Die Frage, wer sich um die Verbesserung des Klimas an den bayerischen Schulen in den vergangenen Wochen verdient gemacht hat, gibt einen milden Vorgeschmack dessen, was in den nächsten vier Wochen noch vor uns liegt: wenn schon nicht Schulkampf, dann zumindest Schulkrampf. Denn mein geschätzter Ausschussvorsitzender, Eberhard Irlinger, hat in einem Vortrag über die bessere Schulreform zur zentralen Motivation, weshalb es gelte, die ach so schlimmen Reformmaßnahmen der Staatsregierung zu Fall zu bringen, folgenden Satz gesagt – ich zitiere –: „Allein Stoiber und Hohlmeier einer Niederlage zuzuführen, müsste doch Motivation genug sein.“
(Lebhafter Widerspruch bei der CSU – Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das ist nichts anderes als die Entlarvung eines billigen Selbstwertgefühls. Politisch wahrgenommen werden Sie doch wieder einmal nur nur, weil auch die Lehrerverbände Ansätze Ihres politischen Willens erkennen lassen.
Ob dieser grobe Keil allerdings den richtigen bildungspolitischen Weg im Land Bayern weist, ist fraglich. Schauen wir doch dorthin, wo SPD und GRÜNE zusammen Verantwortung tragen, zum Beispiel in der Landeshauptstadt München. Es wurde behauptet, die Unterstützer der Politik der Staatsregierung würden bevorzugt. Tatsache ist, dass in München die Anfrage des Aktionsbündnisses „Bessere Bildung für alle“, ob man in Schulräumen Veranstaltungen durchführen könne, abschlägig verbeschieden wurde, was der Schulaufwandsträger selbstverständlich kann. Das Aktionsbündnis sei, so wurde argumentiert, eine politisch eindeutig zuzuordnende Vereinigung. Gleichzeitig wurde aber der Bayerischen Akademie für Politische Bildung, der Ihre ehemalige Kollegin Carmen König vorsitzt, gestattet, Seminare durchzuführen, bei der die Stadtschulrätin der Landeshauptstadt München ein Grußwort gesprochen und unser allseits geschätzter Kollege Eberhard Irlinger Informationen verbreitet hat.
Sie, meine Damen und Herren von der SPD, messen mit zweierlei Maß. Wo Sie die politische Verantwortung haben, werden Konflikte in die Schulen getragen. Sie versuchen in unverantwortlicher Weise, die berechtigte Sorge von Lehrern und Eltern über den richtigen Weg der Schulausbildung für Ihre kleinmütigen politischen Wasserspielchen zu verwenden, womit Sie im Land aber nicht verfangen werden. Diese mühsame Erkenntnis wird Ihnen noch wehtun.
Die Landeshauptstadt München ist der größte kommunale Schulaufwandsträger in Bayern, der weit über 20
Realschulen betreibt. Sie hat sich aus politisch einseitiger Fixierung dem mehrfachen Angebot der Staatsregierung, sich am Schulversuch zu beteiligen, verweigert. Kaum war der Gesetzentwurf aber auf dem Weg, hat keine andre Kommune so lauthals als die Landeshauptstadt München geschrieen, man möge möglichst sofort in möglichst allen ihren Realschulen die R 6 anbieten. Wieder einmal klafft zwischen dem, was Sie tun, wenn Sie Verantwortung tragen, und dem, was Sie sagen, wenn Sie in der Opposition sind, eine erhebliche Lücke.
Das Allerbeste ist die pädagogisch begründete Ablehnung der R 6. Die Münchner Stadtschulrätin schreibt in der Einleitung zu ihrem pädagogischen Jahrbuch, dass die R 6, auf die man sich jetzt wohl oder übel zwangsweise einstellen müsse, eine besonders interessante pädagogische Herausforderung sei, die besonders interessante Möglichkeiten für eine Ausdifferenzierung des Schulwesens eröffne.
Mit diesen wenigen Zitaten möchte ich die Verlogenheit Ihrer Argumentation in Bezug auf das Volksbegehren darstellen. Ich hoffe, dass die Eltern, die Lehrer und alle, die in Bayern an der Schul- und Bildungspolitik Interesse haben, eine vernünftige Entscheidung treffen werden. Ich darf hier den Kollegen Freller zitieren: Nehmen Sie sich Zeit für Ihre Kinder und bleiben Sie zu Hause.
Gesetzentwurf der Abgeordneten Paulig, Elisabeth Köhler, Tausendfreund und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
zur Stärkung der Mitwirkungsrechte der Bürgerinnen und Bürger im Freistaat Bayern (Gesetz für faire Volksrechte) (Drucksache 14/2368)
Beide Gesetzentwürfe werden begründet. Den Gesetzentwurf der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN begründet Frau Kollegin Tausendfreund. Zur Begründung stehen zehn Minuten Redezeit zur Verfügung.
Frau Tausendfreund (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) : Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch an mir ist die Grippe nicht ganz vorbeigegangen. Trotzdem hoffe ich, dass ich verständlich reden kann.
Ein Kernpunkt unserer Demokratie ist die Willensbildung unserer Bevölkerung. Sie beruht auf zwei Säulen. Bayern ist nicht nur ein Staat mit repräsentativer Demokratie. Nach dem Wortlaut der Verfassung stehen Wahlen und Abstimmungen gleichrangig nebeneinander. Volksbegehren und Volksentscheide müssen so bürgerfreundlich ausgestaltet sein, dass sie diesem hohen Verfassungsanspruch gerecht werden. Die bisherigen Möglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger, sich aktiv in die Landespolitik einzumischen, sind noch zu eingeschränkt und mit zu hohen Hürden versehen. Dabei wäre es für die Demokratie so wichtig, dass diejenigen, die es angeht und die im alltäglichen Leben von den Sachentscheidungen betroffen sind, auch wirksam mit entscheiden können. Mit mehr Mitsprachemöglichkeiten könnte auch dem allgemeinen Unmut gegenüber der Politik und den Politikern entgegen gewirkt werden.
Die parlamentarische Arbeit wird dadurch nicht geschwächt, wie uns vielfach vorgeworfen wird. Sie wird durch mehr Mitbestimmung belebt. Ich erinnere nur an die Volksentscheide zur Müllpolitik von 1991 und zum Bürgerentscheid von 1995. In beiden Fällen kam die Politik auf den betreffenden Gebieten jeweils erst mit den Volksbegehren so richtig in Bewegung. Erst auf die Volksbegehren hin hat die CSU eigene Vorschläge gemacht. In einem Fall setzte sich die CSU-Landtagsmehrheit durch, im anderen Fall die Bürgerinitiative. Die Bürgerinnen und Bürger sind so kompetent, dass sie selbst entscheiden können, und das tun sie auch sehr verantwortungsbewusst.
Die CSU braucht sich nicht immer zum Wächter des Volkes vor dem Volk aufschwingen. Viele Volksbegehren scheiterten an den Einschränkungen und Hürden, die bislang unnötigerweise bestanden. Das Volksbegehren „Keine Klasse über 30“ wurde erst gar nicht zugelassen, weil es finanzielle Auswirkungen hatte. Das GentechnikVolksbegehren scheiterte an der knappen Eintragungsfrist. Die nötigen Unterschriften konnten erst gar nicht gesammelt werden. Viele Volksentscheide werden zusätzlich scheitern, wenn ein Zustimmungsquorum von 25% für die vollplebiszitäre Volksgesetzgebung festgeschrieben wird. Deshalb wollen wir mit unserem Gesetzentwurf die Hürden für Volksbegehren senken, wie es in anderen Ländern zum Teil schon der Fall ist. Wir wollen das Verfahren vereinfachen, die Quorumsfreiheit festschreiben, die Themenbereiche erweitern, ein Antragsrecht gegenüber dem Landtag einführen, und wir wollen diese Volksrechte dauerhaft sichern.
Unser Gesetzentwurf entspricht dem Volksbegehren „Faire Volksrechte im Land“. An diesem Volksbegehren haben wir mitgearbeitet, und wir unterstützen es auch in der öffentlichen Diskussion. Wir bringen es jetzt in die parlamentarische Debatte ein, um den Gesetzentwurf der Staatsregierung ein durchdachtes Konzept für mehr Demokratie entgegenzusetzen. Außerdem wollen wir auch die SPD-Fraktion in Erklärungsnot bringen, denn sie unterstützt dieses Volksbegehren nicht.
Der Gesetzentwurf der Staatsregierung beruht auf der umstrittenen Rechtsschöpfung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs in der Senatsentscheidung vom September 1999, mit der ein 25prozentiges Zustimmungsquorum für vollplebiszitäre Volksentscheide verlangt wurde. Die bayerische Bevölkerung hatte sich am 1. Dezember 1946 seine Verfassung gegeben, ohne dass dafür ein Quorum gegolten hat. Seither gilt auch der Grundsatz: „Mehrheit entscheidet“. Der Verfassungsgerichtshof hat seine eigene Rechtsprechung mit dem Argument aufgegeben, dass eine „planwidrige Unvollständigkeit“ des Verfassungstextes vorliege.
In drei Punkten ist das Gericht allerdings inkonsequent. Es hat selbst willkürlich eine Hürde festgesetzt. Das Quorum hätte genauso 20% oder 30% betragen können. Frühere Volksentscheide, die diese Hürde von 25% nicht erreicht haben, blieben unangetastet. Konsequenterweise hätten diese Volksentscheide für ungültig erklärt werden müssen. Außerdem gibt das Gericht einen Weg vor, wie diese „planwidrige Unvollständigkeit“ der Verfassung durch einfaches Gesetz ausgefüllt werden kann. Wenn der Verfassungsgeber von 1946, das Volk, eine lückenhafte Regelung getroffen hat, muss es selbst seine Verfassung ergänzen. Das Verfassungsgericht hat nicht ausgeschlossen, dass die Bevölkerung selbst die Verfassung dahin gehend ändert, dass Quoren für alle Abstimmungen ausgeschlossen bleiben.
Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger selbst entscheiden, ob sie umfassende oder eingeschränkte Mitbestimmungsrechte haben wollen. Unser Gesetzentwurf enthält diese Verfassungsergänzung. Den Vorschlag der Staatsregierung, am Volk vorbei zu entscheiden, lehnen wir ab. Zu den weiteren verfassungsrechtlichen Aspekten werde ich beim Tagesordnungspunkt mit den Verfassungsstreitigkeiten, bei dem das Volksbegehren noch einmal behandelt wird, sprechen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Landeswahlgesetzes soll bei Verfassungsänderungen im Volksgesetzgebungsverfahren für den Volksentscheid ein Zustimmungsquorum von 25% festgeschrieben werden. Damit wird der Auftrag erfüllt, den der Verfassungsgerichtshof dem Gesetzgeber mit seiner Entscheidung vom 17. September 1999 erteilt hat. In dieser Entscheidung hat der Verfassungsgerichtshof festgestellt, dass für Verfassungsänderungen, die auf ein Volksbegehren zurückgehen, beim Volksentscheid ein Quorum erforderlich ist; dies folge unmittelbar aus der Verfassung; Aufgabe und Pflicht des Gesetzgebers sei es, die nähere Ausgestaltung des Quorums festzulegen. Dabei reduziere sich jedoch der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers auf eine – ich zitiere wörtlich – „relativ enge Bandbreite“. Mit dem vorgeschlagenen Abstimmungsquorum von 25% wird die verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers erfüllt. Ein
solches Quorum hat der Verfassungsgerichtshof bis zu einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung selbst als Übergangsregelung angeordnet. Er hat dieses Quorum ausdrücklich als eine mögliche Lösung bezeichnet, welche den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht.
Ein Quorum von 25% verleiht der Verfassung gegenüber dem einfachen Gesetz auch im Volksgesetzgebungsverfahren einen deutlich höheren Bestandsschutz, der mit dem Bestandsschutz für ein parlamentarisches Änderungsgesetz vergleichbar ist, denn auch letzteres erfordert eine Zweidrittelmehrheit im Landtag. Auch das Grundgesetz kennt seit 1976 ein Zustimmungsquorum in dieser Höhe für Volksentscheide zur Neugliederung des Bundesgebiets.
Andererseits werden mit diesem Zustimmungsquorum für die Volksgesetzgebung keine Hürden aufgerichtet, die nicht mehr übersprungen werden könnten und daher prohibitiv wirken. Der Verfassungsgerichtshof hat darauf ausdrücklich hingewiesen. Ich darf ergänzen, dass auch das Senatsvolksbegehren diese Hürde übersprungen hat.
Eine dem Zustimmungsquorum vorzuziehende Alternative ist nicht ersichtlich. Das gilt auch für die vom Verfassungsgerichtshof angedeutete Alternative eines angemessenen Beteiligungsquorums mit qualifizierter Mehrheit.
Die Höhe eines solchen Beteiligungsquorums ist in der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs nicht ausdrücklich benannt. Die Einführung eines Beteiligungsquorums durch den Gesetzgeber wäre deshalb mit einer erheblichen Rechtsunsicherheit belastet. Andere Lösungen sind nicht ersichtlich.
Erstens. Das Quorum gilt nicht für die Änderung der Verfassung, die vom Landtag dem Volk zur Entscheidung vorgelegt wird.
Zweitens. Das Zustimmungsquorum gilt auch für Gesetzentwürfe eines Volksbegehrens, die nicht nur die Änderung der Verfassung, sondern auch des einfachen Rechts enthalten. Wird über einen solchen Gesetzentwurf einheitlich abgestimmt, ist er nur dann angenommen, wenn das Zustimmungsquorum erfüllt ist. Wenn das Quorum nicht erfüllt ist, ist der gesamte Regelungsinhalt in dem nicht verfassungsändernden Teil nicht gültig. Das wird durch das einfache Gesetz entsprechend klargestellt.
Die Umsetzung im Landeswahlgesetz muss auch berücksichtigen, dass nicht nur ein Gesetzentwurf, sondern mehrere Gesetzentwürfe zur Entscheidung stehen können und bei gegenläufigen Begehren eine Stichfrage nötig werden kann. Für alle diese Konstellationen muss eine eindeutige Regelung über die Geltung des Zustimmungsquorums getroffen werden. Dabei ergibt sich für alle diese Fälle die Lösung zwingend aus der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs. Im Einzelnen verweise ich hierzu auf die Gesetzesbegründung. Das
Ganze ist in der Theorie einfach, aber in der einzelnen Regelung doch relativ kompliziert. Die unterschiedlichen Varianten zeigen, dass es wenige Alternativen gibt, die überhaupt diskutabel wären.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ganz andere Ziele verfolgt der Gesetzentwurf „Stärkung der Mitwirkungsrechte der Bürgerinnen und Bürger“ der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Der Gesetzentwurf will die Verfassung in mehreren Punkten ändern und dabei das Erfordernis eines Quorums für Verfassungsänderungen im Wege des Volksgesetzgebungsverfahrens gänzlich abschaffen. Dieser Gesetzentwurf ist nahezu wortgleich mit dem, der dem Volksbegehren „Faire Volksrechte im Land“ zugrunde liegt. Neben der Abschaffung des Quorums sollen auch wesentliche Eingriffe in das parlamentarische Budgetrecht erlaubt und die Hürden für die plebiszitäre Mitwirkung wesentlich gesenkt werden.
Das Innenministerium hat den Antrag auf Zulassung des Voksbegehrens dem Verfassungsgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Wir sind der Meinung, dass dieses Volksbegehren in mehreren Punkten nicht mit der Verfassung zu vereinbaren ist. Mit der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs ist bis Anfang April 2000 zu rechnen. Sollte der Verfassungsgerichtshof unserer Auffassung folgen, muss der Gesetzentwurf, den die GRÜNEN eingereicht haben, schon aus verfassungsrechtlichen Gründen abgelehnt werden. Ich habe keine Zweifel, dass die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs so ausfallen wird. Die Begründung, die meine Mitarbeiter der Verfassungsrechts-Abteilung vorgelegt haben, ist aus meiner Sicht so überzeugend, dass ich sicher bin, dass auch die Mehrheit des Hohen Hauses dem folgen wird.
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Die Redezeit beträgt pro Fraktion fünf Minuten. Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Hahnzog.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Beckstein hat sehr klar herausgestellt, dass die CSU und die Staatsregierung die Volksgesetzgebung in Bayern kaputtmachen wollen.
Erstens. Es ist ein einmaliges Ereignis, dass gleichzeitig drei Volksbegehren mit den aberwitzigsten Begründungen nicht zugelassen werden. Das werden wir später noch diskutieren. Sie hätten die Möglichkeit gehabt – das hat die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zum Bayerischen Senat ausdrücklich zugelassen, jedenfalls nicht ausgeschlossen –, einen Gesetzentwurf zur Änderung der Bayerischen Verfassung vorzulegen, der die Quorumsfreiheit wieder herstellt und auch bei Verfassungsänderungen zulässt. Lesen Sie auf Seite 67 nach, dort ist das ausgeführt. Sie sollten sich nicht klammheimlich hinter der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs verstecken, sondern Sie sollen klar sagen, dass Sie das politisch nicht wollen; denn dann könnten wir politisch darüber streiten.