Protokoll der Sitzung vom 02.02.2000

Vor diesem Hintergrund ist die Fülle der Maßnahmen zu sehen, die in Bayern auf den Weg gebracht worden sind. Ich darf sie nur umrisshaft skizzieren. Eine ganze Fülle von Möglichkeiten zum Spracherwerb im Rahmen der Grund- und Hauptschule, in Übergangsklassen, Zusatzunterricht, außerschulischer Unterricht, positive Erfahrungen mit Deutsch als Zweitsprache, Ansätze auch und insbesondere den Frauen und Müttern, die nicht des Deutschen mächtig sind, Deutsch als Umgangssprache und Zweitsprache nahe zu bringen sind, in vernünftigem Maße in Bayern in der Fläche verfügbar.

Was wir ohne Zweifel noch brauchen, ist eine Intensivierung der Maßnahmen für ausländische Jugendliche und Schüler, die insbesondere im Nachmittagsbereich in ganz besonderer Weise der Förderung bedürfen. Auch hier ist die Sprachkompetenz in den Mittelpunkt zu stellen.

Ein besonderer Ansatz muss sein, Integrationsanreize im Bereich der Sprachbildung zu bieten. Sprache als Grundinstrument zur Integration und deren Wert ist intensiv betont worden. Deshalb schlagen wir vor, bei Erreichen ausreichender Sprachkompetenz eine Möglichkeit zu eröffnen, eine vereinfachte dauerhafte Aufent

haltsgenehmigung zu erteilen. Das ist unseres Erachtens neben der ganzen Fülle der schulischen und außerschulischen Maßnahmen der Sprachbildung ein zentrales Instrument, mit dem wir langfristig und nachhaltig angelegte Integrationspolitik positiv beeinflussen können.

Insgesamt ist die Bereitschaft zur Integration auf Seiten der ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger als Grundvoraussetzung der Integration, insbesondere auch der älteren Generation, ein wichtiger Punkt, den es nachhaltig zu stärken gilt. Für uns ist es insgesamt die Frage nicht der nationalen Herkunft, sondern des Bekenntnisses zur Heimat, in der man sich bewegt und fühlt. Insofern kann der Weg nicht doppelpass-bestärkt in eine Parallelgesellschaft führen, sondern mit Sprachkompetenz in unserem Freistaat Bayern gemeinsam die Gesellschaft miteinander zu entwickeln.

Ich glaube, vor diesem Hintergrund werden die Bemühungen, die mit dem Bericht der Bayerischen Staatsregierung zur Ausländerintegration heute einen Höhepunkt gefunden haben, von Seiten der Unionsfraktion weiterhin mit Aufmerksamkeit begleitet.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt erteile ich Frau Kollegin Gote von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde zum Antrag auf Drucksache 14/255 „Lehrstuhl für islamische Religionspädagogik“ sprechen – das deshalb, weil diesem Antrag im Verlauf der Beratung durch die mitberatenden Ausschüsse eine wundersame Wandlung widerfuhr und er nun kaum wiederzuerkennen ist.

Ich beginne mit einem Zitat:

Alle Religionen sind gleich und gut, wenn nur die Leute, die sich zu ihnen bekennen, ehrliche Leute sind. Und wenn die Türken kämen und wollten hier im Lande wohnen, dann würden wir ihnen Moscheen bauen.

Dies ist nicht etwa ein Zitat meiner Kollegin Köhler, wie Sie vielleicht meinen; es stammt von Friedrich dem Großen, ist also bedeutend älter, als ein Zitat meiner Kollegin je sein könnte,

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

und doch der bayerischen CSU-Politik um Jahre voraus.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Die Staatsregierung wird aufgefordert, sich für die Einrichtung eines Lehrstuhls für islamische Religionspädagogik einzusetzen und dieses Anliegen auch in die Kultusministerkonferenz zu tragen – oder sagen wir besser

KultusministerInnenkonferenz; denn da haben wir ja jetzt zum Glück einige Frauen. So lautete unser Antrag.

(Unruhe)

Da steht nicht: Im kommenden Semester soll an dieser oder jener Universität ein Lehrstuhl eingerichtet werden; Inhalte der Lehre sollten sein: erstens... zweitens... drittens. Nein, nur von Sich-Einsetzen war dort die Rede.

Und dennoch wurde im Ausschuss unterstellt, wir GRÜNEN hätten mal wieder den letzten Schritt vor dem ersten gemacht. Ja, ich gebe auch zu, wir pflegen in vielen Dingen eine schnellere Gangart als Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen auf der rechten Seite dieses Hauses.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Unruhe bei der CSU)

Aber auch wir machen nach wie vor einen Schritt nach dem anderen.

(Glocke des Präsidenten)

Dieser Antrag war Ergebnis einer intensiven Beschäftigung mit dem Thema und eines regen Austauschs mit vielen an diesem Thema Interessierten, Muslime eingeschlossen.

Und der Antrag stand nicht allein. Es gab noch weitere Anträge zum islamischen Religionsunterricht; sie sind mittlerweile gut ein Jahr alt. Meine Kollegin Münzel wurde nicht müde im Ausschuss zu erläutern, wie ein Schritt auf den nächsten folgen sollte und wie die in den Anträgen geschilderten Vorhaben aufeinander aufbauen: Über Fortbildung, dann Zusatzqualifikation und schließlich ein Studium an einer Universität sollte die Qualität des islamischen Religionsunterrichts auf das Niveau des christlichen Religionsunterrichts gehoben werden.

Sie, meine Damen und Herren, sind nun also auch schon beim Schritt null angelangt, der da heißt: Wir müssen uns mit dem Thema beschäftigen; wir gründen eine Arbeitsgruppe.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber nein, da tue ich Ihnen Unrecht, denn wir sind schon beim Schritt eins: Wir machen eine Anhörung. Auch ich habe gar nichts gegen Anhörungen. Da werden viele schlaue Leute eingeladen und ich bin nur dafür, dass Sie die auch anhören.

Nun müssen wir erfahrungsgemäß nur noch wenige Jahre warten und wir können unser Anliegen in fein formulierten CSU-Anträgen wieder finden.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So ist es!)

Gut, warten wir es also ab.

Unterdessen sind die deutschen Muslime nicht untätig gewesen. Seit kurzem gibt es die Islamische Landesaka

demie in Bayern, die nun ihr erstes Vierteljahresprogramm vorgelegt hat. Ihre Ziele sind, und auch hier zitiere ich:

der Frage nachzugehen, wie die Zukunft des Islam in Bayern und Deutschland aussehen soll und welchen Beitrag er in dieser Gesellschaft leisten kann, für Muslime eine islamische Identität mit deutschsprachiger Prägung zu fördern,

Und nichts anderes meinen wir in den Diskussionen und Anträgen, wenn wir von einem „deutschen Islam“ gesprochen haben.

Weiterhin:

deutsche Begriffe für islamische Phänomene auszuarbeiten und zu entwickeln, die Sprache und Lehre des Islam im Interesse der nachkommenden Generationen und der besseren Verständigung auf Deutsch zu verlagern, die Integration der Muslime als gleichwertige und gleichberechtigte muslimische Mitglieder der Gesellschaft zu fördern.

Wohlgemerkt, ich zitiere aus einer Veröffentlichung der Islamischen Landesakademie; das ist kein Programm der GRÜNEN.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies ist mehr als eine ausgestreckte Hand, die Sie ergreifen sollten. Schlagen Sie sie nicht aus. Geben Sie endlich Ihre zögerliche Haltung auf und treiben Sie die heute in diesem Hause viel beschworene Integration endlich tatkräftig voran!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Islamischer Religionsunterricht an bayerischen Schulen, unterrichtet von Lehrerinnen und Lehrern islamischen Glaubens, die an einer bayerischen Universität ausgebildet wurden – dies wäre ein Projekt, für das es den Einsatz lohnen würde. Nutzen Sie die Chance nicht, so bleiben nicht nur ihre vollmundigen Beteuerungen unglaubwürdig, sie verspielen auch eine Chance, in der deutschen Hochschullandschaft und in der Lehrerausbildung ein bayerisches Highlight zu setzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was Sie, Frau Ministerin, heute hier vorgestellt haben, ist dagegen weniger als wenig.

(Zurufe von Abgeordneten der CSU: Ho, ho!)

Ja, Sie sprechen in Ihrem Bericht immer noch davon, dass es darum gehe, türkischen Schülerinnen und Schülern muslimischen Glaubens einen Religionsunterricht zu geben. Damit ignorieren Sie die Tatsache, dass es gar nicht allein um Türken geht und die Sicht vielmehr sein müsste – ich bin dankbar dafür, dass es Kollege Dr. Spaenle zumindest im Ansatz eben ausgeführt hat –: Es geht um deutsche Schülerinnen und Schüler, die hier sozialisiert sind, die aber muslimischen Glaubens sind, um deutsche Kinder.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Stattdessen denken Sie über die Ausweitung des bestehenden Schlechten nach, statt wirklich einen Wandel zum Besseren vorzunehmen. Und Sie sagen, alles müsse sich am Stand der Selbstorganisation der Muslime widerspiegeln. Das freut mich sehr, nur die sind schon viel weiter als Sie. Also bringen Sie endlich Ihre Vorstellungen auf den Stand der Selbstorganisation der Muslime und ergreifen Sie die Hand, die ausgestreckt ist, wie ich es Ihnen eben geschildert habe!

Und ein Letztes lassen Sie mich noch sagen. Die Behandlung unseres Antrages im Haushaltsausschuss war an Zynismus nicht zu überbieten. Auf einer knappen Seite findet das Protokoll der Debatte Platz und alles, was dem Berichterstatter der CSU dazu einfiel, war das Wort „kostenneutral“; der islamische Religionsunterricht soll also kostenneutral eingeführt werden an den bayerischen Schulen. Dies ist eine Beerdigung zweiter Klasse für ein visionäres Vorhaben.

Noch nicht einmal eine Begründung gibt es für das Einfügen der Bedingung, dass die Einführung islamischen Religionsunterrichts nichts kosten darf. Dies ist ein Skandal. Ist Ihnen die Integration, das gute und verständnisvolle Zusammenleben der verschiedenen religiösen Gruppen in unserem Land so wenig, nämlich nichts, wert? Sie setzen durch Missmanagement Millionen in den Sand. Sie stecken Hunderte von Millionen in eine Schulreform, die an Strukturen herumdoktert, statt die Qualität des Unterrichts zu verbessern, und der Wirtschaftsminister reist mit Geldkoffern zum neuen Bahnchef und nach Berlin, wenn es darum geht, Prestigeobjekte wie den Transrapid oder neue Hochgeschwindigkeitsstrecken zu finanzieren.

(Unruhe bei der CSU)

Nur für islamischen Religionsunterricht wollen Sie keine müde Mark geben. Dem ist nichts hinzuzufügen.