Protokoll der Sitzung vom 22.05.2003

Frau Kollegin Köhler, Sie haben Aussiedler mit Ausländern gleichgesetzt. Das ist völlig abwegig. In Artikel 116 Grundgesetz sind die Kriterien für die Zuwanderung von deutschen Volkszugehörigen geregelt. Wenn in einer Familie eine Person die deutsche Volkszugehörigkeit hat und die deutsche Sprache spricht, sind die Integrationschancen – vor allem bei der Erlernung der Sprache – größer als bei einer Familie, in der keine Person Deutsch spricht. In türkischen Familien verbietet der Mann häufig der Frau, einen Deutschkurs zu besuchen. Das ist der Grund, warum die Integration bei Menschen aus anderen Kulturkreisen häufig nicht vorankommt.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss noch einige Anmerkungen zum Thema „Integration“ machen: Wir müssen bei der Integration Schwerpunkte setzen. Die Integration wird im Zuwanderungsgesetz aber bisher nur höchst oberflächlich behandelt. So fehlen bereits grundsätzliche Aussagen zu den eigentlichen Zielen der staatlichen Integrationspolitik. Hier gilt für uns die Devise: Wer auf Dauer in Deutschland leben will, muss sich auch nach besten Kräften in unsere rechtliche, politische und gesellschaftliche Situation einfügen. Zuwanderer müssen nicht nur die deutsche Sprache beherrschen und unsere Rechtsordnung anerkennen, sondern auch die Grundwerte unserer Gesellschaft.

(Frau Radermacher (SPD): Das finde ich auch!)

Sie kennen den Begriff der deutschen Leitkultur. Wenn Sie ihn so verstehen, müssten Sie ihn eigentlich auch akzeptieren können. Wir fordern dabei keineswegs eine Assimilierung von Ausländern mit der Preisgabe ihrer kulturellen oder religiösen Identität. Das ist nicht unser Ziel. Eines aber muss klar sein: Integration erfordert nicht nur Anstrengungen der Aufnahmegesellschaft, sondern kann nur funktionieren, wenn auch der Ausländer selbst bereit ist, Integrationsleistungen zu erbringen.

Dieser Aspekt kommt bei der SPD und bei den GRÜNEN leider immer viel zu kurz.

(Beifall bei der CSU)

Ihr Zuwanderungsgesetz hat einen wesentlichen Mangel: Es genügt nicht, Integrationskurse nur für neue, also künftig zuwandernde Ausländer, anzubieten. Integrationskurse müssen vor allem den bereits bei uns lebenden Ausländern angeboten werden. Für diese Menschen ist in Ihrem Gesetzentwurf überhaupt nichts vorgesehen. Bei bestimmten Gruppen der seit langem bei uns lebenden Ausländer gibt es hohe Integrationsdefizite und erhebliche Tendenzen zur Entstehung von Parallelgesellschaften. Kreuzberg lässt grüßen. Gehen Sie einmal nach Kreuzberg. Sie werden da nicht mehr wissen, wo Sie sind.

(Frau Radermacher (SPD): Gehen Sie einmal zu Frau Werner-Muggendorfer in die Nachbarschaft! Da leben lauter Deutsche, die nur russisch sprechen! – Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kommen Sie einmal nach Langwasser ins Haus der Heimat!)

Die Teilnahme an Integrationskursen, bei denen neben Deutsch auch Grundkenntnisse unserer Rechts– und Gesellschaftsordnung vermittelt werden, muss deshalb obligatorisch sein.

Die Kosten sind noch ein erheblicher Streitpunkt zwischen den Parteien im Bundestag. Der Bund darf sich hier keinesfalls aus seiner Verantwortung stehlen. Daneben haben nach unserer Auffassung auch die Ausländer selbst und die Arbeitgeber, die einen Ausländer beschäftigen wollen, einen angemessenen Beitrag zur Integration zu leisten. Bei Nichtteilnahme an Integrationskursen und mangelnder Integrationsbereitschaft kommen wir um wirksame Sanktionen oder Anreize nicht herum. Diese müssen bis zur Versagung von Aufenthaltsrechten oder bis zur Kürzung von Sozialleistungen reichen.

Um die Integration von Kindern zu verbessern muss das Nachzugsalter laut der bayerischen Forderung auf zehn Jahre abgesenkt werden. Das ist nicht familienfeindlich, sondern familienfreundlich, wenn man es genau durchdenkt.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, nur so kann erreicht werden, dass die Kinder wenigstens noch einen Teil ihrer Schulausbildung in Deutschland absolvieren und nicht in der Türkei, wie wir immer wieder feststellen müssen. Der Schulbesuch in Deutschland ist eine unerlässliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration, weil er die Chance bietet, dass der Ausländer in ausreichendem Umfang Deutsch lernt und damit Chancen auf dem Ausbildungs– und dem späteren Arbeitsmarkt hat.

Hier stellt das Zuwanderungsgesetz die Weichen falsch. Zwar wird das Zuzugsalter scheinbar auf 12 Jahre abgesenkt, weitreichende Ausnahmen ermöglichen jedoch einen Kindernachzug regelmäßig bis zum 18. Lebens

jahr. Das ist also gegenüber der jetzigen Rechtslage sogar noch eine Verschlechterung.

Bundesinnenminister Schily hat allerdings auf europäischer Ebene einer politischen Einigung aller europäischen Innenminister beim Familiennachzug zugestimmt, nach der das Nachzugsalter nicht unter 12 Jahre abgesenkt werden darf. Unsere bayerische Position ist damit also überholt.

Generell – das möchte ich an diesem Beispiel demonstrieren – besteht künftig die Gefahr, dass Entscheidungen, die in einem deutschen, einem nationalen Zuwanderungsgesetz getroffen werden müssen, trotz fehlender Einigung in Deutschland durch Regelungen auf europäischer Ebene vorweg genommen werden.

(Dr. Hahnzog (SPD): Das ist oft viel humaner als unsere Haltung!)

Die Opposition versucht immer wieder den Eindruck zu erwecken, wir würden in Bayern zu wenig für die Integration tun. Dies ist eindeutig falsch, meine Damen und Herren. Ich traue mich festzustellen, dass es kein Land in der Bundesrepublik Deutschland gibt, das mehr für die Integration tut, weder inhaltlich noch finanziell.

(Beifall bei der CSU – Zuruf der Frau Abgeordneten Werner-Muggendorfer (SPD))

Ich weiß nicht, warum Sie als bayerische Landtagsabgeordnete dagegen sind, wenn ich feststelle, dass wir Spitze sind.

(Beifall bei der CSU)

Sie sollten sich mit uns freuen.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Werner-Muggendor- fer (SPD))

Ja, Sie haben den Kopf geschüttelt, als ich dies festgestellt habe.

(Anhaltende Zurufe von der SPD und vom BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie den Integrationsbericht sorgfältig lesen und nicht nur Kaffeesatzleserei betreiben wie Frau Köhler, werden Sie dies auch bestätigen müssen.

Meine Damen und Herren von der SPD, das von Ihnen monierte Gesamtkonzept für die Integration liegt in Bayern längst vor. Lesen Sie den Integrationsbericht.

(Lachen bei der SPD)

Wenn wir mehr Geld vom Bund bekommen, Herr Kollege Dr. Hahnzog, wie wir das fordern, werden wir gern auch noch mehr Leistungen für die Integration erbringen.

Ich komme nun tatsächlich zum Schluss, Frau Kollegin Stahl; damit will ich Sie gleich beruhigen.

(Frau Radermacher (SPD): Schade, ich finde, Sie sollten ruhig weitermachen!)

Ich möchte zusammenfassen: Wir brauchen eine Zuwanderungs- und Integrationspolitik mit Verantwortungsbewusstsein und Weitblick. Wir müssen dabei vor allem die Belange unserer einheimischen Bevölkerung ernst nehmen. Nur so können wir ein friedliches Miteinander von Menschen unterschiedlicher Kulturkreise in unserem Lande auf Dauer gewährleisten. Für eine solche zukunftsorientierte Ausländerpolitik setzt sich die Bayerische Staatsregierung weiterhin zusammen mit der CSU mit allem Nachdruck ein. Das Zuwanderungsgesetz, das jetzt vorliegt, wird diesem Anspruch nicht gerecht. Wir haben Gott sei Dank die Mehrheit im Bundesrat, um dieses Gesetz zu verhindern.

(Lebhafter Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Die Aussprache ist geschlossen.

(Widerspruch bei der SPD – Dr. Hahnzog (SPD): Ich habe mich längst gemeldet!)

Bei uns ist diese Wortmeldung nicht angekommen. Aber bitte sehr.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gott sei Dank gibt es, wenn wir über dieses Thema reden, auch bei den Konservativen nicht nur Regensburgers und Kreuzers. Was diese Herren von sich geben, führt nicht zu einem Mehr an Miteinander in unserer Gesellschaft, sondern zu Unfrieden und Gegensätzlichkeiten.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will allerdings auch die positiven Seiten bei den Konservativen kurz aufzeigen. Da gibt es den saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller. Er hat die CDUKommission zur Zuwanderung geleitet.

(Frau Radermacher (SPD): Den mag die CSU auch nicht!)

In dieser Kommission wurde Folgendes festgestellt: Der Beitrag der Ausländer im Wirtschaftsleben der Bundesrepublik Deutschland ist unverzichtbar. Ohne ausländische Beschäftigte wären ganze Wirtschaftsbereiche nicht mehr funktionsfähig.

(Herrmann (CSU): Das ist ja unbestritten!)

Damit hat diese Kommission nicht nur die Profivereine der Ersten Bundesliga und der Regionalligen gemeint, sondern sie hat zu Recht darauf hingewiesen, dass etwa in den Krankenhäusern 45% aller Beschäftigten, angefangen von den Ärzten über die Pflegekräfte bis hin zum Hilfspersonal, Ausländer sind. Wo blieben die deutschen Kranken, wenn diese Einrichtungen nicht ausländische Pflegekräfte und Ärzte hätten.

(Beifall bei der SPD – Regensburger (CSU): Einverstanden!)

Es wird hier immer wieder Prof. Birg zu den demographischen Folgen zitiert. Sie sollten sich vielleicht auch einmal in Erinnerung rufen, was der der CDU angehörige Prof. Oberndörfer zu diesem Thema sagt. Das sieht diametral anders aus. Auch er meint, man könne die demographische Entwicklung nicht durch zusätzliche Zuwanderung ausgleichen, aber man könne sie so abmildern, dass Deutschland nicht in einigen Jahren vor dem Nichts steht.

(Zuruf des Abgeordneten Herrmann (CSU))

Auch da gibt es also andere Stimmen. Ich habe gehofft, einen bestimmten Kollegen aus Ihrer Fraktion heute hier zu sehen. Aber offenbar muss er zurzeit einen früheren OB-Kandidaten der CSU in München gegen die Angriffe, die von Frau Hohlmeier kommen, verteidigen. Ich meine den Kollegen Traublinger. Er sagt: Wir brauchen ein Zuwanderungsgesetz.

(Beifall bei der SPD – Regensburger (CSU): Sagen wir auch!)

Dies sagt nicht nur der Herr Traublinger, sondern gestern sagte dies in einer großen Gesprächsrunde in Niederbayern auch der dortige Geschäftsführer der Handwerkskammer, Herr Hinterdobler, der wohl der CSU nahe steht. Das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen. Sie verschweigen dies, weil Sie versuchen, sich der Diskussion überhaupt zu entziehen.

Wir hatten gestern ein Gespräch mit Sachverständigen verschiedener Couleur. Herr Vogel hat es bereits erwähnt. Dabei war auch ein Vertreter der Universität Regensburg. Dort gibt es ein Institut, in dem versucht wird, eine Beratung für Menschen verschiedener Nationalitäten zu entwickeln, wie sie sich auf bestimmte Felder begeben können. Sie beraten zum Beispiel schon seit einigen Jahren die Bundeswehr dahin, wie Bundeswehrsoldaten mit ihren Kollegen und Einheimischen umzugehen haben, die sie bei ihren Einsätzen in den anderen Ländern treffen. Auch dort stand im Mittelpunkt, dass für die Integration Orientierungssicherheit von großer Bedeutung ist. Die Integration ist also nicht nur eine Frage des Geldes und der Sprachfähigkeit, sondern geht darüber hinaus und bedeutet auch ein sicheres Lebensgefühl. Was Sie in Ihren 128 Änderungsanträgen machen, lieber Herr Regensburger, geht weit hinter das geltende Ausländergesetz zurück. Es ist eine Orgie an Repressionen. Da wird das Gesetz in Zukunft nicht mehr Zuwanderungs- oder Ausländergesetz heißen, sondern es wird – wie in ganz schlimmen Zeiten – wieder Ausländerpolizeiverordnung bzw. -gesetz heißen. Das ist Ihr Ansatz. Das führt nicht zur Lebenssicherheit und Orientierungssicherheit, sondern zu Verunsicherung.