Protokoll der Sitzung vom 28.01.2003

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das sollte eigentlich zu den grundlegenden Kenntnissen eines Wirtschaftsministers gehören.

(Hofmann (CSU): Nordrhein-Westfalen!)

Herr Kollege Hofmann gibt mir liebenswürdigerweise wieder das Stichwort. Wir erleben ja zurzeit einen Wettlauf der politischen Dinosaurier, Stoiber auf der einen Seite, Clement auf der anderen Seite. Die Stellvertreter sind bekannt: Wiesheu und Steinbrück. Der Schiedsrichter, sagen wir mal, mit einer Binde vor den Augen, ist auch bekannt: Herr Stolpe. Das Ganze ist bar jeder Vernunft.

Unsere Meinung zum Metrorapid ist auch bekannt. Das Ganze ist genauso unsinnig, ist verkehrspolitisch ebenso unbrauchbar wie haushaltspolitisch inakzeptabel. Letztlich ist der Metrorapid, so wie er zurzeit geplant ist, nichts anderes als eine schwebende Trambahn mit überwiegend Stehplätzen. Wir finden es nicht großartig, im Gegenteil, dass sich unsere grünen Kolleginnen und Kollegen in Nordrhein-Westfalen vom damaligen Ministerpräsidenten Clement haben erpressen lassen mit dem bekannten Herrn Möllemann.

(Dr. Bernhard (CSU): Ihr müsst erst einmal eure Position klären! Das ist doch unglaubwürdig!)

Ich gebe sogar – Herr Bernhard, das werden Sie gerne hören – dem abwesenden Wirtschaftsminister Otto Wiesheu – wahrscheinlich leidet er gerade am Jetlag – Recht, wenn er sagt: In Nordrhein-Westfalen wird frisiert. Ich sage sogar: Die rasieren. Die rasieren sich zurzeit ihr

Projekt selber ab. Erst hat man gesagt, wir machen es mit sechs Sektionen, dann war man bei vier, dann war man bei drei Sektionen je Zug. Also: Sie rasieren es sich selber weg. Allerdings wird auch bei Wiesheu und der Bayerischen Staatsregierung ganz massiv rasiert, frisiert und manipuliert; da braucht man nicht nach NordrheinWestfalen zu sehen.

(Beifall der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Zwei Beispiele: Größter Nutzenstifter in der Machbarkeitsstudie war der „Reisezeit-nutzend motorisierte Individualverkehr“, mit einer Größenordnung von 600 Millionen e je Jahr angesetzt, obwohl man einen solchen überhaupt nicht zum Ansatz bringen darf bei Projekten, die sich innerhalb von Nahverkehrsgrößenordnungen bewegen. Erstaunlicherweise kritisiert die Staatsregierung das für Nordrhein-Westfalen, reklamiert sie es aber selbstverständlich für Bayern. Ein anderes Beispiel: der Energiemix. Da nimmt man den hohen bayerischen Anteil an Kernenergie und Wasserkraft her, um den CO2-Ausstoß niedrigzurechnen. Das ist völliger Unfug; denn hier geht es um Spitzenlasten von 60 bis 70 Megawatt, wenn man das Ganze hochschaukelt. Das kann man eben nicht mit Grundlaststrom fahren,

Noch absurder wird das Ganze dann in der betriebswirtschaftlichen Erfolgsrechnung: Sechseinhalb Cent je Kilowattstunde, und gleichzeitig soll der Stromversorger die Sonderanlagen für diese Spitzenlast bauen – das ist einfach absurd.

(Beifall der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das heißt, es gibt reihenweise Beispiele für die Frisierkünste von Herrn Wiesheu.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber, Herr Glück – schön, dass Sie da sind –, es sind bereits die ersten Anzeichen eines Zurückruderns zu beobachten. Wie wurde heute gemeldet: „Starke Zweifel an der Wirtschaftlichkeit einer Transrapid-Strecke zum Münchner Flughafen hat CSU-Landtagsfraktionschef Alois Glück geäußert.“ Dann sagen Sie, es gebe aber andere wichtige Gründe, das Projekt zu realisieren. Immerhin wird endlich einmal die Wirtschaftlichkeit auch von Ihrer Seite in Zweifel gezogen.

In unseren Augen ist das Münchner Transrapid-Projekt weiterhin verkehrspolitischer Unfug, es ist haushaltsund finanzpolitisch nicht vertretbar, und es schadet den Bürgern Bayerns und damit Bayern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen thematisieren wir das heute wieder und sagen: Die Staatsregierung wird aufgefordert, von dem Vorhaben Abstand zu nehmen, die Kosten für die Untersuchungs- und Planungsschritte bis zum Abschluss des Planfeststellungsverfahrens vorzufinanzieren, und daneben von dem Versuch Abstand zu nehmen, die Finanzierungslücke zwischen dem vom früheren Bundesver

kehrsminister Bodewig zugesagten Bundesanteil und den Investitionskosten über – so Pläne – die Landesbank oder die Flughafengesellschaft schließen zu wollen. Schließlich wollen wir auch nicht mit Landesbürgschaften arbeiten.

Herr Glück sagt, wir brauchen eine stabile Finanzierung, und die Landesbank sei eine stabile Bank. Da müssen wir ganz heftig widersprechen, in mehrerlei Hinsicht. Wir sagen: Mit dem Missbrauch der Bayerischen Landesbank zur Unterstützung befreundeter Unternehmen und zum Hätscheln politischer Steckenpferde muss endlich Schluss sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie kennen ja die finanzielle Situation: zum ersten Mal Verluste im operativen Geschäft. Diese erlauben es nicht, in weitere politische Abenteuer einzusteigen.

Das Nächste ist der Vorschlag, die Flughafengesellschaft einzubeziehen. Diese Gesellschaft ist hoch verschuldet, 2,5 Milliarden DM Gesellschafterdarlehen können nicht bedient werden aufgrund der miserablen Vermögens- und Ertragslage. Sie wollen diese Situation noch verschärfen.

Aber die größte Lumperei ist der Missbrauch von Nahverkehrsmitteln. Verkehrsminister Wiesheu spricht davon, 40 Millionen, die die weiteren Planungsschritte bis zum Planfeststellungsverfahren kosten, sollen vorfinanziert werden. Einmal sagen wir, 40 Millionen e in ein Projekt zu stecken, dessen Realisierung äußerst zweifelhaft ist, ist vor allem auch angesichts der klammen Haushaltslage nicht zu verantworten. Jetzt diese Gelder wieder aus den Regionalisierungsmitteln, die wir vom Bund bekommen, zu nehmen, geht dann in unseren Augen gar nicht.

(Beifall der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Diese Mittel sind wirklich für etwas anderes bestimmt. Herr Wiesheu sagt, er nimmt dafür nicht beanspruchte Mittel aus dem Nahverkehrsetat her. Wie sieht es tatsächlich aus? – Er hat diese Mittel nicht freigegeben. Er hat die Wünsche von Kommunen und von Fahrgastverbänden zur Bestellung weiterer Zugkilometer nicht erfüllt, hat die Gelder in seine Sparbüchse gesteckt, um sich dann irgendwelche Prestigeprojekte und Prestigeträume erfüllen zu können. Das geht in unseren Augen nicht, und dagegen werden wir heftig ankämpfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sehe wenigstens Herrn Spitzner. Er bringt immer die gleichen Sprüche, er sagt: Wir kaufen keine Zugkilometer, um dann heiße Luft spazieren zu fahren. Sagen Sie das mit der heißen Luft mal den Pendlern, die tagtäglich in ihren Zügen stehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Fazit: Die Transrapidgelder kommen aus dem Verkehrsetat. Diese Gelder fehlen dann woanders. Noch einmal

das Beispiel: In die gesamte Münchner S-Bahn wurden seit 1966 – das waren die ersten Planungsschritte – etwa die gleichen Gelder investiert, die das bayerische Transrapidprojekt kosten soll.

Das eine wird täglich von 720000 Bürgerinnen und Bürgern genutzt, der Transrapid aber nur von, wenn es hoch kommt, vielleicht 20000.

(Dr. Bernhard (CSU): So ein Schmarrn, 20000!)

Wir halten das Transrapid-Projekt weiterhin für einen verkehrspolitischen Irrweg und für finanzpolitischen Irrsinn. Auf Kosten der Steuerzahler, Herr Bernhard, wollen sich einige Politiker ein Denkmal setzen und einige Geschäftsleute eine goldene Nase verdienen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Angesichts der Brüche und angesichts der Systemzeit auf der gesamten Wegekette ist die Magnetschwebebahn zum Flughafen alles andere als verkehrspolitisch zielführend. Mit den Steuergeldern, die für den Transrapid in Milliardenhöhe ausgegeben werden sollen, lassen sich weitaus sinnvollere und dringliche Projekte finanzieren, auch im Bereich des Verkehrs. Deswegen bitten wir um Unterstützung unseres Antrages, über den wir namentlich abstimmen lassen wollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Nächster hat Herr Kollege Dinglreiter das Wort. Wird es ein Zehn-Minuten-Beitrag? – Zehn Minuten.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Man könnte dieses Thema so überschreiben: Der Transrapid – ein deutsches Trauerspiel.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Da fährt der Bundeskanzler nach China, lässt sich dort begeistert feiern, weil in diesem Land eine deutsche Technik in Betrieb genommen wird, aber hier erleben wir, dass diese Technologie schlechtgeredet und auf die lange Bank geschoben wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Es begann damit, dass diese Bundesregierung zunächst einmal die geplante Strecke zwischen Hamburg und Berlin aufgegeben hat. Dann hat sie um Vorschläge für alternative Strecken gebeten. Bayern hat sich beworben und ist neben NRW für eine Machbarkeitsstudie über eine von zwei Strecken ausgewählt worden. Im Januar 2002 wurde diese Machbarkeitsstudie positiv abgeschlossen.

(Zuruf von der SPD: Das war die schwäbische Eisenbahn!)

Ich komme schon noch auf Ihre Bemerkungen zurück.

In dem Prüfbericht des Bundesrechnungshofs, den Sie immer wieder angeführt haben, ist deutlich geworden, dass sich 80% der Kritik nicht auf das bayerische, sondern auf das nordrhein-westfälische Projekt beziehen. In den Vorstudien ist nämlich unberücksichtigt geblieben, dass, wie auch das „Handelsblatt“ heute schreibt, das Projekt in Nordrhein-Westfalen schöngerechnet worden und das Fahrgastaufkommen künstlich erhöht worden ist. Deshalb hat der bayerische Staatsminister für Wirtschaft, Verkehr und Technologie beim Bund die Beauftragung eines Obergutachters angefordert, damit dies alles überprüft wird. Dieses ist bis heute nicht geschehen. Warum wohl? – Weil man weiß, dass die Rechnung zu ungunsten von Nordrhein-Westfalen ausgeht und weil damit deutlich werden würde, dass die Zuweisung von Zuschüssen in Höhe von 1,75 Milliarden e für NordrheinWestfalen und von 550 Millionen e für Bayern ungerecht ist, wenn man davon ausgeht, dass das Investitionsvolumen der Metrorapid-Strecke nur doppelt so hoch wie das des bayerischen Projektes der Flughafenanbindung.

Ziel des Bundeskanzlers war es doch wohl nur, das bayerische Projekt zu Fall zu bringen, um das überteuerte Projekt in Nordrhein-Westfalen auch mit den bayerischen Zuschüssen zu finanzieren.

(Hofmann (CSU): So ist es!)

Die GRÜNEN, meine Damen und Herren, betätigen sich dabei als willige Handlanger des Bundeskanzlers gegen die Interessen Bayerns.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Kaul (CSU): Genauso ist es!)

Bevor wir über Geld sprechen, müssen wir fragen: Worum geht es uns denn in Bayern beim TransrapidProjekt? Erstens geht es uns um einen verkehrspolitischen Aspekt, um eine attraktive Flughafenverbindung mit einem hohen Verlagerungspotenzial von der Straße auf die Schiene. Zweitens geht es uns um den Technologieaspekt: Anwendung von deutscher Hochtechnologie in Deutschland und nicht nur im fernen Ausland. Drittens geht es uns um den Standortaspekt, um eine enorme Signalwirkung für den Hightech-Standort Bayern. Viertens geht es uns schließlich um den Beschäftigungsaspekt, den die Projektrealisierung über mehrere Jahre mit einer Wertschöpfung, die zu einem hohen Anteil von bayerischen Unternehmen und damit von bayerischen Arbeitnehmern erbracht wird, mit sich bringt.