am Ende tatsächlich die Verschie denheit als Bereicherung in Gesetzestext zu gießen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Nächster Redner in der Debatte ist Herr Abg. Dr. Rainer Podeswa für die AfD.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der vorliegen de Staatsvertrag hat sich zum Ziel gesetzt, zur Stärkung der Barrierefreiheit in den Medien entsprechende Vorgaben aus EU-Richtlinien umzusetzen, um den Interessen von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen Rechnung zu tragen, und ist von dieser Zielsetzung her zunächst zu begrüßen.

Dies ändert jedoch nichts daran, dass, wie bereits vorher aus geführt, der vorgelegte Staatsvertrag Kritik sogar vonseiten der Sozialverbände gefunden hat. Der Sozialverband VdK Rheinland-Pfalz formulierte am 26. Januar, dass trotz des Ver sprechens, Fernsehen werde barrierefrei, der Teufel hier ein mal mehr im Detail stecke und die Bemühungen offensicht lich unzureichend seien. Er hat aus diesem Grund einen offe nen Brief des Deutschen Behindertenrats unterstützt, in dem dieser beanstandet hat, dass die Regelungen des Vertrags hin ter bundesweiten Standards zurückblieben und insoweit be gründete Zweifel bestünden, ob der vorliegende Staatsvertrag überhaupt als europarechtskonform bewertet werden könne.

Besonders hervorgehoben wurde auch die Kritik an den Re gelungen des neuen § 99a des Medienstaatsvertrags; mein Vor redner hat das schon ausgeführt. Gerade dass die Anbieter die Nutzung nur barrierefrei gestalten können, sofern sie dies nach Maßgabe des Anhangs VI der betreffenden EU-Richtlinie nicht unverhältnismäßig belastet, lässt natürlich einen großen Interpretationsspielraum: Was bedeutet in diesem Zusammen hang „unverhältnismäßig“? Aus der täglichen politischen Aus einandersetzung wissen wir alle doch zur Genüge, inwieweit die Frage der Verhältnismäßigkeit regelmäßig im Mittelpunkt der Diskussion steht und unterschiedliche Bewertungen er fährt.

Auch die Frage, ob die europäischen Zielvorgaben ohne aus reichende finanzielle Ressourcen wirklich umgesetzt werden können, steht weiter im Raum. In dem vorliegenden Gesetz entwurf teilt uns die Landesregierung zwar mit, dass mit we

sentlichen Mehrkosten für die öffentliche Hand nicht zu rech nen sei. Aber was sind „wesentliche Mehrkosten“? In Anbe tracht eines jahrelangen Streits um die Gebührenerhöhung bei ARD, ZDF und Deutschlandradio werden Sie nachvollziehen können, dass wir, die AfD, hier besonders kritisch sind.

Auch wenn die Barrierefreiheit von Rundfunkangeboten für die gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen von elementa rer Bedeutung ist, bleibt eine umfassende Strukturreform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in grundsätzlicher Hinsicht ebenso aktuell. Hier hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluss vom 20. Juli des vergangenen Jahres zur Festsetzung des zukünftigen Rundfunkbeitrags den mehr als notwendigen Reformbestrebungen einen Bärendienst erwie sen.

Erstmals führte das Gericht nämlich aus, dass eine Abwei chung von einem Vorschlag der Sachverständigenkommissi on KEF zur Neuregelung der Rundfunkgebühren nur durch alle Länder gemeinsam möglich ist. Hierzu bemühte das Bun desverfassungsgericht eine völlige Neukonstruktion, nämlich die einer sogenannten föderalen Verantwortungsgemeinschaft der Länder für die Finanzierung des Rundfunks, und hat da mit die Festlegung der Rundfunkgebühren quasi in die Hän de einer Expertenkommission gelegt und – wenn nicht theo retisch, so doch dann praktisch – der Verantwortung der Lan desparlamente entzogen.