Herbert Kempfler
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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist richtig, dass es gestern in Berching Enttäuschung gegeben hat. Die Enttäuschung hat es aber nur bei der SPD gegeben, weil sich gezeigt hat, dass die Kommunalpolitiker von der Stellungnahme von Herrn Staatsminister Dr. Beckstein nicht enttäuscht waren,
sondern dass sie seine Ausführungen mit Beifall bedacht haben.
Enttäuscht waren alleine Sie, weil sich Ihre Erwartungen bei dieser Kundgebung nicht erfüllt haben. Es wurde auch nicht nur kritisiert, dass der Bundesfinanzminister in Berching nicht anwesend war, sondern es wurde auch kritisiert, dass kein Vertreter der Bundesregierung und kein einziger Bundestagsabgeordneter der SPD anwesend war. Das war die Kritik, die dort erhoben worden ist.
Sie werden ja nicht alle vollzählig bei den Sitzungen in Berlin gewesen sein.
Mein sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben wiederholt angemahnt, dass keine Schuldzuweisungen gemacht werden dürfen. Es reicht nicht aus, nur Schuldzuweisungen zu machen, sondern es müssen auch die Verantwortlichkeiten aufgezeigt werden. Das ist getan worden. Sie sagen, die CSU habe Schuldzuweisungen in Richtung Berlin ausgesprochen. Die CSU hat sich der Meinung der Kommunen angeschlossen, welche die Hauptursachen für die Misere in Berlin sehen. Das ist in den Forderungen, welche schriftlich vorgelegt worden sind, zum Ausdruck gekommen, und das ist auch gestern in Berching immer wieder ausgesprochen worden. Die Hauptlast rühre daher, dass in Berlin die erforderlichen Gesetze nicht verabschiedet werden.
Ich brauche die einzelnen Stichworte nicht mehr zu nennen, aber ich möchte doch darauf hinweisen, dass unser Innenminister gestern eine ganz klare Stellungnahme abgegeben hat. Auch wenn er nicht alle Einzelheiten erläutert hat, so hat er doch erklärt, dass die Staatsregierung das BDI-Modell nicht favorisiere, sondern das Modell er Kommunen. Interessant ist dabei Folgendes: Wie gestern vom Innenminister gesagt wurde, werde das Modell der Kommunen zwar favorisiert, allerdings nicht Eins zu Eins übernommen, sondern es müssten Modifikationen vorgenommen werden. Darauf haben Sie sofort gerufen, es würde am Parlament vorbei entschieden. Sie sind also auch der Meinung, dass diese Fragen im Parlament erörtert werden müssten. Deshalb können Sie nicht verlangen, dass der Innenminister in Berching ein Konzept vorlegt und sich in allen Einzelheiten zu diesem Konzept äußert.
In Bayern haben wir für die Kommunen gesorgt. Das wird von den Kommunen auch anerkannt. Interessant ist, dass Sie noch kein einziges Mal einen Vorschlag unterbreitet haben, welche Mittel im Staatshaushalt zu Gunsten der Kommunen umgeschichtet werden sollten. Sie verlangen immer nur mehr Geld für die Kommunen, haben bisher aber mit keinem Wort dargelegt, auf welchen anderen Gebieten Kürzungen vorgenommen werden sollen.
Wir haben uns redlich darum bemüht, dass die Kommunen angemessen bedient werden. Das ist vor allem bei den Finanzausgleichsleistungen geschehen. Hier ist jeweils Übereinstimmung mit dem Finanzminister erzielt worden. Die kommunalen Spitzenverbände haben es anerkannt, dass es möglich war, mit dem Finanzminister eine einvernehmliche Regelung über die Finanzausgleichsleistungen zu treffen.
Wir werden das Konnexitätsprinzip einführen. Wir beraten darüber heute noch. Von den Kommunen ist immer wieder das Konnexitätsprinzip auf Bundesebene gefordert worden. Allerdings gibt es keine klaren Aussagen dazu, wie das Konnexitätsprinzip auf Bundesebene verwirklicht werden soll. Auch Sie unternehmen in diese Richtung nichts. Frau Kollegin Schmitt-Bussinger hat vorhin erklärt, dass es Aufgabe des bayerischen Parlaments sei, für einen Ausgleich zu sorgen, wenn es auf Bundesebene nicht gelinge, die Gewerbesteuerumlage abzusenken. Sie haben gemeint, Sie könnten auf Berliner Ebene nichts tun und müssten deshalb hier die entsprechenden Vorhaben unterstützen. Hier liegt ganz eindeutig die Verantwortung in Berlin. Es ist verantwortungslos, wenn Sie sagen, Sie könnten Ihre Freunde in Berlin nicht bewegen und Sie wollten den Freistaat Bayern für die Konsequenzen aus dieser verfehlten Politik verantwortlich machen. Wir stehen jedenfalls zu unseren Kommunen. Wir unterstützen die Kommunen nach besten Kräften und werden weiterhin an der Seite der bayerischen Kommunen stehen.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf vorweg bekannt geben, dass die CSU-Fraktion dem Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN entsprechen und den Antrag der SPD ablehnen wird. Auch wir wollen eine Anhörung.
Wir haben ohnehin vorgehabt, eine so genannte kleine Anhörung durch Beiziehung von Sachverständigen im Verlauf der Aussschussberatungen vorzunehmen. Bisher ist kein Antrag auf eine große Anhörung gestellt worden. Wir haben in der Vergangenheit immer, wenn diese Wünsche von der Opposition vorgetragen worden sind, dem Rechnung getragen.
Wir haben verschiedene Anhörungen durchgeführt. Das ist immer in großem Einvernehmen mit allen Fraktionen geschehen und es hat kein Anlass bestanden, einen Dringlichkeitsantrag mit diesem Ziel einzureichen.
Meine Damen und Herren, allein die Überschrift über dem Dringlichkeitsantrag der SPD ist schon empörend und die Ausführungen und die Angriffe, die heute erfolgt sind, spotten jeder Beschreibung. Herr Kollege Hahnzog, Sie haben ausgeführt, dass jeder jederzeit abgehört werden könne, wenn dieses Gesetz in Kraft tritt.
Sie haben gesagt, jeder kann zu jeder Zeit abgehört werden. Außerdem ist hier geäußert worden, eine freie, offene Gesellschaft werde kaputt gemacht,
es werde ein Überwachungsstaat geschaffen.
Das sind unerhörte Beleidigungen, die Sie hier ausgesprochen haben, meine Damen und Herren.
Das ist nicht nur eine Diffamierung unserer Fraktion, sondern auch der Polizei. Polizeipraktiker nicht nur in Bayern, sondern auch in anderen Bundesländern haben gefordert, dass Präventivmaßnahmen in die Polizeiaufgabengesetze und insbesondere auch in unser Polizeiaufgabengesetz aufgenommen werden sollen.
Sie operieren hier mit den gleichen Parolen wie früher, als es um die Einführung der verdachts- und ereignisun
abhängigen Kontrolle gegangen ist. Seinerzeit hat es geheißen, ganz Bayern werde zu einem Fahndungsraum, jedes alte Mütterchen werde in Zukunft auf die Polizeiwache geschleppt und Ähnliches. Mit den gleichen Argumenten haben Sie gegen die Videoüberwachung polemisiert. Ich muss sagen, diese Parole verliert allmählich an Originalität.
Mit Ihrem hemmungslosen Angriff wollen Sie wahrscheinlich vom desolaten Zustand Ihrer Partei und der Koalition ablenken. Es ist immerhin Bundestagspräsident Thierse gewesen, der gesagt hat, die SPD befinde sich in einem Überlebenskampf.
Aber ich glaube, dieses Thema ist zu ernst für parteipolitische Taktik, wie Sie sie hier anwenden wollen. Sie kramen aus ihrer alten sozialistischen Mottenkiste – –
Ja, ich werde Ihnen gleich sagen, was Sie da herauskramen. Sie kramen aus der alten sozialistischen Mottenkiste die These hervor, dass der Bürger vor dem Staat geschützt werden müsse. Das ist doch Ihre Parole. Wir vertreten die Ansicht, dass der Staat und seine Sicherheitsorgane die Bürgerinnen und Bürger schützen und dass wir die Aufgabe haben, der Polizei die nötigen Mittel und die gesetzlichen Grundlagen zur Verfügung zu stellen, damit sie ihren Auftrag zum Schutz des rechtstreuen Bürgers erfüllen kann. Unsere Sicherheitspolitik ermöglicht der Polizei und dem Verfassungsschutz einen wirkungsvollen Schutz der Bevölkerung. Wir unterscheiden uns darin von anderen Bundesländern, wie erst jüngst das Beispiel in Berlin gezeigt hat.
Meine Damen und Herren, die SPD fordert, der Polizei sollten keine Mittel nachrichtendienstlicher Art übertragen werden, wie Sie sich ausdrücken, die präventiv und ohne jegliche Verdachtsmomente angewandt werden können. Davon kann doch nach dem Gesetzeswortlaut und nach der Begründung überhaupt keine Rede sein.
In Ihrer maßlosen Kritik beschränken Sie sich nicht auf die Beanstandung, dass die Berufsgeheimnisträger von präventiven Abhörmaßnahmen nicht ausgenommen sind – dazu werde ich mich noch besonders äußern –, Sie wollen ganz offensichtlich eine präventive Abhörmaßnahme überhaupt nicht zulassen.
Kollege Kreuzer hat gestern dargestellt, dass unser Gesetzentwurf der Polizei die technischen Möglichkeiten zur Gefahrenabwehr und zur Verhinderung von Straftaten eröffnen will, die gegenwärtig zur Strafverfolgung in der Strafprozessordnung verankert sind. Auch unter Mitwirkung der rot-grünen Bundesregierung gibt es doch Bestimmungen über Abhörmöglichkeiten, insbesondere des Einsatzes des Imsi-Catchers und vieles andere mehr. Wir haben uns an das gehalten, was für repressive Maßnahmen in der Strafprozessordnung verankert ist, und wollen das auf die präventiven Maßnahmen ausdehnen.
Das geht nicht darüber hinaus, sondern es hält sich streng an diesen Katalog. –
Notwendig ist die klassische Telekommunikationsüberwachung, das heißt die Überwachung von Telekommunikationsinhalten, des Weiteren die Befugnis zur Einholung von Telekommunikationsverbindungsdaten hinsichtlich bereits stattgefundener sowie zukünftiger Telekommunikation und schließlich der Einsatz des so genannten IMSI-Catchers, der zur Feststellung des Ländercodes sowie der Netz- und Teilnehmernummern notwendig und geeignet ist.
Dass der Einsatz dieser Mittel zulässig ist, wird eigentlich nur von Ihnen in dieser Diskussion bestritten. Ansonsten ist das unbestritten. Auch der Datenschutzbeauftragte – das bitte ich zur Kenntnis zu nehmen – hat im Grundsatz gegen diese Maßnahme keine Bedenken. Er hat lediglich angemerkt, dass es nach seiner Meinung sinnvoll wäre, zunächst die Ergebnisse des Max-PlanckInstituts für Rechtsvergleichung zur Telefonüberwachung im Strafverfolgungsbereich abzuwarten. Er hat aber im Grundsatz keine Einwendungen gegen diese präventiven Maßnahmen gehabt.
Ja, wir warten gerne ab. – Der Datenschutzbeauftragte hat die Übernahme seiner Forderung begrüßt, den generellen Richtervorbehalt grundsätzlich bei allen Datenerhebungen vorzusehen. Das würde er doch nicht tun, wenn er im Prinzip gegen diese Maßnahme Einwendungen hätte.
Wir sehen uns zu dieser gesetzlichen Maßnahme veranlasst und verpflichtet, da es die Aufgabe der Sicherheitsorgane ist, Straftaten aufzuklären und zu verfolgen, da der Staat im gleichen Umfang aber auch dazu aufgerufen ist, Gefahren abzuwehren und Straftaten zu verhüten. Das hat das Bundesverfassungsgericht in vielen Entscheidungen ausgesprochen, Herr Kollege Dr. Hahnzog.
Ja eben, dann sollten Sie das ja wissen. Umso beschämender sind Ihre Ausführungen zu unserem Gesetzentwurf.
Die Telefonüberwachung zur Abwehr von Straftaten und zur Sicherung besonders hoher Rechtsgüter, wie Leben, Gesundheit, Freiheit einer Person, oder zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes kann selbstverständlich nicht erfolgen, ohne dass bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Darüber sagen Sie überhaupt nichts.
Sie haben gestern und auch heute den Eindruck erweckt, als ob diese Maßnahmen willkürlich gegenüber jedermann ergriffen werden könnten. Eine solche Haltung kann nur mit dem abgrundtiefen Misstrauen gegen
die Sicherheitskräfte in unserem Land erklärt werden, so wie das von der Opposition immer wieder zum Ausdruck kommt. Sie können dem Gesetzentwurf entnehmen, dass die zu befürchtende Straftat hinreichend konkret sein muss, um eine Telefonüberwachung zu rechtfertigen. Der Datenschutzbeauftragte hat dazu einen konkreten Vorschlag gemacht, den wir übernommen haben.
Er hat vorgeschlagen, es sollte formuliert werden, dass Personen, die eine näher beschriebene Straftat „begehen wollen“, überwacht werden können. In der Formulierung „begehen wollen“ kommen die konkrete Gefahr und die Bestimmtheit des Eingriffs zum Ausdruck.
Ich habe zitiert, was der Datenschutzbeauftragte empfohlen hat und wir übernommen haben.
Wie Sie wissen, reichen nach dem Polizeirecht Vermutungen oder kriminalpolizeiliche Erfahrungen allein nicht aus. Es ist mehr erforderlich. Das wird in unserem Gesetzentwurf beachtet.
Besonders bei Kontakt- und Begleitpersonen ist Artikel 4 des Polizeiaufgabengesetzes zu beachten; das gilt aber auch ganz allgemein. Artikel 4 sagt, dass von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen die Polizei diejenige zu treffen hat, die den Einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt. Sie haben ja vorhin beanstandet, dass in jedem Fall und sofort diese Maßnahme eingeleitet werden könne. Sie übersehen dabei aber den Artikel 4 und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der unser Polizeirecht beherrscht.
Der Datenschutzbeauftragte – das betone ich noch einmal – erhebt gegen die präventive Telefonüberwachung grundsätzlich keine Bedenken. Er hat Bedenken bezüglich des Straftatenkatalogs geltend gemacht, der nach seiner Meinung zu weit gefasst und zu unbestimmt sei. Über diesen Komplex werden wir sicherlich zu diskutieren haben. Aber ich möchte schon an dieser Stelle darauf hinweisen, dass nach unserer Meinung der Katalog hinreichend bestimmt ist. In dieser Auffassung werden wir auch durch die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 1994 bestärkt, der sich mit Artikel 30 Absatz 5 des Polizeiaufgabengesetzes befasst hat. Sie haben beanstandet, das sei eine zu weitgehende Verweisung. Aber Artikel 30 Absatz 5 ist vom Verfassungsgerichtshof überprüft worden. Dieser hat festgestellt, dass diese Bestimmung verfassungsgemäß ist, dass sie insbesondere in ausreichender Klarheit und Bestimmtheit formuliert sei.
Besonders kritisch setzt sich die Opposition mit der Tatsache auseinander, dass unser Gesetzentwurf die Angehörigen von Berufsgruppen, die ein Zeugnisverweigerungsrecht haben, von der Telekommunikationsüberwachung nicht ausnimmt. Dieses Thema muss in aller Sachlichkeit debattiert werden. Die Opposition führt sich jetzt so auf, als ob die Pressefreiheit gefährdet wäre, als ob eine Verfolgung der Journalisten stattfände. Das ist eine Polemik sondergleichen, die einfach unzutreffend ist.
Da bedarf es eben der entsprechenden Aufklärung. Wir werden diese leisten. – Da brauchen Sie nicht zu lachen, sondern Sie sollten das ernst nehmen.
Eine Abhörmaßnahme gegenüber Personen, die nicht selber Straftaten begehen wollen – ich gehe davon aus, dass Journalisten nicht Straftaten begehen wollen; auch der Beichtvater, von dem Sie in der Diskussion immer wieder sprechen, hat nicht vor, eine Straftat zu begehen –, kann sich nur auf Kontakt- und Begleitpersonen beziehen. Das sind nur solche Personen – das steht in der Begründung unseres Gesetzentwurfs –, die in einem gefahrenabwehrrelevanten Kontakt zu dem potenziellen Straftäter stehen und als so genannte Nachrichtenmittler auftreten, die Informationen für den Störer entgegennehmen oder weiterleiten oder deren Kommunikationseinrichtungen dazu genutzt werden. Das alles kommt für die Journalisten von vornherein überhaupt nicht in Betracht, natürlich auch nicht für die übrigen Berufsträger.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Die Polizei ist kein anonymes Gebilde. Die Angehörigen der Polizei stehen im Dienste des Staates. Sie sind verpflichtet, nach Recht und Gesetz zu handeln. Können Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, eigentlich den leitenden Polizeibeamten ruhigen Gewissens in die Augen sehen, die nach unserem Gesetzentwurf bei Gefahr im Verzug berechtigt sind, eine TÜ-Maßnahme anzuordnen? Sie unterstellen diesen Beamten, sie wollten unser Land zu einem Überwachungsstaat machen. Das ist ein ungeheurer Vorwurf.
Dazu kann ich nur sagen: Lassen Sie doch die Tassen im Schrank!
Man kann nur hoffen, dass in nächster Zeit keine Straftat begangen wird, die durch eine präventive Maßnahme hätte verhindert werden können. Würde sie dennoch geschehen, dann wären Sie die Ersten, die sagen, dass die Polizei nicht rechtzeitig eingeschritten sei.
Unser Ziel ist die Aufrechterhaltung von Freiheit und Sicherheit. Da möchte ich ein Wort des Bundesinnenministers zitieren, der gesagt hat: Wer frei leben will, braucht Sicherheit vor Kriminalität und Terrorismus. Diese Sorge bewegt die Menschen und nicht die angestaubte Theorie vom angeblich allgegenwärtigen Überwachungsstaat.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Einen hohen Sicherheitsstandard zu gewährleisten und die Attraktivität unseres Landes auch mit einer
kommunalfreundlichen Politik zu erhalten und zu steigern, sind Ziele bayerischer Innenpolitik.
Dass Bayern ein attraktives Land ist, kann niemand ernsthaft bestreiten. Die Zahlen, die unser Ministerpräsident gestern bekannt gegeben hat, sprechen eine deutliche Sprache. Im vergangenen Jahr kamen rund 100000 Neubürger in unser Land, davon zwei Drittel aus dem Norden und Osten Deutschlands.
Nein, nicht alle, aber sehr viele nach Niederbayern, Herr Kollege Prof. Dr. Gantzer.
Bayern ist das sicherste Land – Herr Staatsminister hat das heute dargestellt – mit der höchsten Aufklärungsquote. Erfreulich ist, dass die Aufklärungsquote gerade bei der Gewaltkriminalität laufend gesteigert werden konnte. Dieser Erfolg ist vor allem aus präventiven Gründen zur Abschreckung potenzieller Täter von größter Bedeutung. Leider bleibt auch Bayern nicht von schwersten Straftaten verschont. Wir alle sind davon aufs Tiefste betroffen.
Umso wichtiger ist es, dass alle Maßnahmen ergriffen werden, um Straftaten nach Möglichkeit zu verhindern und begangene Delikte zu ahnden. Wir unternehmen in Bayern alles, um diese Ziele zu erreichen. Unsere Polizeibeamtinnen und -beamten sind es, die für unsere Sicherheit sorgen. Ihnen und auch den Angehörigen des Verfassungsschutzes gilt unser aufrichtiger Dank für ihren beispielhaften Einsatz.
Eine besondere Anerkennung möchte ich den Sicherheitskräften aussprechen, welche die angekündigten Chaostage in München durch ihr besonnenes und konsequentes Vorgehen verhindert haben. Furchtbare Parolen sind ausgegeben worden. Es wurde beabsichtigt, die Stadt in Trümmer zu legen, Bullen platt zu machen, München in einen Haufen aus Asche und Staub zu verwandeln.
Die Chaoten haben die Stadt verlassen mit dem Abschiedsgruß: nie wieder München.
Das ist ein Erfolg, der hier erzielt worden ist.
Auch die Sicherheitskonferenz in München im Februar konnte dank der Polizeipräsenz ohne Zwischenfälle abgewickelt werden. Auch vorher war es erfreulicherweise möglich, größere Zwischenfälle bei den Demonstrationen und Gegendemonstrationen anlässlich der Wehrmachtsausstellung in München zu verhindern. Ebenso wie die Vertreter der SPD konnte ich mich im Polizeipräsidium München und auch an Ort und Stelle
von der umsichtigen und sachgerechten Einsatztaktik der Polizei überzeugen und von den hohen Anforderungen, die an die Verantwortlichen gestellt worden sind, um bei einem ständig wechselnden Lagebild die angemessenen Entscheidungen zu treffen.
Voraussetzung für die polizeilichen Erfolge ist aber auch die klare Vorgabe der Sicherheitspolitik durch Sie, Herr Staatsminister Dr. Beckstein, und die Bayerische Staatsregierung, die von der CSU-Landtagsfraktion getragen wird. Insofern unterscheiden sich die Verhältnisse in Bayern ganz grundsätzlich von der Situation, die 1995 unter Ministerpräsident Schröder in Hannover bestand und zu den dortigen Chaostagen führte. Wir danken Ihnen, Herr Staatsminister, für Ihre konsequente Sicherheitspolitik, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Ihrem Hause und allen Polizeikräften, die diesen Sicherheitsstandard ermöglichen.
Herr Innenminister hat mit Recht betont, dass die Bundesregierung die Gefahren des Terrorismus unterschätzt und Lücken in den Sicherheitspaketen nicht schließt. Es ist unverantwortlich, Extremisten einreisen zu lassen, obwohl Anhaltspunkte für einen Terrorismusverdacht gegeben sind, oder gewaltbereite Ausländer nicht auszuweisen, obwohl Terrorverdacht besteht. Es handelt sich hier doch um präventive Maßnahmen zum Schutz unserer Bevölkerung, wobei nicht die Beweisanforderungen gestellt werden müssen, die bei einer strafrechtlichen Verurteilung zu erfüllen sind.
Für unverzichtbar halten wir die Regelanfrage beim Verfassungsschutz und ihre bundesweite Einführung im Einbürgerungsverfahren. Im Gegensatz zu Ihrer Meinung, Frau Kollegin Schmitt-Bussinger, gibt es da Lücken.
Das Gleiche gilt, wenn Ausländern ein unbefristetes Aufenthaltsrecht gewährt wird. Unsere rechtstreue Bevölkerung hat nicht das geringste Verständnis dafür, wenn bei der gegenwärtigen Gefahrenlage Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden nicht verwendet werden dürfen oder wenn – wie in Schleswig-Holstein – für die Anfrage die Zustimmung der Betroffenen verlangt wird – eine absurde Regelung! – oder wenn, wie in NordrheinWestfalen, die Anfrage nur bei Angehörigen bestimmter Problemstaaten zulässig ist.
Solche Beschränkungen sind höchst gefährlich, nicht nur für die Länder, die ihre Auskunftsrechte beschränken, sondern bei der anerkannten Mobilität von Straftätern und Terroristen für die gesamte Bundesrepublik.
Der Bundesinnenminister hat nach dem 11. September 2001 die Speicherung biometrischer Daten in Ausweispapieren angekündigt, die bis jetzt nicht umgesetzt worden ist. Ich erinnere mich gut an eine Fernsehdiskussion mit Bundesinnenminister Schily, in der er, zu der Vertreterin der GRÜNEN gewandt, erklärte, er sieht keinen Verstoß gegen die Menschenwürde, wenn jemand veranlaßt wird, einen Fingerabdruck abzugeben.
Zu begrüßen ist es, dass unsere Polizei zur Bekämpfung des Terrorismus mit modernster Technik ausgestattet wird und probeweise biometrische Verfahren zur Gesichtsfelderkennung angewendet werden. Ebenso wertvoll finde ich die elektronische Abnahme von Fingerabdrücken. Wir müssen alles tun, um den mit modernsten technischen Mitteln raffiniert agierenden Kriminellen das Handwerk zu legen. „Ohne Sicherheit ist ein Leben in Freiheit nicht möglich“, haben Sie, Herr Staatsminister mit Recht festgestellt. Der Bundesinnenminister hat von Ihnen gelernt und wie folgt formuliert:
Wer frei leben will, braucht Sicherheit vor Kriminalität und Terror. Diese Sorge bewegt die Menschen und nicht die angestaubte Theorie vom angeblich allgegenwärtigen Überwachungsstaat.
Das ist eine gute Erkenntnis, aber der Bundesinnenminister handelt leider nicht nach dieser Erkenntnis. Es wäre wünschenswert, dass Rot-Grün zu dieser Einsicht kommt. Rot-Grün in Berlin ist allerdings noch weit davon entfernt. Wichtige Gesetze stehen noch aus. In Bayern gibt es eine unterschiedliche Beweglichkeit. Die Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit der Videoüberwachung scheint die SPD in der Zwischenzeit eingesehen zu haben. Beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fehlt nach wie vor das Verständnis dafür. Das bayerische Gesetz zur nachträglichen Sicherungsverwahrung haben Teile der SPD mitgetragen. Die GRÜNEN waren dagegen. Das ist ein erschreckender Mangel an Sensibilität in einem äußerst gefahrenträchtigen Bereich. Die Haltung der GRÜNEN zur verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrolle, die zur Anfechtung beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof geführt hat, ist ein weiterer schlagender Beweis für das Unverständnis der GRÜNEN für die Belange der Sicherheit.
Herr Staatsminister, Sie haben mit Recht die Bedeutung des Feuerwehrwesens, des Technischen Hilfswerks und der übrigen freiwilligen Hilfsorganisationen betont. Die Organisationen und vor allem die Feuerwehren waren in diesem Jahr besonders durch die Hochwasserkatastrophen gefordert. Gerade die Feuerwehren haben innerhalb und außerhalb Bayerns einen großartigen Einsatz erbracht. Ich war in Dresden unverdient der Adressat für Dankesworte der dort Verantwortlichen für den Einsatz der bayerischen Feuerwehren in Sachsen. Ich gebe den Dank für die Leistungen der Hilfsorganisationen, vor allem der Feuerwehren, in Bayern, in Sachsen und in Sachsen-Anhalt auch im Namen der CSU-Fraktion weiter.
In Anbetracht der Einsatzbereitschaft und Opferbereitschaft von hunderttausenden von Bürgerinnen und Bürgern in Feuerwehren und in anderen Hilfsorganisationen ist es skandalös, dass sich die Bundesregierung trotz des Versprechens des Bundeskanzlers auf dem Feuerwehrtag in Augsburg nach wie vor hartnäckig weigert, dem Ehrenamt den ihm gebührenden Rang einzuräumen.
Sie wissen genau, dass das stimmt. Es ist eine geringfügige Änderung eingetreten, aber nicht die, die gefordert worden ist. Ehrenamtlich Tätige sind keine abhängig Beschäftigten, wie sie von Ihnen nach wie vor klassifiziert werden, sondern Idealisten, die Zeit und Kraft der Gemeinschaft zur Verfügung stellen.
Die bayerische Innenpolitik zeichnet sich durch ihre Kommunalfreundlichkeit aus.
Der Bund hat die Kommunen zum Teil an den Rand ihrer finanziellen Handlungsfähigkeit getrieben. Es ist doch bezeichnend und zeigt die Kommunalfeindlichkeit der Bundesregierung, wenn im Herbst 1998 eine Reform der Kommunalfinanzen angekündigt und erst im Frühjahr 2002 auf Druck Bayerns die Kommission für die Reform eingesetzt wird. Es war die Bayerische Staatsregierung, die Initiativen zur sofortigen Stärkung der Kommunalfinanzen ergriffen hat. Der Herr Innenminister hat sie geschildert.
Die Bayerische Staatsregierung befindet sich in voller Übereinstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden. Auch sie fordern eine Senkung der Gewerbesteuerumlage und eine Aufhebung des Grundsicherungsgesetzes. Meine Damen und Herren, diese Forderung stellt auch der Deutsche Landkreistag. Der Deutsche Landkreistag hält das Grundsicherungsgesetz für verfassungswidrig, und Sie werden nicht behaupten können, dass der Deutsche Landkreistag von der CSU dominiert wird.
Es wäre zu wünschen, dass es so weit kommt.
Das in Bayern vorgesehene Konnexitätsprinzip – Sie haben es angesprochen, Frau Kollegin Schmitt-Bussinger – wird mitgetragen. Wir haben eine Anhörung zu diesem Thema durchgeführt. Wir erwarten aber auch von der Opposition, dass sie sich auf Bundesebene für die Verankerung des Konnexitätspinzips einsetzt. Es nützt nichts, wenn im Grundsicherungsgesetz das Wort – wie Sie gesagt haben, Frau Schmitt-Bussinger – „Konnexität“ drin steht; es muss auch nach diesem Prinzip gehandelt werden.
Oberbürgermeister Deimer – Sie haben ihn zitiert; ich darf ihn auch zitieren – hat erklärt:
Die Koalitionsvereinbarung ist in diesem Punkt mehr als vage. Wir brauchen einen durchgängigen Schutzmechanismus, der auch den Bund in die Pflicht nimmt.
Beispiele für diese Notwendigkeit gibt es viele, so auch das Kinder- und Jugendhilfegesetz oder das Zuwanderungsgesetz, von dem ich allerdings erwarte und
annehme, dass es wegen verfassungswidrigen Zustandekommens aufgehoben wird, zumal der Herr Bundespräsident selbst erklärt hat, dass in der Sitzung des Bundesrates am 22. März eine verfassungsrechtliche Verfahrensvorschrift in gewagter Weise ausgereizt und damit eine politische Kampfsituation auf die Spitze getrieben worden ist.
Meine Damen und Herren, die CSU-Fraktion sieht auch in Zukunft einen Schwerpunkt der Innenpolitik in der Partnerschaft zwischen dem Staat und den Kommunen. Uns ist bewusst, dass unsere Bürgerinnen und Bürger in einer immer komplizierter werdenden Welt Geborgenheit in ihrem unmittelbarem Lebensumfeld suchen. Das ist die Gemeinde; das ist die Stadt. Dieses Umfeld sicher und lebenswert zu gestalten, ist eine gemeinsame Aufgabe von Staat und Kommunen. Dieser Aufgabe wollen wir uns verantwortungsbewusst stellen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst auf die Anmerkung des Herrn Kollegen Memmel zum Eingang des Berichts des Innenministeriums eingehen. Er sagt, ihn interessierte nicht die Geschäftsstelle, sondern das, was auf der Tagesordnung steht. Herr Kollege Memmel, anscheinend sind Sie mit dem Geschäftsgang hier sehr wenig vertraut. Der Bericht des Innenministers ist als schriftlicher Bericht angefordert worden. Der Bericht ist eingegangen und wird an die Fraktionen verteilt. Auf diesem Wege ist er auch zu unserer Fraktion gekommen.
Vor drei Tagen.
Sie haben erklärt, für Sie ist maßgebend, was auf der Tagesordnung steht.
Es ist vereinbart, dass dann, wenn ein schriftlicher Bericht vorliegt, von den Fraktionen entschieden wird, ob eine mündliche Erörterung gewünscht wird. Wenn der Wunsch besteht, wird der Bericht in einer Ausschusssitzung erörtert. Das zu tun, steht Ihnen frei. Sie können aber nicht rügen, dass der Bericht zu spät eingegangen ist und dass Sie von ihm keine Kenntnis haben.
Der Bericht ist jetzt erst eingegangen, weil umfassende Ermittlungen notwendig waren.
Uns liegt der Bericht seit drei Tagen vor. Wann er bei Ihnen – –
Das ist doch nicht entscheidend. Es ist doch lächerlich, eine Diskussion darüber zu führen, wann ein Bericht eingegangen ist und wann er der Geschäftsstelle zugeleitet worden ist. Tatsache ist, dass ein umfangreicher Bericht erstattet worden ist.
Herr Kollege Memmel, es ist auch lächerlich, dass Sie sagen, Sie konnten die Münchner Stadträte nicht über die Situation in anderen Bundesländern informieren, weil Sie den Bericht nicht hatten. Sie haben genauso wie wir schon vor einem Jahr vom Hotel- und Gaststättenver
band eine Aufstellung darüber bekommen, wie die Situation in anderen Bundesländern ist. Das hätten Sie schon seit einem Jahr erörtern können.
Das ist doch Unsinn, was Sie da sagen. Entscheidend ist, wie die Situation in anderen Bundesländern ist. Ob die Information der Hotel- und Gaststättenverband oder jemand anders liefert, ist völlig gleichgültig.
Sie haben auch bemängelt, dass Ihre Bemühungen bisher gescheitert wären.
Sie haben bisher keine Erklärung abgegeben, in welcher Weise Sie eine Verkürzung der Sperrzeit wünschen. Von Ihrer Seite liegt bis dato kein Antrag vor. Erstmals mit diesem Dringlichkeitsantrag haben Sie eine genaue Stundenangabe gemacht. Sie haben gemeinsam mit uns im vergangenen Jahr den Antrag der Grünen abgelehnt, der dem entspricht, was heute wieder eingegangen ist und von dem Sie angekündigt haben, dass Sie ihm zustimmen. Dieser Antrag der Grünen forderte, dass die Sperrzeit auf die sogenannte Putzstunde von fünf bis sechs Uhr verkürzt werden sollte. Diesen Antrag haben Sie gemeinsam mit uns abgelehnt. Sie haben Ihrerseits bis jetzt keinen konkreten Antrag gestellt, was die Sperrzeitverkürzung anbelangt, so dass Sie nicht sagen können, die Bemühungen Ihrerseits wären gescheitert.
Sie tun auch so, als ob alle Gastwirte in ganz Bayern das wünschen würden, was Sie jetzt beantragt haben. Das ist keineswegs der Fall. Die Auffassungen der Gastwirte sind unterschiedlich. Wir kennen die Auffassung des Hotel- und Gaststättenverbandes. Diese Auffassung deckt sich nicht mit der Meinung aller Gastwirte. Der Hotel- und Gaststättenverband von Niederbayern hat in diesen Tagen erklärt, er sei mit dem Vorschlag, den wir in Banz erarbeitet haben, ganz einverstanden. Auch der Landesverband des Hotel- und Gaststättenverbandes hat erklärt, dass das ein Schritt in die richtige Richtung sei. Einzelne Bezirksverbände sind voll und ganz der Meinung, dass das, was wir vorgeschlagen haben, richtig ist.
Meine Damen und Herren Fraktionsvorsitzenden, Herr Kollege Memmel, ich bitte, einen Punkt zu beachten, den ich jetzt in großer Objektivität vortragen will: Sie verlangen in Ziffer 1 des Dringlichkeitsantrages, dass die Gemeinden in Zukunft die Möglichkeit haben sollen, die Sperrzeit auch dann durch Verordnung zu verlängern, zu verkürzen oder aufzuheben, wenn kein öffentliches Bedürfnis oder keine besonderen örtlichen Verhältnisse vorliegen. Sie begründen dann diesen Antrag sehr populistisch, indem Sie sagen, die kommunale Selbstverwaltung sollte so weit gehen, dass eine Stadt wie München selbst entscheiden kann, ob sie die Sperrzeit für das gesamte Stadtgebiet aufheben will oder nicht. Dazu bitte ich zur Kenntnis zu nehmen, dass wir ein Bundesgesetz haben; wir haben ein Gaststättengesetz des Bundes. Im Gaststättengesetz des Bundes wird in § 18 festgelegt, dass die Landesregierungen Sperrzeiten durch Rechtsverordnung allgemein festzusetzen haben.
Es heißt dann ferner: „In der Rechtsverordnung ist zu bestimmen, dass die Sperrzeit bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse allgemein oder für einzelne Betriebe verlängert, verkürzt oder aufgehoben werden kann.“ Das ist eine Vorschrift des Bundes, an die wir gebunden sind. Wenn Sie die Kommentare durchlesen – es gibt mehrere Kommentare, zum Beispiel von Michel, Kienzle und Pauly –, werden Sie feststellen, dass es dort heißt, § 18 des Gaststättengesetzes verpflichte die Landesregierungen, von der Ermächtigung Gebrauch zu machen.
In jedem Land muss also nach Absatz 1 Satz 1 durch Rechtsverordnung eine allgemeine Sperrzeit festgesetzt und nach Absatz 1 Satz 2 in der Rechtsverordnung bestimmt werden, dass hiervon bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse abgewichen werden kann. Damit bestimmt das Bundesrecht zugleich, dass nur unter diesen Voraussetzungen Abweichungen von der Regel vorgesehen werden dürfen. Die Länder können also die in Absatz 1 Satz 2 verwendeten Begriffe nicht durch andere ersetzen oder die Entscheidung über die Verlängerung, Verkürzung oder Aufhebung der Sperrzeit von erleichterten oder erschwerten Voraussetzungen abhängig machen.
Herr Kollege Dr. Hahnzog, Sie sollten bei diesen meinen lichtvollen Ausführungen aufmerken, damit Sie Ihrer Fraktion eine Rechtsbelehrung dazu geben können, damit nicht so unmögliche Anträge eingereicht werden.
Es ist eine plumpe Täuschung der Bevölkerung und der Gastwirte, wenn Sie den Anschein erwecken, als wären Sie in der Lage, eine Änderung des Bundesrechts über das Landesrecht zu erreichen.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Dr. Kempfler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dr. Hahnzog?
Ja.
Das ist keine diskriminierende Bemerkung meinerseits, sondern eine ganz klare Feststellung der Situation sowie eine Kritik meinerseits daran, dass die Rechtslage überhaupt nicht beachtet worden ist. Es ist bezeichnend, dass Kommunalpolitiker und Rechtspolitiker nicht an dem Antrag mitgewirkt haben.
Jedenfalls darf ich hierzu feststellen, dass es unmöglich ist, die Ziffer 1 zu verabschieden und dass Bayern in korrekter Art und Weise von dieser Bundesermächtigung Gebrauch gemacht hat, indem es in § 10 der Gaststättenverordnung bestimmt hat, dass bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Ver
hältnisse die Sperrzeit durch Verordnung verlängert, verkürzt oder aufgehoben werden kann. In § 11 heißt es, dass bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses – das ist auch die Kernbestimmung – oder besonderer örtlicher Verhältnisse für einzelne Betriebe der Beginn der Sperrzeit bis höchstens 19 Uhr vorverlegt und das Ende der Sperrzeit bis 8 Uhr hinausgeschoben oder die Sperrzeit befristet und widerruflich verkürzt oder aufgehoben werden kann.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Dr. Kempfler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Memmel?
Nein, ich bin zeitlich ja beschränkt. Ich bitte um Verständnis, Herr Kollege Memmel; wir reden dann hinterher. Ich kläre Sie gerne über die Rechtslage auf. Interessant ist auch, dass der Kreisverwaltungsreferent von München, Blume-Beyerle, gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ im Oktober des vergangenen Jahres geäußert hat:
Die Rechtslage in Bayern ist sicher rigider als in anderen Ländern. In München gibt es so gut wie keine Nachfrage nach kürzeren Sperrzeiten. Es gibt in München kein Sperrzeitenproblem.
Nun geht Herr Memmel her und sagt, es gäbe einen Aufstand unter allen Gastwirten wegen dieser unmöglichen Regelung der Sperrzeiten in Bayern. München kann ja entscheiden – auch durch eine Rechtsverordnung –, und zwar für das gesamte Stadtgebiet oder für Teile des Stadtgebietes. Das ist eine rechtliche Möglichkeit, die schon immer bestanden hat, von der aber fast nie Gebrauch gemacht worden ist. Ich darf mich nochmals auf Herrn Blume-Beyerle berufen, der erklärt hat, im Jahre 2000 seien gut 100 Anträge gestellt worden, von denen an die 60 genehmigt worden und einige noch offen seien. Es gebe in München kein Sperrzeitenproblem. Dann ist er darauf aufmerksam gemacht worden, die Nachtschwärmer sähen das doch wohl anders. Er erklärte dann:
Wir fragen nicht die Nachtschwärmer, sondern wir fragen die Wirte. Die müssen abwägen, ob sie mit fünf Nachtschwärmern noch ihr Lokal betreiben können. Die Wirte stellen die Anträge. In München ist es so, dass wir 20 Lokale haben, die die ganze Nacht aufhaben. 540 Lokale haben Sperrzeiten wie 2 Uhr, 3 Uhr oder 4 Uhr. Das ist es, was der Markt verlangt. Die Nachtschwärmer Münchens haben Hunderte von Lokalen, wo sie nahezu die ganze Nacht verbringen können.
Die kennen Sie vielleicht nicht, Herr Kollege Memmel.
Also 10 Prozent der Lokale in München haben eine verkürzte Sperrstunde. Ich darf noch ein Zitat bringen, und zwar vom Leiter der Gaststättenabteilung des Kreisverwaltungsreferats München vom 17. März 2002. Er sagt, die liberale Genehmigungspraxis in München habe sich
in den vergangenen Jahren bewährt. Deshalb würde seine Behörde diese Linie gerne fortsetzen.
Falls der Stadtrat die Aufhebung der Sperrzeit beschließt, sehen wir jedoch große Probleme auf uns zukommen.
Es ist doch bezeichnend, dass nur vier Bezirke in München von der Möglichkeit Gebrauch machen wollen, durch eine Verordnung die Sperrzeit auf die sogenannte Putzstunde zu verkürzen. Das ist die neueste Meldung aus München. Warum mobilisieren Sie denn nicht alle Bezirksausschüsse, Herr Kollege Memmel, damit diese von den gegenwärtig geltenden Möglichkeiten Gebrauch machen?
Stattdessen machen Sie uns für eine zu restriktive Gesetzeslage verantwortlich.
Ich komme nun auf die Ziffer 2 Ihres Antrags zu sprechen. Es ist rechtlich möglich, das so zu verordnen, wie Sie es wünschen. Wir sind aber der Meinung, dass das zu weitgehend ist. Wir wissen auch, dass die Frage emotional diskutiert wird. Wir sind der Meinung, dass den Bedürfnissen der meisten Gastwirte und auch der Gäste durch die Verlängerung um eine Stunde Rechnung getragen wird, so wie wir es in unserem Dringlichkeitsantrag vorgeschlagen haben. Unser Vorschlag an die Staatsregierung geht dahin, eine Stunde länger während der Woche und eine weitere Stunde von Freitag auf Samstag und von Samstag auf Sonntag öffnen zu können. Damit wird dem veränderten Ausgehverhalten entsprochen.
Es wurde befürchtet, dass ein Nachtgastronomietourismus in die benachbarten Bundesländer Baden-Württemberg, Hessen und Thüringen stattfinden werde. Dem wird auf diese Weise entgegengewirkt. Weiterhin sollen die Gastwirte auf diese Weise von Kosten entlastet werden, weil sie jetzt keine Einzelgenehmigung mehr brauchen, wenn sie eine Stunde länger öffnen wollen.
Eine generelle Freigabe der Sperrzeit lehnen wir ab. Sie ist auch nicht notwendig; denn die Kommunen haben weiterhin die Möglichkeit, durch Rechtsverordnung oder Einzelfallentscheidung unterschiedliche Sperrzeiten festzulegen. Unser Vorschlag auf Verkürzung der Sperrzeit stellt einen Kompromiss dar. Die kommunalen Spitzenverbände sind einheitlich gegen eine Veränderung. Wir werden das Innenministerium bitten, eine Rechtslage zu schaffen, wie sie gegenwärtig in Baden-Württemberg, in Niedersachsen, in Thüringen und in Bremen gilt. Das sind verschiedene Länder, die von unterschiedlichen Parteien regiert werden und unterschiedlich strukturiert sind. Wenn unser Vorschlag aufgenommen wird, haben wir die gleiche Rechtslage wie diese Länder.
Es ist richtig, dass es Länder gibt, die nur die sogenannte Putzstunde eingeführt haben. Zum Teil sind diese Regelungen erst seit 2001 in Kraft. In Sachsen-An
halt und in Rheinland-Pfalz gilt die Regelung erst seit 1. Januar 2002, sodass es bisher noch nicht möglich war, ausreichende Erfahrungen zu sammeln. Der Sinn der Anfrage des Innenministeriums war es auch, Erfahrungswerte aus den anderen Bundesländern zu bekommen. Die Antworten sind sehr unterschiedlich ausgefallen. Die kommunalen Spitzenverbände berichten uns, dass es vermehrt zu Anliegerbeschwerden gekommen ist, nachdem die Gesetzesregelungen in den anderen Bundesländern in Kraft getreten sind.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, zu berücksichtigen, und ich bitte auch Sie, Herr Kollege Memmel, unser Argument zu akzeptieren, dass bei einer weitgehenden Aufhebung der Sperrzeit die Position der Anwohner wesentlich verschlechtert würde. Denn die Anwohner hätten dann die Beweislast dafür, dass durch die verlängerten Öffnungszeiten eine unzumutbare Lärmbelästigung eintritt, und müssten den Beweis durch Lärmmessungen und vieles andere mehr antreten. Sie befinden sich in einer sehr schwierigen Situation.
Den Antrag der GRÜNEN werden wir ablehnen. Die FDP hat in Schleswig-Holstein einen Antrag auf Verkürzung der Sperrzeit zwischen 5 und 6 Uhr eingereicht. Interessant ist, dass sich die GRÜNEN dagegen gewandt haben. Sie haben geltend gemacht, dass es nicht nur um die Rechte der Beschäftigten, sondern auch um den Schutz der Nachtruhe der Nachbarschaft gehe. Dass ein Liberaler gegen die Sperrzeiten kämpfe und die Regelung der alten Obrigkeit ablehne, die dem freien Bürgertum das Recht beschränken wollte, sich in Gaststätten betrinken zu können, sei verständlich. Aber die GRÜNEN wollten das nicht ändern und haben es in Schleswig-Holstein abgelehnt. Die Rechtsänderung ist daher in Schleswig-Holstein nicht eingetreten.
Der Herr Innenminister hat einen umfassenden Bericht vorgelegt, für den wir uns herzlich bedanken, weil er alle Probleme, die in dem gemeinsam verabschiedeten Beschluss angesprochen worden sind, behandelt und ausführlich dazu Stellung genommen hat. Auch in diesem Bericht wird es für überlegenswert gehalten, die bayerische Rechtslage der Lage in Baden-Württemberg anzugleichen. Es wird insbesondere darauf verwiesen, dass von der Möglichkeit der sogenannten Spontanerlaubnisse gemäß § 1 Absatz 6 der Gaststättenverordnung verstärkt Gebrauch gemacht werden soll, was bisher nicht geschehen ist. Wir treten auch dafür ein, dass in den Kostenregelungen für länger geltende Ausnahmegenehmigungen zur Sperrzeitverkürzung oder Ausnahmegenehmigungen, die wiederholt verlängert werden, eine Gebührendegression vorgesehen werden soll. Es ist sicherlich möglich, auf diese Weise die Kostenbelastung der Gastwirte noch etwas zu verringern.
Ich darf noch einmal betonen: Es ist ein wichtiger Schritt gemacht, wenn wir eine Veränderung um eine Stunde herbeiführen. Das wird in vielen Fällen zu einer Lösung der bisher bestehenden Probleme beitragen, falls die Probleme überhaupt bestanden haben. Wir halten unseren Vorschlag für einen angemessenen und ausgewogenen Kompromissvorschlag. Ich bitte Sie, dem Dringlichkeitsantrag der CSU stattzugeben und die Anträge der SPD und der GRÜNEN abzulehnen.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Dr. Runge.
Guten Morgen, Herr Präsident, guten Morgen Herr Staatsminister! Herr Staatsminister, unter welchen Voraussetzungen werden im Freistaat Bayern Verteidiger bei Zeugenvernehmungen durch die Polizei im Ermittlungsverfahren zugelassen?
Herr Staatsminister, halten Sie es für zweckmäßig, dass den Zeugen vor der Vernehmung das Beweisthema bekannt gegeben wird?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die CSU-Fraktion begrüßt die Regierungserklärung des Herrn Staatsministers. Sie dokumentiert nach unserer Meinung erneut die Kommunalfreundlichkeit der Staatsregierung und der CSU-Landtagsfraktion. Die kommunale Selbstverwaltung wurde in den vergangenen Jahren immer wieder gestärkt durch eine Reihe von gesetzlichen Regelungen sowie durch andere Maßnahmen. Ich erwähne nur stichwortartig und beispielhaft die Umwandlung der staatlichen Rechtsaufsicht in eine Ermessensaufsicht, das Projekt „vorschriftenfreie Kommunen“, die Erweiterung der kommunalen Handlungsspielräume durch die Änderung des kommunalen Abgabenrechts, die Einführung der Experimentierklausel, die Verankerung des Anhörungsrechts und die Neugestaltung des Kommunalunternehmensrechts.
Der Herr Staatsminister hat mit Recht unterstrichen, dass die Kommunen ausreichende Finanzmittel brauchen, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Wir alle wissen, dass die finanzielle Anspannung der kommunalen Haushalte im Jahr 2001 zugenommen hat. Darauf hat jüngst der Präsident des Landkreistages, Zellner, hingewiesen. Er hat aber gleichzeitig betont, dass der einzige Lichtblick in der gegenwärtig schwierigen Situation der bayerische Finanzausgleich sei.
Er hat das im Einzelnen begründet. Sie können es nachlesen, Herr Kollege Mehrlich.
Unsere Kommunen und die kommunalen Spitzenverbände erkennen an, dass der Freistaat Bayern mit dem Finanzausgleichsgesetz 2002 seinen Beitrag zur Stärkung der kommunalen Haushalte geleistet hat. Ich darf Herrn Zellner zitieren, der sagt, die Hauptforderungen der kommunalen Spitzenverbände wurden vom Freistaat Bayern auch in haushaltspolitisch schwierigen Zeiten erfüllt. Voll und ganz teilt Präisdent Zellner auch unsere Einschätzung, wenn er davon spricht, dass die ungewöhnlich schlechten Wirtschaftsaussichten und die im Jahre 2000 verabschiedete Steuerreform bei den Kommunen zu dramatischen Ausfällen bei der Gewerbesteuer geführt haben.
Wir haben dieses Thema in der Plenardebatte vom 13. November vergangenen Jahres erörtert. Kollege Meyer wird darauf im Einzelnen noch eingehen. Ich möchte mich darauf beschränken, die Situationsbeschreibung unseres Ministerpräsidenten Dr. Edmund Stoiber wiederzugeben, der gesagt hat, Eichels Sparkurs ist nichts als Fassade. Er lässt sich für jede gesparte Mark feiern. In Wirklichkeit verschiebt er die Belastungen. Die Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen, sie alle treibt Rot-Grün in neue Schulden.
Als leeres Versprechen stellt sich heraus, was in der rotgrünen Koalitionsvereinbarung großspurig angekündigt wurde. Der Herr Staatsminister hat darauf hingewiesen. Es hieß dort: Wir wollen die Finanzkraft der Gemeinden stärken und das Gemeindefinanzsystem einer umfassenden Prüfung unterziehen. Da klingt es geradezu wie Hohn, wenn die Bundesregierung in der Antwort auf eine große Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion schreibt, die Bundesregierung wird die kommunalen Handlungsspielräume und Entscheidungsbereiche respektieren und stärken. Nur starke Städte und Kommunen können den berechtigten Interessen der Bürgerinnen und Bürger gerecht werden.
Wie kommunalunfreundlich diese Bundesregierung und die rot-grüne Koalition eingestellt sind, zeigt die Behandlung eines Antrags der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, in dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, ihre kommunalfeindliche Politik zu korrigieren. Der Antrag wurde in Berlin abgelehnt. Eine skandalöse Behandlung der Anliegen unserer Kommunen ist das.
Das Thema „Privatisierung und Liberalisierung der Wasserversorgung“ hat die Kommunen in den vergangenen zwei Jahren stark bewegt. Der Bayerische Landtag hat sich in einstimmigen Beschlüssen gegen eine Liberalisierung der Wasserversorgung ausgesprochen. Was die Privatisierung anbelangt, waren sich die Fraktionen ebenfalls einig, dass bei einer vertraglichen oder Gesellschaftsregelung die Zusammenarbeit mit den Privaten in der Form sichergestellt sein muss, dass der bestimmende Einfluss der Kommunen erhalten bleibt.
Es ist völlig unverständlich, warum die SPD im November 2001 eine Desinformationskampagne startete mit Plakaten und Flugblättern mit der Behauptung, auch die CSU dränge auf eine schrankenlose Liberalisierung des Wassermarktes auf europäischer Ebene und die Staatsregierung habe bisher nicht öffentlich Position bezogen. Diese Behauptungen sind absolut falsch.
Die Position der Staatsregierung ist eindeutig, genauso wie die Haltung der CSU eindeutig gegen die Liberalisierung gerichtet ist. Das wurde in verschiedenen Berichten der Staatsregierung an den Herrn Landtagspräsidenten schon im Juni/Juli vergangenen Jahres deutlich. Und trotzdem haben Sie im November diese Kampagne gestartet!
Warten Sie doch, was noch kommt, Herr Kollege Mehrlich.
Die Ablehnung wurde also eindeutig zum Ausdruck gebracht, und auch Herr Staatsminister Dr. Schnappauf
hat bei uns im Ausschuss in diesem Sinne berichtet. Herr Staatsminister Reinhold Bocklet hat bereits im Vorfeld in seinem schriftlichen Bericht die Situation dargestellt und die Haltung geschildert, die die Staatsregierung gegenüber der europäischen Ebene einnimmt. Es wird freilich notwendig sein, wie Sie, Herr Staatsminister bereits ausgeführt haben, die Aktivitäten der EU mit großer Wachsamkeit zu verfolgen.
Herr Kollege Mehrlich, Sie haben in der Sitzung am 4. Dezember berichtet, dass die SPD-Fraktion in Berlin gemeinsam mit den GRÜNEN einen Entschließungsantrag eingereicht habe, der sich gegen die Liberalisierung der Wasserversorgung wendet. Sie haben auch Ihr Versprechen eingehalten und mir die Drucksache am nächsten Tag auf den Tisch gelegt. Aber ich darf feststellen, dass diese Initiative erst vom 17. Oktober 2001 stammt, also aus einer Zeit, als die Haltung der Staatsregierung und der CSU-Fraktion bereits eindeutig und klar war. Dieser Antrag wurde übrigens erst in der vergangenen Woche im Bundestag behandelt. Ich darf daran erinnern, dass es Staatsminister Dr. Beckstein war, der in der Innenministerkonferenz am 5. Mai 2000 und am 10. Mai 2001 bereits die entsprechenden Initiativen ergriffen hat.
Der rot-grüne Antrag – ich möchte dazu im Einzelnen jetzt nichts ausführen – enthält einige Formulierungen, die einer eingehenden Überprüfung bedürfen. Herr Kollege Mehrlich, da werden Sie mir sicherlich zustimmen. Es wird davon gesprochen, dass eine zeitgemäße Anpassung des Gemeindewirtschaftsrechts in den Gemeindeordnungen zu erfolgen hat. Das ist ein gefährlicher Schritt, der hier angedeutet wird. Das steht in einem nahen Bezug zu dem Liberalisierungsgutachten, das der Bundeswirtschaftsminister in Auftrag gegeben hat.
Ich möchte zusammenfassend feststellen, dass die Haltung von Staatsregierung und CSU-Fraktion stets klar war und für die SPD kein Anlass bestand, die Kommunen durch eine landesweite Kampagne zu verunsichern.
Das war ein bedauernswerter Schlag ins Wasser, in trübe Gewässer.
Inwieweit sich der Bundeswirtschaftsminister vom Gutachten distanziert, steht bis zur Stunde nicht fest. Der Bundeswirtschaftsminister hat am Montag eine Rede gehalten und gesagt, auch für die Wasserwirtschaft werde ein stärkerer, den branchenspezifischen Bedingungen Rechnung tragender Wettbewerb gewünscht. Es ist keine klare Distanzierung vom Gutachten erfolgt. In der Presse hat es geheißen, der Bundeswirtschaftsminister verhalte sich vergleichsweise distanziert zu diesem Gutachten. Was im Einzelnen darunter zu verstehen ist, ist mir im Augenblick schleierhaft.
Meine Damen und Herren, der Herr Staatsminister hat das Thema der Sozialversicherungspflicht der Ehrenamtlichen erwähnt. Ich möchte Sie und insbesondere
den Herrn Kollegen Strasser darauf hinweisen, dass am 9. Januar dieses Jahres die Spitzen des Landesfeuerwehrverbandes bei uns zu Gast waren und deutlich gemacht haben, dass die Regelung, die jetzt durch diese steuerrechtliche Maßnahme geschaffen wurde, absolut unzureichend ist.
Der Landesfeuerwehrverband hat uns aufgefordert, weiter tätig zu werden. Wir haben die Leute aufgeklärt und ihnen gesagt, dass diese Entscheidung in Berlin zu treffen sei und dass von Bayern aus alles getan wurde, um diesen unhaltbaren Zustand zu ändern, der das Ehrenamt als abhängige Beschäftigung deklariert und grundsätzlich der Sozialversicherungspflicht unterwirft. Diese steuerrechtliche Regelung ist nur eine mit großer Bürokratie verbundene Hilfskrücke. Das geht nur über den Umweg, dass man feststellt, inwieweit von den Feuerwehrdienstkräften eine Ausbildungstätigkeit oder eine Sofortmaßnahme ausgeübt wird. Es ist dankenswerter Weise gelungen, dass das Finanzministerium eine Pauschalierung vorgenommen hat. Aber das alles ist sehr umständlich und trägt dem Grundanliegen der Feuerwehren nicht Rechnung.
Die CSU-Fraktion – das möchte ich abschließend ausführen – hat die Initiative zur Einführung der Videoüberwachung ergriffen. Der Herr Staatsminister hat das erwähnt. Von der Opposition wurde diese Einrichtung immer wieder durch die Behauptung diffamiert, dass eine flächendeckende Videoüberwachung geplant sei. Die SPD hat nun erfreulicherweise von Irsee aus die Botschaft hören lassen, dass der Widerstand aufgegeben werde. Offensichtlich will sie sich jetzt aus der Umarmung der Frau Kollegin Tausendfreund befreien. Ich hoffe, dass das wirklich ernst gemeint ist.
Ich meine das symbolisch.
Ich hoffe, dass das wirklich ein Bekenntnis zur Videoüberwachung in dem Sinne ist, wie wir sie geregelt haben. Die SPD hatte schon früher gesagt, sie sei für die Videoüberwachung, und sie hatte auch einen eigenen Gesetzesvorschlag eingereicht. Aber dieser Gesetzesvorschlag war miserabel. Sollte das nun wieder ein Bekenntnis zu diesem Gesetzesvorschlag sein, dann wäre das eine üble Sache.
Meine Damen und Herren, ich möchte darauf hinweisen, dass der Deutsche Städte- und Gemeindebund die Möglichkeit der Videoüberwachung sehr begrüßt und erklärt hat, dass die Videoüberwachung öffentlicher Straßen und Plätze durch die Polizei einen Beitrag zur besseren Verbrechensbekämpfung und zur Stärkung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung leisten kann. Die Innenminister haben auf Initiative unseres Staatsministers Dr. Günther Beckstein schon im Mai 2000 einen Beschluss formuliert, der lautet:
Die Innenministerkonferenz sieht in dem offenen Einsatz von Videoüberwachungsmaßnahmen an Kriminaliätsbrennpunkten im öffentlichem Raum ein geeignetes Mittel, um die Wahrnehmung der polizeilichen Aufgaben im Rahmen der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung wirksam zu unterstützen.
Meine Damen und Herren, die SPD hatte damals einen Gesetzesvorschlag eingereicht, der nur eine Beobachtung und keine Aufzeichnung vorsah. Dies ist eine völlig lückenhafte Regelung. Erst dann, wenn sich durch Beobachtung der Verdacht einer begonnenen oder unmittelbar bevorstehenden Straftat ergibt, sollte die Aufzeichnung möglich sein. Außerdem wäre die Beobachtung nur bei Straftaten von erheblicher Bedeutung im Sinne von Artikel 30 Abs. 5 zulässig gewesen. Damit wären Körperverletzungen, Diebstahl und auch Sittlichkeitsdelikte, soweit sie nicht Verbrechen im technischen Sinne sind, nicht darunter gefallen. Ich kann also nur hoffen, dass sich die SPD jetzt zu dem Gesetz, wie es von uns initiiert und verabschiedet worden ist, bekennt.
Herr Staatsminister, Sie haben darauf hingewiesen, dass im Freistaat Bayern Staat und Kommunen auch auf dem Gebiet der Inneren Sicherheit zusammenarbeiten. Die Innere Sicherheit zu garantieren, ist eine der wichtigsten hoheitlichen Aufgaben. Die gemeinsame Erklärung für mehr Sicherheit in unseren Städten und Gemeinden vom Dezember 1998 ist von richtungweisender Bedeutung für die Kriminalprävention. Die Videoüberwachung ist Bestandteil dieser Präventionsmaßnahmen.
Wir bedanken uns bei der Bayerischen Staatsregierung, insbesondere bei Herrn Staatsminister Dr. Günther Beckstein und bei Herrn Staatssekretär Hermann Regensburger, für die in jeder Hinsicht – auch in finanzieller Hinsicht – kommunalfreundliche Politik.
In diesen Dank schließen wir auch den Herrn Staatsminister der Finanzen Prof. Dr. Faltlhauser ein. Für uns ist die Leitlinie maßgebend, die Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber formuliert hat, als er ausführte:
Unsere Kommunen sind die Eckpfeiler unseres demokratischen Staatswesens. Die Leistungen des Freistaates Bayern an seine Kommunen nehmen im Ländervergleich einen Spitzenplatz ein. Dabei wird es auch in Zukunft bleiben.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Dr. Dürr.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn die Ausführungen der Herren Kollegen Strasser und Mehrlich richtig wären, dann müßte man sich darüber wundern, dass der Oberbürgermeister von München eine scharfe Attacke gegen die Bundesregierung gerichtet hat, wie in der Samstagsausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ zu lesen war. Er hat erklärt, dass dramatische Einbrüche im Gewerbesteueraufkommen aufgrund der Politik der Bundesregierung zu beklagen sind.
Die rot-grüne Steuerreform hat nicht nur den Wachstums- und Beschäftigungsmotor Mittelstand und die Arbeitnehmer benachteiligt, sondern auch die Folgen für die Gewerbesteuer völlig mißachtet. Die rot-grüne Koalition hat die Finanzkraft der Kommunen durch die Steuerreform nachhaltig geschwächt und den Kommunen durch viele andere gesetzliche Maßnahmen erhebliche finanzielle Lasten aufgebürdet nach dem Motto: Der Bund spart, die Kommunen bezahlen.
Ich nenne nur ein paar Stichworte: Rentenreform. 15,5 Milliarden DM werden bis zum Jahr 2008 auf die Kommunen verlagert. Auch aus diesem Grund hat der Freistaat Bayern der Rentenreform nicht zugestimmt. Die so genannte Grundsicherung führt ein neues soziales Sicherungssystem ein. Das Bundesarbeitsministerium schätzt, dass für die Kommunen Kosten von 900 Millionen DM bis 1,2 Milliarden DM pro Jahr zu erwarten sind. Eine weitere Belastung der Kommunen bringt die Streichung der originären Arbeitslosenhilfe mit sich. Der Bund spart hier jährlich zwischen 1 Milliarde DM und 1,3 Milliarden DM. Allein die bayerischen Kommunen werden mit circa 80 Millionen DM pro Jahr belastet werden.
Nach den Plänen der rot-grünen Koalition zur Neuregelung des Zuwanderungsrechts kommen auf die Kommunen enorme Kosten zu. Ich nenne hierzu nur eine Zahl: Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung erwartet Belastungen in Höhe von 1 Milliarde DM. Die Sozialhilfeausgaben sind dabei nicht mit eingerechnet. Eine wesentliche Belastung hat auch die Ökosteuer mit sich gebracht. Die Bundesregierung hat auf Bundestagsdrucksache 14/6923 ausgeführt, dass sich die Nettobelastung der kommunalen Verkehrsunternehmen durch die Ökosteuer in den Jahren 1999 bis 2003 auf 317 Millionen DM beläuft. Das ist nur eine unvollständige Aufzählung.
Ein Trauerspiel, an das in diesem Zusammenhang ebenfalls erinnert werden muß, ist die Behandlung des Themas „Sozialversicherungspflicht der ehrenamtlich Tätigen durch den Bundeskanzler und die rot-grüne Bundestagsmehrheit“. Bisher ist nichts geschehen, obwohl der Bundeskanzler im vergangenen Jahr in Augsburg ein großes Versprechen abgegeben hat.
Im Steuerrecht ist etwas geändert worden, was völlig unzulänglich ist. Es handelt sich um eine Flickschusterei, die auf die Sozialversicherungspflicht keinen Einfluß hat. Belastet wurden die Kommunen, weil diese zunächst die Arbeitgeberbeiträge zu bezahlen haben sowie in vielen Fällen die Belastungen der Arbeitnehmer übernehmen, dieser kleinen Leute, die freiwillig insbesondere für die Kommunen tätig sind, zum Beispiel als geringfügig Beschäftigte in Büchereien, als Angehörige der Sicherheitswacht und der Naturschutzwacht.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat am 29. Mai 2001 die Bundesregierung aufgefordert, ihr Versprechen zur Stärkung der kommunalen Finanzen wahr zu machen, ihre kommunalfeindliche Politik unverzüglich zu korrigieren, ein Konzept für eine Gemeindefinanzreform vorzulegen und die den Kommunen übertragenen Aufgaben mit dem Ziel der Reduzierung zu überprüfen. Die rot-grüne Mehrheit denkt nicht daran, dieser Aufforderung zu folgen. Der Antrag wurde in den Ausschüssen, zuletzt am 17. Oktober, abgelehnt. Nach den Attacken der Bundesregierung auf die Kommunen und den Plünderungen der kommunalen Kassen kann es nur als zynisch bezeichnet werden, dass die Bundesregierung erst im März ausführte, sie werde die kommunalen Handlungs- und Entscheidungsspielräume respektieren.
Das Verhalten der Bundesregierung seit ihrem Amtsantritt zeigt, dass die Kommunen von ihr außer Belastungen und leeren Versprechungen nichts zu erwarten haben. Nur die aus vielen Gründen längst überfällige Ablösung von Rot-Grün in Berlin kann die Situation unserer Kommunen und unseres Landes verbessern.
Frau Kollegin, wollen Sie in dieser Gemeinde zwei Abwassersysteme haben, und auf welcher Rechtsgrundlage wollen Sie die Pflanzenkläranlage von der Gemeinde fordern? Sie sind normalerweise sehr sachlich und verstehen auch, juristisch zu differenzieren.
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir diese Frage beantworten könnten.
Herr Staatssekretär, hält die Staatsregierung die steuerrechtliche Neuregelung des Bundes für die Aufwandsentschädigung für ausreichend, um die Nachteile für die ehrenamtlichen Feuerwehrleute auszugleichen, die durch die 630-DM-Regelung eingetreten sind?
Herr Staatssekretär! In welchem Stadium befindet sich das Gesetzgebungsverfahren auf der Bundesebene? Nach meiner Information hat die Erste Lesung stattgefunden. Wie ist das Verfahren weitergegangen?
Herr Staatssekretär, hat der Herr Bundeskanzler auf den jüngsten Brief des Herrn Ministerpräsidenten eine Reaktion gezeigt?
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich beschränke mich auf einige Aspekte der Kommunalpolitik, möchte aber zunächst zu Frau Tausendfreund sagen, dass mir ihr Motto „Die Staatsregierung und die Mehrheit der CSU werden vom Volk geliebt“ sehr gut gefallen hat.
Zur Liebe gehört aber auch die Wahl, und die CSUMehrheit ist gewählt worden. Beides wollen wir hoch einschätzen. Die Politik im Freistaat Bayern zeichnet sich durch Kommunalfreundlichkeit aus. Sie, Herr Staatsminister Dr. Beckstein, haben einen Dank an die Bediensteten der öffentlichen Verwaltung ausgesprochen. Wir möchten uns diesem Dank anschließen, aber auch Ihnen für die kommunalfreundliche Politik danken. Sie sind nicht nur ein Garant für die Innere Sicherheit, sondern auch für die Kommunalfreundlichkeit der Politik in unserem Lande. Ihnen, Herr Dr. Beckstein, aber auch Herrn Staatssekretär Regensburger, der Ihnen in dieser Arbeit kräftig zur Seite steht, herzlichen Dank.
Der Kommunalfreundlichkeit liegt die Idee der Partnerschaft von Staat und Kommunen zugrunde. Dies wird nicht nur durch die Finanzausstattung, sondern auch durch viele Regelungen, die die Beziehungen zwischen Staat und Kommunen gestalten, deutlich. Die Vorwürfe hinsichtlich der mangelhaften Ausstattung der Kommunen können sehr leicht wiederlegt werden. Dies wird bei der Beratung des Einzelplans 13 sehr ausführlich geschehen. Ich darf aber darauf hinweisen, dass in Bayern die Finanzausgleichsmittel pro Bürger jährlich 805 DM betragen, während sie in den anderen Flächenländern bei 748 DM liegen. Dieser deutliche Unterschied
belegt die Kommunalfreundlichkeit der Finanzpolitik in unserem Land.
In der Vergangenheit sind viele Regelungen geschaffen worden, beispielsweise die Umwandelung der Rechtsaufsicht in eine Ermessensaufsicht, wobei die staatliche Beratung im Vordergrund steht, die Umwandlung des kommunalen Wirtschaftsrechts, die Freiheit der Kommunen, die Rechtsform bei der wirtschaftlichen Betätigung zu wählen und vieles andere; ferner, die Experimentierklausel in der Gemeinde- und in der Landkreisordnung, welche in der kommunalen Selbstverwaltung zu einer Weiterentwicklung geführt hat. In fast 100 Fällen wurden durch das Innenministerium vor allem im Bereich der kommunalen Haushaltsverordnung Genehmigungen erteilt; Stichworte: Budgetierung, Deckungsfähigkeit und Übertragbarkeit von Ausgaben im Verwaltungshaushalt. Genehmigungspflichten wurden durch die Straffung und Verkürzung von Verwaltungsverfahren und durch die Optimierung der Organisationsabläufe abgeschafft. Durch die Einführung neuer Techniken konnten die kommunalen Vewaltungen effektiver, wirtschaftlicher und kostenbewusster gestaltet werden. Dabei hat der Staat die Bemühungen der Kommungen partnerschaftlich unterstützt. Ich nennen hier beispielhaft die Straffung und Verkürzung der Baugenehmigungsverfahren. Eine Erhebung der Obersten Baubehörde hat ergeben, dass die durchschnittliche Verfahrensdauer im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren, mittlerweile vier Fünftel aller Bauvorhaben, in den letzten beiden Jahren in vier Wochen abgewickelt waren. Dieses ist eine enorme Leistung.
Viele andere Beispiele zeigen, dass sich unsere Kommunen nach Kräften bemühen, die Möglichkeiten der kommunalen Selbstverwaltung zu nutzen und zu modernen Serviceunternehmen zu werden.
Die Beziehungen des Staates zu den Kommunen und die Beziehungen der Bürgerinnen und Bürger zu den Kommunen und zum Staat haben in den letzten Jahren einen Wandel in Richtung Modernisierung erfahren. Die Steigerung der Leistungsfähigkeit und der Bürgernähe durch hervorragende Serviceleistungen der kommunalen Verwaltungen sind ein wichtiger Standortfaktor für die Gemeinden und für den Freistaat Bayern.
Nicht nur das Verhältnis des Staates zu den Kommunen hat sich in den letzten Jahren verändert; auch die Beziehungen zwischen Kommunen und Bürgerinnen und Bürgern unterliegen einer steten Entwicklung. Die Bürgerinnen und Bürger wollen das Leben in ihrer Gemeinde zunehmend mitgestalten. Dieses Bedürfnis findet den Niederschlag in der aktiven Bürgergesellschaft. Unser Fraktionsvorsitzender Alois Glück hat dafür Grundlagen erarbeitet und in seinen Büchern „Neue Wege in der Kommunalpolitik“ und „Verantwortung übernehmen“ auch konkrete Handlungsbeispiele gegeben.
Eine Form der Bürgerbeteiligung ist die Mitwirkung an Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden. Mit unserer gesetzlichen Regelung können wir uns in der Bundesrepublik sehen lassen, meine Damen und Herren. Die SPD
in Nordrhein-Westfalen hat sich vor kurzem dafür feiern lassen, dass sie die Hürden für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide gesenkt hat. Dies geschah erst in diesem Jahr. Wir haben eine noch bessere Regelung durch die Staffelung der Quoten; daran denken die anderen Bundesländer in keiner Weise. Herr Dr. Hahnzog, Sie sollten einmal in den anderen Bundesländern missionieren und für die Regelung eintreten, die in Bayern besteht, statt weitergehende Forderungen bei uns zu erheben.
Die Verwaltungen und insbesondere die kommunalen Verwaltungen werden ihren Modernisierungsprozess fortsetzen. In Zusammenarbeit mit dem Staat werden die Kommunen von den Möglichkeiten der neuen Informationstechniken immer stärker Gebrauch machen. Im Wettbewerb „innovative Verwaltung 2000“ haben sieben kommunale Verwaltungen mit ihren Projekten beeindruckt; darunter befand sich beispielsweise die Gemeinde Memmelsdorf, die als eine der ersten Gemeinden in Deutschland ein vollständig integriertes virtuelles Rathaus errichtet hat. Nach einem halben Jahr werden inzwischen mehr als 15% aller Verwaltungsabläufe der Gemeinden über das Internet abgewickelt.
Die bayerischen Gemeinden stehen den modernen Entwicklungen aufgeschlossen gegenüber. Auf der Landesversammlung 2000 des bayerischen Gemeindetages am 11. und 12. Oktober stand die Thematik „Bayerns Gemeinden online – Internet und Intranet“ auf der Tagesordnung. Den Gemeinden wurde die Nutzung von Internet und Intranet empfohlen. Der Gemeindetag sieht darin mit Recht die Chance, die Bürgerinnen und Bürger enger an ihre Gemeinde heranzuführen: durch mehr Transparenz, durch verstärkte Möglichkeiten eines interaktiven Meinungsaustausches. Mit Recht stellt der Gemeindetag fest, dass die Nutzung der neuen Medien dem Aufbau einer modernen Bürgergesellschaft dienen kann.
Das virtuelle Rathaus kann allerdings selbstverständlich das real existierende Rathaus nicht ersetzen. Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch darauf, mit ihrer Gemeindeverwaltung oder Landkreisverwaltung unmittelbar sprechen zu können. Das virtuelle Rathaus ist ein innovatives Zusatzangebot zum realen Rathaus.
Meine Damen und Herren, die bayerischen Kommunen erfüllt derzeit ein Thema mit ganz besonderer Sorge: Es geht um die Aufrechterhaltung der kommunalen Daseinsvorsorge im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung und hier vor allem um die kommunale Wasserversorgung. Die europäische Kommission – der Herr Staatsminister hat das auch angedeutet – schickt sich an, nach der Liberalisierung von Strom, Gas und Telekommunikation auch gemeinschaftliche Vorgaben hinsichtlich der Wasserversorgung zu entwickeln. Wir haben im Landtag auf Antrag aller Fraktionen eine Reihe von Beschlüssen gefasst. Darin wenden wir uns gegen Liberalisierungsbestrebungen der EU und des Bundes. Ich betone ausdrücklich, dass auch die SPD-Fraktion genauso wie die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN die Streichung des Gebiets
schutzparagrafen 103 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ablehnt.
Der Fortbestand der kommunalen Wasserversorgung wird gegenwärtig nach meinem Eindruck von zwei Seiten bedroht: sowohl von Berlin als auch von Brüssel. Mir ist erst in diesen Tagen das Gutachten des Umweltbundesamtes zum Thema „Liberalisierung der deutschen Wasserversorgung“ zugegangen. Dort wird ausgeführt, dass bei einer Streichung von § 103 GWB die Gemeinden ihre Versorgungsgebiete dem Wettbewerb, und zwar dem weltweiten Wettbewerb öffnen müssten. Ferner heißt es dort, durch die Liberalisierung wäre es möglich, dass sich verschiedene Wasserversorgungsunternehmen an der Versorgung mit Trink- und Brauchwasser beteiligen könnten und die Kommunen ihr Leitungssystem hierfür zur Verfügung stellen müssten. Im Gutachten wird auch ausgeführt, dass Bundeswirtschaftsminister Müller erklärt hat, dass er eine wettbewerbliche Ertüchtigung der deutschen Wasserwirtschaft anstrebt und die noch bestehende Sonderregelung Wasser im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht von vornherein aus der laufenden Diskussion ausgeklammert werden darf. Auch die Bundesregierung hat sich in einer Antwort auf eine schriftliche Anfrage in diesem Sinne geäußert.
Die größere Gefahr für die kommunale Wasserversorgung geht gegenwärtig von Berlin aus. Die Innenministerkonferenz hat diese Gefahr erkannt und sich schon am 5. Mai dieses Jahres dafür ausgesprochen, dass das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen unverändert bleibt. Dafür danken wir Ihnen, Herr Staatsminister Dr. Günther Beckstein, der Sie an dieser Beschlussfassung entscheidend mitgewirkt haben. Mit Recht wird im Beschluss darauf hingewiesen, dass die Aufhebung der Vorschriften des GWB zu einer Zerschlagung der bestehenden kommunalen Wasserversorgung und damit zu einer Gefährdung der kommunalen Selbstverwaltung führen würde.
Meine Damen und Herren, die Befürchtungen der Kommunen, die sehr weit gehen, könnten beseitigt werden, wenn aus Berlin ein eindeutiges Signal käme. Ich appelliere jetzt an die SPD, meine Damen und Herren. Herr Kollege Mehrlich hat in der Ausschusssitzung am 8. November berichtet, dass bei einem Kongress der SPDFraktion Anfang September, an dem er teilgenommen habe, nahezu übereinstimmend gegen die Streichung des § 103 Stellung bezogen worden sei. Auch die sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik habe sich in diesem Sinne geäußert. Er hat dann ausgeführt, dass sich die Bundestagsfraktion der SPD noch im Herbst mit diesem Thema befassen wird. Bisher gibt es jedoch keine Stellungnahme der SPD-Bundestagsfraktion. Ich habe mich erst gestern nochmals in Berlin erkundigt. Mir ist dies bestätigt worden. Vonseiten der SPD liegt nur ein Positionspapier vom 22. März vor, das äußerst vage ist. In diesem Papier wird das Wort Kommune nur einmal verwendet, nämlich in der Ankündigung, dass für die Initiative zur Erneuerung der deutschen Wasserwirtschaft der Dialog mit den Wasserversorgungsverbänden und den Kommunen und anderen Gesprächspartnern gesucht wird. Es wird aber keine eindeutige Stellungnahme abgegeben, insbesondere auch
nicht im Sinne der von uns übereinstimmend gefassten Beschlüsse. Hier ist die SPD am Zuge, in Richtung Berlin etwas zu unternehmen. Ich stelle mit Bedauern fest, dass sich bisher in dieser Richtung nichts bewegt hat.
Auch aus Brüssel drohen Gefahren. Die CSU fordert daher eine Klarstellung in den EU-Verträgen, dass sich das europäische Wettbewerbsrecht nicht ohne weiteres über die gewachsenen Strukturen der öffentlichen Daseinsvorsorge hinwegsetzen darf. Die Bayerische Staatsregierung fordert daher eine Ergänzung des Artikels 16 des EG-Vertrages, und wir schließen uns dieser Forderung voll inhaltlich an. Mit der Ergänzung soll es den Mitgliedstaaten, den Regionen und vor allem auch den Kommunen überlassen bleiben, über die jeweiligen Gemeinwohlanforderungen zu entscheiden und inhaltliche Vorgaben bzw. Standards für die Leistungserbringer festzusetzen.
Herr Staatsminister, wir sind sicher, dass Bayern auch in Zukunft in den weiten Feldern der Innenpolitik Pionier, Vorreiter und Innovationsmotor bleiben wird. Wir danken für die Unterstützung der kommunalen Selbstverwaltung auf Bundesebene und insbesondere auf europäischer Ebene.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Köhler hat zweifellos Recht, wenn er sagt, dass Entscheidungen in naher Zukunft auf europäischer Ebene zu erwarten seien, die tief greifende Auswirkungen auf die Bundesrepublik und insbesondere auf den Freistaat Bayern hätten. Er hat auch das Stichwort „Daseinsvorsorge“ genannt, und bei der Betrachtung der Zukunft Bayerns in Europa kommt der Frage der Daseinsvorsorge für unsere Bürgerinnen und Bürger eine besondere Bedeutung zu. Unser Bekenntnis für Europa enthebt uns nicht von der Verpflichtung, Fehlentwicklungen in der Europäischen Union zu sehen und ihnen entgegenzutreten.
Das war in der Vergangenheit so, und das wird auch in Zukunft notwendig sein.
Nach unserer Meinung ist der Versuch der Kommission, zunehmend ihre Kompetenzen zulasten der Mitgliedstaaten, der Länder und der Regionen auszuweiten eine Fehlentwicklung. Wir befinden uns hier in Übereinstimmung mit Präsident Chirac, der erklärte, klare Kompetenzverteilung sei nach Maßgabe des Subsidiaritätsprinzips notwendig und mit Tony Blair, der sagte: Integration wo nötig, Dezentralisierung wo möglich.
Die Europäische Kommission neigt bekanntlich dazu, die EU für alles zuständig zu erklären. Dabei greift sie auch in gewachsene und bewährte Strukturen der Mitgliedstaaten, der Regionen und selbst der Kommunen ein. Eine solche Tendenz gefährdet nicht nur die Leistungsfähigkeit der Europäischen Union, sondern sie gefährdet auch die Akzeptanz der Europäischen Union bei den Bürgerinnen und Bürgern. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die von der Kommission angestrebte inhaltliche Ausgestaltung der Daseinsvorsorge, die bei uns überwiegend in der Verantwortung der Kommunen liegt. Ich möchte die Aktuelle Stunde zu einem Appell an die Opposition nutzen, ihren Einfluss, soweit er vorhanden ist, auf Bundesebene und auf europäischer Ebene dafür geltend zu machen, die Kommission von einer Definition der Daseinsvorsorge abzuhalten, die ein Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte kommunale Selbstverwaltung und in die in der Bayerischen Verfassung festgelegte Aufgabenübertragung wäre.
Ich nenne das Beispiel Wasserversorgung. Bestimmte Passagen in der Mitteilung der Kommission vom 20. September 2000, die Herr Kollege Dr. Köhler erwähnt hat, deuten darauf hin, dass die Kommission eine Liberalisierung der Wasserversorgung anstrebt. Gegen die sich unsere Kommunen – –
(Zuruf der Frau Abgeordneten Gote (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich kann Sie leider nicht verstehen, Frau Kollegin. Ihr Zwischenruf ist so schrill.
Unsere Kommunen werden sich vehement zur Wehr setzen. In der Mitteilung heißt es zwar,
dass die Frage, ob ein Dienst als Leistung der Daseinsvorsorge anzusehen ist und wie er organisiert werden soll, zu allererst auf nationaler Ebene entschieden wird. Die Kommission beansprucht aber eine Zuständigkeit für die inhaltliche Ausgestaltung und die Entwicklung von Leistungen der Daseinsvorsorge. Sie strebt mit ihrer Forderung nach einer Evaluierung und Koordinierung der Tätigkeit von Leistungsanbietern eine Kontrolle über demokratisch legitimierte nationale Entscheidungen zur Ausgestaltung von Leistungen der Daseinsvorsorge an.