Protokoll der Sitzung vom 28.01.2003

Herr Präsident, Herr Minister, Kolleginnen und Kollegen! Ich komme auf ein Thema zu sprechen, das vielleicht manchen von Ihnen als Detail erscheinen mag, aber dieses Thema macht deutlich, dass eben nicht Nachhaltigkeit im Sinne der Rio-Definition, die Herr Minister Schnappauf vorhin zitiert hat, eingehalten wird. Ich meine das Vorranggebiet für den Verkehrsflughafen MUC. Es ist unter 1.6.3 festgelegt. Gegen dieses Vorranggebiet –, das müssen Sie wissen, wenn Sie namentlich abstimmen –, läuft die gesamte Region Sturm.

(Widerspruch des Abgeordneten Heike (CSU))

Ich finde: mit Recht. Die Petitionen, die Sie zu behandeln gehabt haben, mögen Ihnen ein Zeichen dafür gewesen sein.

Ich erinnere Sie: In zehn Jahren ist der Ersatzflughafen für München-Riem zu einem internationalen Großflughafen ausgewachsen. Für diese Entwicklung bedurfte es keiner Vorrangfläche. Der Terminal II wird jetzt fertiggestellt. Die Flugbetriebsfläche Ost und weitere Maßnahmen für die Entwicklung waren möglich, und es bedurfte keiner Vorrangfläche. Die beiden vorhandenen Startbahnen – Herr Hofmann, Sie haben es angesprochen – würden ein Passagieraufkommen von 50 Millionen möglich machen. Das wird uns von Fachleuten gesagt. Das ist eine gute Verdoppelung der Passagierzahlen.

Es kann auch nicht sein, dass diese Vorrangfläche notwendig wäre, um Flächen rund um den Flughafen freizuhalten. Die Bauleitplanung der Gemeinden sorgt dafür, dass diese Flächen bereits jetzt weitgehend freigehalten sind. Die Leute in der Region fragen: Warum bedarf es dieses Vorranggebietes, wenn es eigentlich keinen Grund dafür gibt? Ich sage Ihnen: Der Grund wird allseits genannt, und man kann ihn nicht weiter leugnen. Es ist die dritte Startbahn. Diese dritte Startbahn wird von der Lufthansa regelmäßig gefordert. Staatsminister Wiesheu dementiert dann ein bisschen, aber es glaubt kein Mensch mehr in der Region. Es bedarf eines Beweises, und den Beweis, Kolleginnen und Kollegen, können Sie heute antreten, wenn Sie in namentlicher Abstimmung gegen diese Vorrangfläche stimmen.

(Heike (CSU): Das ist aber sehr durchsichtig!)

Herr Minister, Sie haben gesagt, die Zukunftsvorsorge sei der rote Faden des LEP. Ich muss fragen: Wie ist es mit der Raumverträglichkeit dieser Maßnahme, die sie durchsetzen wollen? – Wenn Sie bei der Regel blieben, einen Gleichklang zwischen Ökonomie, Ökologie und sozialer und kultureller Verträglichkeit herzustellen, dann müssten Sie diese Vorrangfläche schnellstens streichen.

(Beifall der Frau Abgeordneten Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir haben vorhin gehört, wie gut es den Kommunen unter der CSU-Staatsregierung geht. Ich finde es bemerkenswert, dass keine Vorbehaltsfläche – –

(Abg. Kaul (CSU) tritt ans Saalmikrofon, um eine Zwischenfrage zu stellen.)

Es tut mir leid, ich habe keine Zeit, eine Zwischenfrage zu beantworten, weil ich nur sieben Minuten habe.

Es ist bemerkenswert, dass keine Vorbehaltsfläche, die auch möglich gewesen wäre, festgelegt wurde. Die Vorbehaltsfläche ist nämlich ein schwächeres Kriterium und ließe eventuell zu, dass die Bauleitplanung der Kommunen dies durchbricht.

(Hofmann (CSU): Wären Sie damit zufrieden?)

Es wäre ein schwächeres Kriterium, und es ist wichtig, dieses anzusprechen.

(Hofmann (CSU): Warum haben Sie diesen Antrag nicht gestellt?)

Ich möchte noch auf einen Konflikt eingehen, den es offensichtlich im Ministerium für Landesentwicklung und Umweltschutz gibt. Das Landesamt für Umweltschutz hat, bezogen auf dieses riesige Gebiet, von dem wir jetzt reden, gesagt, dass es dort wertvollste Flächen mit landesweit, zum Teil europaweit bedeutsamen Pflanzen und Tieren gebe, also genau dort, wo das Vorranggebiet ausgewiesen und offensichtlich die dritte Startbahn gebaut werden soll. Das Landesamt hat dann konsequent gefordert, ein Schutzgebietsystem mit Niedermoorkernbereichen als Naturschutzgebiet, geschützte Landschaftsbestandteile und Wiesenbrüterflächen zu schaffen. Das ist interessant, Herr Minister. Wir können den skizzierten Konflikt lösen. Wir stimmen gegen die Vorrangfläche, dann haben Sie in Ihrem Haus ein Problem weniger.

(Beifall bei der SPD)

Nun komme ich zum zweiten Thema. Auf Antrag der GRÜNEN wird namentlich über ein Trassenteilstück der A 94 abgestimmt. Wir haben uns mit diesem Trassenteilstück im LEP schon zweimal befasst, jetzt ist es das dritte Mal. Es handelt sich also um ein altbekanntes Thema. Alle unsere Argumente gegen die Instrumentalisierung des LEP, um in einem Trassenstreit leichter bei Gericht Recht zu bekommen, gelten fort. Ich brauche diese Argumente nicht zu wiederholen. Man kann jetzt zusätzlich anführen, dass das Bundesverwaltungsgericht die Revision im Normenkontrollverfahren in dieser Frage zugelassen hat. Das Bayerische Landesverwaltungsgericht wird entscheiden. Kolleginnen und Kollegen, wir können dem Gericht Arbeit ersparen. Wenn wir die Bezeichnung „Trasse Dorfen“ aus dem LEP nehmen, dann ist das Gerichtsverfahren nicht nötig. Ich bitte Sie, in diesen beiden Fragen mit uns zu stimmen.

(Beifall bei der SPD)

Die nächste Wortmeldung ist von Herrn Kollegen Dr. Runge.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf einzelne Anträge von uns zu sprechen komme, solche, die wir herausgezogen haben, aber auch mehrere ganz neue, erlauben Sie mir einige grundsätzliche Worte zum Landesentwicklungsprogramm.

Hier haben wir es zum einen mit vielen schönen Zielerklärungen zu tun. Wenn wir diese Erklärungen aber an der Realität, am Handeln, an den Anträgen von Staatsregierung und CSU messen, dann sieht alles ganz anders aus. Daneben haben wir eine Reihe von Formulierungen, die wir nicht mittragen wollen und können.

Zunächst ein paar Sätze zur Wirtschaft. Im Grunde hätte man auch hierüber länger diskutieren müssen. Was hierüber im Landesentwicklungsprogramm steht, ist traditionell und altbacken, man findet überhaupt keine neuen Impulse. Es gibt lediglich einen Satz zu Dienstleistung, dafür aber reihenweise Aussagen zu den Bodenschätzen. Immerhin finden wir im Kapitel „Grundlegende Ziele“ und auch im Kapitel „Arbeitsmarkt“ – das können Sie im Kapitel „Nachhaltige gewerbliche Wirtschaft“ nachlesen –, dass jetzt endlich der Passus „Deutschland ist kein Einwanderungsland“ gestrichen wird. Dieser Satz soll also endlich gestrichen werden.

Das Thema Mittelstand ist sehr spannend. Im Kapitel „Grundlegende Ziele“ haben wir eine Änderung. Vorher hieß es dort: „Die mittelständische Wirtschaftsstruktur soll erhalten und gestärkt werden“. Das wurde gestrichen, und wir verstehen sehr gut, dass Sie das streichen. Die Beispiele sind Ihnen bekannt: Dosenpfand, Großmärkte auf der grünen Wiese, Online-Aktivitäten der Staatsregierung, Bayerisches Weinabsatzförderungsgesetz. Überall findet sich Bürokratie pur oder eine Benachteiligung des Mittelstandes.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da waren Sie in Ihrem Programm wenigstens ehrlich.

Nun zu den einzelnen Anträgen zunächst zum Antrag zur A 94. Frau Kollegin Kronawitter hat das Thema bereits angesprochen: Wir beantragen, dass beim Spiegelstrich zur A 94 die Worte „auf der Trassenführung über Dorfen“ gestrichen werden. Am 17. Januar dieses Jahres hat das Bundesverwaltungsgericht den Weg freigemacht und das Ganze an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Der hat jetzt die Frage zu klären, ob es in Ordnung ist, dass die Staatsregierung sich auf eine bestimmte Trassenführung über das Landesentwicklungsprogramm festlegt und damit Alternativlösungen erschwert.

Dazu muss man sagen, dass das Verfahren Jahrzehnte alt ist. Es ging in den Siebzigerjahren los, in den Neunzigerjahren gab es das vergleichende Raumordnungsverfahren. Nach diesem Verfahren ist es eindeutig so – das wurde auch von bayerischen Behörden bestätigt –, dass durch die Trasse Haag Anwohner und Umwelt weit weni

ger belastet würden als durch die Trasse Dorfen. Ginge die Trasse über Haag, würde nur etwa die Hälfte der Menschen einer Lärmbelastung ausgesetzt, es würden weit weniger zusammenhängende Waldgebiete durchschnitten usw.

Trotzdem versteift sich die Staatsregierung seit Jahrzehnten auf die Trasse Dorfen und damit auf eine Trasse, die am Rand des Isentales führt. Mit dieser einseitigen Fixierung auf die Isental-Trasse wird eine zielführende Lösung, die den Belangen von Umwelt, Anwohnern und Autofahrern Rechnung trägt, weitgehend und immer wieder verhindert. Es wird mit Sicherheit weitere gerichtliche Auseinandersetzungen geben. Im Grund ist es immer das gleiche Spiel: Die Staatsregierung nimmt die Bevölkerung, die Anwohner, aber auch die Autofahrer in Geiselhaft, um dann besonders umweltfeindliche und besonders teuere Lösungen durchzudrücken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb hier die Bitte, diesem Dringlichkeitsantrag zuzustimmen.

Wir haben auch noch einmal den Dringlichkeitsantrag zu Kapitel B 5 „Nachhaltige technische Infrastruktur“ hochgezogen. Im Grunde ist das ein Sammelsurium. Dort finden wir Maßnahmen wie die Erweiterung am Flughafen München, wir finden den Flughafen Hof, den Flughafen Nürnberg und die beiden Trassenkorridore für den Transrapid. Hier knüpfe ich nun an den eben genannten Antrag an. Es ist besonders spannend, dass sich die Staatsregierung bei der A 94 auf eine einzige Trasse versteift, während wir beim Transrapid im Anhang 14 zwei Trassenkorridore finden. Dabei kommt die eine Trassierung von Haus aus nicht infrage, dennoch lässt man hier zwei Trassen zur Auswahl. In diesem Antrag haben wir auch das Vorranggebiet und die Erweiterungsflächen für den Flughafen München II.

Noch zwei Sätze zum Transrapid, nachdem ich vorhin leider nicht mehr reden durfte. Immer diese Mär vom „Adler“ 1835! Als ob man sich damals so verhalten hätte. Hier nochmal für all diejenigen, die diese Mär gepredigt haben, Herr Dinglreiter ist im Moment leider nicht da: Der „Adler“ wurde ausschließlich privat finanziert. Wir haben über Finanzierung und über Finanzierungsabenteuer diskutiert. König Ludwig hat seine Verwaltung damals ermächtigt, aus dem Bestand des Centralindustriefonds zwei Aktien zu kaufen. Die wurden aber nicht gekauft. Es handelte sich um eine ausschließlich private Initiative.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Willi Müller (CSU): Es hat damals massiven, sinnlosen Widerstand gegeben!)

Sie aber reden immer vom Investieren und davon, etwas zu wagen. Sie wagen aber nur immer mit den Geldern anderer, mit dem Geld der Steuerzahler.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Willi Müller (CSU): Es geht nicht ums Geld, sondern um falschen Widerstand!)

Diese schönen Popanz-Lösungen, die Sie immer als Gemälde an die Wand knallen! Wenn es eine ExpressS-Bahn gibt, dann muss es die Luxus-Express-S-Bahn sein, für die inzwischen eine Milliarde e veranschlagt wird. Vor einem Jahr waren es noch 500 Millionen e. Wir wollen eine ganz andere Lösung, die preisgünstiger und wesentlich schneller zu realisieren ist. Diese Taktik kennen wir von der Trasse München-Ingolstadt genauso wie von der Trasse Nürnberg-Erfurt. Ich könnte viele Beispiele dafür nennen, dass immer das Teuerste, die umweltschädlichste Variante genommen wird. Meist ist auch die Tunnelbau-Gang mit dabei. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, meine Damen und Herren.

Wir wollten uns aber vor allem noch einmal ausführlich über den Flughafen München II unterhalten. Frau Kollegin Kronawitter ist auf den Antrag der SPD-Fraktion eingegangen. Wir haben auch eine Petition zu diesem Thema hochgezogen, die sehr wichtig ist. Darüber hinaus haben wir auch selbst einen Antrag eingebracht. Wir wollen nicht, dass die im Anhang 15 dargestellte Fläche als Vorranggebiet festgelegt wird. Es handelt sich dabei nämlich um nichts anderes als um die Fläche für eine dritte Startbahn. Wir haben das vorhin schon beim Transrapid angesprochen. Es ist doch nicht so, dass 49 oder 55 Millionen Fluggäste vom Himmel fallen. Diese Fluggastzahl wird von Ihnen nicht nur herbeigeredet, sie wird vielmehr herbeigefordert und sie wird herbeigefördert. Ihnen, Herr Kaul, wird das Lachen schon noch vergehen, das kann ich Ihnen sagen.

(Kaul (CSU): Ihnen habe ich doch gar nicht zugelacht!)

Dieses Vorranggebiet vergrößert die Fläche um 60 bis 70%. Durch das Instrument des Vorranggebiets wird die Planungshoheit der Gemeinden ausgehebelt. Es ist deshalb richtig, wenn die Anliegergemeinden sagen: Das Landesentwicklungsprogramm ist ein Landesenteignungsprogramm. An dieser Stelle trifft diese Aussage mit Sicherheit zu.

(Hofmann (CSU): Quatsch!)

Die Äußerungen von Herrn Wiesheu und von der Staatsregierung, die dritte Startbahn sei kein Thema, seien nichts anderes als eine Lachnummer. Lesen Sie doch einmal die Protokolle zum Thema Nachtflugregelung nach. Hier an dieser Stelle hieß es, bis in das Jahr 2010 ist eine neue Nachtflugregelung kein Thema. Aber siehe da, plötzlich ging das Thema im Jahr 2000 los, und im Jahr 2002 hatten wir die neue Nachtflugregelung bereits. Den Sprüchen, die von der Flughafengesellschaft und von der Staatsregierung kommen, glauben wir deshalb überhaupt nicht mehr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn ich sage, hier wird massives Wachstum herbeigefordert und -gefördert, dann fallen uns schon die Krokodilstränen auf, die CSU und Staatsregierung zum Thema Flughafen Augsburg hier vergossen haben. Auf einmal wird gejammert, die Lufthansa will sich dort zurückziehen, es gibt keinen Linienflug mehr. – Wer hat das denn zu verantworten? – Nicht die Lufthansa, nicht die Flug

gäste und mit Sicherheit auch nicht die SPD und die GRÜNEN. Das waren allein Sie, von der Staatsregierung und von der CSU, denn Sie haben München groß gefördert. Sie haben gesagt, die Flughafengesellschaft soll mit einem Großteil der Investitionskosten, mit 60% nämlich, das neue Terminal finanzieren. Jetzt ist dieses neue Terminal bald da, ein ausschließliches LufthansaTerminal, und es ist doch klar, dass die Lufthansa die Kapazitäten in München ausnutzen will. Das sind doch Ihre Fehler, es geht darum, was Sie hier verbockt haben. Sie aber vergießen Krokodilstränen und sagen: Wir unterstützen Augsburg und stellen dafür weitere Steuermillionen zur Verfügung.

(Dr. Bernhard (CSU): Wollen Sie den Verkehr vom Terminal II nach Augsburg verlagern?)

Das ist die Argumentationskette der Lufthansa, Herr Kollege Bernhard. Da haben Sie wohl nicht aufgepasst. Überhaupt ist mir aufgefallen, als Frau Kollegin Kronawitter das Thema ansprach und sagte: „Eine ganze Region steht dagegen auf“, gab es von der CSU abfällige Bemerkungen. Es geht hier um Menschen. Es geht ganz konkret darum, dass zwei Ortschaften abgesiedelt werden müssen: Eittingermoos und Schwaigermoos. Vor kurzem war ich in Eittingermoos. Dort stehen 53 Anwesen, und dort leben 225 Einwohner. Es gibt ein aktives Vereins- und Sportleben, die Freiwillige Feuerwehr und ein Feuerwehrhaus. Sie aber sagen einfach nur „bah“, wenn es darum geht, diese Ortschaften abzusiedeln.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hof- mann (CSU): In Nordrhein-Westfalen machen sie das mit 5000 Einwohnern!)

Hier treffen Sie richtig, Herr Kollege Hofmann. Als Sie das in Ihrer Rede sagten, habe ich Beifall geklatscht. Als Sie etwas über steinzeitliche Energien sagten, haben Sie meinen Beifall bekommen.

Wir heißen das in Nordrhein-Westfalen nicht richtig, aber wir heißen es auch in Bayern nicht richtig. Ihre Politik nennt sich christlich-sozial; dies aber ist schlicht und ergreifend nicht christlich-sozial.