Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 64. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.
Meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Sitzung fällt auf ein denkwürdiges Datum. Heute, am 8. Mai, erinnern wir uns an den Tag vor 56 Jahren, der für uns Deutsche das Ende des Krieges und die Befreiung von nationalsozialistischer Diktatur und Barbarei brachte. Wir gedenken an diesem Tag der Opfer des Krieges und der Gewaltherrschaft. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, dass dieses Kapitel unserer Geschichte stets als Mahnung für die Gegenwart präsent bleibt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor Beginn der Tagesordnung möchte ich noch einige Glückwünsche aussprechen. Runde Geburtstage feierten am 9. April Frau Kollegin Theresa Schopper, am 17. April Herr Kollege Alexander König und am 5. Mai Herr Kollege Dr. Thomas Jung. Halbrunde Geburtstage feierten Herr Kollege Siegfried Schneider am 7. April und Herr Kollege Rainer Boutter am 14. April. Ich gratuliere den Genannten im Namen des Hohen Hauses und persönlich sehr herzlich und wünsche Ihnen für das neue Lebensjahr alles Gute, vor allem Gesundheit und Erfolg bei der Erfüllung ihrer parlamentarischen Aufgaben.
und eröffne gleich die allgemeine Aussprache. Im Ältestenrat wurde eine Redezeit von 45 Minuten pro Fraktion vereinbart. Als Erstem erteile ich Herrn Kollegen Welnhofer das Wort.
Herr Präsident, Hohes Haus! Zu Beginn eine Bemerkung, die ich mir gar nicht aufgeschrieben habe, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich wusste, dass wir im Gesetz zur Reform von Landtag und Staatsregierung eine ganze Reihe von Regelungen getroffen haben, aber ich kann mich nicht erinnern, dass wir in diesem Gesetz eine Verkleinerung des Kabinetts auf acht Personen beschlossen haben – aber es werden ja laufend mehr.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das war jetzt die Captatio gegenüber der Opposition. Es kommt aber schon noch anders.
Nach der 1997 vom Landtag beschlossenen und am 8. Februar 1998 durch Volksentscheid bestätigten Änderung der bayerischen Verfassung werden ab Oktober 2003 nur noch 180 Abgeordnete den Bayerischen Landtag bilden. Diese 180 Mandate müssen auf die Wahlkreise, also die Regierungsbezirke, exakt nach Maßgabe der deutschen Hauptwohnsitzbevölkerung verteilt werden. Dabei verliert jeder Wahlkreis mindestens zwei Mandate. Innerhalb der Wahlkreise muss dieser Verlust jeweils auch durch Umbildung und Auflösung von bestehenden Stimmkreisen umgesetzt werden. Dies ist unser heutiges Thema.
Der Verfassungsänderung waren verschiedene Vorschläge vorangegangen, die zum Teil noch wesentlich einschneidendere Verkleinerungen des Parlaments verfolgten. So gab es unter anderem Vorschläge mit 160 Abgeordneten, mit 144 Abgeordneten – das wären 100 Listenmandate und 44 Stimmkreise gewesen; der Vorschlag kam natürlich von einer kleinen Partei –, und es gab sogar einen Vorschlag mit insgesamt nur 104 Abgeordneten. Ich will nicht pessimistisch sein, aber wenn es das Homogenitätsprinzip in Artikel 28 des Grundgesetzes mit seiner Existenzgarantie für die Landesparlamente nicht gäbe, hätten wir uns vielleicht sogar mit Vorstellungen auseinandersetzen müssen, den Bayerischen Landtag abzuschaffen. Vom Freizeitparlament allerdings ist ohnehin immer wieder einmal die Rede. Ich meine, wir sollten uns schon darüber Gedanken machen, weshalb unser Parlament bei manchen Bürgerinnen und Bürgern – ich sage bei manchen, Gott sei Dank nicht bei den meisten – des Landes ins Gerede gekommen ist oder jedenfalls nicht mehr uneingeschränkt akzeptiert wird. Diese Diskussion kann aber nicht heute geführt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer nicht handelt, wird behandelt – das war, so meine ich, der entscheidende Gedanke zu Beginn der interfraktionellen Verhandlungen über eine Verkleinerung des Landtags und andere Maßnahmen zur Reform von Landtag und Staatsregierung. Die generelle Stimmungslage gegenüber dem Parlament und seiner Zusammensetzung war, so meine ich, im Jahr 1997 wohl kritischer als heute. Ich denke, die Verkleinerung des Landtags auf künftig 180 Abgeordnete konnte zur Entspannung beitragen, mag sie nun der Sache nach geboten gewesen sein oder nicht. Ich persönlich bin der Auffassung, der Sache nach wäre sie nicht geboten gewesen. Denn die Aufgaben, die auf uns als Parlamentarier zukommen, werden nicht weniger, sondern mehr, die Ansprüche der Bürgerinnen und Bürger des Landes an ihre Parlamentarier werden bei aller Kritik nicht geringer, sondern größer, und die Bevölkerung des Freistaats Bayern hat in den letzten Jahrzehnten nicht abgenommen, sondern ganz erheblich zugenommen, nämlich um nahezu 50%, vom Ausgangswert gerechnet. Aber das ist nicht mehr zu diskutieren.
Ich habe erklärt, warum wir uns zu diesem Schritt entschlossen haben. Es gab eine Stimmung, die ganz eindeutig auf Verkleinerung ging und auf „weniger tut’s auch“, und wer eben nicht behandelt werden will, muss handeln.
Jedenfalls ist auch die Akzeptanz des Parlaments beim Staatsvolk ein, so meine ich, hohes Gut, das es zu pflegen gilt. Es ist uns wohl gelungen, durch die Verfassungsreform 1997/98 die kritische Diskussion über den Landtag wenigstens vorläufig zu beenden. Ich halte das für einen ganz beachtlichen Erfolg, der den häufig sehr schmerzlichen Eingriff in die bestehenden Strukturen der Stimmkreise rechtfertigt.
Die hierfür notwendige Verfassungsänderung – ohne Volksinitiative – konnte nur mit einer Zweidrittelmehrheit im Landtag verwirklicht werden. Infolgedessen mussten sich die Fraktionen des Hauses auf eine gemeinsame Linie verständigen. Zugeständnisse beider Seiten waren unabdingbare Voraussetzung für die Realisierung des Vorhabens.
Dabei hätten wir von der CSU-Fraktion uns eine Regelung gewünscht, ausdrücklich gewünscht und auch so in die Verhandlungen eingebracht, die jedenfalls eine große Stimmkreisreform, wie wir sie heute haben, entbehrlich gemacht hätte.
Auch im Interesse der unmittelbaren Beziehungen zwischen Wählern und Gewählten hätten wir von der CSU es vorgezogen, die Verkleinerung des Landtags ausschließlich über die Listenmandate zu vollziehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein verfassungsrechtliches Hindernis dafür hat es nicht gegeben.
(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Hoderlein (SPD): Das kann euch doch egal sein, was wir wollen! Ihr macht ja eh, was ihr wollt!)
wie ich schon gesagt habe, weil wir für das Vorhaben eine Zweidrittelmehrheit im Landtag benötigten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, viel Verärgerung bei den betroffenen Wählerinnen und Wählern vor Ort wäre dem Landtag, viel Verärgerung wäre den Abgeordneten aller Fraktionen und Parteien erspart geblieben. Aber das liegt natürlich nicht vorrangig im Interesse der Opposition. Denn wegen der bestehenden Mehrheitsverhältnisse müssen wir von der CSU – und bei der Stimmkreisreform geht es schließlich wieder um einfachgesetzliche Regelungen – letztlich entscheiden und so den Unwillen der Betroffenen auf uns ziehen. Der Opposition kommt das natürlich sehr gelegen und mindert den Ärger in den eigenen Reihen ganz beträchtlich, zumal sie es vorzieht, von Ausnahmen abgesehen, im Wesentlichen ohne eigene Vorschläge, wie man es besser machen könnte, den Regierungsentwurf abzulehnen. Alternativlose Kritik ist leicht, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird aber der Sache nicht gerecht.
Sie entziehen sich der Verantwortung, um sich Schwierigkeiten in den eigenen Reihen und mit der eigenen Klientel zu ersparen. So ist die Lage, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Leider konnten wir dem Volk die Vorstellungen der CSU nicht vorlegen, weil Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, sich diesen Vorstellungen aus zwar durchaus erklärlichen, aber nicht respektablen parteipolitischen Überlegungen massiv widersetzt haben. Sie wollten eine Lösung, die für Sie parteipolitisch ungünstig gewesen wäre, wie Sie meinen, nicht haben.
Offenbar sind Sie der Auffassung, dass die Lage in Bayern, wie sie jetzt ist, noch längere Zeit anhält. Das hoffen wir allerdings auch.
Infolgedessen sind nunmehr in den Wahlkreisen bzw. Regierungsbezirken insgesamt zwölf Stimmkreise aufzulösen. Im Einzelnen gehen verloren in Oberbayern vier Stimmkreise – zwei davon in München –, in Niederbayern ein Stimmkreis, in der Oberpfalz ein Stimmkreis, in Oberfranken ein Stimmkreis, in Mittelfranken ein Stimmkreis, in Unterfranken zwei Stimmkreise und auch in Schwaben zwei Stimmkreise.
Bleiben wir bei der Wahrheit, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Stimmkreisreform beruht nicht nur und nicht in erster Linie auf der vorgenommenen Verringerung der Mandate, sondern auch und ganz besonders auf der von den Sozialdemokraten gegen den Willen der CSU durchgesetzten Verfassungsbestimmung in Artikel 14 Absatz 1 Satz 5 der Bayerischen Verfassung, nach der je Wahlkreis höchstens ein Stimmkreis mehr gebildet werden darf, als Abgeordnete aus der Wahlkreisliste zu wählen sind. Ich wiederhole: Man hätte diese Verfassungsbestimmung auch weglassen oder anders fassen können. Aber das war mit Ihnen nicht zu machen; das haben Sie nicht gewollt. Diese Bestimmung war unverzichtbare Bedingung der SPD bei den Verhandlungen. Das ist die Wahrheit, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Zur Umsetzung des verfassungsrechtlichen Gebots der Wahlengleichheit – „Erfolgswertgleichheit“ nennt man das – in Artikel 14 Absatz 1 Satz 1 der Bayerischen Verfassung wurde ergänzend Folgendes vereinbart – es ist zunächst nicht in eine Rechtsvorschrift umgesetzt worden; aber es ist vereinbart worden –: Die Größe der Stimmkreise soll sich künftig an den Regelungen des Bundeswahlrechts orientieren. Orientieren! Auch das war eine zentrale Forderung der SPD bei den Verhandlungen über die Verfassungsreform.
Eine schematische Geltung der Grundsätze des Bundeswahlrechts wurde jedoch nicht vereinbart. Die jetzt im Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Landeswahlgesetzes enthaltene Regelung geht infolgedessen über die getroffene Vereinbarung sogar noch hinaus; denn sie schreibt, dem Bundeswahlgesetz nahezu wortgleich nachgebildet, sinngemäß vor, dass die Einwohnerzahl eines Stimmkreises vom Durchschnittswert im jeweiligen Wahlkreis nicht mehr als 15% abweichen soll und nicht mehr als 25% abweichen darf.
Bei der Bildung der Stimmkreise gelten damit im Wesentlichen folgende Grundsätze. Erstens. Jeder Landkreis und jede kreisfreie Stadt bildet einen Stimmkreis. Dieses Prinzip der Deckungsgleichheit soll gewährleisten, dass vorrangig eine Durchschneidung von Landkreisen durch Stimmkreisgrenzen, aber nachrangig auch eine Durchschneidung von Stimmkreisen durch Landkreisgrenzen unterbleibt, soweit es unter Berücksichtigung anderer wichtiger Grundsätze möglich ist. Sinn der Verfassungsbestimmung, die es schon viele, viele Jahre lang gibt, ist, dass in kommunale, kulturelle, sozioökonomische sowie historisch gewachsene Strukturen so wenig wie möglich eingegriffen wird. Was zusammen gehört, soll nicht getrennt werden.
Infolgedessen ist es bei der Bildung von Stimmkreisen auch zu vermeiden, meine Damen und Herren, dass es zur Aufteilung eines Landkreises auf drei Stimmkreise oder umgekehrt zur Erstreckung von Stimmkreisen auf drei – oder natürlich mehr – Landkreise kommt. Eine solche Dreiteilung von Landkreisen und von Stimmkreisen soll unterbleiben, soweit nicht übergeordnete Gesichtspunkte dazu nötigen.
Von einer solchen Dreiteilung ist indes nicht auszugehen, meine Damen und Herren, wenn zwei Landkreise deckungsgleich einen Stimmkreis bilden oder umgekehrt mehrere Stimmkreise deckungsgleich innerhalb der Grenzen eines Landkreises oder einer kreisfreien Stadt liegen, wie wir im Raum München gleich zweifach sehen. Denn in einem solchen Fall wird nicht getrennt, was zusammengehört.
Teile von kreisangehörigen Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften dürfen schon aufgrund ausdrücklicher Bestimmungen des Landeswahlrechts nicht abgetrennt und verschiedenen Stimmkreisen zugeordnet werden. Diese Grundsätze können auf Stadtbezirke großer Städte allerdings nicht übertragen werden; denn es liegt auf der Hand, dass diese nicht annähernd eine mit
selbstständigen politischen Gemeinden oder Gemeindeverbänden vergleichbare Zusammengehörigkeit oder gar Einheit aufweisen.