Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Zu einer zusammenfassenden Stellungnahme hat das Wort der Herr Ministerpräsident.
(Beifall bei der CSU – Lachen des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Hofmann (CSU): Das ist Vorausapplaus!)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst ein herzliches Dankeschön für die Diskussion. Ich möchte mich ganz besonders beim Kollegen Glück für die Darstellungen und Richtigstellungen von Vorwürfen bedanken, die im besonderen die Landespolitik betroffen haben.
Ich möchte noch einmal auf einige wenige Punkte eingehen. Frau Kellner, Sie müssen die schlechte wirtschaftliche Lage registrieren – – Wenn man das nicht täte, wäre das Wirklichkeitsverweigerung. Ich habe es am letzten Freitag beim Deutschen Handwerkstag in Leipzig erlebt – diese Stimmungslage und Erfahrung hat Bundeswirtschaftsminister Clement nach mir zu spüren bekommen – dass wir in der gesamten Wirtschaft eine ausgesprochene defätistische Haltung haben. Es gibt wenige Ausnahmen. Die Haltung ist begründet durch das große mangelnde Vertrauen gegenüber politischen Zusagen und Aussagen. In der Auseinandersetzung bis zum 22. September 2002 waren der Bundeskanzler und der Bundesfinanzminister die Eckpfeiler der Regierung. Letzterer genoss in Deutschland hohes Ansehen. Er hat mit seiner gesamten Autorität gesagt, es gebe keine Steuererhöhungen. Er hat gewusst, dass es Probleme geben wird, aber bestritten, dass wir eine besondere Wachstumsschwäche haben. Er hat Eingangsprobleme bei den Steuereinnahmen bestritten. Gleichzeitig wurde gesagt, dass Steuererhöhungen nicht in Betracht kämen. Das Problem liegt darin, dass kurz nach der Wahl ein Steuererhöhungsprogramm gemacht worden ist.
Herr Maget, Sie haben mir Unwahrheit – das Wort Lüge will ich gar nicht in den Mund nehmen – unterstellt. Das Steuervergünstigungsabbaugesetz bringt Steuererhöhungen in den nächsten vier Jahren von sage und schreibe über 60 Milliarden e, das sind etwa 120 Milliarden DM. Ein solches Steuererhöhungsprogramm hat es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nie gegeben. Der Abbau der Steuervergünstigungen vom Jahr 2003 bis zum Jahr 2006 – bis zum Ende der Legislaturperiode – führt zu Belastungen in Höhe von 45 Milliarden e. Dazu kommt die nächste Stufe der Ökosteuer in der Größenordnung von 3 Milliarden e pro anno, und dazu kommen noch die Belastungen durch die wegfallenden Ausnahmen der Ökosteuer mit 1,5 Milliarden e pro Jahr. Zusammengezählt sind das insgesamt über 60 Milliarden e in den nächsten vier Jahren.
Plötzlich stimmen Kalkulationspositionen von mittelständischen Unternehmen – ob dies Gärtnereien sind oder insbesondere die Landwirtschaft ist – nicht mehr. Ich will deutlich ansprechen, dass die Landwirtschaft niemals mit Veränderungen dieser gravierenden Art hat rechnen können. Es hat ihnen auch niemand gesagt. Mit der Absenkung der Vorsteuerpauschale für die Landwirte von 9 auf 7% wird die Landwirtschaft in ganz gewaltigem Maße belastet. Es sind Mehrkosten für einen Wirtschaftsbereich, der ohnehin mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Die Mehrbelastungen betragen eine Milli
arde e pro Jahr. Die Leute habe das unmittelbar nach der Wahl erfahren und müssen, ohne dass vorher jemals darüber gesprochen worden wäre, bezahlen. Ihre Kalkulationen stimmen nicht mehr. Sie müssen von der Besteuerung nach Durchschnittssätzen weggehen und Buch führen. Viele werden die Landwirtschaft aufgeben. Dies war nur ein Beispiel, Kollege Loscher-Frühwald. Solche Dinge erschüttern das Vertrauen der Menschen in die Politik.
Eine solche Steuererhöhung ist für Deutschland und unser Land – das betrifft Bayern in gleicher Weise – absolutes Gift. Sie ist mit die Ursache, warum wir im europäischen Geleitzug hinter den Wachstumsraten von Frankreich, Italien, Holland und Belgien zurückbleiben. Das steht in allen Zeitungen.
Auch der Sachverständigenrat, der nicht von der CDU oder CSU, sondern von der Bundesregierung berufen wurde – von fünf Mitgliedern sind drei bekennende Sozialdemokraten – sagt, dass die Maßnahmen falsch seien und zu einer Wachstumsdelle von einem halben Prozent führen werden. Trotzdem geht der Bundeswirtschaftsminister darüber hinweg mit der Bemerkung, die Herren scheinen nicht die notwendige Kompetenz zu haben und wüssten nicht, wovon sie redeten. Deshalb kann man nicht erwarten, dass die Leute auf Dauer Vertrauen in die Politik und vor allem in die Politik der Bundesregierung haben. Wir können uns zwar auseinandersetzen, aber ein derartiger Vertrauensverlust belastet unser Land insgesamt. Darüber muss man reden und Veränderungen herbeiführen.
Lassen Sie mich einen zweiten Punkt ansprechen. Mich wundert, dass wir nicht am gemeinsamen Strang ziehen können. Wir haben zum Beispiel beim Finanzausgleich riesige Probleme mit dem Bund. Es gibt tiefgreifende Auseinandersetzungen aller Finanzminister mit dem Bundesfinanzminister wegen der Benachteiligung der Länder. Die Positionen sind in Milliardenhöhe unterschiedlich. Der Bund steht der Länderfront gegenüber, weil die Länder der Meinung sind, dass der Bund nicht das gebe, was sie aufgrund der gesetzlichen Grundlage bekommen müssten. Gleichzeitig gibt der Bund – wenn überhaupt – 4 Milliarden e für Ganztagsbetreuung und Ganztagsschulen. Dabei handelt es sich um klassische Zuständigkeiten der Länder. Es ist also logisch, dass die bayerische Kultusministerin meint – vielleicht setzt sie sich auch in der Kultusministerkonferenz durch – dass der Bund den Ländern einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer geben soll. Mit dem Anteil, der diesen Aufgaben entspricht, könnten die Länder in eigener Kompetenz machen handeln.
Wollen Sie denn wirklich akzeptieren, dass die Bundesregierung vorgibt, wann es Geld gibt, nämlich wenn eine bestimmte kulturpolitische oder schulpolitische Maßnahme gemacht wird. Das ist das Aushebeln von Länderkompetenzen.
Als Föderalist kann man sich das nicht gefallen lassen, unabhängig davon, was man von der Maßnahme hält. Wenn man in die Sache einsteigen will, ist es Schwachsinn, das Geld bei der Ganztagsbetreuung nur für Bauinvestitionen zu geben. Das ist im Moment nicht das zentrale Problem. Das ist wieder ein schnelles Strohfeuer, das nichts bringt. Unser zentrales Problem sind die Personal- und Betriebskosten. Diese fallen den Ländern und Kommunen zur Last.
Die Lage der Kommunen ist ein uns alle betreffendes, großes Problem. Die Gewerbesteuereinnahmen – Sie haben das Thema angesprochen – der kreisfreien Städte sind in den ersten neun Monaten des Jahres 2002 um 16% hinter dem Ergebnis des Vergleichszeitraums des Jahres 2001 zurückgeblieben. Was ist denn die Ursache? – Man kann doch nur dann eine vernünftige Therapie anstreben, wenn man die Ursachen kennt. Für Sie ist die Ursache immer die Staatsregierung. Das ist eine falsche Analyse, und deswegen können Sie keine vernünftige Therapie aufbauen.
Sie kennen die allgemeine Konjunkturlage mit ihrem Rückgang von Investitionen und zunehmender Arbeitslosigkeit. Jeder Arbeitslose fällt als Beitragszahler aus. Deshalb haben wir die riesigen Probleme in unseren sozialen Sicherungssystemen. Die Politik dieser Regierung in Berlin hat natürlich zu dieser enormen rezessiven Phase geführt; das ist unbestreitbar. Solange wir die allgemeine Wirtschaftslage nicht verändern, werden die Kommunen auch auf keinen grünen Zweig kommen.
Nun zur Körperschaftsteuer und den Veräußerungsgewinnen von Großkonzernen: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie, Frau Kellner und Herr Maget, akzeptieren, dass im Steuervergünstigungsabbaugesetz die völlige Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen bei Beteiligungsveräußerungen nicht angetastet wird. Der Spekulant musste bisher auf seine Aktiengewinne Einkommensteuer zahlen, also seine 40 oder – in der Spitze – 48% entsprechend seinem Steuersatz. Derjenige, der sich auf Aktiensparen für seine Altersvorsorge verlegt hat, zum Beispiel auf Investmentfonds, zahlte bisher für diesen Gewinn aus Aktien keine Steuern. Jetzt zahlt derjenige, der in Aktien- oder Immobilienfonds geht, für die Gewinne aus den Aktien, die später, vielleicht in 20 Jahren, sein Alter sichern sollen – wir fordern die Leute ja zur Privatvorsorge auf – dafür plötzlich Steuern. Gleichzeitig entlasten Sie den Spekulanten, der künftig nur noch 15% für seine Spekulationsgewinne zahlt; bis jetzt zahlt er mehr. Das verstehe ich nicht: Die Veräußerungsgewinne der Großkonzerne sind tabu, aber die Altersvorsorge der kleinen Leute, das Aktiensparen wird plötzlich
Da ich mir nicht vorstellen kann, dass das wirklich Ziel einer SPD-Politik ist, kann es sich wohl nur um schwerste handwerkliche Fehler im Bundesfinanzministerium oder in der Bundestagsfraktion der SPD handeln, die passiert sind, weil man sich mit den Fakten nicht auseinander setzt. Ich hoffe, dass Sie daraus etwas machen.
Wir können die makroökonomischen Bedingungen über den Bundesrat kaum verändern, und wir haben keine Gestaltungsmehrheit. Bei der Deregulierung des Arbeitsmarktes – das habe ich Herrn Clement angeboten – werden wir natürlich vernünftige Maßnahmen mittragen. Das ist überhaupt keine Frage. Steuererhöhungen aber, welche die Konjunktur noch weiter schwächen, wird es schon im bayerischen Interesse nicht geben. Ich kann als bayerischer Ministerpräsident nicht Steuererhöhungen zustimmen, die im Prinzip dafür sorgen, dass Holdings, die in Bayern sitzen, morgen nach Belgien oder Salzburg verschwinden. Wenn die geplante Steuergesetzgebung so durchkommt, wird sich ein Großteil der Holdings, die in München und Nürnberg sitzen, überlegen, ob sie nach Belgien, Holland oder nach Österreich verschwinden. Diese Länder werben gegenwärtig schon.
Da ich mir nicht vorstellen kann, dass die Regierung in Berlin wirklich will, dass die Holdings verschwinden, kann ich nur handwerkliche Fehler feststellen, die ich immer wieder kritisieren muss.
Wir können eine gute Bildungspolitik, eine gute Hochschulpolitik, eine gute Kunstpolitik und eine gute Kulturpolitik machen, und wir können versuchen, die mittelständischen Strukturen in unserem Lande mit den schmalen Möglichkeiten zu fördern, die wir gegenwärtig haben. Die Leute wissen, dass wir das tun, und deshalb ist Bayern unabhängig von den makroökonomischen Bedingungen weiterhin attraktiv.
Ich habe schon geschildert, wie schwer es war, dass die Entscheidung bei General Electric zu unseren Gunsten ausgefallen ist. Das ist das größte Unternehmen der Welt, das ein Forschungszentrum in Europa will. Es waren Standorte von Cambridge über Mailand bis hin zu Paris in der Diskussion. Die Bundesregierung wollte Berlin bzw. Potsdam als Standort. Die konnten viel mehr Fördermittel geben als wir, weil wir kein benachteiligtes Gebiet im Sinne der Gemeinschaftsaufgabe sind. Dennoch hat sich General Electric wegen unserer Hoch
schule und wegen des von Ihnen bekämpften FRM II dafür entschieden, das vierte Forschungszentrum für Europa in Garching zu errichten. Das ist auch eine Anerkennung der bayerischen Landespolitik, und das wissen die Leute.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen zu machen, dass ich das Amt des Ministerpräsidenten, das mir die Mehrheit dieses Hohen Hauses vor vier Jahren übertragen hat, nicht richtig ausfüllen würde. Ich fülle dieses Amt zu hundert Prozent aus – jedenfalls bemühe ich mich darum –, und ich werde es weiterhin voll ausfüllen. Herr Maget, da Sie ein Fußballanhänger sind, darf ich Ihnen mit einem Vergleich aus diesem Bereich erläutern, warum ich manchmal schmunzele, wenn gerade Sie immer wieder auf die Niederlage hinweisen. Sie kommen mir vor wie ein Spieler, der nach zwei Eigentoren vom Platz gestellt wurde,
von draußen zusieht; die eigene Mannschaft gewinnt gerade noch mit 3:2, und er gebärdet sich als der große Sieger. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, Sie sollten ganz still sein.
Jemand, der auf 26% in diesem Lande, also auf eine fast rudimentäre Existenz, zurückgestuft worden ist, sollte in sich gehen und sich fragen, warum er bei den Menschen in Bayern überhaupt nicht ankommt.
Wir kommen nun zur Abstimmung. Der Abstimmung liegen der Entwurf des Haushaltsplans 2003/2004, Einzelplan 02, sowie die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Staatshaushalt und Finanzfragen auf Drucksache 14/11036 zugrunde. Der Einzelplan 02 wird vom Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen mit den in der Beschlussempfehlung auf Drucksache 14/11036 genannten Änderungen zur Annahme empfohlen.
Die Abstimmung soll in namentlicher Form erfolgen. Für die Stimmabgabe sind die entsprechend gekennzeichneten Urnen bereitgestellt. Die Urne für die Ja-Stimmen ist auf der Seite der CSU-Fraktion, die Urne für die NeinStimmen auf der Oppositionsseite, jeweils im Bereich der Eingangstüren, aufgestellt. Die Urne für Stimmenthaltungen befindet sich auf dem Stenografentisch.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt und später bekannt gegeben.
Der Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen schlägt neben der Zustimmung zum Haushalt noch folgende Beschlussfassung vor: