Protokoll der Sitzung vom 28.01.2003

(Beifall bei der CSU – Zuruf der Frau Abgeordneten Radermacher (SPD))

Frau Kollegin Radermacher, wenn Sie darüber mit Ihrem bekannten Charme jammern, dann empfehle ich Ihnen: Lesen Sie doch zum Beispiel auch einmal die Informationsbriefe des Bayerischen Städtetags. Sie sind es doch, die Herrn Deimer immer so gern zitiert. Herr Deimer sagt, Schuld an der ruinösen Finanzlage der Kommunen sei auch der Bundesfinanzminister

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auch!)

ja, ich komme gleich dazu -,

der die Gewerbesteuerumlage von 20 auf 28 Punkte erhöht. Er weist dann darauf hin, Bund und Land hätten den Kommunen zusätzliche Aufgaben in die Schuhe geschoben. Stichworte dazu sind die Grundsicherung und die Beteiligung der Kommunen an den Kindergeldzahlungen. Dagegen aber seien die vom Freistaat Bayern ausgelösten Zusatzkosten für die Kommunen im Schulbereich, durch die Nachmittagsbetreuung, Schulsozialpädagogen und Lehrerpersonalkosten absolut gesehen eher gering.

Ich lasse das so stehen und habe die herzliche Bitte, wenn wir gemeinsam über Konnexität reden: Wir als CSU-Fraktion haben uns dazu durchgerungen – es war nicht einfach, auch für mich war es nicht einfach –, und wir werden dieses Prinzip verwirklichen. Ich habe die

herzliche Bitte an Sie, die Sie noch eine bestimmte Zeit in Berlin regieren werden, dafür Sorge zu tragen, dass Konnexität nicht nur zwischen dem Land und den Kommunen gilt, sondern dass Konnexität auch in den Beziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen gilt. Nur dann sind wir gemeinsam in der Lage – Sie und wir –, den Kommunen die Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, die sie brauchen, um ihre eigenen Aufgaben vernünftig zu lösen.

Wir sind in Bayern – so meine ich – gut aufgestellt.

Wir haben die geringste Arbeitslosigkeit, die höchste Handwerkerdichte, die geringste Neuverschuldung, die geringste Sozialhilfedichte, die höchste Wirtschaftsleistung, und mit der Kriminalität – –

(Hoderlein (SPD): Höchste Wirtschaftsleistung?)

Mit unserer Wirtschaftsleistung liegen wir an der Spitze der Flächenländer – pro Einwohner.

(Hoderlein (SPD): An fünfter Stelle!)

Ich zeige es Ihnen dann, Herr Kollege.

Mit der Kriminalität liegen wir am Ende der Skala, mit dem Finanzmitteleinsatz für Schule und Bildung an der Spitze, und wir haben ein Bildungsniveau, das sich im bundespolitischen Vergleich nicht nur sehen lassen kann, sondern an der Spitze ist. Im zukunftsentscheidenden Bereich Forschung und Entwicklung arbeiten 5,4% unserer Beschäftigten, in Niedersachsen 3,7%, in Nordrhein-Westfalen 2,6% und in Schleswig- Holstein nur 1,8%. Bei den Patentanmeldungen, meine Damen und Herren, liegen wir im Freistaat mit 119 pro 100000 Einwohner einsam an der Spitze; Niedersachsen folgt mit 41, Nordrhein-Westfalen mit 55 und Schleswig-Holstein mit 24.

Herr Kollege Hofmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Paulig?

(Willi Müller (CSU): Die war doch nicht da!)

Nachdem sie mich mit ihrer Abwesenheit gestraft hat, lasse ich mir von ihr auch meine Zeit nicht stehlen.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie stehlen uns seit einer dreiviertel Stunde die Zeit!)

Ich rede erst eine halbe Stunde.

Meine Damen und Herren, es wird Sie nicht überraschen: Die CSU-Landtagsfraktion stimmt dem Verordnungsentwurf auf der Grundlage der Zweitberatung des federführenden Ausschusses für Landesentwicklung und Umweltfragen vom 4. Dezember 2002 und 9. Januar 2003 zu mit der Maßgabe, die in einzelnen Beschlussempfehlungen enthaltenen Änderungen bei Erlass des LEP durchzuführen und die Protokollerklärung der mit

dem Antrag befassten Ausschüsse zur Kenntnis zu nehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme nun zum Themenkomplex der heute aufgerufenen Anträge. Ich habe darauf hingewiesen, dass wir nicht in die Einzelberatung eintreten werden, nachdem die Fachausschüsse beraten haben, sonst hätte die Beratung der Fachausschüsse keinen Sinn.

Ich will nur darauf hinweisen, dass wir – auch wenn hart darüber diskutiert worden ist – am Vorrang für den Flughafen München festhalten. Wir halten deshalb daran fest, weil wir künftigen Generationen eigene Optionen offen lassen und ihnen keinen Weg verbauen wollen. Dieser Vorrang ist keine Festlegung auf die so genannte dritte Startbahn. Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch die Planungsausschussmitglieder der Stadt München haben sich für den Verbleib dieser Vorrangformulierung ausgesprochen.

Wir haben aber im Zusammenhang mit der heute zu behandelnden Petition festgestellt, dass die Begründung zu dieser Eingabe als Material von der Staatsregierung übernommen werden muss, weil es unterschiedliche Prognosen gibt. Die Vertreter der Gemeinde Eitting weisen auf Gutachten hin, wonach der Verkehrsflughafen München bereits jetzt in der Lage sei, 39 Millionen Passagiere abzufertigen. Sie stellen die Behauptung auf, dass ein System im Aufbau sei, mit dem man in Zukunft am Flughafen München ein Fluggastaufkommen von 50 bis 60 Millionen Fluggäste pro Jahr bewältigen könne. Für den Fall, dass dies zutrifft – mir soll das Recht sein –, spielt das Vorranggebiet im Zusammenhang mit den zu beratenden Anträgen keine große Rolle.

Den Antrag auf Drucksache 14/10809 lehnen wir ab. Er strotzt vor Selbstverständlichkeiten, ist teilweise vom vorhandenen LEP abgeschrieben, und er beinhaltet Forderungen, die längst erledigt sind. Manche Dinge würde ich, wenn wir nicht im Parlament wären, als Unsinn bezeichnen. Manches ist auch nicht nachvollziehbar.

Wir lehnen den Antrag auf Drucksache 14/10290 ab. Der Schienenverkehr ist, so stelle ich fest, für viele ein Lippenbekenntnis. Wenn es aber darum geht, die Bahn mit einer Schnellverkehrstrasse zu ertüchtigen, sind sie an der Spitze der Bürgerinitiativen, die dagegen sind. Das gilt auch für die ICE-Aus- und Neubaustrecke zwischen Nürnberg – Forchheim – Bamberg – Coburg – Berlin.

Für mich und die CSU-Fraktion gibt es keinen Zweifel, dass Rot-Grün klarstellen muss, was das Gutachten des Bundesverkehrsministeriums bedeutet. Kollege Maget hat erklärt, dass alle Fakten im Zusammenhang mit dem ICE-Ausbau so überzeugend gewesen seien, dass er angepackt und vorangetrieben werden müsse.

Mit der vierten Gesamtfortschreibung des LEP nehmen wir die Herausforderungen des beginnenden 21. Jahrhunderts an. Das Ziel der Nachhaltigkeit ist durchgängig. Wir reagieren nicht nur auf die Osterweiterung, sondern stärken auch mit Finanzen und dem Ausbau der Infrastruktur unsere Volkswirtschaft, die mit anderen Volkswirtschaften konkurrieren muss. Hauptziel bleibt die

Schaffung gleichwertiger Lebens- und Arbeitsbedingungen in unserem Land.

Das zu beschließende LEP stellt eine systematische Weiterentwicklung erfolgreicher bayerischer Landesentwicklungspolitik dar. Es baut auf Bewährtem auf. Alle Vergleichszahlen mit dem Bundesgebiet, die in Bayern verfügbar sind, belegen das. Deshalb stimmt die CSUFraktion dem Verordnungsentwurf mit Überzeugung zu.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Hartenstein.

Hartenstein (fraktionslos) : Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eine zentrale Aufgabe der Gesamtfortschreibung des LEP ist es, das Prinzip der Nachhaltigkeit in die Raumplanung einzuführen. So heißt es im vorliegenden Antrag der Staatsregierung. Ökologie, Ökonomie und Soziales/Kultur sollen dabei gleichrangig nebeneinander stehen.

Gelungen ist dem Umweltministerium lediglich die Einführung des Begriffs „nachhaltig“ in den Antragstext. Eine Gleichwertigkeit der drei genannten Säulen bei den geforderten Vorhaben dagegen kann nur selten registriert werden. Das soll heißen: Trotz aller Formulierungskünste wird bei der Raumentwicklung in Bayern auch in Zukunft der Ökonomie der Vorrang eingeräumt. Sich bietende Entwicklungschancen sollen voll ausgeschöpft werden, mögliche Risiken für Mensch, Tier und Umwelt oder sogar bewiesene Gesundheitsschäden bleiben dabei weitgehend unberücksichtigt. Zwei Beispiele sollen das exemplarisch belegen.

Erstens. Bauleitplanung im Umfeld von Flugplätzen: Es liegt, meine Damen und Herren, in der Kompetenz der Staatsregierung, zur Lenkung der Bauleitplanung bei Flughäfen und -plätzen Lärmschutzbereiche festzulegen. Als Orientierungswerte liegen hierzu Ergebnisse einer vom Umweltbundesamt, UBA, im letzten Jahr veröffentlichten Studie über die gesundheitlichen Auswirkungen von Fluglärm vor. Darin heißt es unter anderem sinngemäß:

Bei Fluglärmbelastungen von 60 dB(A) tags und 50 dB(A) nachts sind Gesundheitsbeeinträchtigungen zu befürchten, bei jeweils 5 dB(A) mehr bereits Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Trotz dieser klaren Aussagen sieht das LEP folgende Nutzungskriterien vor: Bei Militärflugplätzen Wohnraumnutzung bis 67 dB(A) und uneingeschränkte gewerbliche und industrielle Nutzung bis 75 dB(A), sowie bei Verkehrsflughäfen Wohnraumnutzung bis 62 dB(A) und uneingeschränkte gewerbliche und industrielle Nutzung bis 65 dB(A).

Im Klartext heißt das: Im Umfeld von Flughäfen und insbesondere von Militärflugplätzen werden in Bayern aus rein wirtschaftlichen Gründen Gesundheitsbeeinträchtigungen und -schäden einfach billigend in Kauf genommen. Mein Antrag, den Werten der UBA-Studie Rech

nung zu tragen, ist im Umweltausschuss mit der Stimmen der CSU-Fraktion leider abgelehnt worden.

Zweitens. Ausbau der Mobilfunknetze: Seit Jahren wächst der Widerstand gegen den Ausbau der Mobilfunknetze.

Die Gründe: Immer mehr Menschen klagen im Umfeld der Sendeanlagen über Schlafstörungen, Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen, Ohrrauschen usw. Immer häufiger werden Ergebnisse neuer Studien veröffentlicht, in denen Zusammenhänge zwischen der Einstrahlung elektromagnetischer Felder und entsprechenden biologischen Effekten dargestellt werden. Immer öfter erheben kritische Wissenschaftler und Ärzte warnend den Finger, so zuletzt eine unabhängige Gruppe von Wissenschaftlern in der sogenannten Catania-Resolution oder zahlreiche Ärzte im sogenannten Freiburger Appell.

All diese Entwicklungen sind der Staatsregierung hinreichend bekannt. Und dennoch äußert sich Staatsminister Erwin Huber ungeniert am 15. 10. 2002 auf der Technologiemesse „Systems“ in München undementiert:

Wir werden alles tun, was Gott uns erlaubt, und auch manches, was er verbietet, um diese Innovation voranzubringen. In Kürze werden wir deshalb mit den Mobilfunkbetreibern einen Rahmenvertrag zur Nutzung staatlicher Gebäude und Grundstücke als Antennenstandorte abschließen.

(Hoderlein (SPD): Wenn das der liebe Gott erfährt!)

Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Was könnte den Vorrang wirtschaftlicher Gesichtspunkte bei der Einführung neuer Technologien in Bayern besser belegen als dieses Zitat von Herrn Staatsminister Huber? –

Der angesprochene Rahmenvertrag ist zwischenzeitlich abgeschlossen, ganz im Sinne der Vorgabe des LEP. Dort heißt es: „Die Versorgung mit Telekommunikationsdiensten soll flächendeckend sichergestellt werden.“ Mein Vorschlag im Umweltausschuss, die Ergänzung „Wohnortferne Antennenstandorte sind, wo immer möglich, anzustreben.“ einzuflechten, wurde leider mit den Stimmen der CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion abgelehnt.

Drittens. Ausbau des Mains und der Donau: Aber selbst auch dann, wenn sich erwartete ökonomische Daten nicht als richtig erweisen, hält die Staatsregierung an ihren Zielsetzungen fest. So sollen der Main und die Donau weiterhin „bedarfsgerecht und naturschonend“ ausgebaut werden. Von „bedarfsgerecht“ kann aufgrund der Umsatzzahlen in den betreffenden Häfen kaum, von „naturschonend“ schon ganz und gar nicht die Rede sein.

Leider habe ich nur fünf Minuten zur Verfügung. Ich gebe meinen weiteren Beitrag zu Protokoll. Ich wäre gerne auf ergänzende Punkte eingegangen.

(siehe Anlage 3)

Die nächste Wortmeldung ist von Frau Kollegin Dr. Kronawitter.

Herr Präsident, Herr Minister, Kolleginnen und Kollegen! Ich komme auf ein Thema zu sprechen, das vielleicht manchen von Ihnen als Detail erscheinen mag, aber dieses Thema macht deutlich, dass eben nicht Nachhaltigkeit im Sinne der Rio-Definition, die Herr Minister Schnappauf vorhin zitiert hat, eingehalten wird. Ich meine das Vorranggebiet für den Verkehrsflughafen MUC. Es ist unter 1.6.3 festgelegt. Gegen dieses Vorranggebiet –, das müssen Sie wissen, wenn Sie namentlich abstimmen –, läuft die gesamte Region Sturm.