Protokoll der Sitzung vom 13.02.2003

Tagesordnungspunkt 7

Besetzung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Wahl berufsrichterlicher Mitglieder

Mit Schreiben vom 27. Januar 2003 hat der Ministerpräsident mitgeteilt, dass das berufsrichterliche Mitglied des Verfassungsgerichtshofs Professor Dr. Johann Witt

mann mit Ablauf des 31. Juli 2002 in den Ruhestand getreten ist. Als Nachfolger schlägt die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs Herrn Andreas Polloczek, Richter am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in Ansbach, zur Neuwahl vor. Mit Ablauf des Monats März 2003 tritt außerdem das berufsrichterliche Mitglied des Verfassungsgerichts Frau Dr. Ursula Lewenton in den Ruhestand.

Als deren Nachfolgerin schlägt die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs Frau Dagmar Schuchardt, Präsidentin des Landgerichts Nürnberg-Fürth, zur Neuwahl vor. Außerdem hat der Ministerpräsident mitgeteilt, dass die Amtszeit des berufsrichterlichen Mitglieds des Verfassungsgerichtshofs Herr Dr. Hans Jürgen Zimniok, Vorsitzender Richter am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, am 19. Juli 2003 endet. Die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs schlägt vor, Herrn Dr. Zimniok als berufsrichterliches Mitglied wiederzuwählen. Die Richter-Wahl-Kommission hat in ihrer heutigen Sitzung den Vorschlägen der Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs zugestimmt und beschlossen, der Vollversammlung zu empfehlen, diese Wahlvorschläge anzunehmen.

Die SPD-Fraktion hat als Gegenkandidaten zur Wahl von Frau Dagmar Schuchardt Herrn Guido Kotschy, Richter am Oberlandesgericht München, und zur Wahl von Herrn Dr. Hans Jürgen Zimniok Herrn Ernst Burger, Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht München, vorgeschlagen. Die Vorgeschlagenen sind bereit, im Falle ihrer Wahl das Amt anzunehmen.

Wir kommen damit zu den Wahlen, die in einem Wahlgang durchgeführt werden. An Ihrem Platz finden Sie drei Stimmzettel in verschiedenen Farben vor, auf denen die vorgeschlagenen Kandidaten aufgeführt sind; außerdem enthält Ihre Stimmkartentasche eine gelbe Namenskarte, die für den Wahlgang zu verwenden ist.

Urnen für die Namenskarten und für die Stimmzettel befinden sich auf beiden Seiten des Sitzungssaals im Bereich der Eingangstüren sowie auf dem Stenografentisch. Ich bitte darum, sowohl die Namenskarte als auch die Stimmzettel nicht selbst in die Urnen einzuwerfen, sondern diese den hierfür bereitstehenden Schriftführern und Mitarbeitern des Landtagsamts auszuhändigen. Nur so kann der ordnungsmäßige Ablauf des Wahlvorgangs sichergestellt werden.

Wir beginnen nun mit dem Wahlgang. Für die Wahlen stehen fünf Minuten zur Verfügung.

(Unterbrechung von 12.52 bis 12.57 Uhr)

Der Wahlgang ist beendet. Das Wahlergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt und später bekannt gegeben. Wir fahren zwischenzeitlich in der Tagesordnung fort.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 9

Mündliche Anfragen

Ich bitte zunächst den Leiter der Staatskanzlei Herrn Staatsminister Huber um die Beantwortung der ersten Frage. Der erste Fragesteller ist Herr Kollege Stahl. – Wo ist er?

(Zurufe)

Herr Abgeordneter Spitzner übernimmt die Fragestellung für Herrn Stahl. Bitte, Herr Abgeordneten Spitzner. – Kollege Stahl kommt doch.

Herr Staatsminister, gibt es Informationen und Hinweise bei der Staatsregierung, dass das amerikanische Verteidigungsministerium aufgrund der ablehnenden Haltung von Bundeskanzler Gerhard Schröder und der SPD-geführten Bundesregierung hinsichtlich der Unterstützung der US-Regierung bei ihrer Irak-Politik die geplanten amerikanischen Investitionen in den Truppenübungsplätzen- in Bayern speziell Grafenwöhr – und bei Infrastruktur- und Wohnbaumaßnahmen „überdenken will“ bzw. die Streichung dieser Maßnahmen plant?

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatsminister!

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Investitionen der USArmee in und um den Truppenübungsplatz Grafenwöhr – das Projekt efficient facing east – hat ein Gesamtvolumen von rund 1 Milliarde e. Dabei werden bauliche Maßnahmen auf den Training Areas vorgenommen und unter anderem auch 1600 neue Wohnungen gebaut. Damit wird eine Vielzahl von Arbeitsplätzen gesichert und zusätzlich geschaffen. Es ist ein ganz bedeutsames Projekt nicht nur für die Region, sondern auch für ganz Bayern.

Herr Abgeordneter, die Staatsregierung hat keine direkten Informationen oder Hinweise, dass das amerikanische Verteidigungsministerium die geplanten Investitionen auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr überdenken will bzw. die Streichung dieser Maßnahmen plant.

(Zuruf von der SPD: Der Spitzner behauptet das!)

Warten Sie doch. Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber hat erst am vergangenen Samstag in einem sehr offenen und freundschaftlichen Gespräch mit dem neuen kommandierenden General der US-Armee in Europa, General Bell, das Grafenwöhrer Projekt intensiv erörtert. Gemeinsames Anliegen ist, dass noch dieses Jahr – wie vorgesehen – erstmals Mittel für die Baumaßnahmen zugewiesen werden sollen.

Mit großer Betroffenheit registriert die Staatsregierung jedoch Stimmen in der amerikanischen Öffentlichkeit, die US-Stützpunkte in Deutschland offen in Frage stellen.

Nachzulesen ist dies zum Beispiel in der „Washington Post“ und in der „New York Times“, jeweils am 10. Februar dieses Jahres. Daraus ergibt sich sehr wohl

die Gefahr, dass die bewusste und immer offener zur Schau getragene antiamerikanische Haltung der rot-grünen Bundesregierung und von Bundeskanzler Schröder Deutschland in eine Isolation führt. Das könnte auch ganz konkrete Auswirkungen auf Art und Umfang der Stationierung amerikanischer Truppen in Deutschland haben. Dies zeigen immer schärfere Aussagen von amerikanischer Seite. Als Beispiel hierfür nenne ich die im „Handelsblatt“ vom 11. Februar zitierte Äußerung eines US-Experten. Wörtlich heißt es dort:

Einige in Amerika werden befürchten, das nächste Mal verweigern uns die Deutschen vielleicht die Nutzung unserer Militärbasen. Warum sollen wir dann nicht nach Rumänien oder an einen anderen Ort ausweichen?

Wie die „Washington Post“ am 12. Februar berichtet, mehrt sich die Zahl der US-Abgeordneten, die für eine Truppenreduzierung in Deutschland plädieren. Die Zeitung zitiert den republikanischen Abgeordneten Peter King mit den Worten:

Alles, was wir tun können, um ihnen

gemeint sind wir Deutsche und die Franzosen –

weh zu tun, ohne dass es uns weh tut, werde ich unterstützen.

Besonders bedenklich stimmt mich die Aussage der Sprecherin des US-Hauptquartiers in Europa in Heidelberg, Elke Herberger, wie sie in der „Mittelbayerischen Zeitung“ von heute zitiert wird. Danach werden auch die Investitionen in Grafenwöhr und Hohenfels auf den Prüfstand gestellt. Man wolle, so die Sprecherin, vermeiden, dass in Militärbasen, die die USA schließen wollten, zuvor Milliardenbeträge investiert würden. Ohne das derzeit schwierige deutsch-amerikanische Verhältnis direkt zu nennen, sagte Herberger, die USA wollten für ihre Soldaten eine optimale Lebensqualität gewährleisten.

Meine Damen und Herren, die Staatsregierung verfolgt diese Problematik mit größter Sorge, und ich hoffe, dass das Hohe Haus diese Sorge teilt. Wir würden uns wünschen, dass die Bundesregierung diesen Aspekt bei all ihren Entscheidungen und Äußerungen berücksichtigt. Die Staatsregierung jedenfalls wird im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles daran setzen, dass negative Auswirkungen der fatalen Politik der Bundesregierung für Bayern vermieden werden. Dabei werden uns die traditionell guten Beziehungen Bayerns zu den USA helfen. Die Staatsregierung bekennt sich zur Partnerschaft mit den USA.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Gibt es Zusatzfragen? – Herr Stahl.

Herr Staatsminister, ich bin sehr dankbar, dass die Bayerische Staatsregierung alles unternimmt, damit es nicht zum Stopp kommt. Würde es nämlich zu einem eventuellen Stopp – –

(Zurufe von der SPD: Frage!)

Ja, sofort. Allein im Bereich der Landkreise NeustadtWaldnaab und Amberg-Sulzbach wären dadurch Investitionen in Höhe von einer Milliarde Dollar in Frage gestellt.

(Abg. Prof. Dr. Gantzer (SPD): Ist das die Frage?)

Es würde vor allem die Gemeinden und Städte Grafenwöhr, Eschenbach, Kirchenthumbach und viele andere treffen.

(Abg. Prof. Dr. Gantzer (SPD): Frau Präsidentin, das ist ja doch – –)

Baufirmen, Handwerksbetriebe und Architekturbüros würden in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Krise auf viele Arbeitsplätze verzichten müssen bzw. auf einen wirtschaftlichen Aufschwung.

(Zuruf von der SPD: Und jetzt die Frage! – Prof. Dr. Gantzer (SPD): Jetzt die Antwort!)

Ich verstehe eigentlich nicht, dass Sie auf der linken Seite des Hauses das so lustig nehmen, meine Damen und Herren von der SPD. Da muss ich wirklich sagen: Es kommt doch nicht darauf an, wie langsam oder wie schnell man eine Frage vorliest, sondern wir sollten eigentlich die Sorge sehen, die für viele tausend Menschen in der Oberpfalz von großer Bedeutung ist. Ich spreche Ihnen die Ernsthaftigkeit ab, sich mit diesem Thema auseinander zu setzen.

(Gartzke (SPD): Bei Krieg und Frieden kennen wir uns schon aus! – Schläger (SPD): Haben Sie überhaupt gedient?)

Sie brauchen das offenbar.

Meine Damen und Herren, die Sorge, die Herr Kollege Stahl zum Ausdruck bringt, ist berechtigt, und zwar nicht nur für die Einrichtungen dort mit den Arbeitsplätzen, sondern sie ist berechtigt für viele mittelständische Unternehmen. Denn ein Bauvolumen von einer Milliarde e, Herr Abgeordneter, bringt ein ganz gewaltiges Bauvolumen mit sich, und sehr viele dieser Bauaufträge könnten in die Oberpfalz und nach Oberfranken gehen. In der Zusammenarbeit mit den einschlägigen Stellen der US-Armee haben wir Vorkehrungen dafür getroffen, dass die heimische Wirtschaft bei diesen Bauaufträgen entsprechend berücksichtigt wird. Sie wissen, dass wir eine Projektgruppe eingerichtet haben und dass es eine Baudienststelle in Grafenwöhr gibt, um genau diese Beteiligung von möglichst vielen Handwerkern und kleinen Betrieben in der Oberpfalz damit zu ermöglichen. Dies alles ist natürlich in Frage gestellt, wenn in Amerika grundsätzlich diese Investition überdacht werden würde.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Zusatzfrage: Herr Möstl.

Herr Staatsminister, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass der zweite Teil Ihrer Antwort in krassem Widerspruch zum ersten stand, in dem Sie zitiert haben, dass die Staatsregierung keine Hinweise darauf hat, dass dieses Vorhaben gestoppt werden soll und sind Sie auch mit mir der Meinung, dass es keine Gefälligkeit der Deutschen und insbesondere der Bevölkerung von Grafenwöhr ist, wenn sie den Amerikanern dort Gelände zur Verfügung stellt und Belastungen auf sich nimmt und damit den Amerikanern doch eigentlich einen Nutzen bringt, während Sie mit Ihrer Antwort vorhin, doch ein schäbiges Spiel betreiben mit der Angst der Arbeitnehmer, die derzeit bei den Amerikanern beschäftigt sind und die vielleicht in Zukunft beschäftigt werden könnten?

(Prof. Dr. Gantzer (SPD): Das war eine Frage!)

Wenn Sie meiner Antwort genau zugehört hätten, dann wäre Ihnen aufgefallen, dass ich zuerst gesagt habe, dass wir keine direkten Informationen aus dem amerikanischen Verteidigungsministerium haben. Das heißt, es liegen uns keine offiziellen Informationen dazu vor. Deshalb ist auch eine, wenn Sie wollen, amtliche Auskunft darüber nicht möglich.

Aber als erfahrener Politiker müssten Sie wissen, dass es im Vorfeld von Entscheidungen natürlich eine politische Willensbildung gibt, dass der politische Prozess in den Vereinigten Staaten eine Rolle spielt, dass Äußerungen von maßgeblichen politischen Repräsentanten oder von starken Medien in den Vereinigten Staaten natürlich einen Einfluss auf die offizielle Entscheidungsfindung haben. Jeder, der Ohren hat zu hören, muss eigentlich vernehmen, dass es in Amerika eine zunehmende Distanz zu Deutschland gibt, eine Distanz, die sich nicht nur politisch auswirkt, sondern die sich mutmaßlich im wirtschaftlichen Bereich auswirken könnte.