Protokoll der Sitzung vom 22.05.2003

Wir hatten gestern ein Gespräch mit Sachverständigen verschiedener Couleur. Herr Vogel hat es bereits erwähnt. Dabei war auch ein Vertreter der Universität Regensburg. Dort gibt es ein Institut, in dem versucht wird, eine Beratung für Menschen verschiedener Nationalitäten zu entwickeln, wie sie sich auf bestimmte Felder begeben können. Sie beraten zum Beispiel schon seit einigen Jahren die Bundeswehr dahin, wie Bundeswehrsoldaten mit ihren Kollegen und Einheimischen umzugehen haben, die sie bei ihren Einsätzen in den anderen Ländern treffen. Auch dort stand im Mittelpunkt, dass für die Integration Orientierungssicherheit von großer Bedeutung ist. Die Integration ist also nicht nur eine Frage des Geldes und der Sprachfähigkeit, sondern geht darüber hinaus und bedeutet auch ein sicheres Lebensgefühl. Was Sie in Ihren 128 Änderungsanträgen machen, lieber Herr Regensburger, geht weit hinter das geltende Ausländergesetz zurück. Es ist eine Orgie an Repressionen. Da wird das Gesetz in Zukunft nicht mehr Zuwanderungs- oder Ausländergesetz heißen, sondern es wird – wie in ganz schlimmen Zeiten – wieder Ausländerpolizeiverordnung bzw. -gesetz heißen. Das ist Ihr Ansatz. Das führt nicht zur Lebenssicherheit und Orientierungssicherheit, sondern zu Verunsicherung.

Ein paar Punkte sind schon genannt worden: vier Jahre Ehe vor einem eigenen Aufenthaltsrecht des einzelnen Ehegatten. Da geht es um die Sprachprüfung. Der Ausländer kann sich nicht bereits freuen, dass er den Kurs bestanden hat, denn die Ausländerbehörde kann es

noch einmal überprüfen. Da gibt es die Verdachtsausweisung in bestimmten Fällen.

(Regensburger (CSU): Ganz wichtig!)

Da ist die Ausweisung nach 90 Tagessätzen statt eine bisher nach 180 Tagessätzen enthalten.

(Regensburger (CSU): Auch ganz wichtig!)

All dies führt nicht zu mehr Sicherheit, sondern zu mehr Repression und Unsicherheit. Ihre misslungenen Versuche der Ausreisezentren wollen sie gar noch zur Pflicht machen trotz der desolaten Ergebnisse, die sie damit in Fürth erzielt haben. Es ist widersinnig, dass Sie sich diesen ganz banalen Erfahrungstatsachen widersetzen.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage Ihnen, Sie werden es bereuen, wenn Sie noch weiter blockieren, und noch mehr werden Sie es bereuen, um des Friedens in unserer Gesellschaft willen, wenn Sie Ihre eigenen 128 Änderungsanträge auch nur zum Teil durchsetzen.

(Regensburger (CSU): Besser kein Gesetz als dieses!)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nun ist die Aussprache abgeschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt. Über die beiden Dringlichkeitsanträge der Fraktionen der CSU und der SPD soll in namentlicher Form abgestimmt werden.

Ich lasse zuerst über den Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, Zuwanderung gestalten – Integration fördern – Humanität bewahren, auf Drucksache 14/11765, Tagesordnungspunkt 21, abstimmen. Der federführende Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Wer dagegen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Dies sind die Fraktionen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie Herr Kollege Hartenstein. Gegenstimmen? – Das ist die CSU-Fraktion. Stimmenthaltung? – 3 Stimmenthaltungen. Dann ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die Dringlichkeitsanträge, die in namentlicher Form erfolgen soll. Ich lasse zuerst über den Antrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 14/12491abstimmen. Für die Stimmabgabe sind die entsprechend gekennzeichneten Urnen bereitgestellt. Die Ja-Urne ist auf der Seite der Opposition, die Nein-Urne aufseiten der CSU-Fraktion, die Urne für Enthaltungen auf dem Stenografentisch. Mit der Stimmabgabe kann begonnen werden. Hierfür stehen fünf Minuten zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 17.02 bis 17.07 Uhr)

Die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt. Ich gebe das Ergebnis später bekannt.

Wir fahren zwischenzeitlich mit der namentlichen Abstimmung über den Antrag der CSU-Fraktion auf Drucksache 14/12496 fort. Für die Stimmabgabe werden die entsprechend gekennzeichneten Urnen bereitgestellt. Die Ja-Urne ist dieses Mal auf der Seite der CSUFraktion, die Nein-Urne aufseiten der Opposition, die Enthaltungs-Urne befindet sich wieder auf dem Stenografentisch. Mit der Stimmabgabe kann nun begonnen werden. Dafür stehen wieder fünf Minuten zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 17.07 bis 17.12 Uhr)

Die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt. Das Ergebnis gebe ich später bekannt. – Wir fahren zwischenzeitlich mit der Beratung der Dringlichkeitsanträge fort.

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Dr. Dürr, Dr. Runge, Kellner, Paulig, Scharfenberg, Sprinkart und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bericht Verkehrsdurchführungsvertrag (Drucksache 14/12492)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Dr. Runge.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Da Kollege Dinglreiter sogleich erklären wird, dass seine Fraktion unserem Antrag zustimmen könne –

(Gabsteiger (CSU): Das ist ein Hellseher!)

er wird es allerdings anders formulieren, er wird sagen, der Antrag habe sich erledigt, weil er gestern Mittag zufällig den Termin mit dem Minister ausgemacht hat, den wir gestern Mittag beantragt haben, aber das ändert an der Sache nichts –, kann ich mich auf wenige Sätze beschränken.

Fakt ist: Der Abschluss des Verkehrsdurchführungsvertrages ist überfällig. Der erste Vertrag zwischen der Bayerischen Eisenbahngesellschaft und der DB AG vom 30. Mai 1996, in dem Art und Umfang des Schienenpersonennahverkehrs im Freistaat, soweit er von der DB AG erbracht wird, geregelt sind, hatte eine Laufzeit bis Ende 2001. Es gab zwar eine Verlängerungsoption, aber die Staatsregierung hat sie nicht in Anspruch genommen.

Was ist jetzt passiert? – Von Vertretern der Staatsregierung wie auch von Mitarbeitern des zuständigen Ministeriums haben wir immer wieder erfahren dürfen, dass der Vertrag demnächst abschlussreif sei. Das war vor zwei Jahren so, das war auch vor einem Jahr so, aber abgeschlossen wurde ein Vertrag bisher nicht. Ich möchte noch an eines erinnern: Obwohl der Freistaat Aufgabenträger und Besteller, also damit Bezahler des Schienenpersonennahverkehrs ist, kam der erste Verkehrsdurch

führungsvertrag unter weitgehender Ausblendung des Landtags und seiner Ausschüsse zustande. Beschlusslage des Landtags ist jetzt, dass der Landtag über den Ausschuss für Wirtschaft, Verkehr und Technologie „in die laufenden Verhandlungen zum Verkehrsdurchführungsvertrag einzubinden“ ist. Dieser Antrag wurde im federführenden Ausschuss und auch im Plenum einstimmig angenommen. Aus den Protokollen geht hervor, dass „einbinden“ für uns nicht heißt, ein fertiges Vertragswerk einfach nur abnicken zu können oder zu müssen. Darauf legen wir ganz, ganz großen Wert vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem letzten Vertrag. Dieser war nämlich in einigen Punkten granatenmäßig schlecht. Damals gab es jede Menge Versäumnisse, die nur sehr, sehr schwer, zum Teil auch gar nicht geheilt werden konnten.

Gestern wurde in den Medien breit über Kahlschlagpläne für Nebenstrecken berichtet. Wir sagen ganz klar: Wir wollen keine Verschlechterung im Bahnverkehr auf dem Land. Wir wollen auch nicht – zumal die Einbindung des Landtags jetzt Beschlusslage ist –, dass irgendwann im Sommer der Vertrag geschlossen wird und anschließend – selbstverständlich nach der Landtagswahl – die daraus folgenden Grausamkeiten verkündet werden. Deswegen bitte ich um Zustimmung. Herr Kollege Dinglreiter, ich freue mich sehr, dass Sie es gleich gestern geschafft haben, Minister Wiesheu davon zu überzeugen, zu uns in den Ausschuss zu kommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Dinglreiter.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Dieses Antrags hätte es nicht bedurft.

(Widerspruch und Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Minister Wiesheu – Herr Schläger ist Zeuge – hat selbst zugesagt, dass er dem Wirtschaftsausschuss vor Abschluss des Vertrags noch einmal einen Bericht geben wird. Seit einiger Zeit versuche ich, mit ihm einen Termin abzustimmen. Gestern, nachdem ich das gesehen habe, habe ich noch einmal mit ihm gesprochen, und wir haben uns darauf festgelegt, dass der von ihm zugesagte Bericht in der Ausschusssitzung am 5. Juni zwischen 8.00 Uhr und 10.00 Uhr vormittags gegeben wird.

(Zuruf von der CSU: Das ist ja mitten in der Nacht!)

Ich bitte die Damen und Herren des Wirtschaftsausschusses, sich gleich darauf einzurichten, indem sie früher als sonst schlafen gehen.

Eine Zusage lag vor, und die habe ich jetzt konkretisiert. Aus diesem Grund besteht kein Bedarf für diesen Antrag. Wenn Herr Dr. Runge ihn nicht zurückzieht, werden wir ihn ablehnen, weil diese Aufforderung nicht notwendig ist.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Unruhe)

Ich habe den Eindruck, dass es heute nur darum ging, über das zu reden, was in der „tz“ und in der „Abendzeitung“ stand. Das soll aber nicht Gegenstand von Beratungen im Bayerischen Landtag sein. – Wir werden dem Antrag nicht zustimmen.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Schläger, bitte.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Herr Dinglreiter, da unterscheiden wir uns. Ich bin der Meinung, dass man, obwohl der Bericht schon vorgesehen war, dem Antrag zustimmen kann, weil er in die Richtung des Vorgesehenen geht. Wie dem auch sei: Es hat in der Tat lange gedauert, bis der Berichtstermin zustande kam. Der alte Verkehrsdurchführungsvertrag ist bereits am 31. 12. 2001 ausgelaufen. Vielleicht trifft in diesem Fall das alte deutsche Sprichwort zu: Was lange währt, wird endlich gut. Ich weiß aus gewissen Quellen, dass die Verhandlungen nicht einfach waren. Jetzt scheint es so zu sein, dass 30% der Strecken ausgeschrieben werden müssen. Damit kann man ganz gut leben.

Eines ist ganz wichtig: Selbst wenn es nicht so im Antrag steht, sollte die Staatsregierung so vernünftig sein, den Bericht nicht nur über den Verkehrsdurchführungsvertrag zu geben, sondern ihn um das zu erweitern, was gestern in den Medien zu lesen war. Es ist in der Tat sehr beunruhigend, wenn man von weiteren Streckenstilllegungen lesen muss.

Irgendwo ist sicherlich etwas durchgesickert. Wenn es nicht so ist, sollte der Minister sagen, dass dies alles nicht zutreffe, dass das erfunden und nicht daran gedacht sei, die Strecken Traunstein, Garching an der Alz usw. stillzulegen. Das wäre ganz wichtig. Er sollte auch die Ungereimtheiten ausräumen und die Fragen um die BEG beantworten. Es wäre nicht gut, wenn die Vorwürfe bis hin zur Vetternwirtschaft im Raum stehen blieben. Wenn diese Vorwürfe bis in vierzehn Tagen ausgeräumt werden könnten, wäre dies gut; wenn nicht, besteht der Verdacht, dass an den Vorwürfen etwas dran ist.

Es ist zu hoffen, dass die Änderungen beim Vorstand der Deutschen Bahn AG den Abschluss des Vertrages nicht zurückwerfen. Die SPD wird dem Antrag zustimmen.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN betreffend „Bericht Verkehrsdurchführungsvertrag“, Drucksache 14/12492, zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD und der Abgeordnete Hartenstein (fraktionslos). Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der CSU. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, gebe ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmungen bekannt. Für den Dringlichkeitsantrag der Fraktion der SPD betreffend „Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in Bayern“, Drucksache 14/12491, gab es 57 Ja-Stimmen, 67-Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 4)

Außerdem gebe ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag der Fraktion der CSU betreffend „Ablehnung des Zuwanderungsgesetzes“, Drucksache 14/12496, bekannt. Es gab 66 JaStimmen, 57 Nein-Stimmen und drei Enthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 5)

Die übrigen Dringlichkeitsanträge werden wegen Zeitablaufs in die Ausschüsse verwiesen. Das Hohe Haus ist damit einverstanden.