Protokoll der Sitzung vom 25.06.2003

(Beifall bei der CSU)

Davon könnte ich Ihnen gern einige vorlesen. Ich räume ein, Frau Werner-Muggendorfer: Bei den GRÜNEN war es noch schlimmer als bei Ihnen, das ist wahr.

(Frau Schopper (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt greifen Sie wieder tief in die Mottenkiste! – Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Mei, bin ich in der Mottenkiste weit zurückgegangen.

(Lachen des Abgeordneten Prof. Dr. Stockinger (CSU) – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Das macht mich jetzt furchtbar traurig, liebe Theresa. Ich muss ganz nüchtern und trocken sagen: Bei Ihnen braucht man nicht tief in die Mottenkiste zu greifen. Diese Entwicklung dauert bei den GRÜNEN heute noch an. Bei der SPD hat es da gewisse Veränderungen gegeben. Ich will jetzt aber hier nicht im Zwiegespräch im Einzelnen darauf eingehen; darüber können wir nachher noch reden.

Wenn präventive Maßnahmen nicht mehr greifen, stehen für Jugendliche, die durch ihr Verhalten an der allgemeinen Schule nicht mehr tragbar sind, die Schulen zur Erziehungshilfe zur Verfügung. Derzeit werden an 29 bayerischen Schulen für Erziehungshilfe rund 2200 Schüler gefördert. Das ist noch eine zusätzliche Maßnahme.

Bei einigen wenigen schwerst erziehungsauffälligen Jugendlichen mit massiver krimineller Energie erweist sich jeder Versuch der Integration als Utopie. Welche ungeheuere negative Energie manche Jugendliche oder schon Kinder haben, macht das Beispiel eines Dreizehn

jährigen deutlich, der bereits von zwei Schulen verwiesen worden ist und derzeit auf Vermittlung des Jugendamtes eine dritte besucht. Dass er dort lange bleiben wird, ist sehr unwahrscheinlich. Innerhalb weniger Wochen versetzt der Jugendliche auch die neue Schule durch zahllose schwere Vergehen in Angst und Schrecken: Ist er anwesend, ist Unterricht unmöglich. Gegenüber Mitschülern und Lehrern wird er auf brutalste Weise handgreiflich. Schlagen, Erpressen und Bedrohen wird an der Schule zum bedauerlichen Alltag, wenn er da ist. Aus Angst um ihre Kinder und ihre eigene Sicherheit erstatteten Eltern von Opfern keine Anzeige. Zu guter Letzt äußerte der Schüler im Mai wörtlich: „Ich komme aus Erfurt, und ich bringe euch alle um.“

Spätestens hier wird deutlich, dass sein Verhalten immer mehr eskaliert. Wir können nicht zulassen, dass extrem aggressive Schüler Mitschüler und Lehrer bestehlen, mobben, bedrohen, erpressen, angreifen und verletzen und anschließend dann dafür nicht die Konsequenzen ziehen müssen.

(Beifall bei der CSU)

Daher werden wir die Möglichkeiten, Schüler aus Gründen der Gefahrenabwehr vom Unterricht auszuschließen und aus dem Schulhaus zu entfernen, erweitern. Für die von der Schule vorübergehend oder auf Dauer ausgeschlossenen Intensiv- und Mehrfachtäter werden wir in Kooperation mit dem Sozialministerium so genannte Clearingstellen einrichten.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, wieder die Polizei!)

Hier werden die Kinder und Jugendlichen kurzfristig geschlossen untergebracht, um abzuklären, welche konkreten Schritte weiter unternommen werden müssen. Vorläufig sind drei Einrichtungen mit insgesamt rund 15 Plätzen geplant. Die Projekte in Würzburg und Regensburg werden voraussichtlich noch in diesem Jahr starten. Eine weitere Einrichtung wird 2004 in Hallbergmoos eröffnet werden. Wenn die Kinder und Jugendlichen in den Clearingstellen unterrichtet werden können, so wird selbst dort der Unterricht noch gewährleistet werden. Für andere Schüler, die aus regulären Klassenverbänden ausgeschlossen werden mussten oder auch für die in der Clearingstelle kein Patz ist, die aber dennoch lernwillig sind, soll künftig auch Fernunterricht erteilt werden. Die bereits bestehende erfolgreiche Zusammenarbeit und der erste Versuch, der für eine bestimmte Zahl von Schülern gut läuft – mit Baden-Württemberg läuft die Zusammenarbeit – werden wir ausbauen.

Als letztes Mittel aber, wenn alle Maßnahmen, Therapien und Bemühungen scheitern und der Schüler weiterhin schwer gewalttätig bleibt, werden wir eine gesetzliche Regelung zur vorzeitigen Beendigung der Schulpflicht treffen. Wir müssen den Bildungsanspruch unserer lernwilligen Schülerinnen und Schüler sichern und vor allem ihr Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit garantieren. Wir müssen auch unsere Lehrkräfte schützen.

(Beifall bei der CSU)

Wir haben damit ein großes Gesamtkonzept, das wirklich von der Prävention, aber auch letztendlich, wenn es die ultima ratio im Extremfall erfordert, dann auch bis zu einem Schulausschluss führen kann. Ich kann nicht mehr akzeptieren – da beschwere ich mich ganz deutlich über das Jugendamt in München –, dass Heimleiter zum Teil nicht einmal wissen, ob ihre Kinder in der Schule sind, wo sie in die Schule gehen und dass zum Teil so lange zugesehen wird, bis die Eskalation eingetreten ist. Das ist der falsche Weg. Es muss frühzeitig eingegriffen werden. Wenn es wirklich zu schwersten Gewalttaten kommt, dann kann man nicht erwarten, dass schwere Gewalttäter bei uns an den Schulen in Zukunft weiterhin Schüler und Lehrer gefährden dürfen.

Gerade das Gesamtkonzept für gefährdete Kinder und Jugendliche zeigt auf, wie groß die Herausforderungen sind, vor denen unsere Schulen stehen, und wie sehr sich diese Herausforderungen geändert haben. Wir stellen uns der Verantwortung für die Zukunft unserer jungen Generation, und ich bitte Sie, uns dabei – auch wenn wir uns dabei manchmal über die einen oder die anderen Inhalte streiten – auch über die Parteigrenzen hinweg zu unterstützen.

(Anhaltender Beifall bei der CSU – Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nach dieser demagogischen Rede?)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Ich eröffne die Aussprache. Im Ältestenrat war hierfür eine Redezeit von 30 Minuten pro Fraktion vereinbart worden; diese verlängert sich jetzt um jeweils eine Viertelstunde, weil die Rede der Ministerin gut 15 Minuten länger als die angekündigten 45 Minuten gedauert hat. – Als erste Rednerin hat Frau Kollegin Schieder das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, so kennen wir Sie, unsere Ministerin: eine forsche Rede, strotzend vor Selbstbewusstsein, –

(Lebhafter Beifall bei der CSU – Zurufe von der CSU)

voll neuer Ankündigungen, voller Wohltaten.

(Anhaltender Beifall bei der CSU)

Sie sollten vielleicht zum Schluss klatschen, das wäre angebracht.

Eine Rede voller neuer Ankündigungen und Wohltaten für unsere Schulen, –

(Kaul (CSU): Jawohl!)

die ihnen heute Morgen bestimmt schon per E-Mail zugesandt wurde, versehen mit der strengen Anweisung, dass sie auch gelesen werden muss.

Raus mit der Polemik, drauf auf die Landeshauptstadt München, drauf auf die anderen Bundesländer, drauf auf die Bundesregierung und auf die Opposition, ohne Rück

sicht auf Verluste und ohne Respekt vor den Leistungen und Bemühungen Anderer!

(Kaul (CSU): Das ist notwendig! Nicht ohne Grund!)

Man könnte meinen, es gibt niemanden außer der Bildungsministerin in diesem Land, der irgendetwas von der Politik versteht.

(Beifall bei der SPD)

Frau Hohlmeier, Sie gaben heute mit dieser Rede allen jungen Menschen in diesem Land ein schlechtes Beispiel. Ihre Rede wird ihr Verständnis für eine faire demokratische Auseinandersetzung und die Notwendigkeit, in der politischen Diskussion gemeinsam um die richtigen Lösungen zu ringen, nicht verbessern. Sie wird auf junge Menschen eher abschreckend wirken, sich in der Politik zu engagieren.

(Beifall bei der SPD)

Aber auch in der Sache ging Ihre Rede an der Realität vorbei. Sie können mir glauben: Ich würde gerne im Interesse der Sache und unserer Schulen und der jungen Menschen, die dort unterrichtet werden, aber auch der Lehrerinnen und Lehrer und der Eltern, mich hier herstellen und Ihnen zu einer positiven Bilanz Ihrer Arbeit gratulieren.

Ich kann das aber nicht tun, weil es mir so geht, wie vielen anderen Menschen, die an Bayerns Schulen, in der Jugendarbeit, in der Erwachsenenbildung, im Bereich des Sports und anderswo ihre Arbeit tun und einen Blick hinter die Kulissen wagen können, weil sie sich dort auskennen.

Ich kann keine solche positive Bilanz ziehen. Ich stelle nämlich tagtäglich fest, dass Sie sich viel zu wenig intensiv und viel zu wenig nachhaltig um die Sorgen und Nöte an unseren Schulen und in unseren Schulen kümmern und dass Sie an der außerschulischen Bildungsarbeit fast kein Interesse haben. Ich stelle tagtäglich fest, dass Sie sich weder konsequent noch engagiert den Herausforderungen der Zukunft stellen.

(Zuruf von der CSU: Ach geh!)

Wenn Sie es tun, wenn Sie die Herausforderungen der Zukunft im Bereich der Schulsozialarbeit, im Bereich der Ganztagsbetreuung, im Bereich der neuen Technologien an den Schulen erkannt haben, dann legen Sie Konzepte auf den Tisch, mit denen hauptsächlich Sie finanziell billig wegkommen und bei denen die Kosten für das Ganze zum allergrößten Teil anderen aufgebürdet werden, in den allermeisten Fällen den Kommunen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie für sich in Anspruch nehmen, sich den Herausforderungen zu stellen, dann frage ich Sie: Warum tun Sie denn um Himmels willen nichts gegen den Lehrermangel, der an unseren Schulen schon vorhanden ist und der sich noch weiter verstärken wird?

(Beifall bei der SPD)

Warum tun Sie nichts für eine gesicherte Versorgung unserer Schulen mit genügend Lehrerinnen und Lehrern? Sie wissen genauso gut wie ich, dass sich heute viel zu wenige junge Menschen für ein Lehramtsstudium entscheiden, und dass wir an den Haupt- und Realschulen, aber auch an den beruflichen Schulen bereits einen gravierenden Lehrermangel haben und dass wir ihn in wenigen Jahren auch an den anderen Schulen bekommen werden. Sie tun aber nichts oder so gut wie gar nichts.

Das ist keine Unterstellung von mir, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, sondern das ist meine Erkenntnis aus der Antwort auf eine meiner schriftlichen Anfragen zu diesem Thema. Die Antwort war mehr als dürftig und entlarvte die Untätigkeit. Auf die Frage, was Sie zu tun gedenken, räumten Sie zunächst einmal den Mangel ein, den ich auch analysiert habe. Dann schrieben Sie mir, dass Sie an den Prüfungsordnungen einiges geändert haben, dass Sie daran denken, außerbayerische Lehrerinnen und Lehrer anzuwerben, vor allen Dingen für die Realschulen – ich nehme an, dass die nicht in Bayern Abitur gemacht haben, was Sie ja sonst für bedauerlich halten –, und dass das Problem der mangelnden Lehrerinnen und Lehrer an den beruflichen Schulen kein bayerisches Problem ist.

Ja danke, wenn das Ihre Antworten sind, dann, meine ich, wird sich so schnell nichts tun. Machen Sie doch endlich verlässliche Prognosen für die Versorgung mit Lehrerinnen und Lehrern, und steigen Sie ein in eine Offensive für den Lehrberuf, und zwar in eine massive Offensive für den Lehrberuf, und gehen Sie doch den Ursachen auf den Grund, warum es zum Beispiel für die Hauptschulen keine Lehrerinnen und Lehrer mehr oder jedenfalls viel zu wenige gibt.

(Beifall bei der SPD)

Gehen Sie endlich daran, dort die Arbeitsbedingungen zu verbessern, die Pflichtunterrichtstundenzahl herabzusetzen und die Besoldung heraufzusetzen; denn kein Mensch sieht doch mehr ein, warum es innerhalb der einzelnen Lehrämter solche Unterschiedlichkeiten gibt, wo doch jeder Lehrer und jede Lehrerin in einer ganz eigenen Art und Weise eine gleichbedeutende, enorme Leistung für unsere Schülerinnen und Schüler erbringt.

Was tun Sie? – Sie schränken die Antragsteilzeit ein. Ich warte auf den Tag, an dem Sie die Familienteilzeit einschränken; denn Sie stellen jetzt schon fest, dass diese Einschränkung der Antragsteilzeit eben nicht die angedachten Folgen nach sich zieht und eben weder als kurzfristige und erst recht nicht als langfristige Lösung die eigentlich angepeilten Erfolge bringen kann. Solche Dinge kann man machen, um eine kurzfristige Notlage zu überbrücken, man kann sie aber nicht anwenden, um einen so offensichtlichen und langfristig angelegten Mangel zu bekämpfen.

(Beifall bei der SPD)

Ich frage Sie ernsthaft, weil es mir ein Anliegen ist – nicht nur mir, sondern vielen Eltern, vielen Schülerinnen und Schülern und vielen Lehrern; das entnehmen wir Briefen, das entnehmen wir Petitionen –: Wann tun Sie endlich etwas gegen den beträchtlichen und enormen Unterrichtsausfall an unseren Schulen?