Protokoll der Sitzung vom 06.05.2003

Er muss die Zustimmung der SPD mit einer Drohung seines Rücktritts und damit mit der Möglichkeit eines Machtverlusts der SPD erpressen.

(Frau Steiger (SPD): Reden Sie doch über Ausbildungsplätze!)

Meine Damen und Herren, das schafft Verwirrung, aber kein Vertrauen in die Zukunft.

(Zurufe von der SPD)

Herr Kollege Dinglreiter, die Zeit ist abgelaufen.

Herr Präsident, ich habe eine Minute später begonnen, weil es zu Beginn meiner Rede Unruhe gab.

(Lachen bei der SPD – Wahnschaffe (SPD): Die Entscheidung trifft doch überwiegend... )

Lassen Sie mich den Gedanken noch zu Ende führen. Was der Wirtschaft fehlt, ist Folgendes: Wir müssen etwas unternehmen, um Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt und damit Ausbildungsplätze zu schaffen. Was wir brauchen, ist ein verlässliches Steuermoratorium für die Wirtschaft, die Absenkung von Belastungsgrenzen in der Sozialversicherung, eine Entlastung der Öffentlichen Haushalte – gerade mit Blick auf die Gemeinden –, Deregulierung und Bürokratieabbau. Das schafft Vertrauen und damit Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze für die Zukunft.

(Lebhafter Beifall bei der CSU)

Nächster Redner ist Herr Kollege Wahnschaffe.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Kollege Dinglreiter hat von den Schwierigkeiten gesprochen und von der ernsten Erinnerung in der zuvor stattgefundenen Gedenkstunde. Nun wurde ein völlig neues Thema angesprochen. Ich muss der CSU ein Kompliment machen, dass sie gerade dieses Thema zum Inhalt der Aktuellen Stunde gemacht hat. Ich glaube, im Augenblick können wir über nichts Wichtigeres reden als darüber, wie wir jungen Menschen wieder eine Perspektive geben.

Gerade in Bayern – darüber haben Sie leider zu wenig gesprochen – finden wir die Situation vor, dass die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen so niedrig ist wie nie zuvor in den letzten 10 Jahren. Dies ist eine Entwicklung, die zwar auch bundesweit zu verzeichnen ist, die in Bayern aber eine besondere Ausprägung hat. Bereits im letzten Jahr ist die Zahl der Ausbildungsstellen in Bayern überdurchschnittlich zurückgegangen, und zwar um 7,7%. Im Bundesdurchschnitt ist sie dagegen um 7,1% zurückgegangen.

Wenn Sie hier immer nur mit dem Finger auf die Bundesregierung zeigen und sagen, sie sei an diesem und

jenem schuld, machen Sie es sich zu einfach. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wir erweisen jungen Menschen, deren erste Erfahrung es möglicherweise ist, in die Arbeitslosigkeit entlassen zu werden, damit keinen guten Dienst. Wir machen es uns zu einfach, wenn wir keine Antwort geben auf die Frage: Ist das meine Zukunftsperspektive? – und stattdessen mit dem Finger auf die anderen zeigen. Ein Bundespräsident hat doch einmal so zutreffend formuliert: Vier Finger zeigen dabei auf uns zurück.

Deshalb, Herr Kollege Dinglreiter: Wir alle tragen Verantwortung. Der Bund trägt Verantwortung ebenso wie die Staatsregierung, Verantwortung tragen aber vor allem auch die Wirtschaft und das bayerische Handwerk. Darüber wollen wir heute einmal reden. Sie haben gesagt, das Ergebnis in Bayern sei insgesamt betrachtet noch befriedigend: 70000 zu 72000. Wenn Sie aber den Bezirk Oberbayern wegnehmen, Herr Kollege Dinglreiter, dann bleibt von dieser ganzen Herrlichkeit nichts übrig; denn alle anderen Regierungsbezirke haben heuer deutlich weniger Ausbildungsstellen.

(Beifall bei der SPD)

Um es einmal in den nackten Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit anzudrücken: In 25 von 27 Arbeitsamtbezirken in Bayern sieht die Situation deutlich schlechter aus als im vergangenen Jahr. Außerdem liegt die Zahl der Bewerber deutlich über der Zahl der angebotenen Ausbildungsstellen. Wir haben im März 43000 Bewerber, denen nur 33000 Ausbildungsstellen gegenüberstehen. Das bedeutet, es fehlen 10000 Ausbildungsstellen in Bayern. Regional sieht die Situation noch viel schlimmer aus. In Oberfranken – hierauf werden die Kollegen später noch zu sprechen kommen – kommen auf 100 Bewerber ganze 64 Ausbildungsstellen.

100 Bewerbern in der Oberpfalz – und das gilt nicht nur für die nördliche Oberpfalz – stehen 78 Ausbildungsstellen gegenüber. Wenn Sie die Relation nehmen, die das Bundesverfassungsgericht einmal zugrunde gelegt hat, müssten im Idealfall auf 100 Bewerber 112 Ausbildungsstellen kommen. Wenn man dies als Maßstab nimmt, gibt es in ganz Bayern nur 3 Arbeitsamtbezirke, die diese Kriterien erfüllen: München, Landshut und Weilheim. Das muss uns doch mit größter Sorge erfüllen. Wir können die Situation nicht beschönigen, meine Damen und Herren, sondern wir müssen sie realistisch sehen, so wie sie ist.

Diese Situation drückt sich nicht nur in Zahlen aus. Es muss uns gleichermaßen alarmieren, wenn die Industrie- und Handelskammer München sagt, 15% der Ausbildungsbewerber aus Bayern seien nicht ausbildungsfähig, weil ihre Leistungen zu schlecht seien und weil es ihnen an sozialer Kompetenz mangele. Das ist ein Alarmzeichen erster Güte. Wenn dann noch die Staatsregierung mit ihrem angepriesenen Programm „Schüler aus Praxisklassen“ eine Prämien auslobt, damit diese jungen Leute am Markt überhaupt Fuß fassen können, dann ist das beschämend und eine schallende Ohrfeige für die Bildungspolitik der Bayerischen Staatsregierung.

Wir fordern deshalb von der Bayerischen Staatsregierung, dass sie erstens die Ausbildungshilfen des Bundes – hiervon gibt es zahlreiche – mit den Ausbildungshilfen des Freistaates bündelt und rasch umsetzt. Zweitens muss der Freistaat von sich aus ein nachhaltiges Landesausbildungsprogramm auf den Tisch legen, in dem diese regionalen Unterschiede, von denen ich gesprochen habe, ausgeglichen werden. Vor allem die Bildungsdefizite müssen ausgeglichen werden; denn wir haben heuer die Situation, dass die Abgänger der Hauptschulen, gleichgültig, ob sie einen Qualifizierenden Hauptschulabschluss haben oder einen normalen, die Verlierer im Wettbewerb um Ausbildungsstellen des Jahres 2003 sein werden. Wir alle müssen uns deshalb herausgefordert fühlen.

Wir müssen – auch dies ist ein Appell an die Staatsregierung – in allen Arbeitsamtbezirken Bayerns, in denen die von mir aufgezeigte Relation von 112 Ausbildungsplätzen zu 100 Bewerbern nicht gegeben ist, Ausbildungskonferenzen durchführen. Die eingesetzten Mittel hierfür wurden in diesem Staatshaushalt aber deutlich zurückgefahren. Daran sieht man, was die Bayerische Staatsregierung und die sie tragende Mehrheitspartei unter einer aktiven Arbeitsmarktpolitik verstehen. Wir fordern, dass Sie die noch vorhandenen Mittel bündeln und Strukturhilfen geben, vor allem für die Arbeitsamtbezirke Oberfranken und Oberpfalz. Im Grunde aber brauchen alle Arbeitsamtbezirke diese Unterstützung mit Ausnahme von Oberbayern und Schwaben.

Wir verlangen, dass Sie diese Mittel bündeln. Wir verlangen außerdem, dass für Ausbildungsverbünde Strukturbeihilfen gewährt werden. Ausbildungsverbünde allein werden aber nicht reichen. Wir brauchen überbetriebliche und außerbetriebliche Einrichtungen, welche diejenigen auffangen, die heuer keine Ausbildungsstelle bekommen werden. Das wird eine große Kraftanstrengung sein.

Wir appellieren an Sie: Hören Sie auf mit Schuldzuweisungen, tun Sie etwas. Vollbringen Sie nicht nur einen Aktionismus, der jedes Jahr nur Jahr Maßnahmen enthält, die schon im vorherigen Jahr erfolglos waren. Die Mobilitätshilfen, so gut sie auch gemeint waren, in deren Rahmen Ausbildungswillige von Oberfranken und von der Oberpfalz nach München gekarrt wurden, haben sich als Schlag ins Wasser erwiesen. Sehen Sie sich die harten Zahlen einmal an. Letztes Jahr haben lediglich zwanzig Personen dieses Angebot angenommen. Im Übrigen wirken sich solche Maßnahmen langfristig auch schädlich aus. Sie müssen berücksichtigen, dass die Besten, die mobil sind, in die Boomregion Oberbayern oder vielleicht auch noch nach Schwaben gehen. Zurück bleiben die „Fußkranken“. Sie werden in diesen Regionen aber nicht dazu beitragen, dass die regionalen Unterschiede ausgeglichen werden.

Meine Damen und Herren, ich habe der Zeitung entnommen, dass Staatssekretär Schmid eine neue Aufgabe bekommen hat. Er soll sich als Akquisiteur betätigen. Herr Staatssekretär Schmid, Sie hatten ja einmal den Spitznamen „Schüttel-Schorsch“. Vielleicht werden Sie jetzt der „Bettel-Schorsch“. Ich hoffe, Sie werden dabei erfolgreich sein.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CSU: Was soll denn der Krampf? – Frau Radermacher (SPD): Tut doch nicht so scheinheilig! In eueren Reihen habt ihr doch selbst „Schüttel-Schorsch“ gesagt!)

Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Münzel.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Dinglreiter, Sie haben am Anfang gesagt, dass Ihnen die Lehrstellensituation heuer zum ersten Mal Sorge bereite. Diese Aussage hat mich sehr gewundert. Sie können sich doch sicherlich daran erinnern, dass wir bereits in der letzten Legislaturperiode sehr heftige Diskussionen über den Mangel an Ausbildungsplätzen geführt haben. Sie haben damals alles versucht, um Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz bekommen haben, dadurch aus der Statistik herauszunehmen, dass Sie sie in berufsvorbereitende Lehrgänge oder zu Maßnahmen des Arbeitsamtes geschickt haben. Die Situation war 1998 so desolat, dass die neue Bundesregierung sofort das Programm JUMP aufgelegt hat, um ein bisschen gegenzusteuern. Deshalb finde ich es sehr anmaßend, wenn man nur auf die Bundesregierung schimpft und versucht, ihr den Schwarzen Peter zuzuschieben, dabei aber nicht sieht, was im eigenen Land passiert oder was die eigene frühere Bundesregierung gemacht hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wäre die Lehrstellensituation in Bayern so gut gewesen, hätte es alle die Initiativen, welche die Bayerische Staatsregierung in den vergangenen Jahren gestartet hat, gar nicht gebraucht. Ich erinnere daran, dass es 1996 den Beschäftigungspakt Bayern gab. Eines der Hauptziele des Beschäftigungspaktes war die Schaffung eines ausreichenden Ausbildungsplatzangebotes, damit für jeden Lehrstellenbewerber ein Ausbildungsplatz zur Verfügung steht. Im Juli 1997 folgte die „Ausbildungsinitiative Bayern“ mit 43 Maßnahmen, zum Beispiel der Förderung von Ausbildungsakquisiteuren oder der Einführung einer Mobilitätshilfe. Beide Maßnahmen tauchen übrigens auch wieder in der neuen Initiative, die heute verkündet wurde, auf. Warum gab es diese Initiativen, wenn überhaupt kein Handlungsbedarf bestand? Im Oktober 2000 folgte die „Ausbildungsinitiative 2006“, eine Fortschreibung der „Ausbildungsinitiative Bayern“. Heute hat die Staatsregierung schließlich eine neue Initiative „Ausbildung in Bayern“ beschlossen. Das ist jetzt die letzte Initiative.

Auch im Landtag haben wir uns wiederholt mit diesem Thema beschäftigt. 1997 gab es dazu sogar eine Regierungserklärung, die fast den gleichen Titel hatte wie die heutige Aktuelle Stunde. Es war damals eine Regierungserklärung zur Situation und zu den Perspektiven auf dem Ausbildungsmarkt in Bayern. Auch damals war die Situation in keiner Weise rosig, sondern kritisch. Die Zahl der Ausbildungsplätze ging bei gleichzeitig ansteigender Zahl der Bewerberinnen und Bewerber zurück.

Als ich mich heute mit diesem Thema noch einmal beschäftigt habe, habe ich nachgelesen, was in den letz

ten Jahren passiert ist und was die Staatsregierung mit ihrer neuen Initiative vorschlägt. Dabei habe ich festgestellt, dass sich trotz aller Initiativen und Pakte, die es in den vergangenen Jahren gab, nichts an der Ausbildungsplatzsituation geändert hat. In regelmäßigen Abständen diskutieren wir über die Ausbildungsmisere, egal welche Initiativen gestartet wurden. Offensichtlich nimmt die Wirtschaft ihre Ausbildungspflicht nicht ernst. Sie lässt die Ausbildung schleifen.

(Dinglreiter (CSU): Das ist eine Frechheit!)

Doch, sie kommt erst dann in die Gänge, wenn auf Seiten der Politik über eine Ausbildungsplatzumlage diskutiert wird, weil sich die Politiker anders nicht mehr zu helfen wissen. Ich erwarte von der Wirtschaft, dass sie alles unternimmt, damit eine Misere gar nicht erst aufkommt. Im dualen System ist die Wirtschaft für die berufliche Ausbildung verantwortlich. Der Staat ist für die schulische Ausbildung verantwortlich, die Wirtschaft stellt die Ausbildungsplätze zur Verfügung. Am dualen System will niemand rütteln – wir Grünen nicht, die Staatsregierung nicht, die CSU nicht und auch offensichtlich die Wirtschaft nicht. Schließlich wehrt sich die Wirtschaft gegen jegliche Einmischung des Staates auf der betrieblichen Seite. Nicht einmal die Abschlussnote der Berufsschule darf im Zeugnis der Berufsabschlussprüfung stehen. Deshalb ist eindeutig die Wirtschaft gefragt, wenn es um die Anzahl der Ausbildungsplätze geht. Ich sage in aller Offenheit: Meines Erachtens ist die Wirtschaft auch unabhängig von der Konjunktur gefragt. Die Wirtschaft hat mit dem Staat das duale System vereinbart; dann hat sie auch für Ausbildungsplätze Sorge zu tragen.

Schließlich liegt es auch im Interesse der Wirtschaft, qualifizierten Nachwuchs auszubilden. Nachdem die Zahl der Schulabgängerinnen und Schulabgänger in der Zukunft sinken wird, ist es jetzt an der Zeit, Vorsorge zu betreiben, über den Bedarf hinaus auszubilden. Deshalb komme ich doch noch einmal auf die Umlage zu sprechen, obwohl ich sie immer als letztes Mittel betrachte. Ich möchte die Umlage wirklich nur dann einsetzen, wenn alle anderen Mittel nicht mehr greifen. Ich halte es für erstaunlich, dass lediglich 30% der Betriebe ausbilden, dass sich diese 30% aber nicht über die restlichen 70% beschweren, denn diese profitieren letztlich von der Ausbildungsbereitschaft der 30%.

Ich halte es daher für legitim, dass bei einem Mangel an Ausbildungsplätzen von den Betrieben, die nicht ausbilden, eine Umlage verlangt wird, mit der betriebliche Ausbildungsplätze geschaffen werden können – notfalls auch durch die Errichtung von Qualifizierungsbetrieben, welche reine Ausbildungsbetriebe sind. Diesen Vorschlag haben wir schon einmal gemacht. Ich kann es nicht nachvollziehen, dass das Mittel der Umlage von der Bayerischen Staatsregierung und den bayerischen Wirtschaftskammern abgelehnt wird, obwohl es der Gerechtigkeit dient und nur dann angewendet werden soll, wenn alle Stricke reißen. Die 70% der Betriebe, die nicht ausbilden, haben offensichtlich eine größere Lobby als die 30%, die ausbilden.

Heute habe ich in der neuen Initiative gelesen, dass der Staat offensichtlich bereit ist, Steuergelder für die jungen Menschen auszugeben. Es werden Mobilitätshilfen, Fahrtkostenzuschüsse und Zuschüsse für Arbeitgeber gewährt, die für Schüler aus Praxisklassen der Hauptschulen Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen. Dafür, dass Ausbildungsplätze geschaffen werden, geben Sie also Steuergelder aus. Deshalb frage ich mich, warum jede Steuerzahlerin und jeder Steuerzahler dafür Geld aufbringen soll, während andererseits 70% der Betriebe dafür nicht aufkommen. Das kann doch nicht in Ordnung sein, und darauf ist das duale System auch nicht angelegt.

Deshalb finde ich schon, dass man von Betrieben, denen die gut ausgebildeten Jugendlichen zugute kommen, eine finanzielle Beteiligung fordern kann.

Die Staatsregierung schlägt Maßnahmen vor – teils bekannte und teils neue. Viele dieser Maßnahmen werden keine neuen Ausbildungsplätze schaffen, sondern lediglich für eine bessere Verteilung der angebotenen Stellen sorgen, zum Beispiel die Ausbildungsbörsen oder die Ausbildungsmessen. Ich muss aber sagen: Das ist besser als nichts.

Was allerdings fehlt, ist ein Konzept, wie man gezielt Regionen stützt, in denen der Lehrstellenmangel besonders groß ist. Ebenso fehlt ein Konzept, wie man über Berufe, für die sich keine Bewerberinnen oder Bewerber finden, besser informiert. Zur Verbesserung dieser Situation könnte unser Vorschlag der Qualifizierungsbetriebe einen Beitrag leisten. Qualifizierungsbetriebe sind reine Ausbildungsbetriebe, die mit ihren Produkten auf den Markt gehen können. Sie entstehen auf Initiative der Arbeitsämter in enger Zusammenarbeit mit den Kammern, den Kommunen und den freien Trägern der Jugendhilfe. Die Stadt München hat so etwas.

(Dinglreiter (CSU): Wieder mehr Staat!)

Aber finanziert von der Wirtschaft – darauf lege ich Wert – und mit einer betrieblichen Struktur versehen; die schulische Seite übernehmen wir, und die betriebliche Seite wird von der Wirtschaft finanziert. Man könnte in den Regionen gezielt solche Qualifizierungsbetriebe ansiedeln und Berufe anbieten, die in der Region oder allgemein gebraucht werden.

Mein Appell an Sie lautet: Seien Sie Neuem gegenüber offen, seien Sie auch offen gegenüber dem, was vonseiten der Bundesregierung kommt, und verschließen Sie sich auch nicht Vorschlägen, zum Beispiel denen nach einer Umlage, die zwar die Wirtschaft belastet, aber gerecht ist und der Wirtschaft zugute kommt, weil mit ihrer Hilfe qualifizierter Nachwuchs für die Wirtschaft ausgebildet wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr Kollege Kobler.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Infolge der gesamtwirtschaftlichen Schwäche hat sich die Lage auf dem Ausbildungsmarkt erheblich verschlechtert. Ich glaube, es bringt uns nicht weiter, wenn wir mit falschen Schuldzuweisungen und Verunglimpfungen arbeiten, wie es eingangs Herr Kollege Wahnschaffe gegenüber Herrn Staatssekretär Schmid getan hat. Wenn sich Mitglieder der Staatsregierung mit Nachdruck um Lösungen bemühen, in die Betriebe gehen und versuchen, Ausbildungsplätze zu vermehren, so ist es nicht vertretbar, dies auf diese Art und Weise ins Lächerliche zu ziehen. Die Bundesregierung könnte sich von diesem Beispiel eine Scheibe abschneiden. Sie sollte, anstatt Kommissionen einzusetzen, stärker an die Front gehen und die Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen unterstützen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

In Deutschland stehen über 140000 Lehrstellenbewerber drei Monate vor Schulschluss auf der Straße. Konkret bedeutet das: 523000 gemeldeten Bewerbern stehen 393000 gemeldete Stellen gegenüber. Da ständig die Situation in Bayern angesprochen wird: Bayern hat an der genannten Zahl von 523000 Lehrstellenbewerbern – ich nenne nur die gerundeten Zahlen – einen Anteil von 70000 Bewerbern. Das entspricht 13,4% der Gesamtzahl und damit in etwa dem Bevölkerungsanteil Bayerns. Von den bundesweit 393000 Stellenangeboten entfallen auf Bayern 72680; dies entspricht einem Anteil von 18% und liegt wesentlich über dem Durchschnitt der anderen Bundesländer. Ich nenne die Fakten, damit nicht ständig ein falsches Licht auf Bayern geworfen wird. Wenn von Betrieben gesprochen wird, die nicht ausbilden, dann frage ich mich: Wo ist der große DGB? Wo stellt der DGB Ausbildungsplätze zur Verfügung? Wo wird beim DGB ausgebildet? – Fehlanzeige am laufenden Band!

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Wir sehen, dass in Bayern 12000 Stellen fehlen. Das ist ein starker Einbruch, aber diese Entwicklung ist Folge der falschen Rahmenbedingungen, die zu dieser ungebremsten totalen Talfahrt geführt haben: täglich 6 000 Arbeitslose mehr, täglich 100 Konkurse und damit einhergehend Verlust von Arbeitsplätzen. Das wirkt sich natürlich auch in Bayern aus.

Es ist festzustellen, dass im Bundesdurchschnitt – hören Sie bitte her – pro 100 gemeldete Bewerber nur 75 Ausbildungsplätze vorhanden sind. In Bayern haben wir nach wie vor pro 100 Bewerber 103 Ausbildungsplätze. Das heißt, das Angebot ist in Bayern zwar geschrumpft, wir können aber nach wie vor mehr Ausbildungsplätze bieten, wenngleich wir natürlich gerne noch eine bessere Situation gehabt hätten und wir in keiner Weise leugnen, dass wir zurückgefallen sind. Wir heben uns aber von den anderen Bundesländern positiv ab.