Protokoll der Sitzung vom 22.05.2003

Die SPD bekommt erneut die Chance, einem derart zwingend notwenigen Sofortprogramm ihre Zustimmung zu geben.

(Maget (SPD): Wer?)

Morgen ist erneut die Chance für die SPD-regierten Länder, im Bundesratsplenum diesem Sofortprogramm mit der Gewerbesteuerumlagensenkung zuzustimmen. Morgen findet erneut die Nagelprobe statt.

(Maget (SPD): Deckungsvorschlag?)

Reden Sie hier nicht drum herum sondern sagen Sie Ihren Kollegen, sie sollen zustimmen.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Deckungsvorschlag?)

Das ist die Not der Gemeinden, und morgen können wir sie wirklich retten.

(Beifall bei der CSU – Maget (SPD): Welchen Deckungsvorschlag haben Sie?)

Es ist eine unglaubliche Chuzpe, hier ständig Forderungen zu stellen, die am Ort der Handlung im Bundestag und Bundesrat von Ihren Genossen nicht befolgt werden.

Das waren doch Sie! – Frau WernerMuggendorfer (SPD): Sie machen das doch! Gehen Sie doch dorthin. Oder haben Sie in diesem Land überhaupt nichts zu sagen? (Beifall bei der CSU)

Herr Maget hat einen Katalog an Dingen vorgetragen, was wir machen sollen.

(Maget (SPD): Wo ist denn Ihr Deckungsvorschlag?)

Gestern, in der Haushaltsausschusssitzung, haben Ihre Kollegen, Herr Maget – –

(Maget (SPD): Deckungsvorschlag?)

Sie haben das zigmal hintereinander gesagt, sagen Sie doch mal etwas Neues oder gehen Sie ans Rednerpult.

(Güller (SPD): Antworten Sie doch!)

Herr Kollege Maget, Sie sind Fraktionschef und Chef Ihrer Haushälter. Diese haben gestern in der Sitzung des Haushaltsausschusses ausdrücklich gesagt, sie würden sich zum ausgeglichenen Haushalt 2006 bekennen. Wenn Sie dies tun, müssen Sie unserem Weg des Sparens zustimmen und nicht der Nettoneuverschuldung.

Meine Damen und Herren, wir haben 505 Millionen Euro an Steuerausfällen im Jahr 2003 zu verkraften. Wir werden dies in Bayern nicht dadurch erledigen, indem wir schlicht und einfach die Verschuldung nach oben fahren, wie alle Länder und wie der Bund. Ich halte das für unverantwortlich. Wenn wir die nächste Generation von weiterer Zinslast befreien wollen, dürfen wir jetzt, in schwieriger Situation, nicht den Weg des Ausweichens auf eine Nettoneuverschuldung gehen.

Das Land Nordrhein-Westfalen verzeichnet in diesem Jahr eine Nettoneuverschuldung von 3,8 Milliarden Euro. Wir haben 350 Millionen Euro. Nordrhein-Westfalen liegt also mehr als zehnmal so hoch wie wir. Trotz

dem – so habe ich gelesen – werden sie mit einem Nachtragshaushalt auf über 5 Milliarden Euro gehen. Dies ist die Zahl für ein einziges Land, mit dem wir uns stets vergleichen. Vergleichen Sie deren unsolide Haushaltspolitik mit unserer soliden. Wir lassen uns nicht von unserer soliden Sparpolitik abbringen, auch nicht durch einen Nachtragshaushalt, den Sie fordern. Ein Nachtragshaushalt wird und kann aufgrund der technischen Abläufe in diesem Jahr gar nicht mehr wirken. Er kann deshalb nichts anderes sein, als ein Flugzeugträger für zusätzliche Starts und zusätzliche Nettoneuverschuldung.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, wir waren immer fair zu den Kommunen. Das belegt der Umstand, dass wir in den Finanzausgleichsverhandlungen, die Kollege Dr. Beckstein, Kollege Ach und ich gemeinsam führen, stets einvernehmliche Ergebnisse hatten. Auch dieses Mal. Ich habe dieses Mal bei der Schlussabstimmung sogar noch draufgelegt. Der kommunalen Ebene werden außerdem dauerhaft 73 Millionen Euro pro Jahr zugeschoben, weil wir seit März 2002 die Lasten aus dem Asylbewerberleistungsgesetz übernommen haben.

Wir werden mit den kommunalen Spitzenverbänden über Artikel 15 des Finanzausgleichsgesetzes reden. Das haben wir für das nächste Jahr zugesagt. Sie haben im Gegensatz zu Ihnen Beifall geklatscht. Für den Fall, dass keine Vernunft herrscht – morgen nicht im Bundesrat und dann auch nicht im Bundestag – werden wir im Hinblick auf ein Sofortprogramm die Kommunen nicht im Regen stehen lassen. Dazu müssen wir ein entsprechendes Konzept „schnitzen“. Dazu haben wir in diesem Jahr Zeit. Ich habe den Auftrag dazu. Die Kommunen können sich darauf verlassen, dass ich sie nicht im Stich lassen werde.

(Anhaltender Beifall bei der CSU)

Jetzt hat Herr Kollege Boutter das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatsminister Dr. Faltlhauser, Sie haben gerade eben gesagt, dass der Bund die kommunale Finanzreform verzögere. Ich meine, dass Ihr Nebelkerzenwurf uns nicht nach vorne bringen wird.

(Beifall bei der SPD)

Sie sagten, der Bund und die Kommission verzögerten. Ich entgegne: Wir mahnen seit über zehn Jahren die kommunale Finanzreform in Bayern an, und seit über drei Jahren ist eine interministerielle Arbeitsgruppe tätig.

(Frau Radermacher (SPD): Und noch nichts passiert!)

Jetzt hat sie einen Vorschlag gemacht, der erst auf Ministerebene beraten werden muss. Sie selbst antworten auf meine Mündliche Anfrage, es sei falsch, „Schnell

schüsse“ zu machen, denn es gebe komplizierte Wechselbeziehungen, die abgewogen werden müssten.

(Frau Radermacher (SPD): Ach ja, aber nur in Bayern?)

Herr Dr. Faltlhauser, ich kann das bald nicht mehr hören.

(Beifall bei der SPD)

Ich frage Sie: Welche Vorleistungen haben Sie in sechzehn Jahren CSU-Verantwortung im Bund erbracht, um die schwierigen Wechselbeziehungen zu dem Punkt zu bringen, dass die Bundesregierung überhaupt schnell hätte handeln können?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist richtig, dass uns die Schuldzuweisungen nicht weiterbringen in Bayern. Herr Dr. Beckstein hat gestern gesagt, der Ruck in den Köpfen sei erforderlich, manchmal aber auch ein Tritt in den Hintern. Es nützt also nichts, Herr Kollege Dr. Faltlhauser und Herr Kollege Herrmann, wenn Sie vom Rednerpult aus nach Berlin zeigen und zu geifern anfangen.

(Beifall bei der SPD)

Unseren Städten und Gemeinden in Bayern nützen die Krokodilstränen nichts, die Sie seit vorgestern vergießen. Sie sagen zum BDI-Modell und zur Gewerbesteuerreform nein. Ich weise darauf hin, dass Staatsminister Huber in der letzten Plenarsitzung sich nicht festgelegt hat. Er hat nicht abgelehnt, das BDI-Modell weiter zu verfolgen, und er hat sich nicht für das Gewerbesteuermodell der Kommunen ausgesprochen. Insofern tun Sie tatsächlich nichts anderes als Nebelkerzen zu werfen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Ettengruber, Sie haben gesagt, die Kommunen seien erst seit der rot-grünen Bundesregierung in einer solch schwierigen Lage. Aus meiner Heimatstadt Würzburg kann ich berichten, dass sie schon in den neunziger Jahren Bedarfszuweisungen beantragt und dies sicherlich nicht im Vorgriff auf eine mögliche Änderung der Mehrheitsverhältnisse im Bund getan hat. Voraussetzung ist, Herr Kollege Dr. Faltlhauser, dass die Kommunen unverschuldet in eine Notlage geraten. Dazu haben Sie auf meine Anfrage, ob die Kommunen Bedarfszuweisungen bekommen hätten, gesagt:

Ich habe kein Geld und ich will den ausgeglichenen Haushalt 2006; wenn kein Geld da ist, gibt es auch keine Bedarfszuweisungen. Deshalb frage ich Sie: Was hilft eine solche Aussage unseren Kommunen, die unverschuldet in eine Notlage geraten sind?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich glaube, Herr Kollege Mehrlich hat auf die Entwicklung der Finanzen in Bayern einschließlich der negativen Auswirkungen der RZWas immer wieder hingewiesen. Bayern fährt die Verschuldung nach unten, die Kommunen müssen gleichzeitig die Verschuldung nach oben fahren. Das sind korrespondierende Röhren, die wir alle

kennen. Wir, die SPD, haben seit Jahren darauf hingewiesen, dass man dagegen etwas tun muss. Sie haben nichts getan.

(Meyer (CSU): Ihr möchtet doch nur eine Neuverschuldung!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zum Stichwort Schulfinanzierung, nachdem ich zuvor die Stadt Würzburg erwähnt habe. Alleine die kommunalen Schulträger in Bayern tragen laut Aussagen des Ministeriums im Jahr 185 Millionen e an zusätzlichen Lasten, die eigentlich vom Land getragen werden müssten. Die CSU-Staatsregierung verweigert den kommunalen Schulträgern die Personalkostenerstattung. Diese Ungerechtigkeit wirkt sich gerade in meiner Heimatstadt Würzburg eklatant aus.

(Frau Radermacher (SPD): Einmalig in Deutschland!)

Das ist einmalig in Deutschland; Sie haben Recht mit Ihrem Zwischenruf.

Herr Kollege Meyer, Sie sagten, dass jeder fünfte Euro an die Kommunen gehe. Dieser goldene Zügel aber nützt den Kommunen überhaupt nicht. Ich möchte es Ihnen an zwei Beispielen meiner Heimatstadt darlegen. Dort sollen eine Brücke und jetzt ganz aktuell eine Staatsstraße saniert werden. Die kleine Lösung, nämlich die notwendige Sanierungsmaßnahme, kann nicht durchgeführt werden, weil es dafür keine Zuschüsse gibt. Stattdessen bläht man die Maßnahmen auf. Es gibt aufgeblähte Zuschusslösungen, die der Kommune letztendlich fast genauso hohe Eigenmittel abverlangen. Volkswirtschaftlich gesehen werden dadurch viel zu hohe Kosten verursacht.

Die Redezeit ist zu Ende, ich komme deshalb zum Schluss. Die Ungerechtigkeit in Bayern bleibt. Ich fordere Sie auf, die Probleme zu lösen, die wir in Bayern lösen können; ich meine damit die Schulfinanzierung, die Schulsozialarbeit, die Schülerbeförderungskosten usw. Wenn Sie von einem Aufschwung für die Wirtschaft sprechen, kann ich Ihnen, Herr Minister Faltlhauser, nur sagen: Sorgen Sie dafür, dass die Kommunen, unsere Städte und Gemeinden, wieder Aufträge vergeben und ihre Aufgaben erfüllen können. Dann kommen wir sicherlich weiter. Handeln Sie in Bayern endlich, sonst wird der Tritt in den Hintern demnächst noch kräftiger ausfallen.

(Beifall bei der SPD – Willi Müller (CSU): Ja, für die SPD!)