Protokoll der Sitzung vom 07.05.2003

Die meisten der bayerischen Hochschullehrer und Hochschullehrerinnen geben sich wie viele Studierende alle erdenkliche Mühe, dies zu gewährleisten. Ihnen ist Dank, Respekt und Anerkennung zu zollen für das relativ hohe Niveau der Hochschulbildung, weil sie vieles leisten, obwohl die Staatsregierung sie manchmal alleine lässt.

(Beifall bei der SPD)

Sind die vorgestellten Maßnahmen nicht nur wahlkampfbedingte Wolkenkuckucksheime angesichts bestehender Defizite im gesamten alltäglichen Hochschulbetrieb? – Ich habe die Relation Studierende/Professoren angesprochen. Weiter: Die so genannten alten Fachhochschulen verzeichnen Überlastquoten von 150 bis 220%. Vor knapp drei Wochen berechnete die Bayerische Rektorenkonferenz, dass alleine im Bewirtschaftungshaushalt 2002 ein Loch von über 12,4 Millionen e klafft, das in den nächsten Jahren auf jeweils 16 Millionen e jährlich ansteigen wird. Die Kanzler warnen vor Kürzungen bei Berufungszusagen, vor Streichung von frei werdenden Stellen, Lehrstühlen, Professuren sowie vor der Einstellung wichtiger Dienstleistungen für Studierende. Allein für notwendige Gebäudesanierungen fehlen 40 Millionen e. Wo ist denn hier das Hightech-Image, das Sie als Fundament für die Eliteförderung preisen?

(Beifall bei der SPD)

Sitzen die Elite-Studierenden mit ihren normalen Kolleginnen und Kollegen in Räumen, in denen es von der Decke tropft? Geniert man sich, wenn man bei Internationalen Doktorandenkollegs die Toilette aufsucht, weil jeder Bahnhof besser ausgestattet ist?

(Heiterkeit bei der SPD)

Noch im Herbst 2002 haben Sie selbst, Herr Zehetmair, bei den Haushaltsberatungen zu Recht bedauert, dass in der Titelgruppe für Lehre und Forschung 4 Millionen e weniger stehen.

Die bayerischen Bibliotheken sind unterfinanziert, obwohl Hochschul- und Haushaltsausschuss einstimmige Beschlüsse zur Verbesserung der Lage gefasst haben. Bei den Haushaltsberatungen hat meine Fraktionskollegin Dr. Baumann darauf hingewiesen, dass der Säurefraß die Bücher vernichte. Die elektronische Katalogisierung steht an. Aufgrund von BSE- und Sicherheitspakt-Finanzierung, von Haushaltssperren und fehlender Planungssicherheit stellen dann Elite- und andere Studierende fest, dass sie letzten Endes nur dann an Bücher kommen, wenn sie sie selbst kaufen.

(Beifall bei der SPD)

Mir fehlt vor diesem Hintergrund, Herr Zehetmair, der Glaube an die Machbarkeit und an die Umsetzbarkeit Ihres Vorhabens. Sie verweisen darauf, dass im Nachtragshaushalt 2004 zusätzliche Stellen und Mittel in erheblichem Umfang bereitgestellt werden. 2004!, meine Kolleginnen und Kollegen, nach den Wahlen und in einer finanzpolitisch unsicheren Zukunft. Man könnte fragen, warum dann diese Regierungserklärung heute vorgetragen wurde.

Ich erinnere noch einmal an die aktuelle Haushaltssituation: Die Gesamtausgaben für Hochschule und Forschung stagnieren. Die Mittel aus den Privatisierungserlösen sind weitgehend aufgebraucht. Die staatlichen Gelder für außeruniversitäre Forschung und Entwicklung sinken von 647 Millionen e im Jahr 2003 auf 599 Millionen e im Jahr 2004. Die November-Streichliste schmälert den Haushalt im kommenden Jahr um weitere 34,7 Millionen e. Davon werden alleine 8,7 Millionen e der Lehre und Forschung abgezwackt. Ist der Kapazitätsgewinn durch den Wegfall der AZV-Tage der Beamten nicht schon im Herbst verplant gewesen? Gibt man das Geld nicht doppelt aus? Und wie ist es politisch zu rechtfertigen, dass die bestehende Mängelverwaltung in vielen Bereichen unserer Verwaltung verschärft wird, um Mittel zur Eliteförderung umzuleiten? – Unterstelle ich einmal, Herr Zehetmair, dass Ihr Haus trotz aller Widrigkeiten an dem Vorhaben festhält: Führt dies dann nicht unweigerlich zu einer Verschärfung der Defizite in der breiten Hochschulbildung, weil Sie bedeutend weniger finanzielle Mittel mobilisieren, als zur Beseitigung von jetzt schon vorhandenen Defiziten nötig wären? – Und das in einer Zeit, in der wir dringend aus bildungspolitischen, arbeitsmarktpolitischen und aus Wettbewerbsgründen darauf angewiesen wären, die Quote an Hochschulabsolventen und -absolventinnen erheblich zu vergrößern.

Für mich bleiben nur zwei alternative Konsequenzen. Alternative 1: Wir hören heute wohl formulierte Wahlkampfabsichten. Weitgehend bleibt aber vorerst alles beim Alten. Alternative 2: Elitestudiengänge, Doktorandenkollegs und Netzwerke drängen die normal Studierenden und Promovierenden an den Rand. Bedeutet dies nicht letztendlich direkte und indirekte Studienzugangsbeschränkungen? Wie steht es dann um die erforderliche fundierte Breitenbildung als Basis für die Eliteförderung? Wie steht es um die Chancengleichheit? Wie steht es um Transparenz, Durchlässigkeit und Pluralismus? – Sie kennen, Herr Minister, sicherlich genauso wie ich die Forschungsergebnisse von Michael Hart

mann und anderen, dass derzeit Eliten immer noch bestimmt werden durch die soziale Herkunft, durch ein wohl situiertes gesellschaftlich arriviertes Elternhaus.

(Beifall bei der SPD)

Ich befürchte, dass in Zeiten knapper Kassen, wegen der aufgezeigten Voraussetzungen und bei Maßnahmen ohne fundierte Breitenbildung sich dieser Trend noch verstärken wird. Das gilt auch für Kombinationen aus beiden Alternativen, die ich vorgestellt habe. Werden dann noch universitäre Auswahlverfahren bei den Studierenden einbezogen und wird die geplante ZVS-Abschaffung Wirklichkeit, dann wird – ich betone es noch einmal – durch die Hintertür der generelle Studienzugang beschränkt, und gleichzeitig werden sozial ausgewählte, womöglich nur marktvermittelbare Eliten gefördert.

Ich will Ihnen, Herr Staatsminister, diese Absicht nicht unterstellen, aber dann bestünde die Gefahr, dass nicht die Förderung aller mit dem Ziel, einer möglichst breiten Bildungsbeteiligung erreicht wird, sondern die Umverteilung zugunsten ökonomisch kompetenter, marktvermittelbarer, bisher schon bestehender Positions- und Funktionseliten. Die Chancengleichheit hätte ausgedient. Wenn Sie dann noch darauf zielen, dass die private Wirtschaft zur Finanzierung aufgefordert wird, fördert dies eher diesen Prozess als dass es ihm entgegenwirkt.

Ich wiederhole es noch einmal: Die Schlussfolgerungen wenden sich nicht gegen die geplanten Maßnahmen im Einzelnen. Sie wenden sich gegen die Maßnahmen im bestehenden Umfeld von Hochschuldefiziten und finanzpolitischer Mängelverwaltung. Die Ansätze hätten in meinen Augen nur dann für alle Studierenden und Promovierenden – Elite oder nicht – Aussicht auf Erfolg, wenn sie durch eine an der Breitenbildung orientierten Hochschulausbauinitiative begleitet werden würden, die längst überfällig ist.

Ein Aspekt, Herr Staatsminister, fehlt bei Ihren Ausführungen völlig: die Frauenförderung. Frauenförderung ist Eliteförderung. Denn Frauen, die es unter den gegenwärtigen Voraussetzungen bis zur Habilitation oder gar bis zur Professur schaffen, stellen eindrucksvoll unter Beweis, dass sie zur Elite gehören. Sie alle kennen die Zahlen. Während 51% aller Studierenden im letzten Wintersemester Frauen waren, sind es bei den Habilitationen gerade noch 15%. Der Professorinnenanteil liegt immer noch bei mageren 7,5% im Verhältnis zu 11% im Bundesdurchschnitt. An den medizinischen Lehrstühlen haben wir einen Frauenanteil von gar nur 2,3%.

Sie müssen sich an dieser Stelle schon die Frage gefallen lassen, inwiefern Ihre Maßnahmen geeignet sind, diese Misere zu beheben. Das heißt, inwieweit wird den Ergebnissen der Gender- und Gleichstellungsforschung Rechnung getragen, indem ein spezielles Augenmerk auf die Identifikation und die Begabungsschwerpunkte und auf die Förderung von Studentinnen und junge Wissenschaftlerinnen gelegt wird, die sich im männerdominierten Hochschul- und Wissenschaftsbetrieb immer noch nicht auf eine volle Gleichstellung verlassen können.

(Beifall bei der SPD)

Ist die Voraussetzung für die Förderung weiblicher Eliten nicht eine grundsätzliche Umorientierung in der bayerischen Gleichstellungspolitik an den Hochschulen, die endlich weg von wohlfeilen Absichtserklärungen zu handfesten Vorgaben kommt? – Darüber werden wir bei der Novellierung des Hochschulgesetzes noch reden müssen, Herr Dr. Wilhelm.

Sie sehen, meine Kolleginnen und Kollegen, der politische Konflikt entzündet sich nicht an den jeweils für sich gesehenen sinnvollen Einzelmaßnahmen, sondern an all dem, was bewusst oder unbewusst nicht berücksichtigt wurde. Ich habe nur einige wenige Aspekte anreißen können. Ich habe nicht davon gesprochen, dass die haushaltsrechtlichen Rahmenbedingungen stimmen müssen. Untersuchungen zeigen, dass ein Mehr an Finanzautonomie, dass Globalhaushalte mit entsprechenden Zielvereinbarungen bei gleichzeitig gesicherter Finanzausstattung grundsätzliche Voraussetzungen für profilbildende Eliten und Leistungsförderung sind. Ich habe nicht über den Zusammenhang zwischen Eliteförderung und Juniorprofessur gesprochen. Ich habe auch nicht über den Stellenwert der Fachhochschulen bei der Eliteförderung gesprochen, der im vorgestellten Denkansatz überhaupt fehlt. Ich habe nicht davon gesprochen, dass diese Maßnahmen auch geeignet sein müssen, die Selbstständigkeit der Studierenden und der Lehrenden zu gewährleisten. Die Freiheit des Lehrens und des Lernens muss gerade bei der Eliteförderung gestärkt werden.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe nicht davon gesprochen, dass Eliteförderung und Internationalisierung eng miteinander verbunden sind. Es reicht nicht aus, attraktive internationale Doktorandenkollegs zu kreieren, wenn sich die CSU hartnäckig einer zukunftsweisenden Ausländer- und Integrationspolitik verschließt. Uns als Opposition bleibt deshalb nur -- erstens – weiterhin konstruktiv, aber unnachgiebig und konsequent auf die Behebung all der Defizite zu drängen, die in der Breitenbildung an den Hochschulen auftreten. So können die Quoten der Absolvierenden erhöht und die Chancengleichheit gewährleistet werden. Zweitens. Wir werden immer wieder durch Berichts- und Korrekturanträge den Weg begleiten, der heute eingeschlagen wird.

Franz Weinert, der ehemalige Direktor des Max-PlanckInstituts für psychologische Forschung hat einmal gesagt: „Die Welt ist voller Spielräume für die geistige Entwicklung unterschiedlich begabter Individuen.“ Die SPD-Fraktion will diese Spielräume gleichermaßen für alle Begabungen nutzen, denn dies wird dem Einzelnen gerecht. So kann er sich seinen Möglichkeiten entsprechend entfalten, und auch die Welt kann sich durch Begabungen entfalten, die eine Chance erhielten.

Herr Staatsminister, wir sind auf Ihrer Seite, wenn es darum geht, diese Aufgabe als Staatsaufgabe anzugehen. Bildung für alle – also auch Elitebildung –, Pflege und Förderung des akademischen Nachwuchses – also auch der Eliten –, sind Staatsaufgaben. Sie dürfen nicht

Privaten überlassen bleiben, die sich an Partikularinteressen orientieren. Herr Staatsminister, wir haben aber große Bedenken, ob der hier eingeschlagene Weg ohne die notwendige Einbettung und Fundierung die beabsichtigten Ergebnisse zeigt.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Wilhelm.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrter Herr Kollege Vogel! Sie haben eine ganze Reihe von Problemen, die es an den Hochschulen gibt, angesprochen und häufig moniert, dass sie nicht gelöst seien und vor allem, dass sie durch das heute in Rede stehende Vorhaben nicht gelöst würden. Ich stimme Ihnen zu. Das ist aber heute auch nicht das Thema. Hauptursache dessen, dass wir heute in Deutschland diese Probleme mit der Überfülle von Studierenden haben, ist

(Zuruf von der SPD: Berlin!)

das Bundesverfassungsgericht. 1972 hat es entschieden, dass jeder, der ein Abiturzeugnis hat, sei es auch noch so windig, das studieren darf, was er studieren will. Die Hochschulen müssten deshalb in erster Linie die notwendigen Kapazitäten zur Verfügung stellen. Das ist das Hauptproblem.

Es war eine ganze Reihe von Problemen, die Sie im Einzelnen angesprochen haben. Sie gelten für alle Bundesländer, aber wenn man die Szene in Deutschland kennt, stellt man fest: Nirgendwo sind die Probleme so gering wie in Bayern. Sie brauchen nur nach Berlin zu schauen um zu sehen, welch ein Aufruhr an den drei Universitäten und an den sechs oder sieben Fachhochschulen herrscht. Sie brauchen nur nach Nordrhein-Westfalen zu sehen, wo zur allgemeinen Überraschung zunächst die Absicht bestand, Studiengebühren einzuführen und sie dann aber nicht den Hochschulen zugute kommen zu lassen, sondern in den allgemeinen Staatshaushalt zu tun. Das hat die Akzeptanz des Vorhabens gegen null gebracht und es wurde deshalb aufgegeben.

(Frau Dr. Baumann (SPD): Niedersachsen!)

Das, worum es heute geht, ist rundherum hervorragend. Ich freue mich sehr, gerade als Hochschulpolitiker, dass es dem Herrn Staatsminister mit starker Unterstützung des Herrn Ministerpräsidenten gelungen ist, gegen den kräftigen Herrn Finanzminister die hohe Zahl von Stellen und Ressourcen für diesen hochschulpolitisch ganz besonders wichtigen Zweck durchzusetzen: Die Besten aus der anonymen Masse sollen herausgefischt und besonders gefördert werden. Ihnen werden nahezu ideale Studienbedingungen gegeben und auch ermöglicht, durch Teilnahme an der Forschung zu lernen. Das war das Ideal von Wilhelm von Humboldt. Damit gilt in diesem Punkt, was sonst an den Hochschulen nur sehr selten gilt: Klasse statt Masse für die Besten. Bayern

schreitet hier als erstes Land zur Tat, und das kann man gar nicht hoch genug einschätzen.

Im Besonderen finde ich hervorragend, dass es eine Reform aus einem Guss zu werden verspricht. Das ist insbesondere bei den zwei letzten Punkten zu sehen. Herr Minister, Sie wollen das Verhältnis zwischen den Schulen und den Hochschulen verändern und neu ordnen. Und das Begabtenförderungsgesetz soll dem, was hier angedacht ist, Rechnung tragen und angepasst werden.

Was ist Elite, so fragten Sie, Herr Kollege Vogel. Sie haben ausgeführt, Elite sei durch Werte und Verantwortungsbewusstsein gekennzeichnet, durch die Befähigung zur Lösung gesellschaftlicher Probleme. Elite, so sagten Sie, sei außerdem gekennzeichnet durch Chancengleichheit und sie dürfe nicht mit der Demokratie in Widerspruch stehen. Ich finde, all dies ist nicht gefährdet und hervorragend gewährleistet. Man muss aber auch sagen: Wertebewusstsein allein reicht nicht. Das muss hinzukommen. Entscheidend ist vielmehr: Elite bedeutet das Erbringen von Bestleistungen durch Anstrengungen, gute Begabung in den jeweiligen Fächern wird vorausgesetzt. Als Gesellschaft sind wir auf Elite angewiesen, denn nur wenn wir die Elite fördern, werden wir unseren guten Stand – nicht nur unseren Wohlstand, sondern auch unseren guten Stand im Umweltschutz oder in sozialen Fragen – einigermaßen halten können. Eigentlich ist das ein Allgemeinplatz, doch man muss immer wieder darauf hinweisen: Nur dann werden wir mit unseren Dienstleistungen und Produkten auf dem Weltmarkt trotz des Handicaps der hohen Preise bestehen können.

Ich möchte noch eine Anmerkung zur Elite machen. Heute darf man dieses Wort wieder aussprechen, ohne gleich anzuecken. Lange Jahre ist man insbesondere im linken Spektrum auf Kritik gestoßen, wenn man von Elite sprach oder gar sie fördern wollte. Gleichheit war die Parole.

(Frau Dr. Baumann (SPD): So ein Quatsch!)

Man hat Gleichheit gesät und häufig Mittelmäßigkeit geerntet.

(Beifall bei der CSU)

Ich bin froh, dass wir uns jetzt in diesem besseren Klima bewegen, und dass auch Leute aus dem linken Spektrum immer mehr einsehen, dass die Elite gefördert werden muss, weil unsere Gesellschaft ohne sie nicht existieren kann. Und ich bin froh, dass wir hier als erstes Land zur Tat schreiten.

Herr Staatsminister, ich möchte eine Anmerkung zum Kernpunkt machen, zu den 2000 Studierenden in den 20 Elitestudiengängen. Wie Sie sagten, ist das ungefähr 1% der Studierenden von heute. Das ist nicht wenig, aber auch nicht viel, denn es gibt nach den Aussagen der Bildungsforscher drei bis fünf Prozent Hochbegabte. Wenn sich dieses Verfahren bewährt, ist sehr zu wünschen, dass möglichst bald auch die finanziellen Ressourcen geschaffen werden können, um es auszuweiten.

Eine zweite Anmerkung, zum Internationalen Doktorandenprogramm. Zehn Doktorandenkollegs mit 120 geförderten jungen Wissenschaftlern. Hier möchte ich eine Anmerkung zu dem machen, was Sie, Herr Staatsminister, mit Recht herausgestellt haben. Man muss den jungen Wissenschaftlern früh die Selbständigkeit geben. Man muss ihnen früh Vertrauen schenken. Sie dürfen nicht immer gegängelt, beobachtet und mit Weisungen versehen werden. Ich finde das hervorragend, denn es ist Tatsache, dass der Mangel an Selbständigkeit bei uns häufig ein Grund für das Abwandern junger Wissenschaftler ist. Der Minister sagte selbst, ein Drittel derer, die bei uns promoviert haben, geht weg, und viele kommen nicht wieder. Sie finden in den USA nicht unbedingt ein höheres Gehalt, aber sie finden bessere Arbeitsbedingungen, manchmal auch bessere berufliche Perspektiven. Häufig aber bekommen sie mehr Freiraum und dürfen selber mehr forschen und lehren. Das ist eine wichtige Voraussetzung für junge Wissenschaftler. Frau Kollegin Baumann und Herr Kollege Vogel, das versuchen wir auch bei der Neuordnung der Habilitation. Die frühe Selbständigkeit junger Wissenschaftler ist ein tragendes Element dieser Neuordnung.

An diesem Element fehlt es in zwei Punkten. Seit 1998 gibt es die Möglichkeit – ich sage das nur, weil man es nicht oft genug sagen kann –, dass eine Fakultät jungen, besonders tüchtigen wissenschaftlichen Assistenten die Selbständigkeit überträgt. Das geschieht sehr selten. Und speziell in der Medizin ist in Deutschland die hierarchische Ordnung so ausgeprägt wie in keiner anderen Fakultät.

(Frau Dr. Baumann (SPD): Wie nirgendwo in der Welt!)

Die jüngeren, nachgeordneten Professoren können nur frei und selbständig arbeiten, wenn sie Glück haben – allerdings haben sie sehr oft Glück, das muss man auch sagen.

(Frau Dr. Baumann (SPD): Aber auch nur manchmal!)

Nach der heutigen Rechtslage und nach den heutigen Strukturen kann der Ordinarius die jungen Professoren aber in allzu vielen Bereichen gängeln und ihnen dreinreden. Herr Staatsminister, Sie kennen meine Meinung dazu und haben für meine Meinung grundsätzlich auch Sympathie.

Die frühe Selbständigkeit ist ein ganz wichtiges Mittel der Eliteförderung. Sie kostet nichts, man muss sie einfach nur wollen und zu den jungen Leuten Vertrauen haben.