Es stimmt, aber wir sind doch alle der Ansicht, dass ein Föderalismus Eigenständigkeit im eigenen Land beinhaltet, und da sagen Sie plötzlich: Weil die anderen Bundesländer solche Regelungen haben, dürfen auch wir keine anderen Regelungen haben als diese. Diesen Verzicht auf die Eigenständigkeit Bayerns untermauern Sie noch durch einen großen verfassungsrechtlichen Überbau? – Dies verstehe ich nicht.
Da ich einmal Mitarbeiter am Bundesverfassungsgericht war, hat es mich schon gewundert, was Herr Di Fabio auf den letzten sieben Seiten seines Gutachtens vorbringt. Dort führt er zahlreiche Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts an, die seine These stützen sollen, auch wegen des Artikels 28 des Grundgesetzes sei es dubios, dass man die Volksgesetzgebung in Bayern auf einer besonderen Schiene fahre. Irgendwann, wenn er länger bei dem Gericht ist, wird er vielleicht einen besseren Überblick über Entscheidungen dort haben. Ich wün
sche es ihm. Dann wird er irgendwann einmal eine Entscheidung im Band Nummer 60 lesen, – sie stammt aus dem Jahre 1982; da muss man hineinwachsen –, in der es eindeutig heißt: „Gerade bei der Volksgesetzgebung ist es den Ländern überlassen, ob sie so etwas überhaupt machen und unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Inhalten Volksbegehren und Volksentscheide zulässig sein sollten.“ – Doch das Innenministerium verzichtet auch darauf, diesen Freiraum für den Volksgesetzgeber und den Verfassungsgesetzgeber zu akzeptieren. Da sind Sie selbst die Totengräber des Föderalismus, meine Damen und Herren von der Staatsregierung.
Ein Letztes noch. Wir haben uns ja mit dem Koppelungsverbot auseinander gesetzt. Unterstellen wir einmal, so etwas gäbe es – in der Schweiz ist dies ja der Fall –: Welche Voraussetzungen müsste erfüllt werden? Da heißt es: Es muss ein enger sachlicher Zusammenhang bestehen.
Schauen wir uns nun einmal an, was das Volksbegehren will. Ich muss es noch einmal sagen: Wir stehen in der Sache nicht dahinter. Vielmehr geht es uns hier um die allgemeinen prozeduralen Fragen der Volksgesetzgebung. Das Volksbegehren will für das Verfassungsgericht fünf „Profirichter“ haben – Profirichter wie in Karlsruhe, wie in keinem anderen Bundesland. Zwei dieser Profirichter, so das Volksbegehren, müssten zum Zeitpunkt der Wahl in einer anderen Gerichtsbarkeit tätig sein, und zwar seit mindestens fünf Jahren. Hier haben wir es mit einem Reservoir zu tun, dem alle diejenigen angehören, die in der Justiz schon eine gewisse Position erreicht haben – ich schaue jetzt einmal den früheren Justizstaatssekretär an, Herrn Kränzle-, die also Gerichtspräsidenten sind oder Vorsitzende Richter an höheren Gerichten. Diese haben psychologisch einen gewissen Vorrang, weil man meint, als Richter seien sie wohl besonders qualifiziert. Nach unserem bisherigen System wird diese besondere Qualifikation allein von dem jeweiligen Fachminister festgestellt, von Herrn Dr. Weiß für die Justiz, von Frau Stamm für die Sozial- und die Arbeitsgerichtsbarkeit und von dem nicht anwesenden Finanzminister für die Finanzgerichtsbarkeit.
Die Verwaltung, da herrscht sowieso ein trübes Bild vor. Die haben heute bisher geschwiegen; ich will sie nicht provozieren. – Die Minister, also Mitglieder der Exekutive, ernennen die Richter und befördern sie. Damit ist der Zusammenhang ganz klar: Die Befürworter des Volksbegehrens wollen eine stärkere Unabhängigkeit der Richter. Einen größeren Startvorteil schafft sich die Exekutive selbst. Das ist der engere Zusammenhang. Ich hoffe, dass der Verfassungsgerichtshof das so sieht. Ihm gehören ja etliche Richter an, die schon die angesprochenen höheren Ränge erreicht haben.
All das führt uns dazu, in den drei in Rede stehenden Verfahren jeweils den Antrag zu stellen, dass der Landtag eine Stellungnahme abgibt und einen Vertreter bestimmt, allerdings nicht Herrn Kreuzer. Wir sind der Auffassung, dass alle drei Volksbegehren zulässig sind
und dass man sich damit politisch auseinander setzen muss. Davor haben Sie Angst; ich bedauere das. Aber dies wird auf andere Weise schon noch korrigiert werden.
Frau Präsidentin, meine Herren und Damen! Ich gehe jede Wette mit Ihnen ein, dass sich zwei Drittel der Mitglieder des hohen Hauses die Unterlagen zu den aufgerufenen Verfassungsstreitigkeiten nicht angesehen haben und eigentlich nicht wissen, worum es bei dem Volksbegehen geht. Gut, das ist bei einigen Sachthemen so. Aber das macht die Diskussion sehr schwierig. Denn in diesem Falle fließen auch Informationen aus dem Innenministerium, die wir für eindeutig falsch halten. Ob sie bewusst so gegeben wurden oder nur, weil man es im Innenministerium nicht besser weiß, diese Frage kann nur das Ministerium selbst beantworten. Herr Kreuzer, Sie und die Vertreterinnen und Vertreter Ihrer Fraktion im Verfassungsausschuss sind die ersten Opfer dieser Einflüsterungen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abgeordne- ten Beck (CSU))
Die Intentionen der drei Volksbegehren müssen jeweils für sich betrachtet werden. Leider sind hier einzelne Verfassungsgerichtsentscheidungen und Inhalte der Volksbegehren miteinander vermischt worden. Ich glaube, wir müssen hier ein deutliches Bild von dem zeichnen, worum es geht. Ich will jetzt nur auf einige wenige Schwerpunkte eingehen, weil ich meine Darstellungen nicht in die Länge ziehen will.
Erstens. Unabhängige Richterinnen und Richter in Bayern. Es ist so, dass es weder ein gesetzlich noch ein durch Rechtsprechung festgeschriebenes Koppelungsverbot gibt. Das ist Fakt. Das Verfassungsgericht hat sich zwar in einzelnen Entscheidungen mit diesem Koppelungsverbot beschäftigt, hat es aber dahingestellt sein lassen, ob es ein solches tatsächlich gibt. Mehr war für die jeweiligen Entscheidungen nicht notwendig. Die Literatur behandelt dieses Thema sehr strittig. Da gibt es die Meinung, dass es ein Koppelungsverbot gibt. Es wundert nicht, dass sich die Bayerische Staatsregierung gerade einen entsprechenden Aufsatz herausgesucht hat. In der Literatur findet man aber auch die entgegengesetzte Meinung. Sie sehen also bereits an diesem Punkt: Man hätte den Sachverhalt anders bewerten können. Man hätte nicht zu der Entscheidung kommen müssen, dass ein Koppelungsverbot besteht und damit das Volksbegehren rechtswidrig ist. Aber es war zu erwarten, dass so entschieden werden würde.
Jetzt komme ich zu dem zweiten Argument, weshalb ich der festen Überzeugung bin, dass das in Rede stehende Volksbegehren nicht verfassungswidrig ist. Selbst wenn
man ein Koppelungsverbot bejaht, ist es aber immer noch so, selbst nach der Literatur, dass in dem Volksbegehren ganz klar ein innerer Zusammenhang gegeben wäre, nämlich zwei Punkte zu beurteilen sind im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter. Und das sind eben nicht zwei voneinander zu trennende Sachverhalte.
Meine Damen und Herren von der CSU, wir sind sehr verwundert darüber, dass Sie Verfassungsänderungen zu den verschiedensten Themen, etwa zum Tierschutz – was sonst noch dabei war, weiß ich nicht genau, weil ich damals dem Landtag noch nicht angehörte –,
zu einem Volksentscheid zusammengefasst haben. Da blieb den Bürgerinnen und Bürgern nichts anderes übrig, als zu sagen: Wir nehmen das ganze Paket an oder müssen gegen das gesamte Paket stimmen. – Sie haben auch nicht fragen lassen: Bin ich für oder gegen die Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung? Bin ich für oder gegen dieses oder jenes? Da galt das Koppelungsverbot merkwürdigerweise nicht. Das ist schon sehr auffällig.
Nun zu dem zweiten Volksbegehren. Herr Kreutzer hat schon differenziert ausgeführt, dass es bei der Initiative unter Tagesordnungspunkt 9 b um die Mitwirkungsrechte im Freistaat Bayern geht und bei der Vorlage unter Tagesordnungspunkt 9 c um die Mitwirkungsrechte der Bürgerinnen und Bürger in den Gemeinden und den Kommunen. Es trifft zu, dass der Text des erstgenannten Volksbegehrens Eingang gefunden hat in unseren einschlägigen Gesetzentwurf. Das hat gute Gründe: Weil das Volksbegehren abgelehnt worden ist, versuchen wir es einmal auf anderem Wege. Aber – jetzt kommt das große Aber – das Verfassungsgericht hat festgestellt, dass es nach der jetzt bestehenden Fassung der Bayerischen Verfassung unter Umständen ein Quorum geben könnte. Warum? – Weil unsere Verfassung hinsichtlich einer Quorumsregelung eine Lücke enthält. Insoweit sind wir d’accord. Das Verfassungsgericht hat es auch richtig erkannt: Es besteht eine Regelungslücke.
Jetzt komme ich aber zu unserem Volksbegehren und zu unserem Gesetzentwurf. Oberster Souverän der Gesetzgebung ist das Volk. Warum soll nicht das Volk entscheiden? Hier streut die Argumentation des Innenministeriums wirklich Sand in die Diskussion. Diese kann ich nicht mehr für besonders sauber halten. Warum soll das oberste Gesetzgebungsorgan, das Volk, nicht selbst entscheiden dürfen – ich bitte darum, sich diese Unterscheidung vor Augen zu führen –, ob es ein Quorum in der Verfassung haben will oder nicht?
Nein, wir sind auf die Entscheidungen sehr gespannt. Ich sage Ihnen gerne noch einen Satz dazu, warum wir die Vorlage nicht für in Ordnung halten.
Ich komme zu Punkt c, Schutz des Bürgerentscheides, Entscheidung der Bürger und Bürgerinnen in den Kommunen. Dazu gab es ebenfalls einen Verfassungsgerichtsentscheid. Das Volksbegehren wurde dann auch entsprechend geändert, um den Vorgaben des Verfassungsgerichts gerecht zu werden. Die Sperrwirkung wurde auf vier Wochen reduziert; die Quorumsfreiheit im Zusammenspiel mit der langen Bindungswirkung von drei Jahren wurde geändert, sie beträgt jetzt nur noch ein Jahr; es wurde auch die Möglichkeit geschaffen, dass bei einer geänderten Rechts- und Sachlage die Bindungswirkung für die Gemeinden keine Rolle mehr spielt. Wenn man sich den Text genau ansieht, kann von Ihnen in keiner Weise mehr behauptet werden, dass die Selbstverwaltungsrechte der Kommunen eingeschränkt würden oder dass die gemeindliche Handlungsfähigkeit beschränkt würde.
Wir haben keine Angst vor der Entscheidung des Verfassungsgerichts. Das Ganze kostet aber Zeit; das ist ganz klar. Wir haben die notwendigen Unterschriften zusammen, die die Initiatoren mühsam gesammelt haben. Selbst wenn wir jetzt vor dem Verfassungsgericht Recht bekommen sollten – man kann dahingestellt sein lassen, wie groß die Chance bei der derzeitigen Zusammensetzung des Verfassungsgerichtes ist, nachdem sich die Richter selbst für nicht abhängig erklärt haben –, wird es drei Volksbegehren geben, die zeitlich weit auseinanderliegen. Das kostet den Freistaat und auch die Kommunen eine Menge Geld. Ich bitte Sie, dies auch einmal zu bedenken. Der Stadt Nürnberg entstehen alleine für einen Volksentscheid Kosten in Höhe von 500000 DM. Deshalb haben wir gedacht: Legen wir die drei Volksbegehren zusammen, eventuell sogar mit einem vierten, um Kosten zu reduzieren. Selbst wenn wir vor dem Gericht obsiegen sollten, bürden Sie den Kommunen und dem Freistaat einen ganzen Batzen Geld auf. Ich frage Sie, ob das besonders sinnvoll war.
Dazu kommt noch, dass Sie die Einschreibungsfristen auseinandergelegt haben – das ist natürlich in Ihrem Interesse; das weiß ich. Die Einschreibungsfristen interessieren uns auch. Für jedes einzelne Volksbegehren gilt jetzt die Zwei-Wochen-Frist, die wir für zu kurz halten. Für jedes einzelne Volksbegehren müssen Sie die Bürger und Bürgerinnen an die Urnen bringen. Ich weiß, dass Sie das so wollen. Ich frage mich aber: Stehen Sie wirklich voll dahinter, Bürgerrechte ernst zu nehmen?
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Tagesordnungspunkte wieder getrennt.
Zunächst lasse ich über Tagesordnungspunkt 9 a Verfassungsstreitigkeiten – Schreiben des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 23. Dezember 1999 (Vf. 112-IX-99) abstimmen. Wer der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen auf Drucksache 14/2545 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist die Fraktion der CSU. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Keine. So beschlossen.
Ich lasse dann über Tagesordnungspunkt 9 b Verfassungsstreitigkeiten – Schreiben des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 13. Januar 2000 (Vf. 2-IX-00) abstimmen. Wer der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen auf Drucksache 14/2623 zustimmen will, den bitte ich ebenfalls um das Handzeichen. – Das ist auch diesmal die Fraktion der CSU. Gegenstimmen? – Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Keine. Ebenfalls so beschlossen.
Jetzt lasse ich noch über Tagesordnungspunkt 9 c – Schreiben des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 17. Januar 2000 (Vf. 4-IX-00) abstimmen. Wer der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen auf Drucksache 14/2621 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der CSU. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Keine. Dann ist dies ebenfalls so beschlossen.
zur parlamentarischen Kontrolle der Staatsregierung hinsichtlich der Maßnahmen nach Artikel 13 Absätze 3 bis 5 des Grundgesetzes sowie der Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz (Parla- mentarisches Kontrollgremium-Gesetz – PKG) (Drucksache 14/1810)
Parlamentarische Kontrollkommission nach Artikel 13 Absatz 6 Satz 3 des Grundgesetzes (Drucksache 14/1207)
Antrag der Abgeordneten Elisabeth Köhler, Christine Stahl, Tausendfreund und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Die Redezeit zum Gesetzentwurf beträgt 30 Minuten, zu den zwei Anträgen 20 Minuten. Wortmeldungen? – Herr Kollege Kreuzer, bitte.
Frau Präsidentin, Hohes Haus! Der Gesetzentwurf der CSU-Fraktion trägt den Bestimmungen des Gesetzes zur Anpassung des bayerischen Landesrechts an Artikel 13 des Grundgesetzes Rechnung. Dort ist im Zusammenhang mit der letztjährigen Einführung der akustischen Wohnraumüberwachung geregelt, dass die Staatsregierung den Landtag jährlich über bestimmte Abhörmaßnahmen in Wohnungen nach der Strafprozessordnung, nach dem Polizeiaufgabengesetz, aber auch nach dem Bayerischen Verfassungsschutzgesetz unterrichtet und ein vom Landtag gewähltes Gremium auf Grundlage dieses Berichts der Staatsregierung die parlamentarische Kontrolle ausübt.
Mit diesem Gesetz, abgekürzt PKGG – auf diese Abkürzung haben wir uns in der letzten Sitzung des Verfassungsausschusses geeinigt –, wird ein gemeinsames Kontrollorgan für alle Abhörmaßnahmen in Wohnungen nach der Strafprozessordnung, dem Polizeiaufgabengesetz und dem Bayerischen Verfassungsschutzgesetz mit der Bezeichnung Parlamentarisches Kontrollgremium geschaffen. Das neue Gremium übernimmt nach diesem Gesetzentwurf auch alle Aufgaben der bisherigen Parlamentarischen Kontrollkommission, also der PKK. Das neue Gesetz enthält auch Regelungen über die Kontrolle der Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz und weiter reichende Vorschriften.