Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich eröffne die 42. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde, Ihre Zustimmung vorausgesetzt, erteilt.
Meine Damen und Herren, ich möchte bekannt geben, dass Herr Kollege Dr. Albert Schmid gestern zur Niederschrift des Präsidenten erklärt hat, mit Ablauf des 30. Juni 2000 auf sein Mandat als Landtagsabgeordneter zu verzichten. Herr Dr. Albert Schmid wird damit mit Ablauf des 30. Juni 2000 aus dem Bayerischen Landtag ausscheiden. Ich danke ihm im Namen des Hohen Hauses für seine fast zehnjährige Arbeit im bayerischen Parlament. Zu seiner Berufung in das Amt des Präsidenten des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gratuliere ich Herrn Kollegen Dr. Schmid sehr herzlich und wünsche ihm für die neue, verantwortungsvolle Aufgabe viel Glück und Erfolg.
Die ersten Fragen beantwortet Herr Staatssekretär Spitzner vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie. Erster Fragesteller ist Herr Kollege Nadler. Bitte schön.
Herr Präsident! Herr Staatssekretär, ich frage, ob der Staatsregierung Bestrebungen der Bundesregierung bekannt sind, die Förderung der Betriebsberatung bei den Handwerkskammern aufzuheben bzw. eine neue Regelung in Form von Einzelfallförderungen einzuführen, und wie diese Absicht durch die Staatsregierung und Ihr Haus bewertet wird.
Herr Präsident, Hohes und halb volles Haus, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die von Bund und Ländern gemeinsam geförderte organisationseigene Beratung im Handwerk ist ein effizientes Förderinstrument, das gezielt größenspezifische Nachteile ausgleicht, Existenzgründungen und Übernahmen im Handwerk initiiert und damit auch sichert. Sie erhöht die Leistungsfähigkeit der Handwerksunternehmen im verschärften Wettbewerb und beugt Insolvenzen vor.
Gegenwärtig fördern Bund und Länder bundesweit 471 und bayernweit 70 Beratungsstellen bei den Handwerksorganisationen. Dazu geben der Bund 43000 DM und Bayern 22000 DM pro Beratungsstelle. Den Restbetrag der auf durchschnittlich 150000 DM veranschlagten Kosten trägt die jeweilige Handwerksorganisation.
Die Bundesregierung beabsichtigt nun eine Systemänderung in der Beratungsförderung, deren endgültige Gestalt aber immer noch unklar ist. Noch in einem Schreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs beim BMWi vom 2. Juni 2000 war von einer Streichung der Mittel die Rede. Aufgrund der massiven Kritik seitens der Politik und insbesondere der Handwerksorganisationen hält die Bundesregierung an diesen Plänen offensichtlich nicht mehr fest. Staatsminister Dr. Wiesheu hat bereits am 18. März 2000 anlässlich der Eröffnung der Internationalen Handwerksmesse den Bund nachhaltig aufgefordert, doch an diesem hocheffizienten Beratungssystem festzuhalten. Außerdem haben wir uns in einer Reihe von Initiativen auf Bundesebene massiv dafür eingesetzt.
Interessant ist, dass auf Beamtenebene das BMWi mittlerweile von einer Zusammenlegung der Haushaltsmittel für das organisationseigene Beratungswesen des Handwerks mit denen für Information und Schulung spricht. Die Systemumstellung selbst beinhaltet nach aktueller Aussage eine Abkehr von der bisherigen indirekten hin zur direkten Unternehmensförderung. Statt einer Grundförderung der Beratungsstellen mit dem teils telefonischen Schnelldienst soll offensichtlich eine Förderung der protokollierten Beratung mit einer noch offenen Mindestdauer von evtl. vier Stunden erfolgen.
Dieser Systemwechsel, den Sie offensichtlich befürchten, Herr Kollege Nadler, brächte natürlich materiell keinerlei Verbesserung, sondern mittelfristig durch den möglichen Wegfall der nicht mehr geförderten telefonischen Auskünfte und Kurzberatungen eine Verschlechterung. Aus diesem Grund lehnen wir seitens der Bayerischen Staatsregierung einen Systemwechsel in dieser Form ab.
Ich darf noch darauf hinweisen: Ich selbst werde morgen bei der Wirtschaftsministerkonferenz in Dresden sein und im Kreise der Länderwirtschaftsminister in Anwesenheit des Bundeswirtschaftsministers dieses für das Handwerk so bedeutende Thema ganz bewusst und gezielt ansprechen. Ich gebe Ihnen dann gerne in der nächsten Woche Auskunft über das Ergebnis dieser Beratungen.
Gibt es Zusatzfragen? – Das ist offenkundig nicht der Fall. Die zweite Fragestellerin ist Frau Kollegin Pranghofer. Bitte schön.
Herr Staatssekretär, nachdem die Deutsche Bahn Regio AG auf einer Verkehrskonferenz der Initiative Bayerischer Untermain ein Konzept für einen Ausbau des Regionalbahnsystems in der Region Bayerischer Untermain vorgestellt hat, frage ich die Staatsregierung, welche Planungen von Seiten der Staatsregierung bestehen, den Ausbau und die Attraktivität des regionalen Schienennahverkehrs in der Region Bayerischer Untermain zum Beispiel durch höhere Taktdichte, mehr
umsteigefreie Verbindungen nach Frankfurt und Würzburg, durch zusätzliche Haltepunkte und durch bessere Wagenqualität zu fördern und den Wirtschaftsraum Rhein-Main auf der Schiene besser zu verbinden.
Frau Kollegin, liebe Kolleginnen und Kollegen, um es vorweg zu sagen: Wir haben bereits sehr viel getan, und wir werden Weiteres tun. Im Detail: Seit der Regionalisierung und der Einführung des Bayerntaktes im Fahrplanjahr 1996/1997 wurde das Verkehrsangebot in der Region Untermain um immerhin rund 34% gesteigert gegenüber 20% im bayernweiten Durchschnitt. Dies entspricht in der Tat rund 1 Million zusätzlichen Zugkilometern. Damit verfügt die Region über hervorragend vertaktete Schienenverbindungen. Ich nenne einige Beispiele: Strecke Kahl – Schöllkrippen: Durchgehende Verbindungen von Schöllkrippen über Kahl nach Hanau; wegen sprunghaft gestiegener Nachfrage soll ein zusätzliches vom Freistaat gefördertes Fahrzeug vom Typ 642 eingesetzt werden. Strecke Miltenberg – Amorbach – Walldürn – Seckach: Seit dem letzten Jahr wird hier wieder Wochenendverkehr im Zweistundentakt angeboten; an Werktagen ist die Bedienung auf die Belange der zahlreichen Schulstandorte in diesem Bereich ausgerichtet. Strecke Aschaffenburg – Miltenberg – Wertheim: Es erfolgte eine weitere Steigerung des Angebotes zum Fahrplanwechsel am 28. Mai 2000 um rund 70000 Zugkilometer; hierdurch wird der bestehende Stundentakt bis Miltenberg erweitert.
Seit dem Fahrplanwechsel verlängert der RMV die mit dem Bayerntakt eingeführte zweistündliche Regioverbindung Würzburg – Aschaffenburg – Frankfurt/Süd – Wiesbaden nicht mehr über Hanau hinaus, das heißt, er ist der Besteller und er bestellt diese Leistung nicht mehr. Die zweite Linie von Würzburg über Aschaffenburg in den Frankfurter Großraum verkehrt unverändert zweistündlich bis zum Hauptbahnhof Frankfurt.
Die Bayerische Eisenbahngesellschaft verfolgt derzeit, Frau Kollegin, Überlegungen, eine stündliche Regionalexpressverbindung von Würzburg über Aschaffenburg nach Frankfurt-Hauptbahnhof einzurichten. Vor der Einleitung ganz konkreter Planungen bei der Bayerischen Eisenbahngesellschaft, die dann möglicherweise zu einer Bestellung führen könnten, sind aber noch eingehende Gespräche mit dem Landkreis, der Stadt Aschaffenburg, der DB Regio und dem Rhein-Main-Verkehrsverbund zu führen.
Folgende neue Haltepunkte sollen bestellt und aus GVFG-Mitteln finanziert werden: Aschaffenburg Fachhochschule, Aschaffenburg Obernau, Mainaschaff Nord und Sulzbach Mitte. Dies ist die beabsichtigte Planung.
Bei der Beschaffung neuer Fahrzeuge durch die DB AG bestehen die bekannten Probleme aufgrund der Lieferschwierigkeiten der Industrie – Sie kennen das Thema. Der Einsatz moderner Triebzüge und modernisierten Wagenmaterials ist aber bereits für die Strecke Aschaffenburg – Miltenberg – Wertheim vorgesehen.
Herr Spitzner, Sie haben heute von Fahrgastzuwächsen gesprochen. Es ist erfreulich, wenn im Schienennahverkehr ein Zuwachs an Fahrgästen zu verzeichnen ist. Würde die Staatsregierung für den Fall, dass die Gebietskörperschaften dem RheinMain-Verkehrsverbund beitreten möchten, Unterstützung gewähren, und wenn ja, in welcher Form?
Sie weisen zu Recht auf den besonderen Fall hin, dass in Bayern die Bayerische Eisenbahngesellschaft Besteller ist. Auf der anderen Seite gibt es den Rhein-Main-Verkehrsverbund. Bisher waren die Kooperation und die Abstimmung recht gut. Ich weiß aus Gesprächen in der Vergangenheit, dass die Bereitschaft, etwa von Aschaffenburg Stadt oder Land, diesem Verkehrsverbund beizutreten, sehr zurückhaltend beurteilt wird, insbesondere deshalb, weil man sich zum einen damit weitgehend Gestaltungsmöglichkeiten begeben würde und zum anderen, weil die Tarife im Frankfurter Raum mitunter erheblich teurer sind als bei uns.
Diese Frage stellt sich also für uns derzeit nicht. Wenn der Beitritt von der Mehrheit der dortigen Regionen gewünscht wird, werden wir uns mit diesem Thema zu befassen haben. Ziel der Bayerischen Staatsregierung ist es immer, in der Zusammenarbeit mit den Kommunen und Landkreisen eine optimale Lösung für die Menschen vor Ort zu finden. Wenn es so weit ist, bin ich jederzeit zu einem Gespräch bereit. Zu gegebener Zeit wird man sehen, was dann herauskommt.
Herr Staatssekretär! Aus welchen Mitteln – Umschichtung, wenn ja, aus welchen Haushaltstiteln, Erhöhung der Neuverschuldung, Verwendung von Privatisierungserlösen – will die Staatsregierung die ICE-Strecke München – Ulm und andere Schieneninfrastrukturprojekte vorfinanzieren?
Der Bundesfinanzminister hat sein grundsätzliches Einverständnis für eine Vorfinanzierung durch die Länder bis heute noch nicht definitiv erklärt. Insbesondere ist noch nicht geklärt, wann und in welchen Jahresraten der Bund Rückzahlungen leisten würde und wer das Risiko von Baukostensteigerungen zu tragen hätte. Das ist noch völlig ungeklärt. Die zwischen der DB AG, dem Bund und
den betroffenen Ländern geführten Verhandlungen gestalten sich derzeit sehr, sehr schwierig und zäh.
Die Vorfinanzierung – deshalb lässt sich derzeit nichts Konkretes sagen – weiterer Schieneninfrastrukturprojekte über die ICE-Strecke München – Ulm sowie der Neigetechnikausbau der Strecke München – Memmingen – Lindau ist derzeit nicht vorgesehen.
Herr Staatssekretär! Darf ich Ihrer ausweichenden Antwort entnehmen, dass sie in diese Gespräche, in denen es immerhin um dreistellige Millionenbeträge geht, hineingehen, ohne zu wissen, wie Sie diese Mittel aufbringen können?
Als engagiertes und kompetentes Mitglied des Haushaltsausschusses wissen Sie selbst, dass erstens die Bayerische Staatsregierung seit Jahren eine sehr verantwortungsvolle und vorausschauende Haushaltspolitik betrieben hat und dass wir zweitens im Gegensatz zu anderen Ländern noch erhebliche Reserven haben und deshalb derartige Herausforderungen aus dem Haushalt finanzieren können.
Herr Staatssekretär! Sie versprechen am laufenden Band – die Zeitungen sind voll davon –, dass die Staatsregierung hier vorfinanzieren will, ohne dass Sie überhaupt eine Ahnung haben, womit Sie das bezahlen können.
Ich habe ihn gefragt, ob er bestätigen kann, dass Sie etwas versprechen, ohne zu wissen, womit Sie es bezahlen.
Das wissen wir sehr wohl; wir haben auch konkrete Vorstellungen. Wir haben eine solide Haushaltspolitik betrieben und deshalb finanziellen Spielraum. Daher können wir zu gegebener Zeit, wenn die Verträge ausgehandelt sind und sofern sie zum Abschluss kommen, konkret sagen, wie wir das finanzieren. Es ist klar, dass die Staatsregierung das nicht allein entscheiden kann. Diese Finanzierung muss im Parlament beantragt werden. Wenn das wirklich kommen sollte, werden Sie ausreichend Gelegenheit haben, Ihren finanz- und haushaltspolitischen Sachverstand einzusetzen.
Herr Staatssekretär, stimmt es, dass es in der CSU-Fraktion große Vorbehalte gegen diese Vorfinanzierung gibt?
Ihre Frage bestätigt – im Gegensatz zu Ihren Aussagen von gestern Nachmittag –, dass die CSU-Fraktion ein heterogenes Gebilde ist. Wir erkennen die individuellen Meinungen unserer Mitglieder an. Nach einer ausgiebigen Diskussion werden wir zu einer einheitlichen Meinung kommen, die von der Gesamtheit der Fraktion mitgetragen werden wird.
Herr Staatssekretär! Da entgegen der bisherigen Position nun auch Wirtschaftsminister Dr. Otto Wiesheu „einen spezifischen Bedarf an Information und Beratung“ von Existenzgründerinnen sieht und für Oktober den zweiten Existenzgründerinnenkongress ankündigt, frage ich die Bayerische Staatsregierung, welche speziellen Ergebnisse und Erkenntnisse der Kongress am 6. Mai dieses Jahres brachte, welcher staatliche Mitteleinsatz für den letzten Kongress und für den im Herbst vorgesehen ist und warum mein Antrag zur Abhaltung eines Gründerinnenkongresses noch vor wenigen Monaten abgelehnt worden ist?