Wir müssen präzise überlegen, was dieser Staat eigentlich noch leisten kann. Das eigentliche Problem ist der Umstand, dass wir auf Gedeih und Verderb auf Wachstum und wachsende Steuereinnahmen angewiesen sind. Wir müssen auf der Ausgabenseite Systeme haben, die für ihr Funktionieren nicht Wachstum zur Voraussetzung haben. Ich bin ein Befürworter von Wachstum, dann können wir gestalten. Ich bin kein Apologet des Nullwachstums. Wir müssen unsere Ausga
bensysteme, insbesondere im sozialen Bereich, so konstruieren, dass wir auch über mehrere Jahre hinweg bei geringem oder Nullwachstum über die Runden kommen. Genau so sehen unsere Ausgabensysteme derzeit nicht aus. Sie sind alle miteinander auf Dynamik angelegt. Wenn wir diesen Kreislauf nicht durchbrechen, dann werden wir auf Bundes- und Landesebene mittelfristig nicht mit unseren Haushalten zurechtkommen.
Das heißt, wir müssen diese Frage des Subventionsabbaus nicht nach den üblichen Listen, die wir alle kennen – die Sie genauso haben, Herr Hoderlein, wie wir –, durchgehen. Wir müssen grundsätzlich an die Sache herangehen. Kurzfristig müssen wir doch unsere Listen benutzen; ich sehe mit Genugtuung, dass die Listen, die Herr Koch und Herr Steinbrück vorlegen, sehr umfänglich sind und viele Gebiete abdecken. Ich halte es aber für unseriös, was Herr Eichel in seinem Bundeshaushalt 2004 macht. Er hat darin bereits einen Betrag von 1,2 Milliarden Euro zur Deckung vorgesehen mit dem schlichten Hinweis, „Subventionsabbauergebnisse der Arbeitsgruppe Steinbrück, Koch“. Die haben noch gar nichts vorgelegt. Wie ich weiß, sind die mit der Arbeit noch gar nicht fertig. Die werden auch noch gar nicht so schnell fertig sein. Eichel hat es aber schon in seinem Haushalt drin stehen. Haushaltspolitisch ist dieser Vorgang unhaltbar und mit dem Haushaltsrecht nicht vereinbar. Die Verschleierung von Haushaltslöchern sollte man in diesem Land endlich sein lassen.
Fazit des Ganzen: Wir warten ab, was die Bundesregierung macht. Sagen Sie nicht, das ist ein Ausweichmanöver. Es kann nicht sein, dass die Bundesregierung sagt, wir ziehen die Steuerentlastung vor, wir stehen dafür ein, aber wie es finanziert werden muss – wir geben zu, dass es finanziert werden muss –, das soll die Opposition machen. Diese Arbeitsteilung kann in diesem Land nicht funktionieren, weil sie die eigentlichen Verantwortlichkeiten verschleiert.
Deshalb fordern wir in gemeinsamer finanzieller Not und im gemeinsamen Streben nach mehr Wachstum, dass die Bundesregierung nicht nur ein Gesetz vorlegt, mit dem sie die Steuerentlastung um ein Jahr vorzieht, sondern gleichzeitig im gleichen Gesetz präzise die Gegenfinanzierung aufführt. Dann haben wir eine Grundlage, auf deren Basis wir konstruktiv miteinander reden können. Wir sind zu diesen Gesprächen selbstverständlich bereit.
Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Zu beiden Dringlichkeitsanträgen wurde namentliche Abstimmung beantragt. Zunächst lasse ich über den Dringlichkeitsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf der Drucksache 14/13056 in namentlicher Form abstimmen. Für die Stimmabgabe sind entsprechend gekennzeichnete Urnen bereitgestellt.
Die Ja-Urne ist auf der Oppositionsseite, die Nein-Urne ist auf der Seite der CSU-Fraktion im Bereich der Eingangstüren aufgestellt. Die Enthaltung-Urne befindet sich auf dem Stenografentisch. Es kann jetzt mit der Stimmabgabe begonnen werden. Hierfür steht ausreichend Zeit zur Verfügung.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt und später bekannt gegeben.
Inzwischen führen wir die namentliche Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion auf der Drucksache 14/13069 durch. Für die Stimmabgabe sind die Urnen diesmal wie folgt bereitgestellt: Die Ja-Urne ist auf der CSU-Seite. Die Nein-Urne steht auf der Seite der Opposition, beide jeweils im Bereich der Eingangstüren. Die Enthaltung-Urne befindet sich auf dem Stenografentisch. Es kann jetzt mit der Stimmabgabe begonnen werden. Dafür stehen Ihnen fünf Minuten zur Verfügung.
Die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt und später bekannt gegeben.
Erstens. Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion „Gemeinschaftsinitiative für Bayerns Kommunen, Gemeindefinanzreform und Soforthilfe für die Kommunen in Bayern“, Drucksache 14/13055: Es gab 62 Ja-Stimmen, 93 Nein-Stimmen und 12 Stimmenthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.
Zweitens. Dringlichkeitsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN „Gemeindefinanzreform sofort“, Drucksache 14/13066: Es gab 73 Ja-Stimmen, 95 Nein-Stimmen und 1 Stimmenthaltung. Damit ist auch dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.
Drittens. Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion „Notwendigkeit eines Sofortprogramms zur schnellen und nachhaltigen Verbesserung der kommunalen Finanzsituation“, Drucksache 14/13068: Es gab 94 Ja-Stimmen, 70 Nein-Stimmen und 2 Stimmenthaltungen. Der Dringlichkeitsantrag ist damit angenommen.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Willi Müller, Dinglreiter, Sackmann, Kobler und anderer und Fraktion (CSU)
Bundesmittel für die GA „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ nicht einstellen (Drucksa- che 14/13057)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Christine Stahl, Dr. Dürr, Kellner, Münzel, Dr. Runge, Scharfenberg, Schopper und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nachhaltigkeit und Effizienz – Strategien zur Förderung der bayerischen Grenzregionen jenseits der GA „Verbesserung der regionalen Wirtschaftstruktur“ (Drucksache 14/13070)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Letzte Woche, am 2. Juli 2003 stand in einer der Zeitungen unserer Heimat: „Rot-grüner K.o.Schlag gegen Ostbayern.“
Mit großer Bestürzung wurde am vergangenen Mittwoch der Beschluss der Bundesregierung aufgenommen. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Klaus Hofbauer hat während der Fragestunde des Bundestages zum ersten Mal herausbekommen, dass die Bundesregierung kurz vorher beschlossen hatte, die Gemeinschaftsaufgabe für den Freistaat Bayern und für die westlichen Länder der Bundesrepublik Deutschland zu streichen. Das hat finanzielle Auswirkungen auf die gesamte Region. Ich darf dazu ein paar Zahlen nennen. Die Ansätze für die Gemeinschaftsaufgabe in den westlichen Ländern waren bisher 135 Millionen e. Sie werden im Jahr 2005 auf 71 Millionen e heruntergefahren und im Jahr 2006 auf 43 Millionen e. Für das Jahr 2007 ist vorgesehen, keinen einzigen müden Euro mehr auszugeben. Bayern bekommt nur noch 10 Millionen e jährlich. Das bedeutet einen finanziellen Kahlschlag und im Hinblick auf die Osterweiterung große Schwierigkeiten.
Kollege Georg Stahl betreut heute eine Besuchergruppe aus Neustadt a.d. Waldnaab. Das sind die Bürger, die mit Sorge und Bestürzung diese Meldung zur Kenntnis genommen haben.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, in Ostbayern gilt es zwei Herausforderungen zu bestreiten. Zum einen stehen wir in Konkurrenz zu den Ziel-I-Gebieten in den neuen Bundesländern, insbesondere in Ober- und Unterfranken. Zum anderen haben wir ab dem 01. 01. 2005 mit der Osterweiterung das Pro
blem, dass an der Grenze zu Tschechien das größte Wohlstandsgefälle Europas besteht. Nun soll auch noch das Förderinstrument GA wegfallen. Das ist die falsche Antwort auf die Herausforderung der Zukunft.
Ich stelle fest, dass neue Vorhaben und Erweiterungsund Bestandsinvestitionen nahezu unmöglich gemacht werden und damit die Konkurrenzfähigkeit unserer Region nachhaltig schlechter wird. Das wollen wir nicht hinnehmen. Deshalb haben wir den Dringlichkeitsantrag eingebracht.
Die GRÜNEN haben gestern zu diesem Thema eine Presseerklärung veröffentlicht, wonach der Freistaat Bayern die GA-Mittel nicht zur Gänze abgerufen habe und möglicherweise auch in diesem Jahr nicht zur Gänze abrufen werde.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, daran ist nicht der Freistaat Bayern schuld. Das Problem ist, dass die konjunkturelle Lage wenig Mut macht und deshalb weniger Investitionen getätigt werden. Das ist der entscheidende Ansatz. Sie müssen in Berlin eine andere Wirtschaftspolitik machen, dann könnten wir auch besser reagieren.
Ich will das an einem Beispiel darstellen. Der Landrat des Landkreises Cham hat dieser Tage im Auftrag vieler aus unserer Region an den Bundeskanzler geschrieben und zusammengefasst, was die GA in den letzten Jahren für unsere Region bedeutet hat. Von 1998 bis 2001 wurden mit den GA-Mitteln dem Landkreis Cham Investitionen in Höhe von 39 Millionen e ermöglicht. 150 neue Arbeitsplätze konnten geschaffen werden; 370 Arbeitsplätze wurden gesichert. Die Investitionen und damit die Sicherung der Arbeitsplätze würde künftig wegfallen. Die Bedeutung ist daraus zu ersehen: Mitte der Achtzigerjahre gab es in der Winterzeit über 40% und im Jahresdurchschnitt um die 20% Arbeitslosigkeit, heut liegt sie bei rund 7%. Diese Erfolge konnten auch mit den GAMitteln erreicht werden.
Ich habe wenig Verständnis, dass der SPD-Bundestagsabgeordnete Stiegler noch vor einigen Tagen in Weiden bekannt gegeben hat, dass Weiden und Neustadt a. d. Waldnaab wieder in die GA-Kulisse aufgenommen werde. Wenige Tage später sagte ausgerechnet er, die CSU-Landtagsabgeordnete Marianne Deml hätte die Abschaffung der Gemeinschaftsaufgaben gefordert. Anscheinend hat niemand verstanden, dass wir anlässlich der Föderalismusdebatte überlegt haben, diese Mittel in Eigenverantwortung nutzen zu können. Ich will in aller Deutlichkeit sagen, dass dieser Kahlschlag eine verheerende psychologische Wirkung in der ostbayerischen Region zur Folge haben wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen andere Signale. Ich bin dankbar, dass die SPD auch einen Antrag eingebracht hat, auf den ich noch eingehen werde. Wir sind gerne bereit ihn zu unterstützen, wenn die Antragsteller einigen Änderungen zustimmen.
Interessant ist, dass die GRÜNEN – der Koalitionspartner der SPD in Berlin – die Gemeinschaftsaufgabe anscheinend schon aufgegeben hat. Wie sonst könnte man in der Überschrift schreiben: „Strategien zur Förderung der bayerischen Grenzregionen jenseits der GA“. Das heißt, sie haben die GA schon lange aufgegeben. Das kann nicht im Interesse der bayerischen Politik sein. Wir müssen für unsere Region, unsere Investitionen und unsere Menschen kämpfen. Ich bitte Sie deshalb, andere Signale auszusenden.
Ich habe den Eindruck, dass die Sorgen und Nöte Ostbayerns die Bundesregierung relativ wenig interessieren. Ich frage Sie: Ist das der Fall, weil wir in Bayern leben? Würde es in einem anderen Bundesland anders sein? Würde die Bundesregierung dann andere Akzente setzen?