Oder? – Außerdem hat mein Fraktionsvorstand gesagt: Jetzt gehört in diese wichtige Debatte einmal ein bisschen Leben hinein. Außerdem muss ich Herrn Knauer ein bisschen Stoff geben, weil er die Diskussionsfolge verändert hat, damit er nach mir reden kann. Darauf bin ich gespannt. Ich muss also ein bisschen Leben hier hineinbringen.
Unsere Leitlinie ist, denke ich, eine sehr pädagogische, eine am Kind orientierte: Wir wollen die Kinder stark machen mit unserer Kampagne für eine bessere Bildung für alle. Das ist unsere starke Botschaft und sie wird erfolgreich sein, weil sie die richtige Grundlage schafft für die notwendigen, überfälligen Reformen – die Sie verschlafen haben.
(Lebhafter Beifall bei der SPD und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CSU: Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube!)
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Als ich auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung das Thema „Bessere Bildung für alle“ fand, habe ich mich wirklich gefreut, dass dieses Thema heute wieder das Hohe Haus beschäftigt; denn es gibt nach unserer Auffassung nichts Wichtigeres für die Zukunft der Kinder, für die Zukunft unseres Landes als eine optimale Bildung, die den Unterschiedlichkeiten der Menschen gerecht wird, die unsere Kinder aber auch befähigt, im zusammenwachsenden Europa bei zunehmender Globalisierung unserer Wirtschaft auch im Berufsleben zu bestehen.
Leider haben beide Debattenredner heute offensichtlich das Thema vollständig verfehlt. Hätten Sie die heutige Aktuelle Stunde überschrieben mit „Rahmenbedingungen für das Volksbegehren“ oder „Das Volksbegehren kommt!“ oder so etwas, dann wären Sie mit Ihren Ausführungen beim Thema geblieben.
Aber zum eigentlichen Thema – „Bessere Bildung für alle“ – habe ich von Ihnen Ausführungen vermisst.
(Zuruf von der (SPD): Wir sind hier nicht in der Schule, um einen Aufsatz zu schreiben!) – Maget (SPD) : Jawoll, Herr Lehrer!)
Herr Irlinger, wenn Sie sagen, wir seien aufgeregt, dann gestehe ich Ihnen zu: Wir sind besorgt, dass das, was uns landesweit und international Ansehen gebracht hat, nämlich unser Schulsystem, möglicherweise in die Gefahr gerät durch eine Kampagne, die mit Schlagworten arbeitet, aber die wirklichen Inhalte verschleiert.
Deshalb kann ich nur gemeinsam mit der Katholischen Erziehergemeinschaft an unsere Bevölkerung appellieren: Vorsicht – das Kleingedruckte lesen!
Sie, Herr Kollege Irlinger, haben die Mathematiktests angesprochen und haben trotz besseren Wissens – es sei denn, Ihr Gedächtnis würde nachlassen, denn der Bericht ist erst vor 14 Tagen gegeben worden –, behauptet, die Mathematiktests würden von Jahr zu Jahr schlechter ausfallen. Erstens haben wir diese Tests noch gar nicht so oft durchgeführt, und zweitens ist ein Unterschied zwischen unserem Bildungssystem und jenen in den Ländern, in denen Sie die Regierungsverantwortung tragen, der, dass wir den Mut haben, die Leistungsfähigkeit unseres Bildungssystems immer wieder zu erproben. Es gibt überhaupt keinen Kultusminister und auch keine Kultusministerin ihrer Couleur, die den Mut hätten, die Leistungsfähigkeit des Schulsystems durch einheitliche Tests unter Beweis zu stellen.
Vor kurzem war der Ausschuss in bis dahin rot-grün oder rot-schwarz regierten Bundesländern, in denen vor allem die Roten die Bildungssenatorin oder den Bildungssenator stellten. Und siehe da: Wie peinlich war es Ihnen, als Sie vorgehalten bekamen, wie dürftig die Stundentafeln etwa in Sachsen-Anhalt, Brandenburg oder Berlin im Vergleich zu unseren Stundentafeln sind.
Wenn man die Stunden, die wir unseren Kindern an den Grundschulen anbieten, addieren und mit denen in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Berlin vergleichen, dann muss man feststellen, dass unsere Kinder ein Schuljahr mehr zur Verfügung haben, um sich auf die Hauptschule und die weiterführenden Schulen vorzubereiten. Da müsste es Ihnen doch die Schamröte ins Gesicht treiben.
(Beifall bei der CSU – Dr. Schuhmann (SPD): Ein Vergleich Bayerns mit ehemaligen DDR-Ländern! – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, es hat sich doch sehr gut angehört, dass wir führend seien, was die Klassenstärken anbelangt. Erstens müssen Sie das einmal belegen.
Zweitens wissen Sie, dass wir im Vergleich zu allen anderen Bundesländern führend sind, und zwar a) was
die Zahl der Schulstandorte angeht und b) was das Verhältnis Lehrer pro Schüler anbelangt. Hätten wir in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren mit der heimatnahen Beschulung so Tabula rasa gemacht, wie Sie in jenen Bundesländern, in denen Sie Regierungsverantwortung getragen haben, dann hätten wir in keiner Schulart Klassen mit über 30 Kindern. Auch das gehört zur Wahrheit, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Meine Damen und Herren, nur weil dies Kollege Irlinger anspricht: Sie beklagen die Unterrichtsausfälle. Die beklagen wir selbstverständlich auch.
Frau Kollegin Radermacher, wir sind das einzige Bundesland, das wissen Sie doch als langjährige Vorsitzenden des bildungspolitischen Ausschusses, das sich leistet, eine mobile Reserve zu unterhalten und für unsere schwächeren Kinder Förderlehrer in ausreichendem Maß zur Verfügung zu stellen.
Wenn Sie unseren Parteifreund Durner immer wieder zitieren, dann darf ich Ihnen auch darlegen, was er letzten Dienstag gesagt hat. Über das eine oder andere in unserem Entwurf kann man trefflich streiten, doch Herr Durner hat letzten Dienstag erklärt, die inhaltliche Umsetzung des Volksbegehrens wäre eine Katastrophe für das Schulwesen in Bayern. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es war auch interessant, wie die Kollegen Maget und Irlinger, aber auch die Kollegin der GRÜNEN, beklagt haben, dass bei uns in Bayern „relativ wenige“ – so haben Sie sich ausgedrückt – die allgemeine Hochschulreife erwerben. Es ist richtig: In Bayern sind es knapp 19%. In anderen Bundesländern sind es bis zu 36 und 38%. Das ist aber eine Frage des Anspruchsniveaus. Es wäre auch bei uns überhaupt kein Problem, die Zahl der Gymnasiasten und der Abiturienten auf 40% hoch zu schrauben. Wir bräuchten dazu nur das Anforderungsniveau abzusenken.
Das Anforderungsniveau an unseren bayerischen Schulen war und ist aber ein wichtiger Standortfaktor. Deshalb hat sich Bayern auch besser entwickelt als alle anderen Bundesländer, in denen Sie Regierungsverantwortung tragen.
Es ist toll, Herr Kollege Irlinger, dass Sie auch die Aufbaustufe als so hervorragend geschildert haben. Das glaubt Ihnen aber niemand. Weder Sie noch ein Vertreter des BLLV konnte uns bisher erklären – und das kön
nen auch Sie nicht, Herr Kollege Dr. Schuhmann, der Sie den Kopf schütteln – wie es gelingen soll, einen Aufbauschüler, dem nur wenige zusätzliche Stunden Unterricht zur Verfügung stehen – schauen Sie doch in Ihren Gesetzentwurf hinein –, einem Gymnasiasten gleichzustellen, der bereits die 5. und 6. Jahrgangsstufe durchlaufen hat.
Wir brauchen uns über das Vorziehen der zweiten Fremdsprache oder über das Weiterleben der humanistischen Gymnasien gar nicht mehr zu unterhalten, sollte Ihr Entwurf letztendlich Gesetz werden.
Kollege Sprinkart hat beim Kongress des Bayerischen Philologenverbandes eine denkwürdige Aussage getroffen. Kollege Dr. Schuhmann ist mein Zeuge. Kollege Sprinkart sagte: In den Aufbaustufen können die Kinder, die für das Gymnasium und die Realschule vorbereitet werden, nicht von Hauptschullehrern unterrichtet werden, weil die das gar nicht können. Auf Rückfrage hat er das sogar noch zwei Mal betont.
Sie waren doch gar nicht dabei, Frau Münzel. In den zehn Thesen „Zukunft der Bildung – Zukunft der Schule“ von der SPD finde ich nun etwas Interessantes, und das bestätigt schon fast die Befürchtungen. Sie sollten das den Vertretern des BLLV dann aber auch deutlich sagen, was Sie wirklich wollen.
damit ein Schulwechsel bis zur 7. Klasse möglich ist. – Angleichung der Lehrpläne, Austausch von Lehrkräften.“ Genau das, was bei der Volksschule befürchtet wird, wird dann wahr, und das wird heute belegt.
Meine Damen und Herren, begabungsgerechtes Fordern und Fördern ist die Grundvoraussetzung für Lernfreude, Leistungsmotivation und Leistungsfähigkeit. Deshalb ist es eine Illusion, zu glauben, dass man durch die Deformierung des herkömmlichen Leistungsbegriffs den Kindern einen guten Dienst erweist. Mit dem von Ihnen unterstützten Volksbegehren werden Sie den Anforderungen des dritten Jahrtausends mit Sicherheit nicht gerecht. Ihnen und den Initiatoren geht es darum, Schulkinder ohne Rücksicht auf die späteren Belastungen und Risiken möglichst lange an der Grund- und
Hauptschule zu halten. Hierüber kann man selbstverständlich diskutieren, wie auch über die Forderung des BLLV nach einer sechsjährigen gemeinsamen Grundschule. Wenn Sie aber den Menschen draußen vorgaukeln, dass die heimatnahen Hauptschulen und die Teilhauptschulen mit Ihrem Konzept erhalten bleiben, dann verbreiten Sie einen Irrglauben.
Ich frage bei jeder Veranstaltung draußen: Meine Damen und Herren, wenn es nach der vierten Jahrgangsstufe keine Noten mehr gibt, glauben Sie, dass dann mehr oder weniger Eltern ihre Kinder ins Gymnasium schicken werden? Wenn nach der sechsten Jahrgangsstufe dann noch einmal der Übertritt zur Debatte steht, auch hier ohne Notenhürden, glauben Sie, dass dann mehr Kinder in der Hauptschule verbleiben? Glauben Sie nicht auch, dass dann viele Eltern sagen: Ich schicke mein Kind ins Gymnasium oder in die Realschule und nicht in die M-Züge der Hauptschule.
Was Sie mit „mehr Elternwillen“ immer wieder suggerieren wollen, wird sich zudem als billiger und böser Irrtum herausstellen.
Sie haben zwar den Eltern die Möglichkeit gegeben zu sagen: Ich setze mich auch über die Schulberatung hinweg und schicke meine Kinder ohne Rücksicht auf die Noten nach der 4. Jahrgangsstufe oder nach der 6. Jahrgangsstufe aufs Gymnasium.