Protokoll der Sitzung vom 14.12.2022

25,1 % des Stroms in Baden-Württemberg kommen aktuell aus dem Kernkraftwerk Neckarwestheim II. Dafür brauchen Sie zwischen 2 000 und 3 000 Windräder. Sie können einmal ausrechnen, wie lange Sie brauchen, um dieses Kernkraftwerk zu substituieren, wenn Sie beim Ausbau der Windkraft in die sem Tempo weitermachen.

(Lachen des Abg. Joachim Steyer AfD)

Gleichzeitig ist die Kernenergie, wenn man das Klima retten will, die bessere Alternative als die Kohle.

(Abg. Dr. Uwe Hellstern AfD: Wollen Sie einen Auf nahmeantrag?)

Dazu müsste man sich einfach mal bekennen und nicht eine Politik eines Klimaministers im Bund unterstützen, der der Meinung ist, die Energiekrise ende am 15. April 2023 nur des halb, weil der Bundesparteitag der Grünen das beschlossen hat. Das wird so nicht funktionieren, Herr Ministerpräsident, und ist auch nicht im Interesse des Landes Baden-Württem berg.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Bei den energiepolitischen Debatten in diesem Haus haben auch Mitglieder Ihrer Regierung schon eingeräumt, dass es nicht möglich sein wird, dass Baden-Württemberg energieaut ark wird, schon gar nicht bei wenig verlässlichen Quellen er neuerbarer Energien.

(Abg. Joachim Steyer AfD: So ist es!)

Deshalb müssen Sie die Frage beantworten, wie Sie für unser Land Baden-Württemberg in der Zeit, in der es mit den erneu erbaren Energien noch nicht so weit ist, genügend Energie zur Verfügung stellen wollen. Sie müssen die Frage beantworten, wo wir die erneuerbaren Energien herbekommen, die wir in Baden-Württemberg nicht selbst produzieren können. Natür lich machen Sie ein bisschen was mit Wasserstoff. Das ist klar.

(Zuruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE)

Es fehlt aber das klare Bekenntnis zu einer Energiewende, die auch realistisch ist. Das, was Sie da machen, ist keine realis tische Energiewende, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD – Zuruf des Abg. Dr. Uwe Hellstern AfD)

Dasselbe gilt für Ihre Bildungspolitik. In einem gebe ich dem Kollegen Stoch durchaus recht

(Zuruf: Nur in einem!)

ja, nur in einem –: Die Landesregierung, etwa diejenige, die von CDU und FDP/DVP getragen wurde, hat vor 2011 im Be reich der frühkindlichen Bildung zu wenig gemacht. Wir ha ben uns zu spät zur Ganztagsschulversorgung bekannt. Wohl gemerkt: Ich plädiere nicht für eine Ganztagsschule als Re gelschule. Ich plädiere nicht dafür: Jedes Kind muss jetzt in die Ganztagsschule. Eltern sollen das Recht haben, zu bestim men, was ihr Kind am Nachmittag tut. Und wenn ihr Kind am Nachmittag Sport treibt oder in einen Musikverein geht, ist das auch gut. Deshalb ist es falsch, allen Kindern den Besuch der Ganztagsschule vorzuschreiben.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Aber es muss natürlich die Möglichkeit geben, dass jedes Kind, das einen Ganztagsschulplatz braucht – beispielsweise bei Alleinerziehenden –, einen solchen Platz bekommt. Ge nauso ist es wichtig, die frühkindliche Bildung als Vorausset zung für die späteren Bildungsgänge in der sekundären und der tertiären Bildung zu begreifen.

Insofern, Herr Kollege Stoch, haben Sie recht: Die schwarzgelbe Landesregierung vor 2011 hat in der frühkindlichen Bil dung zu wenig gemacht. Das heißt aber nicht, dass alles rich tig war, was Sie nach 2011 gemacht haben.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Beileibe nicht!)

Die Feststellung ist richtig, dass es einen zu engen Zusam menhang zwischen dem Bildungserfolg des Kindes und dem sozialen Status der Eltern gibt. Die Frage ist allerdings: Wie bekämpfe ich diesen Umstand? Bekämpfe ich ihn durch Schul strukturdiskussionen, durch die Illusion, die eine Schule für alle regle diese Probleme, durch die Illusion, nun könnten al le schwächeren Kinder von den stärkeren mitgezogen wer den? Wohlgemerkt: Wir sind keine Gegner der Gemeinschafts schule. Die Gemeinschaftsschule hat ihren Platz in unserem Bildungssystem.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Immerhin!)

Aber die Gemeinschaftsschule ist keine Verheißungsschule, die alle Probleme löst.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Und die Schulreformen der Jahre 2011 und folgende haben vor allem viel Unruhe und Verunsicherung an den Schulen ge bracht. Bis zum heutigen Tag ist ja vieles ziemlich unredlich – beispielsweise ein gymnasialer Schulversuch mit G 9. Da wird etwas, was über Jahrzehnte die Regelschule war, als Schulversuch weitergeführt – nicht deshalb, weil man einen gymnasialen Schulversuch machen will, sondern weil man Angst hat, dass sonst kein Kind mehr auf die Oberstufe der Gemeinschaftsschule geht.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Das ist doch der eigentliche Grund. Eine solche Bildungspo litik ist unredlich.

Wenn Baden-Württemberg in den Bildungsrankings so deut lich verloren hat und immer weiter verliert, hat das mit Sicher heit zum einen damit zu tun, dass so viel Unruhe an den Schu len geschaffen wurde,

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Richtig!)

zum anderen damit – das wurde ja ausgeführt –, dass der Be ruf der Lehrerin bzw. des Lehrers immer unattraktiver ge macht wurde, indem man erklärt hat: „Wir bauen 11 600 Stel len ab; wir bezahlen die Angestellten nicht über die Ferien.“ Jetzt sind wir in einer Situation, in der der demografische Wandel es schwer macht, für diesen Beruf überhaupt noch junge Menschen zu finden.

Das Dritte ist, dass wir darangegangen sind, erfolgreiche Bil dungsgänge, erfolgreiche Schultypen wie beispielsweise die Realschule schlechtzureden und sie in der Gemeinschaftsschu le aufgehen lassen zu wollen – ein Granatenfehler in BadenWürttemberg, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Hans-Peter Hörner AfD)

Die Voraussetzung für die berufliche Bildung, für die duale Ausbildung und unser berufliches Schulwesen ist nämlich ei ne wesentliche Grundlage unseres Wohlstands und des Bil dungserfolgs.

Deshalb, meine ich, müssen wir in Baden-Württemberg ir gendwann wieder feststellen, dass die Abschaffung der ver bindlichen Grundschulempfehlung ein Fehler gewesen ist

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Schwerer Fehler!)

ein schwerer Fehler –, der dazu führt, dass beispielsweise in vielen Realschulen Klassen kaum mehr unterrichtbar sind,

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD – Zuruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE)

ein schwerer Fehler, der signalisiert hat: Wir brauchen, um in Baden-Württemberg erfolgreich Schulpolitik zu machen, die eine Schule für alle.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Die Eltern sind Ihnen offensichtlich egal, die Schüler auch!)

Nein, meine Damen und Herren, wir brauchen nicht die eine Schule für alle, wir brauchen für jedes Kind die richtige Schu le. Das ist Schulpolitik, die uns in der Vergangenheit erfolg reich gemacht hat.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Da kann dann die Gemeinschaftsschule durchaus ihren Platz haben. Ich bin auch davon überzeugt, für manches Kind ist die Gemeinschaftsschule die richtige Schule. Aber ganz ge wiss ist die Gemeinschaftsschule nicht die richtige Schule für jedes Kind.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf von der FDP/DVP: Genau! – Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Wer hat denn das behauptet?)

Wir brauchen auch ein klares Bekenntnis zur beruflichen Bil dung. Deshalb, Herr Ministerpräsident, war es auch falsch, in Ihren ersten Koalitionsvertrag hineinzuschreiben, mindestens 50 % eines Jahrgangs sollen Abitur machen.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Wir sind doch bei über 50 %!)

Welches Signal ist das? Das ist das Signal an die Eltern von jungen Menschen: Dein Kind muss Abitur machen, sonst ist es weniger wert. Nein, der Mensch fängt nicht beim Abitur an.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Meine Damen und Herren, Handwerker und Facharbeiter sind genauso viel wert.

Deshalb, Herr Ministerpräsident, ist es notwendig, in der Bil dungspolitik alles wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. Wir glauben aber nicht, dass Sie die Möglichkeit dazu haben. Dazu fehlt Ihnen die Kraft. Deshalb glaube ich nicht, dass es etwas hilft, nun in der Bildungspolitik zu erklären: „Wir grün den ein paar neue Institute“, in der Bildungspolitik zu sagen: „Wir machen da mal einen Kaminabend und hören, was an dere tun.“ Schauen Sie sich an, wo es erfolgreiche Schul- und Bildungspolitik in Deutschland gibt. Das ist z. B. in Bayern. Ich habe manchmal den Eindruck, Sie übernehmen von Söder immer das, was schlecht ist,

(Heiterkeit bei der FDP/DVP)

und das Richtige wehren Sie ab. Schauen Sie sich das an, Herr Ministerpräsident. Erinnern Sie sich daran, wann Baden-Würt temberg in der Bildungspolitik erfolgreich war. Das war vor Ihrer Amtszeit.

Herzlichen Dank.