Protokoll der Sitzung vom 22.05.2003

(Beifall bei der SPD – Willi Müller (CSU): Ja, für die SPD!)

Herr Kollege Dr. Kempfler, jetzt sind Sie an der Reihe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist richtig, dass es gestern in Berching Enttäuschung gegeben hat. Die Enttäuschung hat es aber nur bei der SPD gegeben, weil sich gezeigt hat, dass die Kommunalpolitiker von der Stellungnahme von Herrn Staatsminister Dr. Beckstein nicht enttäuscht waren,

sondern dass sie seine Ausführungen mit Beifall bedacht haben.

(Widerspruch bei der SPD)

Enttäuscht waren alleine Sie, weil sich Ihre Erwartungen bei dieser Kundgebung nicht erfüllt haben. Es wurde auch nicht nur kritisiert, dass der Bundesfinanzminister in Berching nicht anwesend war, sondern es wurde auch kritisiert, dass kein Vertreter der Bundesregierung und kein einziger Bundestagsabgeordneter der SPD anwesend war. Das war die Kritik, die dort erhoben worden ist.

(Sackmann (CSU): Hört! Hört! – Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Die haben halt ihre Parlamentsarbeit gemacht!)

Sie werden ja nicht alle vollzählig bei den Sitzungen in Berlin gewesen sein.

Mein sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben wiederholt angemahnt, dass keine Schuldzuweisungen gemacht werden dürfen. Es reicht nicht aus, nur Schuldzuweisungen zu machen, sondern es müssen auch die Verantwortlichkeiten aufgezeigt werden. Das ist getan worden. Sie sagen, die CSU habe Schuldzuweisungen in Richtung Berlin ausgesprochen. Die CSU hat sich der Meinung der Kommunen angeschlossen, welche die Hauptursachen für die Misere in Berlin sehen. Das ist in den Forderungen, welche schriftlich vorgelegt worden sind, zum Ausdruck gekommen, und das ist auch gestern in Berching immer wieder ausgesprochen worden. Die Hauptlast rühre daher, dass in Berlin die erforderlichen Gesetze nicht verabschiedet werden.

Ich brauche die einzelnen Stichworte nicht mehr zu nennen, aber ich möchte doch darauf hinweisen, dass unser Innenminister gestern eine ganz klare Stellungnahme abgegeben hat. Auch wenn er nicht alle Einzelheiten erläutert hat, so hat er doch erklärt, dass die Staatsregierung das BDI-Modell nicht favorisiere, sondern das Modell er Kommunen. Interessant ist dabei Folgendes: Wie gestern vom Innenminister gesagt wurde, werde das Modell der Kommunen zwar favorisiert, allerdings nicht Eins zu Eins übernommen, sondern es müssten Modifikationen vorgenommen werden. Darauf haben Sie sofort gerufen, es würde am Parlament vorbei entschieden. Sie sind also auch der Meinung, dass diese Fragen im Parlament erörtert werden müssten. Deshalb können Sie nicht verlangen, dass der Innenminister in Berching ein Konzept vorlegt und sich in allen Einzelheiten zu diesem Konzept äußert.

In Bayern haben wir für die Kommunen gesorgt. Das wird von den Kommunen auch anerkannt. Interessant ist, dass Sie noch kein einziges Mal einen Vorschlag unterbreitet haben, welche Mittel im Staatshaushalt zu Gunsten der Kommunen umgeschichtet werden sollten. Sie verlangen immer nur mehr Geld für die Kommunen, haben bisher aber mit keinem Wort dargelegt, auf welchen anderen Gebieten Kürzungen vorgenommen werden sollen.

(Frau Marianne Schieder (SPD): Das haben Sie auf Bundesebene doch auch nicht getan!)

Wir haben uns redlich darum bemüht, dass die Kommunen angemessen bedient werden. Das ist vor allem bei den Finanzausgleichsleistungen geschehen. Hier ist jeweils Übereinstimmung mit dem Finanzminister erzielt worden. Die kommunalen Spitzenverbände haben es anerkannt, dass es möglich war, mit dem Finanzminister eine einvernehmliche Regelung über die Finanzausgleichsleistungen zu treffen.

Wir werden das Konnexitätsprinzip einführen. Wir beraten darüber heute noch. Von den Kommunen ist immer wieder das Konnexitätsprinzip auf Bundesebene gefordert worden. Allerdings gibt es keine klaren Aussagen dazu, wie das Konnexitätsprinzip auf Bundesebene verwirklicht werden soll. Auch Sie unternehmen in diese Richtung nichts. Frau Kollegin Schmitt-Bussinger hat vorhin erklärt, dass es Aufgabe des bayerischen Parlaments sei, für einen Ausgleich zu sorgen, wenn es auf Bundesebene nicht gelinge, die Gewerbesteuerumlage abzusenken. Sie haben gemeint, Sie könnten auf Berliner Ebene nichts tun und müssten deshalb hier die entsprechenden Vorhaben unterstützen. Hier liegt ganz eindeutig die Verantwortung in Berlin. Es ist verantwortungslos, wenn Sie sagen, Sie könnten Ihre Freunde in Berlin nicht bewegen und Sie wollten den Freistaat Bayern für die Konsequenzen aus dieser verfehlten Politik verantwortlich machen. Wir stehen jedenfalls zu unseren Kommunen. Wir unterstützen die Kommunen nach besten Kräften und werden weiterhin an der Seite der bayerischen Kommunen stehen.

(Beifall bei der CSU)

Nächster Redner ist Herr Kollege Strasser.

(Hofmann (CSU): Jetzt kommt das Tomahawk der SPD! – Willi Müller (CSU): Polemik pur!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf die Wortbeiträge der CSU und des Finanzministers kann ich nur sagen,

(Hofmann (CSU): Sehr beeindruckend!)

so viel Heuchelei in Bezug auf die Kommunalpolitik ist mir noch nie begegnet.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Sie verlangen von uns, dass wir sagen, wie wir unsere Vorschläge finanzieren. Wir stellen fest, dass Sie bereit sind, auf die Erhöhung der Gewerbesteuerumlage zu verzichten.

Sie wollen dieses Geld gar nicht im Haushalt des Freistaats Bayern. Wenn ich höre, Herr Faltlhauser, was Sie von uns im Bundesrat fordern, dann stelle ich fest: Sie wollen diese 170 Millionen gar nicht. Wenn Sie dieses Geld nicht wollen, dann geben Sie es sofort den Kommunen zurück.

(Beifall bei der SPD)

Sie können heute sofort den Kommunen diese 170 Millionen überweisen. Aber das machen Sie nicht.

Ein Zweites: Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Tatsache ist – Sie können sich anhand Ihrer Unterlagen informieren –, dass im Haushalt des Freistaats Bayern in den vier Jahren 1998, 1999, 2000 und 2001 2,7 Milliarden e höhere Einnahmen als geplant zu verzeichnen waren. In genau diesen vier Jahren gab es bei den Kommunen unwahrscheinliche Probleme. Ich verweise auf das Schreiben des Bayerischen Gemeindetags vom 31. Mai 2000. In diesem Schreiben beklagt der Gemeindetag, dass ein Zuwendungsbedarf von 4,2 Milliarden DM besteht. Es seien 700 Millionen DM im Jahr eingeplant und es bestünden Wartezeiten von sechs Jahren. Die heutigen Probleme der Kommunen sind genau in dieser Zeit entstanden und von der CSU bzw. der Bayerischen Staatsregierung zu verantworten. Es handelt sich um hausgemachte Probleme, verursacht durch die Haushaltspläne des Freistaats Bayern.

Jetzt komme ich zu unseren Initiativen: Wir haben Ihnen immer wieder Vorschläge gemacht, Herr Faltlhauser. Gestern haben wir gehört, Herr Dr. Beckstein, was die Kommunen wollen. Die Bedarfszuweisungen müssen erhöht werden. Wir haben vorgeschlagen, die Bedarfszuweisungen im Haushalt des Freistaats Bayern anzuheben, weil es nicht in Ordnung ist, wenn im Jahr 2000100 Kommunen einen Antrag auf Bedarfszuweisungen stellen und nur zehn Anträge genehmigt werden. Die Erhöhung der dafür erforderlichen Mittel wurde von der CSU abgelehnt. Zu Artikel 15 FAG haben die Sozialdemokraten Vorschläge gemacht, um die Bezirke zu entlasten. Im Jahr 2001, als es noch vergleichsweise hohe Steuereinnahmen gab, hat die CSU entsprechende Vorstöße abgelehnt. Mit dieser Aufzählung könnte ich fortfahren, weil es zahlreiche Beispiele gibt.

Wenn Sie die UMTS-Erlöse ansprechen, muss ich sagen: Ich habe vorhin das Wort Heuchelei gebraucht und stehe auch dazu. Sie fordern einen anderen Einsatz der UMTS-Erlöse. Sie wissen aber doch ganz genau, Herr Dr. Beckstein, dass mit diesen Mitteln auch Verkehrsprojekte finanziert worden sind. Sie kritisieren auf der einen Seite, man solle die Mittel anders verwenden, auf der anderen Seite sind Sie bei jedem Spatenstich draußen und loben, dass wieder eine neue Straße gebaut werden kann. Sie müssen endlich sagen, was Sie wollen. Darauf gründet sich der Vorwurf der Heuchelei, die Sie gegenüber den Kommunalpolitikern betreiben.

(Beifall bei der SPD)

Noch ein paar Zahlen zu den für die Schülerbeförderung notwendigen Kosten: Es ist Fakt, dass im Jahr 1990 der Spielraum hinsichtlich der Ausgaben der Kommunen für die Schülerbeförderung bei 37 Millionen e lag und jetzt bei 220 Millionen e liegt. Die Kommunen haben immer mehr Leistungen übernehmen müssen, die an sich Aufgabe des Staates gewesen wären. Der Bayerische Gemeindetag hat zehn Forderungen gestellt. Ich stelle fest: Diese Forderungen werden von der Sozialdemokra

tischen Partei und der sozialdemokratischen Fraktion im Bayerischen Landtag mitgetragen, während die CSU diese Forderungen immer wieder abgelehnt hat.

Punkt eins: Erhöhung der Schlüsselzuweisungsmasse – Die Sozialdemokraten haben einen entsprechenden Antrag gestellt, die CSU hat ihn abgelehnt. Bitte sagen Sie draußen in aller Deutlichkeit: Punkt eins der Forderung der bayerischen Kommunen sind von der CSU und von der Bayerischen Staatsregierung im Parlament abgelehnt worden.

(Beifall bei der SPD)

Punkt zwei: Soforthilfeprogramm für bedürftige Gemeinden – Wir haben vorgeschlagen, die Bedarfszuweisungen zu erhöhen, aber die CSU und die Bayerische Staatsregierung haben dies abgelehnt. Herr Dr. Kempfler, Sie hätten sagen müssen, dass Sie diese Meinung nicht vertreten.

Der Gebrauch des Wortes „sofort“ ist interessant. „Sofort“ heißt für uns sofort. Was meint denn der Ministerpräsident, wenn er heute das Wort „sofort“ gebraucht? Meint er den 30. Oktober 2003, meint er den 31. März 2004, meint er den 31. Juli 2004 oder was ist „sofort“? Was muss ich als Kommunalpolitiker unter „sofort“ verstehen? Es gibt keine klare Aussage. Wir kritisieren, dass Sie Heuchelei betreiben und keine ehrliche Politik gegenüber den bayerischen Kommunen machen. Sie hätten wiederholt die Chance gehabt, unsere Anträge zu unterstützen, doch das haben Sie nicht getan. Deshalb sind Sie ganz wesentlich für die schwierige Situation der bayerischen Kommunen verantwortlich.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Sackmann.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich auf ein paar Punkte, die heute von der Opposition angesprochen worden sind, eingehen. Ich möchte Ihnen, Herr Kollege Strasser, gleich zu Beginn meiner Rede eines sagen: Sie haben davon gesprochen, dass der Freistaat Bayern sofort helfen soll. Sie haben davon gesprochen, dass wir ein Sofortprogramm auflegen sollen. Sie können den Kommunen am besten dadurch helfen – das kann schon heute sein –, dass Sie unserem Sofortprogramm zustimmen, und zwar nicht nur in Bayern, sondern auch auf Bundesebene. Dazu fordere ich Sie hier unmissverständlich auf.

Zweiter Punkt: Frau Schmitt-Bussinger spricht davon, wir würden ein Bild von einer ernsten wirtschaftlichen Lage malen. Liebe Frau Schmitt-Bussinger, es handelt sich um kein gemaltes Bild, sondern um einen dramatischen Zustand, wie er selten zuvor festzustellen war. Hunderte und Tausende zusätzliche Arbeitslose täglich oder 200 Betriebe, die täglich in die Insolvenz gehen, das alles sind Fakten, die Sie nicht wegwischen können. Ihre verfehlte Finanz- und Wirtschaftspolitik im Bund ist für den dramatischen Rückgang der Steuereinnahmen

verantwortlich. Das ist der entscheidende Punkt in dieser Diskussion.

Ich möchte nur auf eines mit eingehen: Lieber Herr Kollege Strasser, Sie haben am vergangenen Donnerstag nach Bekannt werden der neuen Steuerschätzung dem Sachverständigenrat vorgeworfen, er sei für die Situation der Steuereinnahmen verantwortlich, weil er in der Vergangenheit schlecht geschätzt habe. Fakt ist: Es ist Ihre Politik, die dieses Ergebnis zu verantworten hat und nicht der Sachverständigenrat. Das ist ein finanzpolitischer Komödienstadel, den Sie da veranstalten.

(Beifall bei der CSU)

Ein dritter Punkt: Herr Maget hat vorhin davon gesprochen, wir sollen endlich die Wahrheit sagen. Ich halte es glattweg für eine Heuchelei, ich halte es für unglaublich, wenn in dieser Woche der „Spiegel“ schreibt, wir lebten im Land der Lügen und hier stellt sich der Oppositionsführer im Bayerischen Landtag hin und sagt, wir sollten endlich die Wahrheit sagen. Wir waren es, die vor der Bundestags- und Landtagswahl immer klar gesagt haben, was wir unternehmen werden. Es ist eine Heuchelei, Herr Kollege Strasser, sich hinzustellen und zu sagen: „Machen wir etwas beim Artikel 15 oder machen wir etwas bei der Bedarfszuweisung“, ohne dass von Ihrer Seite ein einziges Mal gesagt wird, wie man die Vorhaben finanzieren soll. Ich möchte aus den Haushaltsverhandlungen ein Beispiel bringen: Herr Kollege Strasser, für den Schulhaushalt, meinen Bereich, haben Sie von der SPD – ich nehme die GRÜNEN in diesem Fall aus – Hunderte von Millionen Euro für zusätzliche Planstellen und anderes gefordert, ohne ein einziges Mal zu sagen, wie das zu finanzieren ist. Das ist Heuchelei, reine Schaumschlägerei und nichts anderes.

Letzter Punkt – Konnexität: Ich zitiere gerne Herrn Deimer und Herrn Brandl. Beide haben vor kurzem gesagt: Was hilft es uns, wenn die Konnexität in die Bayerische Verfassung mit aufgenommen wird, denn nur 10% der Probleme, die wir haben, kommen von dort, 90% der Probleme kommen vom Bund. Deswegen bitte ich Sie ganz herzlich und fordere Sie eindringlich auf: Marschieren Sie nach Berlin, demonstrieren Sie dort, machen Sie dort auf die Kommunen in Bayern aufmerksam und bringen Sie Ihre Kollegen im Bundestag dazu, endlich unserem Sofortprogramm zuzustimmen. Dann geht es vor Ort schnell besser und dann können die Kommunalpolitiker vor Ort endlich wieder gestalten. Dazu fordere ich Sie heute in aller Deutlichkeit auf.

(Beifall bei der CSU)

Herr Staatsminister Dr. Beckstein hat noch ums Wort gebeten.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als der für die Kommunen zuständige Minister, der auch gestern bei der Demonstration in Berching gesprochen hat, will ich einige Bemerkungen machen: Jeder von uns weiß, dass die Lage der bayerischen Kommunen, aber auch die Lage der übrigen Kommunen in Deutschland schwierig

ist. Es ist aber leider nicht so, dass der Bund eine Menge Geld hätte oder die Länder im Geld schwimmen würden. Wir befinden uns insgesamt in einer deutlichen Krise der öffentlichen Finanzen, von der auch sämtliche Sozialsysteme betroffen sind.

Deswegen will ich als Erstes deutlich sagen: Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir nur dadurch wieder in eine andere Richtung kommen – nicht abwärts, sondern aufwärts –, wenn wir uns einigen und nicht voll in die Schuldenmacherei hineingehen. Es wäre unanständig und unverantwortlich, wenn wir sagen würden: Wir machen Schulden und unsere Kinder sollen das zurückzahlen. Wir müssen leider eine Menge unserer Ansprüche zurückschrauben.

Das ist auf allen Ebenen notwendig. Ich sage das deswegen, weil gestern Präsident Dr. Brandl das auch vor den demonstrierenden Bürgermeistern sehr deutlich herausgestellt hat. Wir wollen keine Steuererhöhungen, sondern wir wollen eine Stabilisierung der Steuereinnahmen.

In den letzten beiden Jahren ist die Gewerbesteuer prozentual zum Teil sogar zweistellig zurückgegangen. In diesem Jahr geht auch die Beteiligung an Einkommensund Lohnsteuer zurück. Deswegen war es eine Selbstverständlichkeit – und jeder von Ihnen weiß das auch –, dass die eigentlichen Probleme, die finanziell ins Gewicht fallen, nicht in diesem Parlament zu beseitigen sind, sondern da muss sich die Bundespolitik fundamental ändern. Ohne diese Änderung werden wir nicht in eine vernünftige wirtschaftliche Situation kommen.