Protokoll der Sitzung vom 28.01.2003

Bevor wir über Geld sprechen, müssen wir fragen: Worum geht es uns denn in Bayern beim TransrapidProjekt? Erstens geht es uns um einen verkehrspolitischen Aspekt, um eine attraktive Flughafenverbindung mit einem hohen Verlagerungspotenzial von der Straße auf die Schiene. Zweitens geht es uns um den Technologieaspekt: Anwendung von deutscher Hochtechnologie in Deutschland und nicht nur im fernen Ausland. Drittens geht es uns um den Standortaspekt, um eine enorme Signalwirkung für den Hightech-Standort Bayern. Viertens geht es uns schließlich um den Beschäftigungsaspekt, den die Projektrealisierung über mehrere Jahre mit einer Wertschöpfung, die zu einem hohen Anteil von bayerischen Unternehmen und damit von bayerischen Arbeitnehmern erbracht wird, mit sich bringt.

Zum ersten Aspekt. Wir brauchen eine schnelle, eine leistungsfähige und attraktive Verbindung vom Hauptbahnhof München, in dem jeden Tag über 600 Fernzüge und viele Nahverkehrszüge ein- und ausfahren, zum Flughafen, der vermutlich in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren mit einer Verdopplung des Fluggastaufkommens rechnen kann. Eine neue, eine leistungsfähige Verkehrsanbindung ist notwendig. Der Transrapid soll nicht die S-Bahn ersetzen, sondern den Schienenverkehr um ein modernes Verkehrsmittel erweitern, ein Verkehrsmittel, das eine gute Visitenkarte für all diejenigen darstellt, die auf dem Flughafen München ankommen und von dort aus schnell und gut in die City gelangen wollen.

Eine solche Verbindung, die die Menschen in zehn Minuten vom Flughafen zum Bahnhof bringt und umgekehrt, ist meiner Meinung nach sogar besser als jede Fernanbindung, die immer nur geringe Teile des Zubringerverkehrs aufnehmen könnte und eine ganze Menge Fahrgäste umleitet. Der Transrapid ist in jedem Fall die richtige Ergänzung, was bedeutet, dass wir auch den S-Bahn-Verkehr weiter ausbauen müssen. Der Ringschluss ist geplant, und über den Ringschluss ist durchaus auch mit der S-Bahn künftig eine schnelle Verbindung zur Messe möglich.

(Maget (SPD): Was ist mit der Messe?)

Eine Verbindung mit der S-Bahn.

Zum zweiten Aspekt, zum Technologieaspekt. Die RadSchiene-Technik, meine Damen und Herren, ist jetzt genau 167 Jahre alt. Sie war im spurgebundenen Verkehr lange Zeit Maßstab des Fortschritts. Wir sehen aber am Beispiel des ICE – nicht nur an dem einen großen Unglück –, dass die Möglichkeiten einer Weiterentwicklung dieser Technik ausgereizt sind. Unser Ziel muss es aber sein, die spurgebundene Mobilität innereuropäisch weiter zu verbessern, weil wir die hohe Zahl der Flüge unter Sicherheitsaspekten nicht mehr vertreten können und weil es auch ökologisch Unsinn ist, dass auch künftig in großem Ausmaß Flüge durchgeführt werden, die nur durch einen Steig- oder Sinkflug charakterisiert sind. Deshalb wäre es geradezu ein Frevel, wenn wir den Transrapid, diese Technologie, die hervorragend dafür geeignet ist, schnelle innereuropäische Verkehre zu entwickeln, nicht weiter voranbringen würden. Ich will daran erinnern: 1835 wurde der „Adler“ von Nürnberg nach Fürth in Betrieb genommen. Damals befanden sich die gleichen Argumente in der Diskussion, nämlich dass das ein unsinniges Projekt sei, dass es viel zu teuer wäre und noch einige mehr.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Welche Zuschüsse gab es ?)

Es gab auch eine ganze Menge Zuschüsse; denn ohne Zuschüsse wäre das nicht machbar gewesen. Sie sollten sich eines vergegenwärtigen: Diese kleine Strecke, die so umstritten war, war letztlich Aufbruch zu einem neuen Verkehrssystem in unserem Land und in ganz Europa und hat die Mobilität über zwei Jahrhunderte hinweg revolutioniert. Diese Technik bestimmt die Mobilität noch heute. Für den Aufbruch in das 21. Jahrhundert benötigen wir nun aber ganz sicher den Transrapid als eine neue Form der Mobilität. Der Transrapid kann, soll und muss der „Adler“ des 21. Jahrhunderts werden. Dafür ist gerade die Strecke in München hervorragend geeignet.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Neben der Tatsache, dass der Transrapid zwischen Hauptbahnhof und Flughafen an sich schon ein gutes und leistungsfähiges System ist, macht es Sinn, den Transrapid auf der Basis einer noch überschaubaren Investition weiter zu erproben und ihn damit zu einem leistungsfähigen Fernverkehrssystem für dieses und das nächste Jahrhundert zu entwickeln. Auch industriepolitisch ist das geplante Transrapid-Projekt sinnvoll. Ich

stelle mir vor, dass Hunderttausende von Entscheidungsträgern aus aller Welt, die auf dem Flughafen in München ankommen, dieses System nutzen, um in die City zu kommen. Dies ist die bestmögliche Werbung für ein Hightech-Produkt, die man sich überhaupt vorstellen kann.

Nun zum Standortaspekt: Den GRÜNEN scheint alles, was in unserem Land an Neuerungen eingeführt werden soll, zunächst verdächtig zu sein.

(Frau Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Lächerlich!)

Natürlich. Wir erleben das immer wieder. Wir sollten uns nach Ihren Vorstellungen damit begnügen, reifes noch reifer zu machen und es anderen überlassen, neuen Technologien zum Durchbruch zu verhelfen. Die anderen hätten dann die Vorteile beim Wirtschaftswachstum und bei der Zahl der Arbeitsplätze. Da machen wir nicht mit. Wir halten es aus standort- und industriepolitischen Überlegungen für dringend geboten, den Transrapid in Deutschland voranzubringen.

Damit komme ich zum Beschäftigungsaspekt: Die GRÜNEN wollen ein Projekt behindern, das nicht nur hohe verkehrs-, technologie- und standortpolitische Bedeutung hat, sondern das auch sofort und nachhaltig attraktive Arbeitsplätze in unserem Lande schafft und sichert. Sie haben nicht dagegen protestiert, dass die Bundesregierung das chinesische Transrapid-Projekt mit einem sechsstelligen Millionenbetrag unterstützt und damit mit deutschem Geld Arbeitsplätze in China geschaffen hat.

(Dr. Runge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir haben sehr wohl dagegen protestiert!)

Wir müssen diesen neuen Technologien bei uns zum Durchbruch verhelfen, um der bayerischen Industrie auf diese Weise ein zukunftsorientiertes Betätigungsfeld zu sichern. Wer den Transrapid bei uns verhindert, verlagert künftige Exportchancen und Arbeitsplätze ins Ausland. Die Chinesen werden Ihnen dafür dankbar sein. Sie müssen sich jedoch selbst Gedanken darüber machen, wie Sie das den über 4 Millionen Arbeitslosen bei uns erklären. Wir stehen jedenfalls zu einem modernen spurgebundenen Verkehr mit dem Transrapid. Wir stehen zu einem Projekt, das in unserem Lande Arbeitsplätze schafft. Dies ist ein Hightech-Projekt, das seinesgleichen sucht. Wir werden den Transrapid realisieren.

Herr Kollege Dinglreiter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich möchte noch einen Satz sagen: Sie haben Alois Glück angesprochen. Dieser hat in einer Presseerklärung vom heutigen Tag deutlich gemacht, dass er aus den Gründen, die ich hier angesprochen habe, zum Transrapid uneingeschränkt steht.

Nach meinen Ausführungen erübrigt es sich, darauf hinzuweisen, dass wir Ihren Antrag ablehnen, weil er technologiefeindlich und rückwärtsgewandt ist.

(Beifall bei der CSU)

Präsident Böhm Der nächste Redner ist Herr Kollege Maget.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Transrapid ist eine interessante und faszinierende Technologie.

(Beifall bei der CSU)

Er hat unter bestimmten Bedingungen eine Realisierungsperspektive. Dafür gibt es jedoch drei Voraussetzungen:

Erstens. Er muss eine Trasse haben, auf der er fahren kann. Zweitens. Man muss das Geld haben, um ihn zu finanzieren. Drittens. Man braucht planungsrechtliche Möglichkeiten, um den Transrapid auf der vorgesehenen Trasse zu verwirklichen.

Der Wirtschaftsminister kann definitiv keine dieser Voraussetzungen für den Bau des Transrapid in der Region München erfüllen. Er hat keine Trasse: Der Stadtrat der Landeshauptstadt München hat einmütig die einzige vorgesehene Trasse abgelehnt. Nach dem letzten Stand der öffentlich bekannt gegebenen Informationen ist sogar die Münchner CSU gegen diese Trasse. Ich kann Ihnen die entsprechenden Flugblätter zeigen. Das ist Ihre Position, die Sie vor der Bürgerschaft vertreten haben. Sie sollten das hier bekennen und kein Doppelspiel betreiben.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben außerdem kein Geld. Der Wirtschaftsminister hat trotz vielfacher Ankündigungen bis heute kein Finanzierungskonzept vorgelegt. Er konnte zu keinem Zeitpunkt erläutern, welche Auswirkungen sein Finanzierungsvorschlag auf andere öffentliche Verkehrssysteme hätte, zum Beispiel auf den dringend notwendigen S-Bahn-Ausbau in München oder in Nürnberg. Der jüngste Vorschlag, bei dem wiederum die Bayerische Landesbank in ein Prestigeprojekt der Staatsregierung hineingetrieben werden soll, ist geradezu abenteuerlich. Damit soll wohl nach der Kirch-Affäre endgültig der gute Ruf und die Substanz einer bayerischen Vorzeigebank ruiniert werden.

(Beifall bei der SPD)

Ich vermute, dass dieser Vorschlag sogar in Ihren Reihen auf solchen Widerstand gestoßen ist, dass Herr Dr. Wiesheu heute im Kabinett keine Finanzierung zustande gebracht hat und sich nicht einmal traut, im Parlament zu diesem Thema Stellung zu beziehen. Ich halte das für sehr feige.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn dieses Thema im Kabinett auf der Tagesordnung steht und der Wirtschaftsminister mit seinen Vorschlä

gen „aufläuft“, muss er Manns genug sein, sich hierher zu stellen und das zu erläutern.

(Hofmann (CSU): Der Staatssekretär ist doch da!)

Ich stelle fest: Der Transrapid steht derzeit in der Region München – so weh das manchem tun mag – auf dem Abstellgleis. Er kommt von diesem Abstellgleis nur dann herunter, wenn Sie die drei von mir genannten Fragen beantworten können. Das können Sie bis heute nicht. Deshalb bleibt der Transrapid vorläufig auf dem Abstellgleis. Wir werden dem Antrag der GRÜNEN zustimmen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt hat Herr Staatssekretär Spitzner ums Wort gebeten.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Maget, Sie haben soeben moniert, dass Herr Staatsminister Dr. Wiesheu heute nicht da ist. Herr Staatsminister Dr. Wiesheu hat sich bereits in der letzten Woche ausdrücklich dafür entschuldigt, dass er heute nicht da sein kann. Er wußte nicht, dass heute eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema stattfindet. Der Minister ist derzeit in Berlin, wo er mit Mitgliedern des Haushaltsausschusses Gespräche über die Finanzierung von Verkehrsprojekten in Bayern führt. Herr Minister Dr. Wiesheu hat seit Wochen um diesen Termin nachgesucht. Da der Verkehrshaushalt bereits in der übernächsten Woche im Haushaltsausschuss beraten wird, konnte und wollte er diesen Termin nicht absagen. Ich bin sicher, dass Sie nach dieser Aufklärung Verständnis für die Abwesenheit des Ministers haben werden.

Meine Damen und Herren, ich halte es für einen Fortschritt, dass Herr Kollege Maget den Transrapid anders beurteilt als die Kollegen der GRÜNEN.

(Maget (SPD): Das ist bekannt!)

Um was geht es? – Wir haben in München einen Flughafen, der sich dynamisch entwickelt. Derzeit nutzen knapp 23 Millionen Passagiere diesen Flughafen. Die Prognosen gehen davon aus, dass es in 15 Jahren rund 50 Millionen Passagiere sein werden. Das ist für uns alle eine ungeheure Herausforderung. Wir müssen künftig den Verkehr zwischen der Stadt München und dem Flughafen optimieren. Wenn wir jetzt nicht die Weichen stellen, um möglichst viel Individualverkehr auf öffentliche Verkehrsmittel zu verlagern, werden wir sehr große Probleme bekommen.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das hättet Ihr schon lange machen können! Wie lange gibt es denn den Flughafen?)

Herr Kollege Dr. Dürr, Sie bekommen einen ganz roten Kopf. Jetzt sehen Sie wie ein Juso aus. Da gefallen Sie sich ja selbst nicht mehr.

Wir stehen vor dieser großen Herausforderung. Alle Beteiligten sind sich einig, dass wir eine leistungsfähige und schnelle öffentliche Verkehrsanbindung zwischen dem Flughafen und dem Hauptbahnhof brauchen. Alle vernünftigen Menschen sagen, dass wir eine leistungsfähige Schnellbahnverbindung brauchen. Eine Gruppe fordert eine Express-S-Bahn-Verbindung. Die ExpressS-Bahn kann aber nicht auf der bisherigen Schiene fahren. Für diese Express-S-Bahn brauchen wir eine völlig neue Schieneninfrastruktur. Darüber sind sich alle Experten einig. Das bedeutet, wir bräuchten eine Trasse, die weitgehend mit der jetzigen Westtrasse des Transrapids identisch wäre.

Eines ist sicher – das wissen Sie auch aus Ihrem Stimmkreis:

Rund 95% oder 96% der Klagen gegen eine Bahn richten sich speziell gegen die Lärmbelästigung durch die Züge. Unbestritten ist auch, dass die Lärmbelästigung durch eine Express-S-Bahn, die 120 km/h fährt, doppelt so hoch wäre wie die Lärmbelästigung durch einen Transrapid, der 250 km/h fährt. Das Lärmproblem, welches bei der Akzeptanz einer Bahnstrecke das Hauptproblem ist, wäre also bei einer Express-S-Bahn weitaus größer als beim Transrapid.

Die Express-S-Bahn wäre nicht zum Nulltarif zu haben. Sie würde rund 1 Milliarde e kosten. Auch hierzu gibt es klare Aussagen aus den jüngsten Tagen sowohl vom Bundesfinanzminister als auch von Bundesverkehrsminister Stolpe. Sie haben ganz klar gesagt, in München wird die Priorität auf den Ausbau der neuen zweiten S-Bahn-Stammstrecke gelegt. Diese Strecke – darin, glaube ich, sind wir uns einig – ist dringend notwendig. Sie ist erforderlich, um den S-Bahn-Verkehr in München auf allen Linien zu optimieren. Wenn uns also für die Express-S-Bahn kein Geld zur Verfügung steht, müssten wir sie weitgehend selber finanzieren. Der Ausbau der Stammstrecke in München und der gleichzeitige Bau einer Express-S-Bahn wären nicht möglich, es sei denn, die Finanzierung beider Maßnahmen erfolgte zulasten des S-Bahn-Ausbaus in anderen Regionen – und das wollen wir auch nicht. Das würde nämlich bedeuten, dass die S-Bahn zum Beispiel von Nürnberg nach Neumarkt auf Jahre hinaus nicht ausgebaut werden könnte. Genau das wollen wir nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Wir wollen in München den Bau einer zweiten Stammstrecke. Eine Express-S-Bahn zusätzlich könnte danach von uns nicht finanziert werden. Sie würde uns auch 1 Milliarde e kosten.

Nun hat uns der Bund ein neues Projekt angeboten; das ist nun einmal Fakt. Der Bundeskanzler hat gestern gesagt, dass der Transrapid eine technologisch äußerst interessante Lösung sei, die für ein Hightech-Land zeitgemäß sei, die wir auch anwenden sollten. Der Transrapid würde interessante Arbeitsplätze bieten und sichern. Wir haben an diesem Wettbewerb teilgenommen. Neben Nordrhein-Westfalen sind wir in diesem Wettbewerb auch auserwählt worden. Herr Stolpe und auch der Bundeskanzler haben ganz klar gesagt, dass es sich bei der