Protokoll der Sitzung vom 06.12.2002

Bayern ist das sicherste Land – Herr Staatsminister hat das heute dargestellt – mit der höchsten Aufklärungsquote. Erfreulich ist, dass die Aufklärungsquote gerade bei der Gewaltkriminalität laufend gesteigert werden konnte. Dieser Erfolg ist vor allem aus präventiven Gründen zur Abschreckung potenzieller Täter von größter Bedeutung. Leider bleibt auch Bayern nicht von schwersten Straftaten verschont. Wir alle sind davon aufs Tiefste betroffen.

Umso wichtiger ist es, dass alle Maßnahmen ergriffen werden, um Straftaten nach Möglichkeit zu verhindern und begangene Delikte zu ahnden. Wir unternehmen in Bayern alles, um diese Ziele zu erreichen. Unsere Polizeibeamtinnen und -beamten sind es, die für unsere Sicherheit sorgen. Ihnen und auch den Angehörigen des Verfassungsschutzes gilt unser aufrichtiger Dank für ihren beispielhaften Einsatz.

Eine besondere Anerkennung möchte ich den Sicherheitskräften aussprechen, welche die angekündigten Chaostage in München durch ihr besonnenes und konsequentes Vorgehen verhindert haben. Furchtbare Parolen sind ausgegeben worden. Es wurde beabsichtigt, die Stadt in Trümmer zu legen, Bullen platt zu machen, München in einen Haufen aus Asche und Staub zu verwandeln.

(Zurufe von der SPD – Heiterkeit)

Die Chaoten haben die Stadt verlassen mit dem Abschiedsgruß: nie wieder München.

(Zuruf des Abgeordneten Freiherr von Rotenhan (CSU))

Das ist ein Erfolg, der hier erzielt worden ist.

(Beifall bei der CSU)

Auch die Sicherheitskonferenz in München im Februar konnte dank der Polizeipräsenz ohne Zwischenfälle abgewickelt werden. Auch vorher war es erfreulicherweise möglich, größere Zwischenfälle bei den Demonstrationen und Gegendemonstrationen anlässlich der Wehrmachtsausstellung in München zu verhindern. Ebenso wie die Vertreter der SPD konnte ich mich im Polizeipräsidium München und auch an Ort und Stelle

von der umsichtigen und sachgerechten Einsatztaktik der Polizei überzeugen und von den hohen Anforderungen, die an die Verantwortlichen gestellt worden sind, um bei einem ständig wechselnden Lagebild die angemessenen Entscheidungen zu treffen.

Voraussetzung für die polizeilichen Erfolge ist aber auch die klare Vorgabe der Sicherheitspolitik durch Sie, Herr Staatsminister Dr. Beckstein, und die Bayerische Staatsregierung, die von der CSU-Landtagsfraktion getragen wird. Insofern unterscheiden sich die Verhältnisse in Bayern ganz grundsätzlich von der Situation, die 1995 unter Ministerpräsident Schröder in Hannover bestand und zu den dortigen Chaostagen führte. Wir danken Ihnen, Herr Staatsminister, für Ihre konsequente Sicherheitspolitik, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Ihrem Hause und allen Polizeikräften, die diesen Sicherheitsstandard ermöglichen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Innenminister hat mit Recht betont, dass die Bundesregierung die Gefahren des Terrorismus unterschätzt und Lücken in den Sicherheitspaketen nicht schließt. Es ist unverantwortlich, Extremisten einreisen zu lassen, obwohl Anhaltspunkte für einen Terrorismusverdacht gegeben sind, oder gewaltbereite Ausländer nicht auszuweisen, obwohl Terrorverdacht besteht. Es handelt sich hier doch um präventive Maßnahmen zum Schutz unserer Bevölkerung, wobei nicht die Beweisanforderungen gestellt werden müssen, die bei einer strafrechtlichen Verurteilung zu erfüllen sind.

Für unverzichtbar halten wir die Regelanfrage beim Verfassungsschutz und ihre bundesweite Einführung im Einbürgerungsverfahren. Im Gegensatz zu Ihrer Meinung, Frau Kollegin Schmitt-Bussinger, gibt es da Lücken.

Das Gleiche gilt, wenn Ausländern ein unbefristetes Aufenthaltsrecht gewährt wird. Unsere rechtstreue Bevölkerung hat nicht das geringste Verständnis dafür, wenn bei der gegenwärtigen Gefahrenlage Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden nicht verwendet werden dürfen oder wenn – wie in Schleswig-Holstein – für die Anfrage die Zustimmung der Betroffenen verlangt wird – eine absurde Regelung! – oder wenn, wie in NordrheinWestfalen, die Anfrage nur bei Angehörigen bestimmter Problemstaaten zulässig ist.

Solche Beschränkungen sind höchst gefährlich, nicht nur für die Länder, die ihre Auskunftsrechte beschränken, sondern bei der anerkannten Mobilität von Straftätern und Terroristen für die gesamte Bundesrepublik.

Der Bundesinnenminister hat nach dem 11. September 2001 die Speicherung biometrischer Daten in Ausweispapieren angekündigt, die bis jetzt nicht umgesetzt worden ist. Ich erinnere mich gut an eine Fernsehdiskussion mit Bundesinnenminister Schily, in der er, zu der Vertreterin der GRÜNEN gewandt, erklärte, er sieht keinen Verstoß gegen die Menschenwürde, wenn jemand veranlaßt wird, einen Fingerabdruck abzugeben.

Zu begrüßen ist es, dass unsere Polizei zur Bekämpfung des Terrorismus mit modernster Technik ausgestattet wird und probeweise biometrische Verfahren zur Gesichtsfelderkennung angewendet werden. Ebenso wertvoll finde ich die elektronische Abnahme von Fingerabdrücken. Wir müssen alles tun, um den mit modernsten technischen Mitteln raffiniert agierenden Kriminellen das Handwerk zu legen. „Ohne Sicherheit ist ein Leben in Freiheit nicht möglich“, haben Sie, Herr Staatsminister mit Recht festgestellt. Der Bundesinnenminister hat von Ihnen gelernt und wie folgt formuliert:

Wer frei leben will, braucht Sicherheit vor Kriminalität und Terror. Diese Sorge bewegt die Menschen und nicht die angestaubte Theorie vom angeblich allgegenwärtigen Überwachungsstaat.

(Beifall bei der CSU)

Das ist eine gute Erkenntnis, aber der Bundesinnenminister handelt leider nicht nach dieser Erkenntnis. Es wäre wünschenswert, dass Rot-Grün zu dieser Einsicht kommt. Rot-Grün in Berlin ist allerdings noch weit davon entfernt. Wichtige Gesetze stehen noch aus. In Bayern gibt es eine unterschiedliche Beweglichkeit. Die Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit der Videoüberwachung scheint die SPD in der Zwischenzeit eingesehen zu haben. Beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fehlt nach wie vor das Verständnis dafür. Das bayerische Gesetz zur nachträglichen Sicherungsverwahrung haben Teile der SPD mitgetragen. Die GRÜNEN waren dagegen. Das ist ein erschreckender Mangel an Sensibilität in einem äußerst gefahrenträchtigen Bereich. Die Haltung der GRÜNEN zur verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrolle, die zur Anfechtung beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof geführt hat, ist ein weiterer schlagender Beweis für das Unverständnis der GRÜNEN für die Belange der Sicherheit.

Herr Staatsminister, Sie haben mit Recht die Bedeutung des Feuerwehrwesens, des Technischen Hilfswerks und der übrigen freiwilligen Hilfsorganisationen betont. Die Organisationen und vor allem die Feuerwehren waren in diesem Jahr besonders durch die Hochwasserkatastrophen gefordert. Gerade die Feuerwehren haben innerhalb und außerhalb Bayerns einen großartigen Einsatz erbracht. Ich war in Dresden unverdient der Adressat für Dankesworte der dort Verantwortlichen für den Einsatz der bayerischen Feuerwehren in Sachsen. Ich gebe den Dank für die Leistungen der Hilfsorganisationen, vor allem der Feuerwehren, in Bayern, in Sachsen und in Sachsen-Anhalt auch im Namen der CSU-Fraktion weiter.

(Beifall bei der CSU)

In Anbetracht der Einsatzbereitschaft und Opferbereitschaft von hunderttausenden von Bürgerinnen und Bürgern in Feuerwehren und in anderen Hilfsorganisationen ist es skandalös, dass sich die Bundesregierung trotz des Versprechens des Bundeskanzlers auf dem Feuerwehrtag in Augsburg nach wie vor hartnäckig weigert, dem Ehrenamt den ihm gebührenden Rang einzuräumen.

(Beifall bei der CSU – Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Das stimmt nicht!)

Sie wissen genau, dass das stimmt. Es ist eine geringfügige Änderung eingetreten, aber nicht die, die gefordert worden ist. Ehrenamtlich Tätige sind keine abhängig Beschäftigten, wie sie von Ihnen nach wie vor klassifiziert werden, sondern Idealisten, die Zeit und Kraft der Gemeinschaft zur Verfügung stellen.

(Beifall bei der CSU)

Die bayerische Innenpolitik zeichnet sich durch ihre Kommunalfreundlichkeit aus.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Das sieht man!)

Der Bund hat die Kommunen zum Teil an den Rand ihrer finanziellen Handlungsfähigkeit getrieben. Es ist doch bezeichnend und zeigt die Kommunalfeindlichkeit der Bundesregierung, wenn im Herbst 1998 eine Reform der Kommunalfinanzen angekündigt und erst im Frühjahr 2002 auf Druck Bayerns die Kommission für die Reform eingesetzt wird. Es war die Bayerische Staatsregierung, die Initiativen zur sofortigen Stärkung der Kommunalfinanzen ergriffen hat. Der Herr Innenminister hat sie geschildert.

Die Bayerische Staatsregierung befindet sich in voller Übereinstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden. Auch sie fordern eine Senkung der Gewerbesteuerumlage und eine Aufhebung des Grundsicherungsgesetzes. Meine Damen und Herren, diese Forderung stellt auch der Deutsche Landkreistag. Der Deutsche Landkreistag hält das Grundsicherungsgesetz für verfassungswidrig, und Sie werden nicht behaupten können, dass der Deutsche Landkreistag von der CSU dominiert wird.

(Zuruf von der CSU: Noch nicht!)

Es wäre zu wünschen, dass es so weit kommt.

Das in Bayern vorgesehene Konnexitätsprinzip – Sie haben es angesprochen, Frau Kollegin Schmitt-Bussinger – wird mitgetragen. Wir haben eine Anhörung zu diesem Thema durchgeführt. Wir erwarten aber auch von der Opposition, dass sie sich auf Bundesebene für die Verankerung des Konnexitätspinzips einsetzt. Es nützt nichts, wenn im Grundsicherungsgesetz das Wort – wie Sie gesagt haben, Frau Schmitt-Bussinger – „Konnexität“ drin steht; es muss auch nach diesem Prinzip gehandelt werden.

Oberbürgermeister Deimer – Sie haben ihn zitiert; ich darf ihn auch zitieren – hat erklärt:

Die Koalitionsvereinbarung ist in diesem Punkt mehr als vage. Wir brauchen einen durchgängigen Schutzmechanismus, der auch den Bund in die Pflicht nimmt.

Beispiele für diese Notwendigkeit gibt es viele, so auch das Kinder- und Jugendhilfegesetz oder das Zuwanderungsgesetz, von dem ich allerdings erwarte und

annehme, dass es wegen verfassungswidrigen Zustandekommens aufgehoben wird, zumal der Herr Bundespräsident selbst erklärt hat, dass in der Sitzung des Bundesrates am 22. März eine verfassungsrechtliche Verfahrensvorschrift in gewagter Weise ausgereizt und damit eine politische Kampfsituation auf die Spitze getrieben worden ist.

Meine Damen und Herren, die CSU-Fraktion sieht auch in Zukunft einen Schwerpunkt der Innenpolitik in der Partnerschaft zwischen dem Staat und den Kommunen. Uns ist bewusst, dass unsere Bürgerinnen und Bürger in einer immer komplizierter werdenden Welt Geborgenheit in ihrem unmittelbarem Lebensumfeld suchen. Das ist die Gemeinde; das ist die Stadt. Dieses Umfeld sicher und lebenswert zu gestalten, ist eine gemeinsame Aufgabe von Staat und Kommunen. Dieser Aufgabe wollen wir uns verantwortungsbewusst stellen.

(Beifall bei der CSU)

Das Wort hat jetzt Frau Kollegin Tausendfreund.

Herr Präsident, Herr Minister Beckstein, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nicht nur Herr Hofmann, der heute Geburtstag hat, wird heute beschenkt, sondern wir alle; denn heute ist Nikolaustag, und Herr Minister Beckstein hat uns über Nacht wieder einmal die Stiefel mit Päckchen und Paketen gefüllt. Ich werde sie hier auspacken und die Haken und Ösen präsentieren.

Danach wissen wir, ob wir uns über die Geschenke freuen dürfen, oder ob wir unserem Nikolaus Beckstein die Geschenke wieder zurückgeben.

(Willi Müller (CSU): Man muss sich über alle Geschenke freuen!)

Als erstes hat er uns die Gebetsmühle mitgebracht, denn gebetsmühlenartig sind seine Schimpftiraden in Richtung Berlin. Er hat zwar eine freundliche Diskussion gefordert, aber man muss schon sagen, was Sache ist. Diese Gebetsmühle bekommt er postwendend zurück.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Beckstein, spielen Sie hier nicht den Krampus mit Ihrer fortwährenden Oppositionspolitik aus der bayerischen Regierung heraus, nur weil Sie Otto Schily nicht beerben durften.

Lassen Sie mich zunächst zu den Kommunalfinanzen kommen. Gerade die Politik der Staatsregierung ist in hohem Maße dafür verantwortlich, dass die finanzielle Lage der Kommunen immer schwieriger wird. Sie ist sicher nicht allein dafür verantwortlich, aber in hohem Maße. Wer ist beispielsweise für die Kirch-Pleite und damit für die Gewerbesteuereinbrüche an den Medienstandorten verantwortlich? Wer bürdet denn den Städten und Gemeinden immer mehr Leistungen auf, ohne dafür ausreichenden finanziellen Ausgleich zu schaffen? Ich nenne die Schülerförderung, die Computerausstattung

an den Schulen, die Kosten für die Einführung der R 6 und der M-10-Klassen oder die Gehälter der Lehrerinnen und Lehrer an den kommunalen Schulen. Wer hat sich denn über Jahre hinweg mit Händen und Füßen gegen das Konnexitätsprinzip, also das Prinzip „Wer anschafft, muss auch zahlen“, und die Reform des Finanzausgleichs gewehrt. Der Finanzausgleich ist auch in diesem Jahr wieder völlig unzureichend ausgefallen. Die kommunalen Spitzenverbände haben sich zwar einverstanden erklärt, aber was sollten sie denn machen? Sie bekommen einfach nicht mehr.

Von einer nur annähernden Einhaltung des Konnexitätsprinzips gerade bei den letzten Gesetzesvorhaben kann nicht die Rede sein. Davon ist überhaupt nichts zu spüren.

Getrieben durch die kommunalen Spitzenverbände und die Opposition hier im Hause, die einen langen Atem haben, und vor allen Dingen wegen des drohenden Volksbegehrens haben Sie und Edmund Stoiber offenbar klein beigegeben. Dieses Nikolauspräsent der Festschreibung des Konnexitätsprinzips in der bayerischen Verfassung nehmen wir gern entgegen, wenn es denn wirklich ernst gemeint ist. Das sehen wir aber erst dann, wenn Sie Ihren Worten auch Taten folgen lassen.