Protokoll der Sitzung vom 13.02.2003

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Gartzke (SPD): Und welche Auswirkungen das hat!)

Ich habe schon einige Beispiele genannt. Ich habe 20 oder 30 Ideen dabei. Aber ich möchte Ihnen nicht vorgreifen. Eines sagen wir aber ganz klar: Es kann nicht angehen – und jetzt bin ich bei der letzten Rede des Ministerpräsidenten an dieser Stelle, die gerade einmal zwei Wochen her ist –, dass man die Sanierung der öffentlichen Haushalte und den Subventionsabbau fordert und im gleichen Atemzug Krokodilstränen über jede geplante Verringerung von Steuervergünstigungen vergießt und gleichzeitig weitere Milliarden vom Bund für Prestigeprojekte fordert. Das passt nicht zusammen. Deshalb sagen wir: Gehen Sie doch einmal mit gutem Beispiel voran.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die nächste Wortmeldung ist von Herrn Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser. Bitte schön.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der Dringlichkeitsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN fordert zweierlei, und zwar zum einen einen Katalog von Subventionen des Freistaates Bayern vorzulegen, der Maßnahmen enthält, die nach Auffassung der Staatsregierung mittelfristig gestrichen oder verringert werden können, und zum anderen werden Änderungen am Subventionsbericht angemahnt.

Lassen Sie mich eine Vorbemerkung machen. Ich glaube, wir alle in diesem Hause sind – ich hoffe es wenigstens – der Auffassung, dass Subventionsabbau eine Daueraufgabe ist. Die Bayerische Staatsregierung hat deshalb wiederholt massive Anstrengungen unternommen, Subventionen im eigenem Bereich abzubauen. Der Ministerrat hat, wenn ich das als Beispiel sagen darf, im Zuge der Verwaltungsreformen am 29. Juni 1999 beschlossen, dass die Förderprogramme im Freistaat grundsätzlich zeitlich befristet aufzulegen sind. Sie kennen das Stichwort sunset legislation. Grundsätz

lich haben wir eine zeitliche Befristung, was bedeutet, dass man in einen neuen Erklärungszwang kommt, wenn man das Programm neu auflegt.

Die von der Staatsregierung eingesetzte Projektgruppe Verwaltungsreform hat in den letzten Jahren alle Fördertöpfe überprüft und erheblich reduziert. Ich weiß dies deshalb noch so gut, weil ich den Bericht am 20. April 1998 dem Haushaltsausschuss in meiner damaligen Funktion als Leiter der Staatskanzlei vorgelegt habe.

Der Subventionsabbau ist natürlich in der Praxis ständiger Gegenstand der Haushaltsverhandlungen. Da geht es um die entsprechenden Pakete der Subventionen und Fördermaßnahmen. Wenn Sie einsparen und knappe Haushalte fahren wollen, dann müssen Sie gerade hier ansetzen. Wir beginnen jetzt schon wieder mit der Aufstellung des Nachtragshaushaltes 2004. Wir sind permanent dabei, alles kritisch zu überprüfen.

In dem Zusammenhang würde ich doch bitten, mit zu überlegen, dass man Subventionsabbau eigentlich zu jeder Tag- und Nachtzeit betreiben sollte. Man sollte nicht heute über Subventionsabbau reden und einen Antrag im Parlament einbringen und am nächsten Tag wieder neue Subventionen für irgendwelche Richtungen selbstverständlich fordern.

(Dr. Runge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Stoiber! Stoiber!)

Wenn wir dann Nein sagen, dann spricht man schnell von Benachteiligungen der eigentlich mit diesen Subventionen bedachten Gruppen. Wir haben Ihnen, insbesondere von der SPD, wiederholt in diesem Hause eine Gesamtliste vorgehalten. Ich erinnere mich an eine entsprechende Erklärung des Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, Manfred Ach, über die Gesamtsumme Ihrer Forderungen in den letzten Jahren. Also, bitte schön, bleiben Sie bei der Wahrheit. Wir brauchen auf der einen Seite den Subventionsabbau, auf der anderen Seite aber auch Beschränkungen bei der Forderung nach neuen Maßnahmen.

Ich darf noch etwas zu dem formalen Punkt sagen. Die GRÜNEN fordern in ihrem Antrag, einen Katalog von Subventionen des Freistaates vorzulegen. Ich darf doch daran erinnern, dass dieser Subventionsbericht sehr erhellend ist. Den gibt es seit 1986, und er wird zu jedem Doppelhaushalt vorgelegt, sauber aufgegliedert und ist sehr aufschlussreich. Man kann nachprüfen, wie viel der eine oder andere Bereich bekommt. Dann kann man ganz konkret prüfen, was man abbauen will. Es gibt immer sehr starke Damen und Herren in der Wirtschaft, die alle Subventionen streichen wollen. Wenn man dann aber genau nachliest, dann fragt man sich doch, ob man tatsächlich die Förderung von Wohnungen für Behinderte ohne weiteres streichen will. Oder will man in unserem Agrarland Bayern tatsächlich alle Agrarsubventionen streichen, damit die Bauern noch mehr unter Druck geraten, als sie es ohnehin durch die Bundesregierung schon sind?

Ich empfehle, Herr Kollege Runge, eine vertiefte Befassung mit diesem Subventionsbericht. Ich kann Ihnen

ankündigen, dass der neue Subventionsbericht im März kommt. Wir werden im Rahmen der Haushaltsverhandlungen wiederum intensiv alle Subventionen auf ihre Rechtfertigung und ihre Höhe hin überprüfen.

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Dr. Runge?

Selbstverständlich.

Herr Kollege Dr. Runge, bitte.

Herr Staatsminister, kann es sein, dass es Ihnen entgangen ist, unseren Antrag zu lesen? Denn in dem Antrag wird gefordert, einen Katalog mit Kürzungsvorschlägen vorzulegen. Dann äußern wir einige Bitten in Bezug auf Ihren Bericht, den wir sehr zu schätzen wissen.

(Sackmann (CSU): Machen Sie selber Vorschläge!)

Konkret hätten wir zum einen gern alle Finanzierungshilfen aufgenommen. Einige finde ich nicht in diesem Katalog. Zum anderen hätten wir gerne zum Vergleich die IstZahlen im Subventionsbericht. Im Übrigen kann ich Ihnen hinterher noch einige Beispiele nennen, wo Ihnen Ihr Kollege Otto Wiesheu heftig widerspricht und behauptet, es handle sich nicht um Subventionen. Das betrifft gerade die größten Brocken.

Es gehört zum Charakter derjenigen, die die Subventionen erstreiten, dass sie generell behaupten, es handle sich dabei nicht um Subventionen.

(Lachen bei der SPD – Gartzke: Das ist wahr! – Zuruf von der SPD: Sonnleitner!)

Ich kenne kaum einen Bereich, von dem nicht gesagt würde, dass es sich nicht um eine Subvention handle. Dabei haben wir, wenn ich es recht in Erinnerung habe, eine sehr gute Definition in diesem Subventionsbericht. Danach werden in dem Subventionsbericht Finanzhilfen erfasst, die der Staat ohne marktwirtschaftliche Gegenleistung Unternehmen und privaten Haushalten gewährt, um sie zu einem vonseiten des Staates gewünschten Verhalten zu veranlassen, zum Beispiel zu nationaler Energiegewinnung und -verwendung.

Also da ist ziemlich präzise umschrieben, was unter Subvention zu verstehen ist. Ich weise darauf hin, dass es natürlich eine Reihe von Subventionsbüchern gibt – etwa die unserer Freunde vom Bund der Steuerzahler –, die wesentlich umfangreichere Abgrenzungen haben. Sie beziehen alles Mögliche mit ein, aber das ist nach meiner Ansicht nicht so ohne Weiteres nachvollziehbar.

Subventionen haben wir in zwei Bereichen, einerseits bei den Finanzhilfen auf allen Ebenen und andererseits

bei den steuerlichen Subventionen. Die steuerlichen Subventionen sind – im Übrigen auf Bundesebene im Wesentlichen einkommensteuerliche Subventionen – mittlerweile schon sehr stark ausgewunden. Ich habe bisher dreimal in derartigen Subventionsabbaukränzchen mitgewirkt. Bei dem ersten haben wir damals 19,4 Milliarden DM herausgewrungen, das zweite Mal 7 Milliarden und das dritte Mal waren es 3,4 Milliarden – wenn ich mich richtig erinnere. Heute betrifft die größte Subvention – es gibt immer noch Leute, die sagen, da sei unglaublich viel drin – die Arbeitnehmer unmittelbar. Sonntags-, Nacht- und Feiertagszuschläge betragen, wenn ich es richtig im Kopf habe rund 2 Milliarden e. Die übrigen Maßnahmen sind alle weit weniger gewichtig, das heißt, die steuerliche Subvention muss man sich auf breiter, breiter Ebene im Einzelnen zusammensammeln.

Das, was Sie meinen, Herr Runge, dass man über diesen Transparenz gebenden Bericht hinaus auch noch eine Liste dessen aufstellt, was wir abbauen wollen, ist das Geschäft unseres täglichen Arbeitens im Haushaltsausschuss. Dazu stellen wir unsere Haushalte auf. Sie sind dazu auch immer eingeladen und in die Haushaltsberatung eingebunden, Frau Kellner. Sie gestalten doch aktiv und hörbar – wie auch jetzt – die Haushalte jeweils mit und sind daran beteiligt, Subventionen entsprechend abzubauen.

Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass der Haushaltsausschuss gerade vor kurzem eine erhebliche Anstrengung zum Subventionsabbau auf sich genommen hat. Im Rahmen der Haushaltsaufstellung haben wir im Haushaltsausschuss nach der NovemberSteuerschätzung insgesamt in allen Ministerien zusammengenommen alleine 300 Millionen ganz konkreter Einsparungen vorgenommen. Diese gehen auch an Subventionstatbestände heran. Ich kann mich nicht erinnern, Herr Runge, dass dafür von der Opposition jeweils Beifall kam, sondern es kam eher Protest: Wie kommt ihr denn dazu, diese oder jene Einsparung vorzunehmen?

Die Kampagne „Aufbruch jetzt“, die zitiert wurde – sie fordert Subventionsabbau, Vereinfachung des Steuerrechts und Eindämmung unnötiger Bürokratie –, ist eine Kampagne, die dem Finanzminister hilft und die die Bemühung der Bayerischen Staatsregierung unterstützt, weiterhin Bürokratieabbau zu betreiben und die Subventionen auf einem möglichst niedrigen Stand zu halten. Insofern halte ich es für zielführend, dass wir weiterhin – wie bisher – sehr präzise, transparent und im Zeitablauf übersichtlich alle Subventionsmaßnahmen auflisten. Dann können wir uns Punkt für Punkt auf politischer Ebene darüber unterhalten, wo wir abbauen. Nur so scheint es mir sinnvoll zu sein.

Ein Allerletztes: Die eigentlichen großen Beträge – insbesondere auf der Ebene des Bundes, aber auch durchschlagend auf die Landesebene – sind nicht in dem engen Bereich dessen enthalten, was wir Finanzhilfen nennen, sondern sie sind Ausfluss gesetzlicher Maßnahmen im sozialen Bereich. Zu Größenordnungen: Nehmen Sie den Bundeshaushalt, dort werden von 100 e bereits 31,50 e, also 31,3% an Quersubventionierung an die Rentenversicherung bezahlt. Da sehen Sie, wie wichtig es ist, die Rentenversicherung zu reformieren.

Man ist sofort bei 43% des Bundeshaushalts, wenn man die Arbeitslosenhilfe mit dazunimmt, die der Bund bezahlt. Man kommt schnell zu 50% des gesamten Bundeshaushalts in einer Größenordnung von etwa 250 Milliarden e durch entsprechende Gesetzgebungsmaßnahmen. Wenn ich bei den Haushaltsaufstellungen mit dem einen oder anderen Haus ein Problem habe, dann auch aufgrund entsprechender Automatismen, z.B. in der Jugendhilfe oder bei der Pflege, aufgrund gesetzlicher Bestimmungen, die eine ungeheure Dynamik in unserer Gesellschaft bewirken – in der die Leute immer älter und dabei aber nicht unbedingt gesünder werden.

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schieder?

Nein, ich bin schon beim Schluss. – Das sind die eigentlichen Probleme, vor denen wir stehen. Wenn wir von Strukturproblemen in unserem Land reden, die angepackt werden müssen, dann meinen wir vor allem diese gesetzlichen Strukturprobleme, die angegangen werden müssen. Dies erfordert Mut, und genau diesen Mut vermisse ich bei der Bundesregierung – aber nicht nur ich, sondern auch die Europäische Kommission ebenso wie die informierte Öffentlichkeit.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Kellner.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Finanzminister, so einfach kommen Sie hier nicht davon. Wissen Sie, es mag ja noch sein, dass Sie und Ihre Beamten prüfen, ob man eine Subvention abbauen kann. Aber bei dem Prüfen bleibt es, weil Sie auf dem Weg vom Finanzministerium in die Staatskanzlei der Mut verlässt, denn es gibt dort – ja, Herr Huber – begnadete Subventionierer. Das sind der Herr Ministerpräsident und der Herr Staatskanzleiminister. Die gefallen sich in der Rolle der Landesfürsten, die da allen geben, und zwar immer vor den Wahlen.

(Ach (CSU): Das stimmt nicht!)

Herr Faltlhauser, ich habe Sie aufgefordert, bei den Haushaltsberatungen habe ich gesagt: Jetzt können Sie zeigen, ob Sie als Reformer oder als Rasenmäher enden wollen. Sie sind als Rasenmäher geendet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ach (CSU): Leisten Sie doch Ihren Beitrag!)

Herr Ministerpräsident Stoiber hat es ja ganz ehrlich gesagt. Zum Steuerpaket der Bundesregierung hat er gesagt: Es ist vollkommen falsch, über das Streichen einzelner Subventionstatbestände nachzudenken, er würde es vorziehen, überall ein bisschen was wegzunehmen. Was ist denn das? – Das ist Feigheit! Man sagt: Jetzt geht es uns schlecht, da muss jeder 5 bis 10% hergeben, und dann ist alles weiter wie gehabt. Aber so

macht man keine Reformen. Das ist auch nicht unsere Auffassung davon, wie man einen modernen Staat regieren soll.

(Ach (CSU): Welchen Beitrag haben Sie denn bisher geleistet?)

Herr Kollege Ach, gehen wir doch gleich einmal in einzelne Bereiche hinein. Man sieht ja: Die Stunde der Wahrheit kommt immer dann, wenn man im Haushaltsausschluss beschließen könnte, das oder jenes wird abgebaut. Wir hatten ja passenderweise, Herr Kollege Ach, letzte und vorletzte Woche den Bericht des Obersten Rechnungshofs. Herr Staatsminister, ich bitte Sie wirklich um Ihre Mithilfe: Es ist fast lachhaft; da macht der Oberste Rechnungshof Beanstandungen, und es geht dabei immerhin um mehrere Millionen. Gerade gestern hatten wir mehrere Vorfälle, bei denen auch aus Ihrer Fraktion Murren kam, weil wir feststellen mussten: Alles, was wir ändern wollen, dauert mindestens zehn Jahre plus x.

(Ach (CSU): Nicht alles!)

Herr Staatsminister Huber, Sie können mit Ihrer Entbürokratisierungsoffensive nach Hause gehen, wenn Sie nicht in der Lage sind, Verschwendungen und Fehler, die erkannt sind, innerhalb eines Jahres zu korrigieren. Sogar ein Beschluss, in dem der Haushaltsausschuss festgestellt hatte, dass etwas sofort zu ändern sei, ist nach zwei Jahren plus x immer noch nicht umgesetzt worden. Da brauche ich keine Kommission dazu, sondern das erfordert Handeln, und zwar sofort.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nehmen wir ein Beispiel aus der Landwirtschaft. Hier gibt es ein Landwirtschaftsinvestitionsförderprogramm. Wer eine Fördermaßnahme aus diesem Programm in Anspruch nimmt, muss sich beraten lassen. In einem Land, von dem man meint, es sei marktwirtschaftlich orientiert, gibt es eine Vorschrift zur Zwangsberatung, die der Staat dann auch noch subventioniert. Jeder Landwirt ist doch in der Lage, als Unternehmer selbst zu entscheiden, welche Investition er tätigen will und welche nicht.

(Zuruf des Abgeordneten Ach (CSU))

Das sind überholte Tatbestände, die Sie besser heute als morgen auf den Subventionsmüll schmeißen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)