Klaus Hahnzog
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Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zurzeit gibt es eine Flut von Plänen, die Eingriffe in Grundrechte, die die Privatsphäre schützen, zu verschärfen. Unser Gesetzentwurf will demgegenüber keine neuen Eingriffe, sondern eine Stärkung des Datenschutzes.
Die besondere Kennzeichnung von auf geheimen Wegen erlangten Daten wird von allen Datenschutzbeauftragten der Länder und des Bundes gefordert. Die Zweckbindung und die Löschungsvorschriften als wichtige Bestandteile des Datenschutzes lassen sich auch nur auf diese Weise einhalten.
Wie sieht denn die Datenschutzlandschaft zurzeit aus? Nach der CSU und ihrer Staatsregierung sollen immer mehr Daten gesammelt und gespeichert werden. Der Überwachungsstaat findet nicht mehr in Romanen und Filmen statt – der Überwachungsstaat wird vielmehr leider immer mehr zur Wirklichkeit. Wir haben das in den letzten Wochen mitbekommen, etwa beim Hearing am 1. Juli. Die Grundrechte sollen nicht mehr gelten, auch nicht für Journalisten, Ärzte, Pfarrer und Rechtsanwälte. Die Polizei soll fast grenzenlos präventiv abhören können.
Was bedeutet präventiv; wo ist der Ansatzpunkt? – Der Ansatzpunkt ist, dass man glaubt, diese Menschen könnten irgendetwas Dubioses im Schilde führen. Nun hat Innenminister Beckstein den gloriosen Gedanken gehabt, es wäre vielleicht etwas sicherer, wenn er als Innenminister persönlich anordnen würde, dass ein Journalist oder ein Pfarrer abgehört werden soll. Lieber Herr Beckstein, das hat Fouché zurzeit der Französischen Revolution und anschließend unter Napoleon gemacht. In Italien unter Berlusconi gibt es ähnliche Entwicklungen. Dazu sollten Sie sich wirklich zu schade sein. Dies ist keine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung der Situation der Bürger.
Natürlich ist Bayern auch dort voran, wenn es heißt: Das Lauschen in Privatwohnungen mit der geheim angebrachten Wanze reicht nicht mehr, sondern die geheim
angebrachte Kamera muss in der Wohnung installiert werden. Man kann sich kaum vorstellen, was dies für unsere Gesellschaft bedeutet.
Ein weiterer, aus den letzten Tagen ganz aktueller Punkt: Weil es natürlich etwas schwierig ist, eine Wanze in einer Wohnung geheim zu installieren, will man plötzlich Schornsteinfeger, Briefträger, Hausverwalter rekrutieren. – Nein, Blockverwalter wollen wir in der Zukunft auf keinen Fall mehr haben!
Außerdem wird das nicht das Ende der Fahnenstange sein, sondern dann werden auch die Nachbarn eingeschaltet, die sonst während des Urlaubs aus Freundlichkeit die Briefkästen leeren und die Blumen gießen. Irgendwann werden auch die Abgeordneten dran sein, die noch so etwas Altmodisches wie Hausbesuche machen; auch sie kommen in diese Wohnungen hinein und können nicht nur ihre Druckschriften und ihr Werbematerial, sondern vielleicht auch eine Wanze hinterlassen.
Herr von Rotenhan, warten Sie ab. Ich habe Ihnen vor Jahren prophezeit: Jedem Säugling wird nach der CSU eine DNA-Probe abgenommen, und er erhält ein kleines Implantat, damit man feststellen kann, wo sich dieser Mensch vom Kindesalter bis zum Greisenalter bis auf fünf Meter genau bewegt. Auch dies werden Sie in ein paar Jahren noch fordern, aus Gründen, die mir unverständlich sind. Ich dachte immer, auch CSUler wollten noch in einer freiheitlichen Demokratie und nicht in einem Überwachungsstaat leben.
Leider hat sich die Wirklichkeit seinen Prognosen inzwischen so schlimm angenähert, dass sein Buch schon veraltet ist; es gehört in die Antiquariate. Sie müssen die Gesetzentwürfe der CSU lesen; darin ist sehr viel näher geschildert, was uns bevorsteht.
Wenn wir gerade hinsichtlich der geheimen Erhebung von Daten aus Wohnungen eine Kennzeichnungspflicht haben wollen, befinden wir uns auf der Linie nicht nur der Datenschutzbeauftragten, sondern auch der Verfassungsrechtssprechung. Wenn es um solche Sachen geht, ist sie Ihnen aber meist ziemlich egal. Das Bundesverfassungsgericht hat schon 1983 gesagt: Die Verwendung von Daten ist auf den gesetzlich bestimmten Zweck begrenzt. Schon angesichts der Gefahren der automatischen Datenverarbeitung ist ein Schutz gegen Zweckentfremdung durch Weitergabe- und Verwertungsverbot erforderlich. 1999 hat das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der Telekommunikationsüberwachung gesagt: Um dies zu gewährleisten, ist eine
Kennzeichnungspflicht durch den Gesetzgeber unabdingbar. Wenn ohne eine solche Kennzeichnungspflicht abgespeichert wird, besteht die Gefahr, dass sich diese Daten mit anderen Daten und Informationen vermischen; die Herkunft aus einer besonderen Art der Fernmelde- oder Informationskontrolle ist nicht mehr erkennbar.
Dem wird jetzt entgegengehalten: Na ja, beim Lauschangriff auf die Wohnungen ist dies nicht so wichtig; diese Entscheidung ist nur für die Telekommunikationsüberwachung ergangen. Dies ist aber ein Aberwitz. Bei Wohnungsüberwachungen ist der Eingriff sehr, sehr viel schwerer. Auch die Hinleitung auf bestimmte Menschen wiegt schwerer. Diese müssen dadurch geschützt werden, dass diese Daten nicht umherschwirren und dann, wie etwa bei der früheren Staatsministerin, Frau Stamm, in Dateien landen, wo sie überhaupt nichts zu suchen haben. Damals haben sich dann der Innenminister und der Justizminister entschuldigt. Beim normalen Bürger wird dies allerdings nicht der Fall sein; er wird Schäden davontragen; er wird nicht wissen, was mit ihm geschieht. Dem sollten wir im Interesse unserer Demokratie alle entgegentreten.
Den Journalisten sei Folgendes gesagt: Selbst wenn die Journalisten besser behandelt würden, wäre damit nichts gewonnen. Der Schaden für die Gesellschaft liegt nicht nur bei den beiden Gesprächspartnern, sondern in dem beschädigten Klima für eine unbefangene Kommunikation.
Viele Telefonate werden unterbleiben, weil die Leute damit rechnen, dass sie abgehört werden. Das Schlimmste wurde von der CSU noch gar nicht angesprochen: Wenn die präventive Überwachung der Telekommunikation im Landespolizeigesetz gestattet würde, wäre der Weg für die nächste Stufe offen.
Die nächste Stufe wird der Weg zur präventiven Überwachung und zum Eingriff in das Briefgeheimnis sein. Gott bewahre uns davor.
Herr Beckstein, um an Ihre letzten Worte anzuknüpfen: Sie waren Rechtsanwalt, ich bin es jetzt, war früher aber auch Richter und Verfassungsrichter. Von diesem Blickwinkel schaut die Sache ein bisschen anders aus. Es gibt keinen Vorrang der Sicherheit vor den Grundrechten. Die Grundrechte haben natürlich die Sicherheit im Auge zu haben, aber sie sind in erster Linie – das sagt das Bundesverfassungsgericht vom Band 1 bis zum Band 103 – Schutzrechte für die Freiheiten der Bürger gegenüber der Hoheitsgewalt. Dieses sollten wir nicht außer Acht lassen.
Ein Zweites – beim Kollegen Kreuzer hätte ich mich nicht mehr gemeldet, da er so mit Schaum vor dem Mund geredet hat, wie ich es leider viele Jahre ertragen musste –: Wenn Sie sagen, unser Gesetzentwurf käme verfrüht, ist dies schon ein Zeichen dafür, dass das ein Problem ist. Wir wissen nicht – wie gesagt: vor Gericht und auf hoher See –, was das Bundesverfassungsgericht aus dieser Sache macht. Warum kann man denn um Teufels Willen nicht einmal sagen, dass das, was die Datenschutzbeauftragten – –
Die Datenschutzkonferenz, Herr Beckstein, reden Sie doch nicht so einen Unsinn. Die Datenschutzkonferenz, die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern, hat die Kennzeichnungspflicht gefordert. Sie hat sie nach dem früheren Gesetzgebungsverfahren im März gefordert. Ich habe daher hinterfragt, was die Gründe der Datenschutzbeauftragten in anderen Ländern waren. Das ist auch der Grund, weshalb unser Gesetzentwurf etwas später gekommen ist. Er hätte auch im letzten Plenum vor zwei Wochen behandelt werden können, aber die CSU hat als Retourkutsche gesagt: Wenn ihr Hearings macht, dann lassen wir – was sonst üblich ist – keine Nachträge zur Tagesordnung zu. Wir hätten ansonsten in Ruhe über dieses Thema diskutieren können.
Was Sie in Bezug auf den künftigen präventiven Überwachungsbereich sagen, ist einfach eine Irreführung der Kolleginnen und Kollegen, die das nicht so genau wissen. Der Leitende Oberstaatsanwalt von München I weiß das genauer. Deswegen war dieses Hearing so eine Pleite für die CSU. Es handelt sich um einen Gesetzentwurf von Teilen der CSU; manche haben sich schon von vornherein distanziert. Dieses Hearing war eine Pleite, weil auch der Oberstaatsanwalt gesagt hat – es sind die Fälle, die auch Sie genannt haben, Sie haben Al Khaida und eine andere Organisation genannt –: Wenn es um Organisationsdelikte geht, dann ist das Strafrecht in der Lage, dies im repressiven Bereich zu machen und braucht nicht auf den präventiven Bereich zurückzugreifen. Für so dumm brauchen Sie uns nicht zu verkaufen und ich hoffe, dass Sie auch nicht versuchen, den nächsten Landtag für so dumm zu verkaufen. Dann wer
den wir vielleicht noch eine rechtsstaatliche Regelung durchsetzen können.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die verfassungsrechtliche Frage, die in dem Hearing behandelt wurde, war natürlich für unseren Verfassungsausschuss interessant. Für mich war kennzeichnend, dass der Sachverständige, der ehemalige Bundesverfassungsrichter Hans Hugo Klein, keineswegs den Standpunkt der CSU vertrat, obwohl er eigentlich aus diesen Kreisen entsandt wurde. Ein weiteres Zeichen ist, dass Herr Badura Artikel 14 überhaupt nicht erwähnte. Auch dieses wird in der verfassungsrechtlichen Auseinandersetzung eine Rolle spielen.
Herr Huber, Sie haben sich selbst widersprochen. Sie sagten, wir hätten geschrien, wenn sich die CSU direkt beteiligt hätte. Hier geht es um die mittelbare Beteiligung über andere Medien, und das ist ein ganz anderer Punkt. Dass die CSU, wenn man es politisch bewertet, nicht Zeitungen, die die SPD traditionellerweise schon aus der
Zeit vor der Nazizeit und aus der Weimarer Republik hat, liegt an einem anderen Werdegang. Bei uns wurde der Werdegang von den Inhalten her – abgesehen von 1933 bis 1945 – nie unterbrochen; dann kamen die Zeitungen auf der traditionellen Basis wieder. Leider hatten Sie keine solch gute Geschichte. Auch das sollte man nicht unter den Teppich kehren, wenn man schon so argumentiert.
Wir behalten uns unter Beobachtung des Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht vor, auch den Bayerischen Verfassungsgerichtshof anzurufen, und zwar nicht als mittelbar betroffene Partei, sondern wegen der Verletzung von allgemein verfassungsrechtlichen Prinzipien. Dieses ist im Rahmen der Meinungsverschiedenheit nach dem Verfassungsgerichtsgesetz und der Verfassung üblich. Ich gebe das zu Protokoll, weil dies notwendig ist.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon dargestellt worden, wie bedeutsam die einzelnen Änderungen und die Fortentwicklung der Bayerischen Verfassung sind. Lassen Sie mich aufgrund der generellen Diskussion über Verfassung und Föderalismus noch einige Bemerkungen machen. In einem großen deutschen Magazin, „Der Spiegel“, gibt es eine mehrteilige Serie „Die verstaubte Verfassung“. In der Ausgabe dieser Woche lesen Sie als eine der Leitthesen: Die alte Denkrichtung der Verfassung, also des Grundgesetzes, von den Ländern zum Bund, also von unten nach oben, muss umgedreht werden. – Ich glaube, wir alle sind aufgerufen, diesem Prozess entgegenzuwirken. Es ist bedeutsam, dass die Länder in ihren Verfassungen erkennbar bleiben und dass sie entsprechende neue Entwicklungen darin aufnehmen. Das ist dafür ein guter Beitrag.
In diesem Pamphlet „Die verstaubte Verfassung“ heißt es weiter, dass die Grundrechte im Grunde nur ein unbedeutsames Anhängsel der Verfassung seien. Aus meiner Sicht hätte der Aufbau der Demokratie in der Bundesrepublik ohne dass die Grundrechte nicht nur formal an der Spitze des Grundgesetzes stehen, sondern Ver
bindlichkeit gegenüber allen Staatsgewalten haben, nie so stattgefunden, wie wir ihn heute haben. Deshalb müssen wir weiter darum kämpfen, dass es so bleibt.
Als ganz konkreter Punkt gehört heute das Volksbegehren gegen das Menschenklonen dazu. Das ist schon verschiedentlich erwähnt worden.. Dieses Volksbegehren ist nicht nur überflüssig, sondern es ist auch schädlich. Es ist schädlich, weil es andere gegen den Artikel 100 Menschenwürde verstoßende Prozeduren und Verhaltensweisen nicht erwähnt. Damit kann man leicht zu einem Gegenschluss kommen. Es steht nämlich nichts davon darin, dass die Folter gegen die Menschenwürde verstößt und es steht nichts darin, dass die aktive Sterbehilfe gegen die Menschenwürde verstößt.
Hier hat die ÖDP einfach zu kurz gegriffen, abgesehen davon, dass sie auch die Menschenwürde mit dem Tod enden lässt. Es ist nach meiner Ansicht notwendig, dieses Grundrecht auch über den Tod hinaus fortzuschreiben und Wirkung entfalten zu lassen.
Die Bayerische Verfassung ist Gott sei Dank nicht so leicht zu ändern wie das Grundgesetz, wenn auch bei der Änderung des Grundgesetzes immer auch die Staatsregierungen über den Bundesrat zu solchen Änderungen beigetragen haben. Wir brauchen die Entscheidungen des Volkes, und alle neuen bisherigen Verfassungsänderungen Bayerns sind unmittelbar durch Volksbegehren angestoßen worden. Bei der jetzigen zehnten und elften Verfassungsänderung wird das wieder der Fall sein. Ich werde ähnlich wie einige weitere Kollegen dem nächsten Landtag nicht mehr angehören.
Aber Herr Leeb, vielleicht bringen wir dann für weitere Verfassungsänderungen eigene Volksbegehren ein, da manchmal die Mehrheit dieses Hohen Hauses etwas immobil ist und wir die Mehrheit von zwei Dritteln für solche Änderungen brauchen. Ich prophezeie jedenfalls, dass sich auch der nächste Landtag mit Volksbegehren zu beschäftigen haben wird. Vielleicht ist der dann so weise, einen solchen Mehrheitsbeschluss zu fassen.
Wir haben in den Verhandlungen versucht, Punkte wie die Unabhängigkeit der Justiz oder des Datenschutzes einzubringen. Das fordern inzwischen alle Datenschutzbeauftragten, auch der bayerische, da die rasante technische Entwicklung den Schutz des Bürgers auf diesem Gebiet in besonderer Weise fordert.
Es ist mein Wunsch, meine Damen und Herren, dass Sie das nächste Mal früher aktiv werden und sich nicht erst von den Bürgerinnen und Bürgern auf den richtigen Weg bringen lassen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gott sei Dank gibt es, wenn wir über dieses Thema reden, auch bei den Konservativen nicht nur Regensburgers und Kreuzers. Was diese Herren von sich geben, führt nicht zu einem Mehr an Miteinander in unserer Gesellschaft, sondern zu Unfrieden und Gegensätzlichkeiten.
Ich will allerdings auch die positiven Seiten bei den Konservativen kurz aufzeigen. Da gibt es den saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller. Er hat die CDUKommission zur Zuwanderung geleitet.
In dieser Kommission wurde Folgendes festgestellt: Der Beitrag der Ausländer im Wirtschaftsleben der Bundesrepublik Deutschland ist unverzichtbar. Ohne ausländische Beschäftigte wären ganze Wirtschaftsbereiche nicht mehr funktionsfähig.
Damit hat diese Kommission nicht nur die Profivereine der Ersten Bundesliga und der Regionalligen gemeint, sondern sie hat zu Recht darauf hingewiesen, dass etwa in den Krankenhäusern 45% aller Beschäftigten, angefangen von den Ärzten über die Pflegekräfte bis hin zum Hilfspersonal, Ausländer sind. Wo blieben die deutschen Kranken, wenn diese Einrichtungen nicht ausländische Pflegekräfte und Ärzte hätten.
Es wird hier immer wieder Prof. Birg zu den demographischen Folgen zitiert. Sie sollten sich vielleicht auch einmal in Erinnerung rufen, was der der CDU angehörige Prof. Oberndörfer zu diesem Thema sagt. Das sieht diametral anders aus. Auch er meint, man könne die demographische Entwicklung nicht durch zusätzliche Zuwanderung ausgleichen, aber man könne sie so abmildern, dass Deutschland nicht in einigen Jahren vor dem Nichts steht.
Auch da gibt es also andere Stimmen. Ich habe gehofft, einen bestimmten Kollegen aus Ihrer Fraktion heute hier zu sehen. Aber offenbar muss er zurzeit einen früheren OB-Kandidaten der CSU in München gegen die Angriffe, die von Frau Hohlmeier kommen, verteidigen. Ich meine den Kollegen Traublinger. Er sagt: Wir brauchen ein Zuwanderungsgesetz.
Dies sagt nicht nur der Herr Traublinger, sondern gestern sagte dies in einer großen Gesprächsrunde in Niederbayern auch der dortige Geschäftsführer der Handwerkskammer, Herr Hinterdobler, der wohl der CSU nahe steht. Das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen. Sie verschweigen dies, weil Sie versuchen, sich der Diskussion überhaupt zu entziehen.
Wir hatten gestern ein Gespräch mit Sachverständigen verschiedener Couleur. Herr Vogel hat es bereits erwähnt. Dabei war auch ein Vertreter der Universität Regensburg. Dort gibt es ein Institut, in dem versucht wird, eine Beratung für Menschen verschiedener Nationalitäten zu entwickeln, wie sie sich auf bestimmte Felder begeben können. Sie beraten zum Beispiel schon seit einigen Jahren die Bundeswehr dahin, wie Bundeswehrsoldaten mit ihren Kollegen und Einheimischen umzugehen haben, die sie bei ihren Einsätzen in den anderen Ländern treffen. Auch dort stand im Mittelpunkt, dass für die Integration Orientierungssicherheit von großer Bedeutung ist. Die Integration ist also nicht nur eine Frage des Geldes und der Sprachfähigkeit, sondern geht darüber hinaus und bedeutet auch ein sicheres Lebensgefühl. Was Sie in Ihren 128 Änderungsanträgen machen, lieber Herr Regensburger, geht weit hinter das geltende Ausländergesetz zurück. Es ist eine Orgie an Repressionen. Da wird das Gesetz in Zukunft nicht mehr Zuwanderungs- oder Ausländergesetz heißen, sondern es wird – wie in ganz schlimmen Zeiten – wieder Ausländerpolizeiverordnung bzw. -gesetz heißen. Das ist Ihr Ansatz. Das führt nicht zur Lebenssicherheit und Orientierungssicherheit, sondern zu Verunsicherung.
Ein paar Punkte sind schon genannt worden: vier Jahre Ehe vor einem eigenen Aufenthaltsrecht des einzelnen Ehegatten. Da geht es um die Sprachprüfung. Der Ausländer kann sich nicht bereits freuen, dass er den Kurs bestanden hat, denn die Ausländerbehörde kann es
noch einmal überprüfen. Da gibt es die Verdachtsausweisung in bestimmten Fällen.
Da ist die Ausweisung nach 90 Tagessätzen statt eine bisher nach 180 Tagessätzen enthalten.
All dies führt nicht zu mehr Sicherheit, sondern zu mehr Repression und Unsicherheit. Ihre misslungenen Versuche der Ausreisezentren wollen sie gar noch zur Pflicht machen trotz der desolaten Ergebnisse, die sie damit in Fürth erzielt haben. Es ist widersinnig, dass Sie sich diesen ganz banalen Erfahrungstatsachen widersetzen.
Ich sage Ihnen, Sie werden es bereuen, wenn Sie noch weiter blockieren, und noch mehr werden Sie es bereuen, um des Friedens in unserer Gesellschaft willen, wenn Sie Ihre eigenen 128 Änderungsanträge auch nur zum Teil durchsetzen.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nun ist die Aussprache abgeschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt. Über die beiden Dringlichkeitsanträge der Fraktionen der CSU und der SPD soll in namentlicher Form abgestimmt werden.
Ich lasse zuerst über den Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, Zuwanderung gestalten – Integration fördern – Humanität bewahren, auf Drucksache 14/11765, Tagesordnungspunkt 21, abstimmen. Der federführende Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Wer dagegen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Dies sind die Fraktionen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie Herr Kollege Hartenstein. Gegenstimmen? – Das ist die CSU-Fraktion. Stimmenthaltung? – 3 Stimmenthaltungen. Dann ist der Antrag abgelehnt.
Wir kommen nun zur Abstimmung über die Dringlichkeitsanträge, die in namentlicher Form erfolgen soll. Ich lasse zuerst über den Antrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 14/12491abstimmen. Für die Stimmabgabe sind die entsprechend gekennzeichneten Urnen bereitgestellt. Die Ja-Urne ist auf der Seite der Opposition, die Nein-Urne aufseiten der CSU-Fraktion, die Urne für Enthaltungen auf dem Stenografentisch. Mit der Stimmabgabe kann begonnen werden. Hierfür stehen fünf Minuten zur Verfügung.
Die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt. Ich gebe das Ergebnis später bekannt.
Wir fahren zwischenzeitlich mit der namentlichen Abstimmung über den Antrag der CSU-Fraktion auf Drucksache 14/12496 fort. Für die Stimmabgabe werden die entsprechend gekennzeichneten Urnen bereitgestellt. Die Ja-Urne ist dieses Mal auf der Seite der CSUFraktion, die Nein-Urne aufseiten der Opposition, die Enthaltungs-Urne befindet sich wieder auf dem Stenografentisch. Mit der Stimmabgabe kann nun begonnen werden. Dafür stehen wieder fünf Minuten zur Verfügung.
Die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt. Das Ergebnis gebe ich später bekannt. – Wir fahren zwischenzeitlich mit der Beratung der Dringlichkeitsanträge fort.
Ich rufe auf:
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Dr. Dürr, Dr. Runge, Kellner, Paulig, Scharfenberg, Sprinkart und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Bericht Verkehrsdurchführungsvertrag (Drucksache 14/12492)
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Dr. Runge.
Plant die Bayerische Staatsregierung hinsichtlich der Äußerung des Herrn Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, dass die Wünsche der Häftlinge bei der Entscheidung über die Zufahrt zur Gedenkstätte Dachau eine besondere Gewichtung haben solle, den Weg für die Westzufahrt dadurch frei zu machen, dass sie statt der fälligen Sanierung der Umrüstwerkstatt und der Schreinerei der Bayerischen Bereitschaftspolizei einen Neubau an anderer Stelle durchführt, um auch unter Beachtung des Denkmalschutzes ein dringend notwendiges Besucher- und Informationszentrum vor dem Torhaus zu ermöglichen.
Antwort der Staatsregierung: Unbestritten ist die Notwendigkeit eines Service- und Versorgungsgebäudes für die KZ-Gedenkstätte Dachau im räumlichen Umfeld des Jourhauses. Dazu werden jetzt im Zusammenhang mit der anstehenden Festlegung durch die Große Kreisstadt Dachau auf eine Variante für die Zufahrt gleichfalls Überlegungen angestellt. Ob hinsichtlich des Servicegebäudes auf vorhandene Gebäudlichkeiten zurückgegriffen oder ein Neubau errichtet werden wird, ist derzeit noch offen. Hier werden sowohl denkmalpflegerische als auch ästhetische und finanzielle Aspekte gegeneinander abzuwägen sein. Zunächst gilt es ein Raumprogramm aufzustellen, das die einzelnen Bedarfe für die vorzusehenden Funktionen addiert (Verkauf von Informationen, Toiletten, kleines Bistro und wenn möglich auch ein Tagungsraum). Insbesondere die Frage nach dem Zeitpunkt der Realisierung steht im Blick auf die Haushaltsmöglichkeiten unter einem Finanzierungsvorbehalt.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion über dieses ungeheuerliche Vorhaben aus „Teilen“ der CSUFraktion – so wird es berichtet – hat gestern begonnen. Wir werden die Diskussion heute fortsetzen und wir werden sie in diesem Landtag in verschiedenen Stadien fortsetzen. Vielleicht kommen wir noch in dieser Legislaturperiode zu Ende. Ich glaube, auch den „anderen“ Teilen der CSU wäre es ganz recht, wenn es nicht zu einer endgültigen Beschlussfassung käme. Das, was hier als Anschlag auf grundlegende Prinzipien des Rechtsstaats versucht wird, ist ziemlich einmalig in der Geschichte der anderen Länder, auch wenn sie von CDU-Regierungen und CDU-Mehrheiten bestimmt werden.
Hier werden nicht nur ganz abstrakt grundlegende Rechtsprinzipien verletzt. Bei diesem Thema rühren sich Gruppen und einzelne Menschen, die sonst oft nicht ganz so sensibel sind, wenn es um politische Entwicklungen geht. Das ist, so glaube ich, ein ganz besonderes Zeichen und ein Ruf an die CSU, sich das noch einmal zu überlegen.
Wir hatten schon einmal eine ähnliche Geschichte, als es um den Lauschangriff ging. Bei diesem Thema ist es dank großen Einsatzes wenigstens gelungen, in Bezug auf besondere Vertrauensverhältnisse keine die Wanzen anbringen zu lassen – nicht in der Kanzlei des Anwalts, nicht in der Praxis des Arztes, nicht im Pfarrhaus oder gar im Beichtstuhl. All dies hatte die CSU damals beabsichtigt. Damals ist die Presse relativ spät wach geworden. Diesmal ist sie es zum Glück rechtzeitig. Wir begrüßen es und werden die gemeinschaftlichen Bestrebungen unterstützen.
Es sind nicht nur die Vertreter unserer vierten Gewalt, die befürchten, dass das offene Klima kaputt gemacht wird. Es besteht die Situation, dass nicht nur dann, wenn tatsächlich abgehört wird, eine Beschädigung des freiheitlichen Klimas eintritt, sondern gerade die Befürchtung, dass jeder zu jeder Zeit abgehört werden kann, verhindert gerade eine Offenheit im Kommunikationsprozess. Dieses ist, so glaube ich, eine ganz schlimme Entwicklung in einer Gesellschaft, in der Kommunikation und ein unbefangener Austausch sowieso etwas zurückgeht.
Ich freue mich auch, dass etwa die Evangelisch-Lutherische Kirche Bayerns zu diesem Thema Stellung bezogen hat. Sie hat am 6. Mai eine Pressemitteilung herausgegeben, in der es heißt:
Vertrauen auf den staatlichen Schutz der Grundrechte darf nicht gefährdet werden.
Im Einzelnen heißt es:
Die Pflicht, Straftaten abzuwehren, wird anerkannt.
Dies erkennen wir natürlich auch an. Es geht hier aber um die Mittel, die benutzt werden, lieber Herr Kreuzer. Sie waren in der Überzogenheit und Verfassungswidrigkeit von Mitteln immer an der Spitze. Hierin ist die CSU Spitze. Vom Innenministerium ist niemand da. Es würde mich interessieren, ob es die genannten Kollegen selber fertiggebracht haben, den Antrag aufs Papier zu schreiben oder wer die eigentlichen Ghostwriter waren.
Niemand ist hier. Vielleicht – das wäre noch die positivste Interpretation, Herr Güller – sagen die: Ein so fürchterliches Zeug hätten wir nicht gemacht und deswegen sind wir nicht hier. Bei der Aktionseinheit, die sonst stattfindet, kann ich mir das aber nicht vorstellen.
Die Evangelische Kirche führt weiter aus, wenn von Seiten des Staates die Religionsfreiheit tangiert werde, sei eine entsprechende Information notwendig. Es heißt:
Es ist notwendig, dass der Staat bei Planung gesetzlicher Vorhaben, von denen Kernelemente der Religionsfreiheit tangiert werden, frühzeitig und eingehend das Gespräch mit Kirchen und Religionsgemeinschaften sucht.
Vielleicht ist auch das ein Grund, dass der Synodale Beckstein heute nicht da ist, weil er wohl auch mitbekommt, was seine Kirche zu diesem absonderlichen Vorhaben von Mitgliedern der CSU-Fraktion sagt.
Das Vertrauen darauf –
so heißt es dann im letzten Punkt dieser noch etwas ausführlicheren Presseerklärung,
dass der Staat seinen Pflichten zum Schutz von Grundrechten nachkommt, ist ein hohes Gut, das zu den wesentlichen Grundlagen der Glaubwürdigkeit des demokratischen Rechtsstaats zählt und nicht durch übereilte Gesetzgebungsverfahren gefährdet werden darf.
Dies zeigt auch, dass das, was wir in der Nummer 2 unseres Antrags fordern, nämlich ein breit gestreutes Hearing zu machen, den Kern der gesellschaftlichen Diskussion trifft. Es hat vor nicht allzu langer Zeit schon einmal ein solches Hearing im Thüringischen Landtag stattgefunden. Die Gutachter und Sachverständigen wurden von der dort regierenden CDU ausgesucht. Jedenfalls haben sie alle – was ich gelesen habe – Positionen im Umkreis der CDU gehabt.
Dort war ein ehemaliger CDU-Innensenator aus Berlin, Herr Werthebach. Er hat schon grundsätzlich infrage gestellt – auch dies werden wir dann zu diskutieren haben –, dass hier die Länder nach unserer Gesetzgebungskompetenz überhaupt eine Gesetzgebungsbefugnis haben. Die Regelung der Rechte des Fernmeldeverkehrs ist Bundessache. Dieses wurde nicht nur von Herrn Werthebach so bestätigt, sondern – da wird es besonders interessant – dort ist ein Bundesverwaltungsrichter – ich weiß nicht, ob er noch aktiv ist oder schon im Ruhestand –, Herr Honnacker, aufgetreten. Der sagte, sein Interesse und seine Sachkunde rührten daher, dass er früher Abteilungsleiter „Polizei“ im Bayerischen Staatsministerium des Innern war. Man habe deswegen, aus seiner Sicht zu Recht, nie diesen Weg beschritten, den jetzt die CSU – oder Teile der CSU, so muss man sagen – beschreitet, weil man dort der Auffassung war, dass eigentlich keine bayerische Gesetzgebungskompetenz bestünde. Das war der Sachverständige Nummer zwei.
Noch schöner ist es, dass als Sachverständiger Nummer drei, der stellvertretende Polizeipräsident von München dort in Erfurt vor dem Thüringischen Landtag auftritt. Der sagt, als Polizist möchte er das natürlich haben. Er meint, es muss aber irgendwie begrenzt sein, in welchen Fällen man abhören darf, da wäre ein allgemeiner Katalog der „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ zu weit
gehend, das müsste man eingrenzen etwa wie in § 100 a der Strafprozessordnung.
Überall hakt es: beim Schutz der Vertrauensverhältnisse, bei der Gesetzgebungskompetenz und bei den Fällen von Anlassverdacht, die hier eine Rolle spielen. Ein solch unmögliches Gesetzgebungsvorhaben habe ich in diesem Haus selten erlebt. Nach meiner Einschätzung bedient dies im Wahlkampf die Stammtische. Nichts anderes steckt dahinter.
Dem sollten wir hier gemeinschaftlich entgegentreten. Ich hoffe, dass sich die CSU auf diese Sachverständigenanhörung einlässt. Ich bin gespannt, welche Sachverständigen sie versucht, in der Bundesrepublik zusammenzukratzen, die etwas Gutes an ihrem Gesetzentwurf lassen. Damit ist ein gewisses Risiko verbunden; das wage ich heute schon zu prophezeien.
Vielleicht gelingt es, jemanden aus der Vergangenheit herzuholen, der inzwischen andere Schlagzeilen machte, weil er horrende Beträge für Beratungstätigkeit für Herrn Kirch bekommen hat. Da gab es einen Justizsenator in Berlin namens Scholz, der dort für die CDU Justizsenator war, aber der heute, glaube ich, immer noch Parteimitglied der CSU ist und am Grundgesetzkommentar mitschreibt. Ich bin gespannt, wenn Sie Rupert Scholz benennen, was der uns erzählen wird, wo er die verfassungsrechtlichen Bedenken sieht. Das Verfassungsrechtliche ist das Eine, das Politische ist das Andere. Sie machen hier eine freie und offene Gesellschaft kaputt, weil sich dann niemand mehr darauf verlassen kann, ob er abgehört wird und ob nicht gleich, auch wenn er irgendwo ist – es soll auch der Standort festgestellt werden –, dass dann die Polizei auftaucht und ihn mit irgendetwas konfrontiert.
Herr Zeller ist ein angesehener Förderer des Wintersports im Allgäu: absolut absurd wird es, wenn das Gesetz damit begründet wird, damit könnte man von Lawinen Verschüttete besser orten. Auch Herr Glück als Bergwachtvorsitzender wird nicht sagen, dass Gutachter der Bergwacht hinzugezogen werden sollen. Wenn die Polizei es nicht hinbekommt, nach einem Lawinenunglück einen Verschütteten ohne Änderung des PAG zu retten, dann macht sie sich der unterlassenen Hilfeleistung schuldig. Nichts Anderes kann man dazu sagen.
Bitte schön, nehmen wir dieses Gesetz ernst und versuchen wir alles, damit es nicht zu Stande kommt.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Bevor ich die nächste Wortmeldung aufrufe, darf ich bekannt geben, dass sich Herr Staatsminister Dr. Beckstein entschuldigt hat, weil er an einem Treffen der Verkehrsminister der B-Länder in Berlin teilnimmt. Herr Staatssekretär Regensburger ist ebenfalls entschuldigt, weil er die
Staatssekretärsvorkonferenz zur Vorbereitung der Innenministerkonferenz in Weimar leiten muss.
Beide Herren sind entschuldigt.
Ich rufe als nächste Rednerin Frau Tausendfreund auf.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Huber, Sie haben sehr schön vorgelesen, was Ihnen das Innenministerium aufgeschrieben hat. Aber der eigentliche Anlass dieses Gesetzentwurfs kam in Ihren danebenliegenden Zwischenbemerkungen zum Ausdruck. Sie wollen die Opposition mies machen. Gehen Sie doch einmal zur Polizei, dann erfahren Sie, dass die Polizei nicht darüber klagt, dass sie nicht sämtliche Telefone abhören darf, sondern dass sie darüber klagt, dass sie nicht genügend Personal und Material hat. Das ist der Ansatzpunkt.
Sicherheit hat eben auch – das betonen doch gerade Sie immer – eine subjektive Komponente. Es geht um das subjektive Sicherheitsgefühl, das Sie kaputtmachen, indem Sie ein subjektives Bedrohungsgefühl erwecken. Bei allen Interpretationen und Einschränkungen – es ist doch so, dass hier weitestgehend freie Bahn für Abhöraktionen gegeben wird. Damit muss jeder rechnen. Man weiß nicht, ob es einen trifft und ob man „ein Dritter ist, der unvermeidbar betroffen“ ist. So etwas prägt das Gesprächsklima. Sie hätten den Gesetzentwurf eben doch etwas genauer lesen sollen.
Ein Letztes: Irgendwann sollten Sie in die Grundschule der Verfassungsrechtler gehen und sich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts genau ansehen. Dort wird die primäre Funktion von Grundrechten damit beschrieben, dass diese Rechte auch die staatliche Gewalt beschränken. Wenn wir die Lehren aus der Zeit
nach 1933 nicht beachten, dann hätten wir uns gestern das eindrucksvolle Gedenken an das, was vor 70 Jahren hier geschehen ist, sparen können.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Da dies ein Gemeinschaftswerk aller Fraktionen ist, möchte auch die SPD kurz etwas dazu sagen. Sie begrüßt dies natürlich, auch deswegen, weil sich gezeigt hat, wie wichtig es war, dass wir derartige Institutionen wie Enquetekommissionen des Parlaments installieren können. Das war ein Ergebnis der Verfassungsänderung von 1998. Die Kommissionen, die es sonst auf Seiten der Staatsregierung gab, hätten sich wahrscheinlich nie so intensiv um die Rechte der Parlamente gekümmert.
Wenn wir auf dem Konvent in Lübeck – da stimme ich mit dem Kollegen Welnhofer in der Tendenz überein – bei dem Vorhaben weiterkommen wollen, vom dominierenden Exekutivföderalismus abzukommen, müssen wir auch zeigen, dass wir landesintern die Parlamente stärken wollen, nicht nur auf der Ebene aller Länder in der
Bundesrepublik. Das ist ein wichtiger Gesichtspunkt. In der Diskussion zwischen den Fraktionen zu Verfassungsänderungen heute Morgen haben wir dieses Anliegen noch ein bisschen vorwärts gebracht. Wir werden darüber aber in anderem Zusammenhang noch zu diskutieren haben. Besten Dank also; auch wir werden natürlich zustimmen.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Die Aussprache ist geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Widerspruch erhebt sich nicht. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe auf:
Tagesordnungspunkt 4 b
Gesetzentwurf der Abgeordneten Maget, Schindler, Hoderlein und anderer und Fraktion (SPD)
zur Änderung des Bayerischen Katastrophenschutzgesetzes (Drucksache 14/11574)
Erste Lesung –
Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Das Wort hat Herr Schindler.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe Herrn Welnhofer hier eigentlich kaum verstanden, höchstens dahin gehend, dass er den eigenen Antrag überhaupt nicht gelesen hat oder dass er nicht hinter dem Inhalt des eigenen Antrags steht. Er hat über den Irak und Saddam Hussein, Herta DäublerGmelin und über eine schreckliche Bluttat geredet, die in Augsburg abgeurteilt wurde und keine Sexualstraftat, sondern ein reiner, fürchterlicher Mord war.
Der Antrag der CSU bezieht sich allein auf die Reform des Sexualstrafrechts; das ist etwas ganz anderes. Sie haben angedeutet, dass Sie vielem in dieser Gesetzesvorlage Berlins zum Sexualstrafrecht zustimmen können. Darauf hätten Sie sich vielleicht konzentrieren sollen, ohne hier einen Rundumschlag zu machen in Gelegenheiten und Situationen, die mit Ihrem eigenen Antrag überhaupt nichts zu tun haben. Deswegen bin ich fast etwas ratlos, wie man mit Ihnen diskutieren kann.
Mit Ihnen kann man nicht diskutieren. Sie haben hier etwas anderes behandelt, das nicht Gegenstand Ihres eigenen Antrags ist. Herr Präsident, das entspricht den Gebräuchen dieses Hauses nicht so ganz.
Wenn es Ihnen ebenso wie uns wirklich darum ginge, zielgerichteter und schärfer gegen Sexualstraftäter vorzugehen, hätten Sie sich diesen Antrag und das, was
dahinter steht, ersparen können. Denn dahinter steht eine Verzögerung dieses Gesetzgebungsverfahrens durch Interventionen im Bundesrat, und damit machen Sie sich selber schuldig, wenn in Berlin bestimmte Vorgaben der Bundesregierung und der Koalition nicht zügig durchgesetzt werden können. Das ist doch die Situation.
Deswegen haben wir in unserem Antrag die Zielrichtung dieses Gesetzesvorhabens sehr dezidiert begründet. Wir haben die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries zitiert, die vor weniger als zwei Wochen am 30. Januar im Bundestag Folgendes gesagt hat: „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sind abscheulich und verachtenswürdig. Jeder sexuelle Übergriff ist einer zu viel.“ Herr Welnhofer, sind Sie dagegen? Wollen Sie das nochmals verzögern? – Frau Zypries hat ferner angeführt, weshalb wir diese Straftaten nicht nur angemessen bestrafen, sondern vor allem verhindern sollten. Herr Welnhofer, sind Sie dagegen? – Das ist doch Ihre missliche Situation; denn eigentlich müssten Sie sagen, endlich geschieht in Berlin etwas und wird auf diesem Gebiet Etliches verändert. Weil sie da nicht ansetzen können, eröffnen Sie hier Nebenkriegsschauplätze. Das können Sie im Bierzelt machen, aber bitte schön nicht hier im Parlament.
In bestimmten Bierzelten würden Sie bei solchen Äußerungen ausgepfiffen, weil es da auch Leute gibt, die ein bisschen nachdenken und nicht nur blindwütig Beifall klatschen.
Ich will Ihnen deshalb außer dieser generellen Betrachtungsweise durch die Justizministerin nochmals ein paar Punkte aufzeigen, die in unserem Antrag enthalten sind. Sind Sie denn dagegen, dass für den Grundtatbestand des sexuellen Missbrauchs ein Strafrahmen von sechs bis zehn Jahren gilt? – Sind Sie dagegen, dass hier der besonders schwere Fall mit einer Strafandrohung von ein bis 15 Jahren verschärft wird, wenn Sie sich so aufführen, als ob dort nichts geschehe? –
Das Sexualstrafrecht hat natürlich mit widerlichen Handlungen zu tun. Was es in Zukunft bedeutet, dass man einen besonders schweren Fall des sexuellen Missbrauchs von Kindern mit ein bis 15 Jahren bestrafen kann – das war bisher nicht möglich, – haben Sie vornehm umschrieben. Ich kann daher dem Hohen Haus folgende Beispiele nicht ersparen. Es sind die Fälle, die auch in Berlin ausdrücklich als Beispielsfälle behandelt wurden: Bisher fielen sehr viele beischlafähnliche Praktiken, zum Beispiel der so genannte Schenkelverkehr oder die Fälle, in denen das Kind am Täter masturbieren muss, unter den einfachen sexuellen Missbrauch.
Künftig wird hier das Gericht aufgrund der Intensität der Tat und der Nähe zum Beischlaf einen besonders schweren Fall annehmen und ihn mit einer Mindeststrafe von einem Jahr bedenken können. Sind Sie hier dage
gen? – Hier reagiert man doch auf die tatsächliche Situation. Darüber müssten Sie eigentlich froh sein. Nein, Sie versuchen, das alles ins schiefe Licht zu bringen.
Genauso soll bei der Kinderpornografie die Strafe für die Besitzverschaffung auf zwei Jahre verdoppelt werden. Herr Welnhofer, sind Sie hier dagegen? – Dabei geht es auch um solche Fälle, die bisher mit dem Strafrecht gar nicht erfasst werden konnten. Ein Beispiel dafür ist der Fall, dass jemand ein Kind – etwa durch Inserat im Internet – für sexuellen Missbrauch anbietet oder anzubieten versucht. Auch das Angebot von Kindern für sexuellen Missbrauch ist in Zukunft strafbar. Die Bestrafung erfolgt unabhängig davon, ob der Täter das Angebot ernst gemeint hat oder nicht. Nur wenn es ein bloßer Witz war – etwa bei einem Kabarettisten –, kann von einer Bestrafung abgesehen werden. Wollen Sie etwa nicht, dass diese Taten in Zukunft verfolgt werden? –
Über diese Fälle wäre eigentlich zu diskutieren, und nicht über den Fall Vanessa, welcher zwar fürchterlich war, aber keine Sexualstraftat darstellte. Das Jugendstrafrecht ist in diesem Gesetzesvorhaben überhaupt nicht angesprochen worden. Darüber haben wir bei uns im Ausschuss schon ein paar Mal diskutiert. Sie haben immer vergessen, dass der Deutsche Juristentag im September letzten Jahres über diese Fragen diskutiert hat. An diesem Juristentag haben sogar Justizminister Weiß und Mitarbeiter aus dem Bayerischen Justizministerium teilgenommen. Dort haben sowohl Wissenschaftlicher als auch Praktiker – Jugendstaatsanwälte, Jugendrichter, Mitarbeiter von Jugendämtern und Beratungsstellen – gesagt, der Vorschlag der CSU sei der falsche Weg, er führe nicht zu mehr Schutz für die Opfer, sondern verfestige im Jugendlichen die Anlagen zur Kriminalität. Darüber können wir ein andermal diskutieren. Hier haben diese Fragen aber keine Rolle zu spielen, weil es um einen ganz anderen Sachverhalt geht.
Eine letzte Bemerkung. Sie haben gesagt, diese Taten müssten in jedem Fall ein Verbrechen sein. Dabei vergessen Sie das, was die Union gesagt hat: Wenn wir in jedem Fall ein Verbrechen annehmen würden, bräuchten wir auch den minderschweren Fall, in dem ein Verbrechen nicht angenommen werden kann. Ich meine damit den Fall, dass zum Beispiel ein Achtzehnjähriger einer Dreizehnjährigen einen Zungenkuss gibt. Soll das ein Verbrechen sein?
Ja, Sie haben es anders gesagt. Sie haben vom Knutschen zwischen Fünfzehn- und Dreizehnjährigen gesprochen. Sie müssen sich erst einmal die diffizile Materie des Sexualstrafrechts vor Augen führen. Wenn Sie Staatsanwalt wären, würde das Gericht, selbst wenn es noch so konservativ wäre, keine Ihrer Anklagen zulassen, weil sie rechtswidrig wären.
Kein Gericht würde diese Anklagen zulassen. Selbst wenn sie zugelassen würden, würde das Gericht niemals eine rechtskräftige Verurteilung aussprechen. Sie bringen Jugendstrafrecht und Sexualstrafrecht durcheinander. Es gibt im Strafrecht immer noch den Grundsatz der Bestimmtheit der Strafe. Die Strafe muss vorhersehbar sein. Alles das spielt für Sie überhaupt keine Rolle. Sie machen Rundumschläge. Solche Rundumschläge aber hat ein intensiver Kampf gegen solche schrecklichen Taten nicht verdient. Solche Rundumschläge führen nur zu noch mehr Enttäuschung bei der Allgemeinheit wie auch bei den Betroffenen. Deswegen sollten Sie sich schämen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dies ist ein wichtiges Gesetz, es ist ein notwendiges Gesetz. Es ist wichtig und notwendig für die politische Kultur in unserem Land. Es gab lange Jahre, in denen die grausamen Ereignisse während der Nazidiktatur möglichst verschwiegen wurden. Sie wurden von denjenigen verschwiegen, die sie eigentlich hätten mitbekommen können und müssen, die aber weggesehen haben, aber auch von denjenigen, die den Terror überlebt haben, in einer psychologischen Ausnahmesituation waren und oft lange Schwierigkeiten hatten, sich damit zu beschäftigen.
Zwei der geschichtsträchtigsten und größten Konzentrationslager befinden sich auf bayerischem Boden. Eines davon ist in Dachau. Es war ein Zufall, dass dieses Konzentrationslager nicht auf dem Boden der „Hauptstadt der Bewegung“ in München, errichtet wurde. In Dachau wurde eines der ersten Konzentrationslager in Deutschland errichtet. Dort wurde die kritische politische Elite inhaftiert, gequält und wurde zum Teil dort ermordet. Dies waren Sozialdemokraten, Gewerkschafter, Kommunisten und christliche Politiker. Aus allen Bereichen wurden Menschen dort inhaftiert und gequält.
Es war sehr schwierig nach dem Krieg, die Erinnerung daran wach zu halten, und zwar Erinnerung nicht nur als rückwärts gewandtes Gedenken, sondern als Mahnung für die Zukunft. Erfreulich ist, dass fast eine Million Menschen im Jahr nach Dachau und mehrere Hunderttausend nach Flossenbürg kommen. Viele Menschen sind aus dem Ausland, weil viele ihrer Landsleute in den Konzentrationslagern gelitten haben. Ich erinnere an den Friedhof am Leitenberg in Dachau, wo viele Tausende russische Soldaten begraben liegen, die völkerrechtswidrig an der Kugelwand des SS-Schießtruppenplatzes erschossen wurden.
Ich war sieben Jahre lang Vereinsvorsitzender in Dachau. Es war schwierig, von der Stadt Dachau einen Platz für ein internationales Jugendzeltlager zu bekommen. Wir mussten immer bis zum letzten Termin bangen, bis uns dies genehmigt wurde. All dies ist Gott sei Dank besser geworden. Einige Kollegen hier im Hause haben sich intensiv dafür eingesetzt.
Es ist notwendig, dass die Erinnerungsarbeit auf eine feste zukunftsgerichtete Grundlage gestellt und aus dem normalen Bereich der Staatsverwaltung ausgegliedert wird. Dies geschieht mit dieser Stiftung. Wir haben oft und lange diskutiert. Der erste Entwurf lag im Frühjahr 2001 vor. Inzwischen haben wir es zusammen geschafft, dass die heutige Beschlussvorlage der siebte Entwurf der Staatsregierung ist. Das ist mir in den über zehn Jahren, in denen ich im Landtag bin, noch nicht vorgekommen. Es war aber ein produktiver Prozess, und ich bedanke mich auch bei den Kolleginnen und Kollegen der CSU, insbesondere bei Herrn Spaenle und bei den GRÜNEN, insbesondere bei Frau Köhler, dass es uns gelungen ist, einen guten gemeinschaftlichen Gesetzentwurf zustande zu bringen.
Er ist dadurch gekennzeichnet, dass die ehemaligen Häftlinge, die früher nur kärglich im zentralen Organ, dem Stiftungsrat, bedacht wurden, jetzt mit drei Vertretern auftreten können. Diese Vertreter werden nicht vom sonstigen Stiftungsrat herausgepickt, sondern werden autonom entsandt. Sie werden auch dann entsandt, wenn die Häftlingsgeneration nicht mehr existiert, weil die Organisationen, die sich dieses Schicksals angenommen haben, weiter dorthin Vertreter entsenden werden. Zum Teil sind es Angehörige oder andere engagierte Menschen, die sich dieser Erinnerungsarbeit annehmen. Das war ein ganz wichtiger Punkt.
Wir haben erreicht, dass nicht nur der Stiftungsrat existiert, sondern zwei hochkarätige Gremien, die das Anliegen an beiden Gedenkorten aufgreifen, sowohl in Dachau als auch in Flossenbürg. Es wird ein Kuratorium geschaffen, in dem insbesondere die Organisationen, die viele Jahre vor Ort die Erinnerungsarbeit geleistet haben, mit mindestens einem Vertreter repräsentiert sein werden. Das Kuratorium wählt sich selbst einen Vorsitzenden, welcher an den Sitzungen des Stiftungsrats teilnimmt und nicht nur zuhört und lediglich einige Floskeln sagen kann, sondern der ein eigenes Antragsrecht in diesem Gremium hat.
Wir haben sichergestellt, dass der Stiftungsdirektor nicht auf eine staatliche Institution in Personalunion festgeschrieben ist, sondern dass er eine eigenständige Stellung hat. Dies ist in der Begründung klar zum Ausdruck gebracht. Wir haben auch bestimmte Vorgaben für das Kuratorium gemacht, das bis zu 15 Personen umfassen soll. Hier wird kraft Gesetzes der Deutsche Gewerkschaftsbund, der vor allem die Erinnerung an die vielen vertritt, die in der Anfangsphase in Dachau interniert waren und dort gelitten haben, vorschlagsberechtigt sein, ferner werden der Verband der Sinti und Roma in Bayern, der Bayerische Jugendring und mindestens je ein Vertreter aus dem Kreis der vor Ort tätigen Organisationen in Dachau und Flossenbürg vertreten sein.
Wir haben auch klargestellt, dass es nicht nur um die zentralen Orte gehen kann, sondern es war ja ein Imperium, das wie ein Netz Bayern überzogen hat. Es soll an die Außenlager – bei Dachau sind es über 100, bei Flossenbürg an die 100 – mitgedacht werden. Wir haben sie nicht sofort mit einbringen können, weil es auch Fragen hinsichtlich der Grundstücke und Ähnliches gab. Dort gibt es auch aktive Organisationen. Engagement ist auf
jeden Fall vorhanden. Das geht von Mühldorf über Kaufering bis nach Hersbruck. Auch hier ist die Gesamtheit im Blickpunkt.
Ich glaube, es ist auch wichtig, dass wir offen gehalten haben, dass weitere Gedenkorte dazu kommen können, wobei wir meinen, es sollten in erster Linie Opfergedenkorte sein und nicht Tätergedenkorte, die es ja auch in verschiedensten Facetten in Bayern gibt.
Was uns auf die Dauer wichtig ist: dass hier irgendwann einmal, wenn die finanzielle Situation wieder besser ist, eine sozusagen klassische Stiftung in Kraft tritt, die mit einem Vermögen dotiert ist, von dessen Erträgnissen sie leben kann. Wir wissen, das ist jetzt nicht möglich, aber es ist für eine Grundfinanzierung gesorgt, damit dort zusätzliches Personal eingestellt werden kann, damit die eigenständige Arbeit im nächsten Jahr beginnen kann. Im nächsten Jahr haben wir ja einige wichtige Daten, die eine Rolle spielen: der 30. Januar, 60 Jahre Geschwister Scholl und anderes. Das hat zwar keinen unmittelbaren Bezug, gehört aber auf die gleiche Ebene.
Ich bitte nochmals, den Stellenwert dieses Gesetzes wirklich zu würdigen und nach draußen weiterzutragen. Wir wissen alle, dass wir es in diesem Bereich nicht jedem Engagierten Recht machen können; aber ich glaube, wir werden dies gemeinschaftlich durchstehen, wenn wir uns das Positive dieses Gesetzes vor Augen halten.
Herzlichen Dank, und ich bitte um einstimmige Zustimmung; dieses Gesetz ist es wert.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Justizminister, das Motto Ihrer Haushaltsrede im Jahr 2000 war „Justiz in Bayern – effektiv und bürgernah“. Dieses Jahr lautet es „Leistungsstarke Justiz – Rechtsgewährung in schwieriger Zeit“. Ich meine, beide Überschriften sind irreführend, sie verschleiern die tatsächliche Situation. Um im Sprachgebrauch der Juristerei zu bleiben: In der Strafprozessordnung gibt es eine Vorschrift, die von Verdunklungsgefahr spricht. Hier im Bayerischen Landtag besteht diese Gefahr.
Noch beim Hearing am 6. Juni dieses Jahres haben Sie, Herr Justizminister, die Lage in wichtigen Teilen der Justiz als an der Grenze der Belastbarkeit liegend bezeichnet. Sie haben dies sogar noch gesteigert. Hinsichtlich der wichtigen Serviceleistungen, ohne die ein Funktionieren ja nicht möglich ist, sprachen Sie davon, dass diejenigen, die von einer dramatischen, ja katastrophalen Situation sprächen, eigentlich Recht hätten.
Das sind die Bilder, die die Situation dieser Justiz charakterisieren: Grenze erreicht, dramatisch, katastrophal. Dies wurde in dem Hearing von allen Sachverständigen anhand konkreter Beispiele bestätigt: von den Berufsvertretungen der Richter, von den Vertretungen der Justizangestellten, von den Richterräten und von den Staatsanwaltschaftsräten.
Dazu passt ein Zeitungsausschnitt, den ich gerade von Kollegin Narnhammer bekommen habe. Sonst lese ich die „Ebersberger SZ“ nicht. In der heutigen Ausgabe wird der Direktor des Amtsgerichts Ebersberg mit folgender Feststellung zitiert: „40% über dem Durchschnitt liegt bei uns jeder Richter.“
Eine solche Überbelastung stelle man sich einmal für andere Bereiche vor. Das ist nicht nur eine Frage der Belastung des Personals, sondern diese Überlastung hat Auswirkungen auf die Rechtsuchenden und auf den Rechtsfrieden. Somit ist in Bayern keineswegs alles in Ordnung.
Deswegen ist denjenigen, die nur durch Selbstausbeutung – und 40% bedeuten Selbstausbeutung – die Justiz am Laufen halten, an dieser Stelle ganz besonders herzlich zu danken, auch wenn sie eigentlich verfehlt mit Selbstausbeutung arbeiten. Also herzlichen Dank allen Justizmitarbeiterinnen und –mitarbeitern.
Hierbei geht es nicht nur um die Interessen des Personals und der Rechtsuchenden, sondern auch um den Wert der Dritten Gewalt überhaupt. Die Einschätzung der Bevölkerung gegenüber der Gerichtsbarkeit liegt ja wesentlich über der anderer Gruppen in unserer Gesellschaft, auch gegenüber den Politikern. Das müssen wir etwas neidvoll akzeptieren.Es ist ganz wichtig, dieses gute Ansehen der Justiz im Interesse des Rechtsfriedens zu erhalten. Justiz sorgt für den Schutz des Schwächeren. Sie sorgt dafür, dass das Vertrauen in den Rechtsstaat erhalten bleibt. Rechtsstaat ist auch ein unentbehrlicher Bestandteil der Rechtspolitik für eine gerechte und offene Gesellschaft ohne Ausgrenzung. Dies sollten wir uns immer vor Augen halten.
Nun hören wir natürlich die Ausreden: Dies ist die aktuelle Haushaltssituation. Da kann ich nur erwidern: Ich bin vor 35 Jahren oder noch früher zur Justiz gekommen. Die Justiz war schon immer das Armenhaus im Staate, und keiner der Justizminister hat daran ernsthaft etwas geändert.
Genauso ist es, wenn Sie auf die Gesetzesflut aus Berlin hinweisen. Die war ja nötig, weil 16 Jahre absoluter Stillstand in der Rechtspolitik geherrscht hat und viele Vorhaben, die selbst von Bayern initiiert worden sind, wie die berühmte Zivilprozessreform, 15, 20 Jahre auf Eis gelegen sind, bis sie dann endlich durch eine tatkräftige Regierung und eine tatkräftige Koalition umgesetzt wurden.
Um bei der Gesamtbilanz zu bleiben, auch im Juristischen: Sie sind in der Terminologie des Zivilrechts auf dem Weg zum Offenbarungseid. Jetzt muss man zum Gerichtsvollzieher gehen und eine eidesstattliche Versicherung ablegen. Dies ist traurig für all diese Komplexe: für das Personal, für die Rechtsuchenden, für das Ansehen der Justiz. Im strafrechtlichen Bereich gibt es einen Straftatbestand der unterlassenen Hilfeleistung. Der ist hier mindestens einschlägig, und das betrifft nicht nur den Minister, sondern auch die Fraktionsmehrheit in diesem Bayerischen Landtag. Das muss sich ändern.
Was Sie uns auf Ihrem ureigensten Bereich bieten, in Bayern Rechtspolitik zu ge-stalten, das ist so eine Mischung aus Untätigkeit und Unfähigkeit. Beides kommt wohl deswegen zustande, weil Ihr Haus nur damit beschäftigt ist, zum fünften Mal, zum sechsten Mal irgendwelche unsinnigen Vorstöße im Bundesrat zu unternehmen. Damit kommen Sie zu den eigentlichen Hausaufgaben überhaupt nicht. Da kommen dann so seltsame Sachen heraus – das kann ich mir hier nicht verkneifen – wie das Änderungsgesetz zum Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Da soll ein über 100 Jahre altes Gesetz in Bayern, das seine Wur
zeln in vielen Jahrzehnten, die vorher, noch im 19. Jahrhundert, lagen, wo es um den Grenzabstand der Bäume geht, plötzlich verändert werden. Bisher gab es klare Regelungen: Zwei Meter Abstand, wenn es über fünf Jahre geht, ist der Beseitigungsanspruch verjährt. Sie fügen jetzt ein unter angeblichem Hinweis auf irgendein Amtsgericht, dass es Beseitigungsansprüche für Bäume geben sollte, wenn sie in „Grenznähe“ stehen, also auch jenseits der zwei Meter, und dass die fünf Jahre Verjährungsfrist auch nicht gelten sollen, wenn dies „unzumutbar“ ist für den Nachbarn, der eine Beseitigung haben will.
Es gibt Äußerungen zu diesem Gesetz: Man könne sich gut vorstellen, dass in der Nähe eines kühlen Waldgrundstücks, das einer erwirbt, weil es dort billiger ist, später wegen Verschattung die Entfernung der Bäume verlangt werde. Die jetzt vorgesehene Regelung – so heißt es in einem Ausschuss dieses Landtags – löse diesen Konflikt nicht. Die Prozesse seien programmiert, der Rechtsfrieden werde durch diese Regelung nicht gesichert. Ich erwarte jetzt einmal Beifall,
und zwar auch von Ihrer Seite, der CSU,, weil dies ein Zitat Ihres Kollegen Vocke ist, das er im Umweltausschuss gebracht hat.
Nun gibt es eine Rückzugslinie der CSU, die lautet: Na ja, da gibts ein paar bei uns, die halten diese Regelung für völlig verfehlt. Wir haben es jetzt auch nicht weiterverfolgt. Das ist ein Erfolg. Heute hat mich, gerade als ich in den Rechtsausschuss gehen wollte, eine besorgte Frau angerufen, die sagte: Kann man das denn nicht verhindern? Ich habe jetzt Angst, dass mein Nachbar kommt, seit zehn Jahren haben wir das Grundstück, und verlangt, dass wir die Bäume entfernen sollen. Die Landschaftsgärtner haben gesagt: Wir brauchen in Zukunft gar keine Bäume mehr zu pflanzen, weil jeder Angst hat, dass sie bald wieder gefällt werden müssen. Wir können uns besser Sägen anschaffen, um die vorhandenen Bäume abzusägen.
All das haben Sie angerichtet, Herr Justizminister, und jetzt ist die verklausulierte Entschuldigung der CSUFraktion, man wolle keine eigentlich nicht notwendigen Gesetze. Die Gesetzesflut wolle man nicht vergrößern. Nun war das wirklich das erste substanzielle Justizgesetz seit zwei Jahren. Vorher haben wir einmal zusammen das Schlichtungsgesetz gemacht, da waren wir gemeinsam auf dem richtigen Weg. Das haben wir auch gemeinschaftlich verabschiedet. Jetzt kommt dieses Gesetz. Sie werden auch von der CSU zurückgepfiffen, zu Recht. Sie sollten sich einmal überlegen, was Sie in Ihrem Haus eigentlich anstellen.
Ich bin vom Kollegen Welnhofer gebeten worden, nicht allzu viel Häme auszugießen. Das würde ich auch gar nicht machen. Aber ich will nur erwähnen, vielleicht können Sie Ihre Pressestelle ein bisschen in Zaum halten.
Die haben dann eine Überschrift gemacht: „Merkwürdiges Geholze der SPD-Baumexperten“ und haben einen anerkannten Sachverständigen, der in neun Auflagen zum Nachbarrecht ein Buch veröffentlicht hat und früher auch einmal in diesem Landtag war, den Kollegen Dr. Kaub, als „Gartenzwergexperten“ benannt.
Mit dieser Bezeichnung haben Sie sich jetzt selber lächerlich gemacht. Ich kann das gerne zurückgeben. Was Gartenzwergexperten im Bayerischen Landtag mit bewirkt haben, dass Sie Ihren Unsinn zurücknehmen müssen, das ist doch ganz schön.
Aber genauso geht es natürlich mit der Untätigkeit. Wie ist es mit den Gerichtsvollziehern? Bei unserer letzten Ausschusssitzung mussten wir wiederum die Situation der Gerichtsvollzieher behandeln. Immer wieder in den letzten Jahren haben sie sich an den Landtag gewandt, und wir haben dankenswerterweise mit der CSU auch manche Verbesserung erreicht. Was die Bürokostenpauschale betrifft, mussten sie erst sieben, acht Jahre einen Prozess bis zum Bundesverwaltungsgericht führen, das jetzt wieder zurückverwiesen hat. Aber haben Ihre Leute dann vielleicht gesagt: Das packen wir jetzt an, in drei Monaten ist das erledigt? Nein, wir mussten darum kämpfen, überhaupt einen Bericht zu bekommen. Das ist abgelehnt worden. Was erreicht wurde, ist eine Petition, auch mit der CSU, als Material. Das braucht es doch nicht, liebe Leute. Gerichtsvollzieher sind ja auch nicht für sich selber tätig, sondern sie sollen den Gläubigern endlich zu ihrem Geld verhelfen. Was nutzt der schönste Titel, wenn du das Geld nicht hast? Also auch hier Untätigkeit, Untätigkeit. Man muss bei diesem Ministerium fast Daumenschrauben ansetzen.
Was ist mit dem Verfassungsgerichtshof? Hermann Leeb ist nicht da. Er sagt jedes Mal in der Richterwahlkommission, es müsse doch jetzt endlich wieder mal ein berufsrichterliches Mitglied in den Verfassungsgerichtshof aus dem Bereich des Oberlandesgerichts Bamberg. Ich kann ihn da immer nur unterstützen. Es muss aber endlich auch einmal jemand hinein, der nicht der CSU nahe steht, sondern auch anderen gesellschaftlichen Gruppen.
Was die Richter in ihrer Bedrängnis betrifft, so könnte man den Leuten wenigstens ein bisschen Unterstützung geben, wenn es um ihre eigenen Angelegenheiten geht. Alle drei Richterverbände haben Vorschläge vorgelegt, wie man bei Beförderungen die Richterschaft besser einbindet. Sie wollen keinen Richterwahlausschuss – da brauchen Sie keine Angst zu haben, darüber werden wir noch mal reden müssen bei der Verfassungsänderung zum Konnexitätsprinzip und Ähnlichem. Sie wollen einen Einigungsausschuss nach baden-württembergischem Vorbild. Die CSU hat diese Vorschläge seit Monaten – sie blockt ab. Das Ministerium hat es auch seit Monaten – es blockt ab. Das sind verschiedene Abstufungen. Der
Bayerische Richterverein, wahrlich nicht im Verdacht der großen Progressivität, will dies. Die Vereinigung der Verwaltungsrichter will dies. Die Neue Richtervereinigung will dies in abgestufter Form. Wir wären ja bereit, das auf einem relativ niedrigen Level zu machen. Aber nein, Untätigkeit, Untätigkeit. Dieses Justizministerium frönt dem Wort eines Justizministers – ich weiß nicht, wann das war, vor 150 Jahren, glaube ich –, der gesagt hat: Ich kann mit der Unabhängigkeit der Richter sehr gut leben, solange ich allein über deren Beförderung entscheide. – Das ist die Situation in Bayern, und davon sollte man wegkommen,
und zwar wegkommen zusammen mit den Richtern. Es ist schon gekennzeichnet worden, wie sie arbeiten.
Diese Unfähigkeit ist natürlich auch bei vielen Ihrer Vorstöße auf Bundesebene festzustellen. Sie haben heute wieder erklärt, wie wichtig es sei, endlich die Mindestverbüßungsdauer bei Lebenslang von 15 auf 20 Jahre aufzuwerten.
Sie wissen genau, dass Sie damit mit dem Bundesverfassungsgericht in Konflikt kommen. Sie begründen das mit dem Anstieg der Schwerstdelikte in der letzten Zeit – die sind in der „Bild“-Zeitung besonders angestiegen; dass wissen wir aber unabhängig davon: Sie täuschen die Leute, dass bei schweren Delikten schon jetzt nach 15 Jahren nicht Schluss ist. In § 57 a des Strafgesetzbuches steht „Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn erstens 15 Jahre der Strafe verbüßt sind, zweitens nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet...“ Bei schweren Straftaten ist demnach sowieso nicht bei 15 Jahren Schluss. Sie müssen dafür also eine bessere Erklärung finden.
Sie haben wieder den Dauerbrenner Jugendstrafrecht angeführt. Sie wollen die Heranwachsenden, also die 18- bis 21-Jährigen weitgehend, in der Regel nach Erwachsenenstrafrecht behandeln. Am 20. September, kurz vor der Bundestagswahl, fand in Berlin der Deutsche Juristentag statt. Er hat diese Frage behandelt. In ihm sind Juristen aus allen möglichen Ebenen; nicht nur Politiker, die auf Populismus achten, wie Sie, sondern auch Wissenschaftler und Praktiker aus dem Vollzug. Dort wurde ein Antrag behandelt, die Heranwachsenden generell in das Erwachsenenstrafrecht einzubeziehen. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Dazu und zu den Argumenten hätten Sie einmal ein Wort sagen können. Er wurde mit 57 zu 13 Stimmen bei 4 Enthaltungen abgelehnt. Größere Mehrheiten kann man sich selbst in diesem Landtag kaum vorstellen. Das war auch nichts Neues – die Kollegin Förstner hat Ihnen das in unserem Ausschuss schon einmal vorgebetet. Darüber hinaus hat diese Vereinigung, die ungeheures Renommee hat – das betonen auch Sie immer wieder –, über die Frage der Einbeziehung der Heranwachsenden diskutiert. Sie möchte umgekehrt, dass die 18- bis 21-Jährigen in das Jugendstrafrecht einbezogen werden. Ein diesbezüglicher Antrag wurde mit 33 zu 25 zu 1 angenommen – nicht so klar, aber auch eine deutliche Mehrheit. All das
verschweigen Sie uns. Das verschweigen Sie in Ihren Presseerklärungen und Pressekommuniques. Dies ist doch keine redliche Arbeit, sondern zeigt, dass Sie mit falschen Karten spielen.
Bei der Sicherungsverwahrung im Zusammenhang mit Sexualstraftaten ist es genauso. Wie lange hat es gedauert, bis aus den mickrigen 14 Plätzen im bayerischen Strafvollzug in der sexualtherapeutischen Abteilung in München, die auf 22 Plätze ausgebaut war, mehr geworden sind? Wie viele Anträge mussten wir stellen, damit etwas geschieht? Der beste Schutz ist, wenn man Leute therapieren kann. Wir wissen, dies geht nicht bei allen. Bei vielen geht es aber. Wenn diese Chance versäumt wird und es passiert wieder etwas, sind Sie schuld. So war es auch bei dem ersten schlimmen Fall, bei der kleinen Natalie. Es war ein bayerischer Strafgefangener, der aus dem bayerischen Vollzug vorzeitig entlassen worden war und dann in Epfach am Lech dieses grausame Delikt begangen hat. Sie haben da eigene Fehler zu verantworten. Das sollten Sie auch einmal bedenken.
Natürlich machen Sie auch die ZPO-Reform mies. Das ist längst gegessen. Viele Richter sagen: Gott sei Dank. Die Kollegen, die bisher nicht so flexibel waren, die bisher keine Rechtsmeinung zum Besten gegeben haben, die bisher nicht möglichst viel Gütliches versucht haben, müssen das jetzt auch machen. Wir haben es schon immer gemacht. Es war gerade der Sinn dieser Zivilprozessreform, etwas zu verbessern.
Die Schuldrechtsmodernisierung problematisieren Sie auch wieder. Mein erster Chef im Justizministerium 1965 – Herr Held war nach mir dort – war Herr Herbst, später Präsident des Bayerischen Obersten Landesgerichts. Ich habe ihn neulich einmal gefragt: Was halten Sie eigentlich von der Schuldrechtsmodernisierung und dem Gezeter der Bayern, dass sie gestückelt und zum Teil erst später in Kraft gesetzt werden soll? Herr Herbst hat mir gesagt, dass er das absolut nicht versteht. Er hat dies schon Ende der Siebziger-/ Anfang der Achtzigerjahre in Kommissionen, in die er von Bayern geschickt worden ist, diskutiert und Anregungen gegeben. Auch diesbezüglich sollten Sie ein bisschen ehrlicher sein, wenn Sie solche Kritik üben.
Beim Opferschutz machen Sie ein paar Projekte. Auf Bundesebene blockieren Sie aber etwas, was wichtig wäre – da kommt der Egoismus auch anderer Bundesländer zum Ausdruck –, nämlich etwa den Vorschlag, 10% der Einnahmen aus Geldstrafen an die Opferschutzverbände auszureichen. Dies wäre eine sinnvolle Geschichte. Sie blockieren dies aber und sagen nichts dazu.
Ich bin auf die nächsten Reformvorhaben gespannt, zum Beispiel die freiwillige Gerichtsbarkeit. Nach Äußerungen Sachkundiger gibt es über 350 Verfahren. Hier liegen Momente der Vereinfachung. Sie werden es aber so machen wie immer, weil Ihre zum Teil retardierenden Richter und die Rechtsanwälte, die sich etwas Neues anschauen müssten, sagen werden: Ja, später, aber
nicht mit uns. Da können Sie sich Meriten erwerben; aber diese Reform muss erst einmal kommen.
Zum Betreuungsrecht. Wir haben neulich eine Petition aus diesem Gebiet gehabt. Sie sagen zu Recht: Wir müssen weg von den Berufsbetreuern und hin zu Menschen, die das ehrenamtlich machen. Aber wie sieht denn die Realität aus? Ein ehrenamtlicher Betreuer, der in Herrsching wohnt, während sich der Betreute in einem Pflegeheim in München befindet, möchte ihn gerne wenigstens zweimal im Monat besuchen. Das geht aber nicht; höchstens einmal im Monat ist möglich. Dies ist blödsinnig. Es steht doch ganz klar fest, dass dadurch außer Rechtsanwälten, die feste Gebühren erhalten, niemanden animiert wird, eine Betreuung zu übernehmen.
Sie haben gesagt, wir gewähren so viel sachliche Unterstützung; Stichwort: das berühmte zentrale Mahngericht. Dazu kann man doch nur sagen: Endlich ist das zentrale Mahngericht gekommen. Andere Länder wie BadenWürttemberg und Hessen haben das schon Jahre vorher gehabt. Bayern ist hier das Schlusslicht – sonst sind Sie doch nach Ihrer Propaganda immer ganz vorn. Was war bei der Einführung der Videoeinrichtungen zum Opferschutz, zur Vernehmung der Zeugen nicht im Angesicht des Täters? Wir waren mit unserem Ausschuss damals in Nürnberg. Man hat gemeint, dass irgendein Laie beim Media-Markt gewesen und irgendetwas zusammengekauft hat. Mittlerweile ist es besser geworden, zum Beispiel in Coburg. Bayern ist hier aber nicht an der Spitze.
Zur PC-Ausstattung. Andere Länder sind da viel weiter. Bayern hinkt hinterher. Schauen Sie sich einmal an, was in Nordrhein-Westfalen ist.
Wir haben verschiedene Anträge zur Verbesserung der auch aus Ihrer Sicht katastrophalen Personalsituation gestellt. Ich muss wiederholen: Es geht nicht nur um das Personal, seine Überlastung und Selbstausbeutung, sondern es geht genauso um die Interessen der Gläubiger, die zunächst einen Titel brauchen. Dazu brauchen Sie Richter, und um den Titel vollstrecken lassen zu können, brauchen Sie Gerichtsvollzieher.
Es geht auch um den strafrechtlichen Schutz. Wir wissen alle, dass ein schnelles Behandeln sehr wichtig ist. Dies muss aber rechtsstaatlich sein. Bei den Bewährungshelfern ist ja jetzt Gott sei Dank, nachdem wir jahrelang für eine Verstärkung plädiert haben, ein klein wenig passiert.
Lieber Herr Kollege, Sie haben unsere entsprechenden Haushaltsanträge immer abgelehnt. Sie haben sich vielleicht im stillen Kämmerlein Gedanken darüber gemacht, konnten sich aber nicht durchsetzen. Das nutzt doch den Bewährungshelfern und der Allgemeinheit nichts, die dann besser geschützt werden kann, wenn ein Bewährungshelfer weitere Straftaten verhindern kann. Dies ist doch der Hintergrund. Außerdem haben die Bewährungshelfer ausgerechnet, dass der Freistaat
sogar etwas spart, wenn sie weniger Probanden haben, um die sie sich dann besser kümmern können.
Wir haben immer wieder Anträge gestellt, die Präventionsmaßnahmen und ambulanten Maßnahmen im Jugendstrafrecht zu verbessern. Es gibt leider immer noch Staatsanwälte, die sich bei Anwendung des Jugendstrafrechtes, wo dieses möglich ist, für einen Täter-Opfer-Ausgleich oder ein Anti-Gewalt-Training aussprechen, in deren Landgerichtsbezirk es so etwas aber nicht gibt oder die fachkundigen Leute maßlos überlastet sind. Die Folgewirkungen sind auch hier ganz klar.
Sie singen immer das hohe Lied der Kinder und wie man diese betreuen müsste.
Wissen Sie, wie sich die Überlastung der Richter auswirkt? In einem normalen Gericht mit sehr fleißigen Richtern streiten Eltern, wer das Kind für sich bekommt und wie das mit den Besuchsrechten ist. Ein Richter sagte uns im Juni dieses Jahres: „Diesen Eltern kann ich nur einen ersten Termin Anfang Dezember geben.“ Was in den sechs Monaten auf dem Rücken der Kinder ausgetragen wird, kann sich jeder vorstellen. Auch das haben Sie zu verantworten.
Beim Justizvollzug leiden Sie, Herr Justizminister, natürlich unter den Folgelasten Ihrer Vorgängerinnen und Vorgänger, die vergessen haben, dass der Strafvollzug auch zur Resozialisierung dienen sollte und die nur auf Absicherung gesetzt haben. Wir haben aber immer noch die Situation, dass Bayern bei den gut ausgebildeten Justizvollzugsbeamten gegenüber den alten Bundesländern im Durchschnitt bei weitem das Schlusslicht ist. Die würden sich gerne ihrer Zöglinge annehmen, Hinweise geben und versuchen, einzuwirken, dass diese befähigt sind, danach ein straffreies Leben zu führen. Aber was passiert? Die werden oft 23 Stunden eingeschlossen, weil nicht genügend Personal für den Aufschluss auf einem Gang vorhanden ist. Was passiert? Ungeheure Restriktionen beim Besuch oder beim Telefonieren, weil dafür Begleitung erforderlich ist. Das ist kein Strafvollzug, der der Allgemeinheit dienlich sein kann. Es ist in weiten Bereich ein bloßer Verwahrvollzug. Das ist der falsche Weg zur Sicherung der Allgemeinheit.
Zum Schluss: Konzentrieren Sie sich – Sie haben ja viele Mitarbeiter da sitzen – bitte primär auf die bayerische Justiz. Machen Sie Ihre Hausaufgaben und lassen Sie die bayerische Justiz nicht personell austrocknen. Tragen Sie dazu bei, dass das Ansehen der Justiz in unserem demokratischen Rechtsstaat nicht weiterhin Schaden leidet. Das wäre Ihre Aufgabe und nicht solche die wahre Situation vertuschenden Reden zu halten, wie sie heute gehalten worden sind.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sollten uns jetzt nicht darüber unterhalten, wie das Bundesverfassungsgericht wahrscheinlich entscheiden wird; darüber gibt es verschiedene Einschätzungen. Ich gehe davon aus, dass das Zuwanderungsgesetz am 1. Januar in Kraft treten wird.
In dem Zuwanderungsgesetz gibt es die Vorschrift des § 25, die überschrieben ist mit den Worten „Aufenthalt aus humanitären Gründen“. In diese Vorschrift ist in diesem komplizierten Verfahren in letzter Minute ein Absatz 4 a – das zeigt schon, wie spät die Änderung erfolgt ist – eingefügt worden, in dem bestimmt wird, dass es auch dann, wenn ein Aufenthaltstitel nach den gesetzlichen Vorschriften nicht erteilt werden kann oder nicht verlängert werden kann, dennoch eine Möglichkeit gibt, entgegen den gesetzlichen Bestimmungen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, und zwar dann, wenn durch Rechtsverordnung eines Bundeslandes eine Stelle geschaffen wird, die meint, es bestünden dringende humanitäre oder persönliche Gründe für die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet. Das ist etwas, was jahrelangen Forderungen der bayerischen SPD entspricht.
Dies bedeutet nicht, dass dann, wenn sich diese Stelle – ich sage einmal, dass sie Härtefallkommission heißen könnte – für einen weiteren Aufenthalt ausspricht, die Sache entschieden ist. Das ist nur sozusagen der Türöffner für die Verwaltung, damit sie nicht von vornherein sagen muss, das verstößt gegen die gesetzlichen Vorschriften. Ein positives Votum der Härtefallkommission gibt ihr nur die Möglichkeit, entgegen den gesetzlichen Vorschriften zugunsten des Ausländers zu entscheiden. Die Beurteilung durch die Kommission ist sozusagen der Türöffner. Wir stehen jetzt vor der Situation, dass Bayern sich weigert, eine solche Kommission zu schaffen. Damit ist es nicht möglich, dass die Ausländerbehörden ausnahmsweise von der Rechtslage abweichen. Nun gibt es die Äußerungen des Kollegen Kreuzer im Ausschuss, es bedürfe keiner Härtefallkommission. Den Parteikollegen im weiteren Sinne, den saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller, der für eine solche Klausel eingetreten ist und diese in der Zuwanderungskommission der CDU durchgesetzt hat, bezichtigt er damit, Unsinn zu reden und etwas in einem Gesetz haben zu wollen, was gar nicht nötig ist. Das ist ein reiner Vorwand, den Herr Kollege Kreuzer hier vorbringt. Er erklärt, die Bestimmung des Absatzes 4, in der von humanitären und dringenden persönlichen Gründen die Rede sei, decke die gesamte Bandbreite ab. Das ist aber nicht der Fall. Die Voraussetzungen sind hier zum Teil enger. Es geht um einen vorübergehenden Aufenthalt, und es geht darum, einen Aufenthaltstitel zu verlängern und ihn nicht primär zu erteilen.
Absatz 4 a erweitert dagegen die humanitären Möglichkeiten. Wenn Herr Kollege Kreuzer sich einmal die Mühe machen würde, das Zuwanderungsgesetz nicht nur allgemein zu verteufeln, sondern die Gesetzesbegründung zu lesen, wäre ihm das schnell klar geworden. Auf Seite 166 der amtlichen Begründung steht nämlich, dass Absatz 4 Satz 1 die bislang nach § 55 Absatz 3 mögliche Aussetzung aufgreift und in das neue Gesetz überträgt. Jetzt hört Herr Kreuzer wieder nicht zu; er hat das
sowieso nicht gelesen, weil er aus ideologischen Gründen dagegen ist; das wissen wir ja. Satz 2 entspricht nach der amtlichen Begründung inhaltlich der Möglichkeit zur Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Absatz 2 des Ausländergesetzes. Fälle, die schon bisher im Ausländergesetz drin waren, sind also in Absatz 4 geregelt. Absatz 4 a geht darüber hinaus. Dies zu leugnen, widerspricht jedem gesunden Menschenverstand und dient nur als Vorwand, um diese zusätzliche, auch aus der Sicht der CDU notwendige Möglichkeit abzulehnen.
Wir kennen alle Fälle – nicht nur aus dem Flüchtlingsbereich –, die bisher schon abgelehnt wurden, obwohl es § 55 Absatz 3 und § 30 Absatz 2 des Ausländergesetzes gibt. Wir haben das im Petitionsausschuss immer wieder. Manchmal kommt sogar der Spruch, „leider“ können wir nichts machen. Wenn sich der CSU-Bürgermeister, der katholische Pfarrer, der Inhaber des größten Betriebs, die Schulleiterin, die Kindergartenleiterin und der Sportvereinsvorsitzende für eine Familie einsetzen, dann ist die CSU nicht mutig genug, zu sagen, wir wollen nicht, dass die Leute hier bleiben. Sie sagen dann, leider gestattet uns das Gesetz das nicht. Das ist die Zwiespältigkeit und Verlogenheit der CSU.
Sie hätten jetzt die Möglichkeit das Problem über Absatz 4 a zu regeln. Dies will man nicht unter Vorwänden, die nicht gerechtfertigt sind. Deswegen tritt die SPD für das ein, für das etwa der evangelische Landesbischof eintritt, für das etwa der Präsident der Diakonie in Bayern eintritt, für das etwa die Stadt München eintritt und für das auch die Wohlfahrtsorganisationen eintreten. Das wäre die eigentliche Lösung.
Das Verfahren wird nicht in vielen Fällen zum Zuge kommen. Der Punkt, der neben der aberwitzigen Ansicht von Herrn Kollegen Kreuzer, das sei sowieso schon möglich, oft genannt wurde, ist die Befürchtung, es würde ein neuer Rechtsweg eröffnet.
Auch dies ist ein Schmarrn sondergleichen, denn es gibt etwas Ähnliches im Strafrecht, wo dies hundertfach praktiziert wird. Das sind die sogenannten Gnadenentscheidungen. Diese sind auch als solche anfechtbar. Das ist aber in der Realität kein neuer, umfangreicher Rechtsweg, sondern man weiß genau, dass ein ganz weites Beurteilensermessen besteht und dass nur dann mit Erfolgsaussicht angefochten werden kann, wenn die Gnade etwa mit der Begründung verwehrt wird, jemand sei Jude, Schwarzer oder eine Frau.
Mehr kann auch in diesem Fall nicht passieren. Ich nehme an, dass die Härtefallkommission nicht solche Begründungen geben wird. Ich kann das Verhalten der CSU nur so verstehen, dass sie ihre rigide und unmenschliche Ausländerpolitik auf dem Rücken einzelner Menschen und ganzer dörflicher Gemeinschaften weiter fortführen will. Das ist schändlich und sollte hier nicht geschehen.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Frau Kollegin Köhler.
Wenn ein Antrag zurückgestellt wird, muss das der Antragsteller erklären. Wir nehmen das Angebot der CSU an. Das erkläre ich gleichzeitig auch für das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Danke schön, Herr Hahnzog. Dann wird der Antrag zurückgestellt, bis das Gesetz in Kraft getreten ist
und wir erneut darüber befinden können.
Außerhalb der Tagesordnung gebe ich gemäß § 24 Absatz 2 der Geschäftsordnung folgende von der SPDFraktion mitgeteilten Ausschuss-Umbesetzungen bekannt:
Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten: Herr Abgeordneter Dr. Manfred Scholz und Herr Abge
ordneter Klaus Zachert anstelle der ausgeschiedenen Abgeordneten Renate Schmidt und Dr. Heinz Köhler.
Ausschuss für kommunale Fragen und innere Sicherheit: Herr Abgeordneter Thomas Döbler anstelle der Frau Abgeordneten Christa Naaß.
Das Hohe Haus nimmt davon zustimmend Kenntnis.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für heute schließe ich die Sitzung. Ich hoffe, dass wir morgen um 9 Uhr alle wieder da sind. Ich wünsche einen angenehmen Abend.
zur 103. Vollsitzung am 05.12.2002
Es bedeuten: