Protokoll der Sitzung vom 22.05.2003

Man muss auch unsere Verwaltungsstrukturen hinterfragen. In unserem Freistaat gibt es Dinge, von denen man

überrascht ist, dass sie überhaupt einmal eingeführt wurden – anderes bleibt auf immer und ewig. Auch der Oberste Rechnungshof hat etwas aufgedeckt: Gewässer zweiter Ordnung sind bei den Bezirken angesiedelt. Man weiß nicht warum, außer, dass man irgendwann einmal sagte: Die brauchen noch eine Aufgabe. Nicht dass sie einer abschaffen will. Jetzt deckte der Oberste Rechnungshof auf, dass die Arbeit in Sachen Gewässer zweiter Ordnung eigentlich sowieso die staatliche Wasserwirtschaftsverwaltung macht und dass diese Konstruktion auch noch teurer ist, als wenn man es gleich beim Staat machen würde. Was macht die CSU im Ausschuss? – Sie sagt: Na ja, lassen wir es halt noch einmal, überprüfen wir, ob man das nicht doch ändern könnte. Ich muss schon sagen: So kann man nicht wirtschaften. Das ist Geld zum Fenster hinausgeschmissen, Geld, das man noch nicht einmal hat.

Wir sind im Gegensatz zu Ihnen von der CSU dafür, dass man statt der Rasenmähersperre genau überprüft, inwieweit Förderprogramme noch erhalten werden müssen und wie man sie besser zielorientieren kann. Auch Verwaltungsstrukturen müssen überprüft werden, zuvörderst die Anzahl der Ministerien. Sie werden schon oft an mich gedacht haben. Ich habe Ihnen damals gesagt: Bringen Sie die notwendigen Mittel für Maßnahmen nach BSE – das war ein 300-Millionen-Euro-Programm – durch Umschichtungen auf. Das wäre gegangen. Aber nein, im Jahr 2000 haben die Steuerquellen gesprudelt; da hat Ministerpräsident Stoiber gar nicht genug Geld über das Land regnen lassen können. Heute fehlen uns aber diese 300 Millionen e bitterlich, und zwar zusätzlich zu jenen für die noch vorhandenen Folgekosten.

Zum Schluss noch eine allgemeine Bemerkung. Wie ich Sie kenne, Herr Staatsminister und auch Kollege Sackmann, wird für Sie die Sache wieder so enden, dass Sie sagen: Wir haben Steuerausfälle von 505 Millionen e, und schuld ist Rot-Grün in Berlin.

(Beifall des Abgeordneten Sackmann (CSU))

Das ist alles, was Ihnen dazu einfällt. Das ist aber nur der Sprechzettel, den die CSU für ihre Mitglieder über das Land verteilt hat: Egal, was in Deutschland passiert, schuld ist Rot-Grün.

(Freiherr von Rotenhan (CSU): Wer denn sonst? – Zuruf von der SPD: Das Wetter auch!)

In Wirklichkeit wissen Sie aber natürlich auch, was los ist.

(Sackmann (CSU): Was ist denn los?)

In einem Anflug von Ehrlichkeit, Herr Staatsminister – –

(Glück (CSU): Ihre Formulierung ist eine Gemeinheit!)

Nein! Warum lachen Sie dann so, Herr Glück? Wenn die Formulierung eine Gemeinheit wäre, würde ich von Ihnen als Fraktionsvorsitzender schon erwarten, dass Sie Ihren Minister verteidigen, statt sich ins Fäustchen zu grinsen.

(Beifall bei der SPD)

Nun haben Sie, Herr Staatsminister, gesagt, wir werden – da stimme ich Ihnen zu – in Zukunft damit leben müssen, dass wir bei den Steuereinnahmen nicht mehr die alten Zuwachsraten haben. Das ist richtig. Ich frage Sie alle: Was ist so schlimm daran, wenn man nicht mehr Zuwächse von 4,8% wie im Jahr 2000 hat, sondern vielleicht nur noch von 0,5 und 1%? Mit diesem Problem müssen wir fertig werden. Das ist auch ein gesellschaftliches Problem, weil Gesellschaften, die überaltert sind, natürlich auch weniger Nachfrage erzeugen. Darüber gibt es X Abhandlungen. Darauf muss man sich einstellen. Das „darauf einstellen“ heißt für uns nicht eine Rasenmäherrunde nach der anderen, sondern das „darauf einstellen“ heißt für uns das Ergreifen von strukturellen Maßnahmen zur Effizienzverbesserung und zur Überprüfung von Förderprogrammen.

(Maget (SPD): Ich bin jetzt da! Du brauchst nicht weiter zu machen!)

Ihre Fraktion bangt ein bisschen um das Zeitkontingent, Frau Kellner.

(Frau Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) verlässt das Rednerpult – Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Glück (CSU): Fluchtartig verlässt sie das Rednerpult!)

In der Diplomatenloge hat der geschäftsführende Fraktionsvorstand der CSU-Landtagsfraktion aus BadenWürttemberg unter der Leitung des Fraktionsvorsitzenden, Herrn Kollegen Günther Oettinger, Platz genommen. Ich begrüße die Gäste.

(Allgemeiner Beifall)

Ich wünsche Ihnen einen angenehmen und interessanten Aufenthalt im Bayerischen Landtag.

Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat Herr Kollege Sackmann.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Solide Finanzen – nach wie vor das Markenzeichen der bayerischen Politik. Ich möchte dies auch heute zu Beginn meiner Rede darstellen.

(Zurufe von der SPD: Landesbank!)

Die soliden Finanzen sind ein Markenzeichen der bayerischen Politik. Sie können so viele Zwischenrufe machen, wie Sie wollen. Das sind die Fakten, und ich werde darauf anschließend noch eingehen. Ich glaube, manch einer ist darauf neidisch, was bei uns erreicht wurde.

Damit stehen wir im Gegensatz zum Desaster der rotgrünen Finanz- und Wirtschaftspolitik.

(Zahlreiche Zurufe von der SPD)

Damit stehen wir im Gegensatz zum Desaster der rotgrünen Bundespolitik in Berlin.

(Dr. Kaiser (SPD): Eine solche Überraschung!)

Herr Kollege Kaiser, wenn Sie sich immer noch über 505 Millionen e weniger Steuern in Bayern so lustig machen können und möglicherweise sogar gestern bei der Demonstration dabei waren und sich hingestellt haben, dann muss ich ganz offen sagen: Was Sie sich eigentlich erlauben und was Sie hier aufführen, ist lächerlich.

(Beifall bei der CSU)

Unser Finanzminister, Herr Prof. Dr. Kurt Faltlhauser, hat in den letzten Tagen eine Zusammenstellung vorgelegt. Dabei hat er mit aller Deutlichkeit darauf verwiesen, dass wir die Nachhaltigkeit unserer Finanzpolitik trotz dieser schwierigen Zeiten beibehalten werden. Ich halte es für sinnvoll, dass wir keine neuen Schulden machen und keine neuen Steuern erfinden, sondern vielmehr die Probleme durch Einsparungen und Umschichtung lösen. Damit stellen wir sicher, dass die Probleme nicht an künftige Generationen weitergegeben werden. Ich möchte dazu ein paar Zahlen nennen: Bei der Nettokreditermächtigung hat der Freistaat Bayern in diesem Jahr rund 350 Millionen e vorgesehen. In anderen Ländern, zum Beispiel Nordrhein-Westfalen, waren es 3,9 Milliarden e. Dort soll sogar ein neuer Haushalt hinzukommen.

(Maget (SPD): Oder Baden-Württemberg!)

Das bedeutet, dass dort rund 7 Milliarden DM an neuen Schulden künftigen Generationen aufgebürdet werden. In Baden-Württemberg beläuft sich die Nettokreditermächtigung auf 2,0 Milliarden e. Lieber Herr Kollege Maget, ich wollte diese Zahl gerade nennen. Bayern kann sich mit seiner Zahl sehen lassen.

Nun zum Schuldenstand: In Schleswig-Holstein beläuft sich der Schuldenstand auf 220% des gesamten Haushalts. In Bayern beläuft sich der Schuldenstand auf 56% des Haushalts. Die Schuldenaufnahme wird Jahr für Jahr abgebaut. Dadurch hat Bayern immer wieder Spielräume. Heute ist eine Zuschauergruppe aus Lindau anwesend. Deshalb möchte ich darauf hinweisen, dass zwischenzeitlich 80% der Bürgerinnen und Bürger sagen, dass der Staat nicht über seine Verhältnisse leben und stattdessen sparen solle. Wir Politiker sollten diese Aussage ernst nehmen.

Wir können uns auch mit unserer Pro-Kopf-Verschuldung sehen lassen: In Schleswig-Holstein liegt diese Verschuldung bei 6100 e, in Nordrhein-Westfalen bei 4900 e und in Bayern bei rund 1500 e. Wir sind auch hinsichtlich der Zinslastquote deutlich besser als andere Länder. Frau Kollegin Kellner, wir haben in dieser Woche im Haushaltsausschuss darüber diskutiert, ob wir im Jahr 2003 einen Nachtragshaushalt für das Jahr 2003 brauchen oder nicht. Wir haben dabei unsere Argumente ausgetauscht. Ich möchte unsere Argumente aber noch einmal erläutern: In fast allen Ländern werden entweder Haushaltssperren eingeführt oder Nachtragshaushalte aufgelegt. Wenn ein Nachtragshaushalt aufgelegt wird,

dann wird in diesen Ländern angekündigt, dass damit eine Neuverschuldung verbunden ist. Wir wollen das in Bayern auf keinen Fall.

Wir brauchen eine Lösung, die im Haushalt schnell zu vollziehen ist. Deswegen glauben wir, dass ein Eintreten in ein Aufstellungsverfahren sinnlos ist. Wir wollem demgegenüber eine schnelle Lösung. Deshalb werden wir den Vorschlag der Staatsregierung unterstützen. Die zeitliche Notwendigkeit im Hinblick auf den Herbst ist damit berücksichtigt worden. Sie kritisieren in der Öffentlichkeit, die Staatsregierung würde damit das Budgetrecht des Landtags umgehen.

(Dr. Simon (SPD): So ist es!)

Das ist nicht so. Der Vollzug des Haushalts ist immer noch Aufgabe der Staatsregierung. Die Staatsregierung hat vorgeschlagen, den Haushalt zu vollziehen. Wir haben das im Gegensatz zu Ihnen unterstützt, weil wir das aus zeitlichen Gründen für den besseren Weg halten. Ein letzter Punkt: Sie haben in Ihren Anträgen Strukturreformen gefordert. Ich erinnere an die Diskussion über den Stelleneinzug, die wir vor kurzem im Haushaltsausschuss geführt haben. 70% der 12000 Stellen, die wir einziehen wollen, haben wir bereits in diesem Jahr erreicht. Trotzdem wird von Ihnen immer wieder gefordert, in diesem oder jenem Bereich keine Stelle zu streichen. Wir haben hingegen gehandelt. Liebe Frau Kellner, in Ihrer Rede haben Sie keinen einzigen Vorschlag gemacht. Wenn Sie einen Nachtragshaushalt fordern, könnten Sie hier gleich erklären, in welchen Bereichen Sie Kürzungen vornehmen wollen.

(Frau Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das habe ich doch gesagt!)

Wir lehnen einen Nachtragshaushalt ab.

(Beifall bei der CSU)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Maget.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Da wir heute Morgen bereits das Thema „Nachtragshaushalt“ ausführlich besprochen haben, fasse ich mich kurz, damit wir die Zeit für die Beratung der anderen Dringlichkeitsanträge nutzen können. Ich möchte jedoch in aller Kürze einige Bemerkungen zum Antrag der GRÜNEN machen: Wir teilen die Auffassung, dass ein Nachtragshaushalt erforderlich ist. Dieser Nachtragshaushalt müsste jetzt aufgestellt werden. Ich nenne dafür folgende Gründe:

Erstens. In dieser Situation ist das Budgetrecht des Parlaments zu wahren. Das ist nur mit einem Nachtragshaushalt möglich; denn hier geht es schon längst nicht mehr um den Haushaltsvollzug, sondern um erhebliche Veränderungen im Haushaltsplan. Dieser Haushalt weicht erheblich von dem Haushalt ab, den der Landtag beschlossen hat. Deshalb muss sich das Parlament mit der tatsächlichen Haushaltssituation und –struktur befassen.

Zweitens. Hier geht es überhaupt nicht um die Frage, ob man sparen will, soll oder kann, wo oder an welcher Stelle. Wir stellen fest, dass die Staatsregierung nicht klug spart, wenn sie mit dem Rasenmäher quer durch den Haushalt geht und eine fünfprozentige generelle Einsparung vornimmt. Sparen ist nur bei einer vernünftigen Prioritätensetzung möglich. Darüber muss in diesem Hause diskutiert werden.

(Beifall bei der SPD)

Drittens. Der Nachtragshaushalt wird auch deshalb notwendig, weil neue Erfordernisse abgedeckt und im Haushaltsplan abgebildet werden müssen. Ich möchte dazu nur die Diskussion des heutigen Vormittags über die kommunalen Finanzen in Erinnerung rufen. Wenn wir etwas für die Kommunen tun wollen, was überfällig und notwendig ist, muss dies sowohl sofort als auch im notwendigen Umfang geschehen. Das schaffen wir nur, wenn wir die diesbezüglichen Zahlen in einem Nachtragshaushalt abbilden.

Viertens. Der Nachtragshaushalt ist auch aus Gründen der Ehrlichkeit gegenüber den Wählerinnen und Wählern notwendig.

(Sackmann (CSU): Sie sollten nicht von Ehrlichkeit reden!)

Das gilt vor allem im Vorfeld einer Landtagswahl. Auf die Mitarbeiter des Freistaates Bayern werden viele Fragen und Belastungen zukommen. Dies sollte den Mitarbeitern vor der Wahl im Haushalt offenbart werden. Sie sollten nicht erst nach der Wahl mit dem großen Hammer kommen und den Mitarbeitern sagen, was ihnen alles zugemutet werden soll. Vorgestern war zu lesen, dass ein Großteil der Bahnstrecken in Bayern stillgelegt werden soll. Alle diese Punkte sollten im Juni und im Juli im Haushalt zum Ausdruck gebracht werden.