Protokoll der Sitzung vom 17.02.2000

Herrn Abspacher können Sie wirklich nicht verdächtigen, dass er uns einseitig bevorzugen würde. Er schreibt, dass der BLLV ein riesiges Schreckensbild vom Leistungsdruck für Neun- und Zehnjährige aufbaut.

(Frau Renate Schmidt (SPD): Den ersten Teil des Artikels verschweigen Sie aber! Dort übt er Kritik an Ihnen!)

Klar, er schreibt von „zu viel Kriegsgeschrei“. Ich lese Ihnen den Artikel aber gerne komplett vor.

(Frau Renate Schmidt (SPD) und Maget (SPD): Ja! Bitte!)

Meine Damen und Herren, was möchte ich damit zum Ausdruck bringen.

(Weitere Zurufe von der SPD und vom BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie ein bisschen mehr die Kultur des Zuhörens pflegen würden, wären Sie ein großes Vorbild für unsere Jugend. Ich wäre Ihnen dankbar fürs Zuhören, weil ich noch einmal die Chance nutzen möchte, über die vielen Missverständnisse, die zur Zeit im Raum stehen, aufzuklären. Wo immer ich hinkomme, heißt es, der BLLV, die

SPD und die GRÜNEN meinten, dass nach der vierten Jahrgangsstufe kein Übertritt an die Realschule oder ans Gymnasium mehr möglich sei. Ich halte dieses für eine unverantwortliche Panikmache bei den Eltern; sie hat nur zu einer Schulangst geführt, mit der wir im Moment zu kämpfen haben.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Pfaffmann?

Freilich. Fragen Sie.

Sie haben eben Zeitungsartikel zitiert. Ich möchte Sie fragen, ob Ihnen der Zeitungsartikel in der „Abendzeitung“ vom 15. Februar bekannt ist – ich zitiere:

Jeder will für seine Kinder nur das Beste. Auch Bayerns Schulministerin Monika Hohlmeier. Sie schickt Tochter Michaela (13) und Sohn Markus (11) auf die private Waldorfschule.

(Ritter (CSU): Das ist doch nichts Neues, das ist doch schon uralt!)

Ohne Leistungsdruck und Notenstress, ohne Versetzungsangst werden die Strauß-Enkel aufs Leben vorbereitet. Sie müssen nicht bangen, ob sie den Übertritt aufs Gymnasium oder die Realschule schaffen.

Das kann man nur noch mit äußerster Mühe als Frage betrachten.

Das ist zu dumm, lassen wir das stehen. Es wäre schade für jede Minute, mit der ich darauf eingehen würde.

(Gabsteiger (CSU): Abendzeitungsstil! – Hofmann (CSU): Lasst dich nicht darauf ein!)

Mache ich auch nicht! Mir geht es darum, die Chance zu nutzen, hier aufzuklären. Es gibt eben so unsinnige Zwischenfragen oder Behauptungen, die man einfach stehen lassen sollte. Sie entlarven sich von selbst, und damit entlarvt sich auch der Redner.

(Prof. Dr. Gantzer (SPD): Nein! Tatsachen sind das!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich mahne dringend an, dass wir noch mehr aufklären und noch mehr informieren, denn das verlangen die Eltern von uns und das wird draußen tagtäglich gefordert. Bisher haben wir eher zu wenig als zu viel getan. Wir haben die Pflicht und Schuldigkeit, dass wir den Eltern, den Schulen und den Schülern sagen, welchen Inhalt unser Konzept hat. Wir müssen dann aufklären, wenn irrige Informationen in die Welt gesetzt werden. Wenn den Eltern gesagt wird, dass ihr Kind nach der 4. Klasse Grundschule nicht mehr wechseln könnte, löst dies bei den Eltern große Ängste und Sorgen aus. Warum wird nicht endlich auch von den Verfechtern des Volksbegehrens klar dargestellt, dass nach dem Konzept der Bayerischen Staatsregierung ein

Übertritt von der 4. Klasse Grundschule in die 5. Klasse Gymnasium, von der 5. in die 6. oder von der 5. in die 5. Klasse des Gymnasiums möglich sei. Es gibt alle Möglichkeiten der Durchlässigkeit. Ich halte es für verwegen, dass diese Möglichkeiten nicht dargestellt werden.

Es gibt fast keine Diskussion, bei der die Vertreter des Volksbegehrens nicht sagen: Wer bei uns unterschreibt, der schafft kleinere Klassen und mehr Lehrer. Keine einzige Zeile in dem Volksbegehren nimmt sich dieses Themas an. Das ist alles Augenwischerei, darüber müssen wir aufklären.

Im Volksbegehren wird ein Elternwille vorgegeben, der überhaupt nicht vorhanden ist. Wo bleibt denn der Elternwille, wenn nach vier Jahren Grundschule nicht mehr die Wahlmöglichkeit besteht, auf die sechsstufige Realschule zu gehen? Wo bleibt denn der Elternwille, wenn die Eltern nicht mit darüber entscheiden können, wie die Lerngruppen eingeteilt werden? Nach viereinhalb Jahren teilen die Lehrer in Lerngruppen ein und bestimmen, welche Chancen ein Kind hat.

(Wahnschaffe (SPD): Am Thema vorbei!)

Nach viereinhalb Jahren entscheiden die Lehrer, ob das Kind noch die Chance hat, nach sechs Jahren aufs Gymnasium zu wechseln. Wo bleibt denn der Elternwille, wenn die Kinder nach einem Probejahr wieder zurückgeschickt werden, worüber ausschließlich die Lehrerkonferenz entscheidet? Für das Volksbegehren gilt: „Elternwille steht drauf, Standespolitik ist drin!“

(Dr. Schuhmann (SPD): Davon steht doch nichts im Antrag! Halten Sie hier keine Bierzeltrede!)

Wo bleiben denn die Antworten darauf? Die Leute werden von den Initiatoren verunsichert. Am Anfang wird davon erzählt, dass die Aufbaustufe eine geschlossene Sache sei.

(Frau Naaß (SPD): Zur Sache!)

Im Volksbegehren steht nichts mehr von einem Übertritt nach der 5. Klasse. Herr Präsident Dannhäuser – –

(Irlinger (SPD) und Dr. Schuhmann (SPD): Lesen Sie doch den Antrag!- Prof. Dr. Gantzer (SPD): Setzen! Sechs!)

Nein, lieber Herr Irlinger, das gehört dazu.

(Zurufe)

Meine Damen und Herren! Noch hat der Herr Staatssekretär das Wort.

Ich würde Ihnen heute lieber das Zeugnis über Ihr Betragen schreiben und es Ihnen morgen überreichen. Ich habe den Eindruck, dass Sie schon wegen Betragens sitzen bleiben würden.

(Prof. Dr. Gantzer (SPD): Zeigen Sie uns doch morgen das Zeugnis Ihrer Kinder!)

Herr Gantzer, das dürfen Sie gerne sehen. Dafür möchte ich aber auch Ihre Zeugnisse sehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir, die Staatsregierung, müssen in bestmöglichem Maße aufklären. Es ist unsere Pflicht und Schuldigkeit, dass im Lande keine irrigen Meinungen verbreitet werden, die durch den BLLV und die Initiatoren des Volksbegehrens veranlasst werden. Wir müssen klipp und klar die Konzeption der Staatsregierung darstellen und erklären, welche Bedenken wir gegen das Volksbegehren haben. Wir werden uns auf diesem Weg nicht beirren lassen. Die Information der Bevölkerung und die Meinungsbildung müssen unser oberstes Gebot sein. Auch die Opposition wird uns daran nicht hindern.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD – Wahnschaffe (SPD): Thema verfehlt!)

Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Kollege Dr. Bernhard.

Weil die Angelegenheit so wichtig ist, beantrage ich namens der CSU-Fraktion namentliche Abstimmung.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Wir fahren in der Rednerliste fort. Das Wort hat Herr Kollege Odenbach.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Knauer, ich kann Ihnen gleich zu Beginn meiner Rede versprechen, dass wir die von Ihnen erbetene Nachsicht üben werden, wenn Sie heute noch einmal den Drang verspüren sollten, ans Rednerpult zu gehen. Sie haben uns darum gebeten. Es wird Ihnen aber auch nicht weiterhelfen, wenn Sie weiterhin solche sophistischen Äußerungen und Interpretationen von sich geben, wie Sie es vorhin bei der Ausgestaltung des Handlungsspielraums der Staatsregierung getan haben.

Das, was hier der Herr Staatssekretär geboten hat, passt genau in diese Wortglauberei, die er noch dazu als Gedankengang bezeichnet hat. Herr Staatssekretär, Sie haben bisher 570000 DM für Ihre Propaganda für 30 Praxisklassen in Bayern ausgegeben, die inzwischen zugegeben wurden. Für diese 30 Klassen haben Sie noch 100000 DM, also 3300 DM pro Klasse übrig, und damit erleben die schwächsten Schüler in der Hauptschule die Segnungen der bayerischen Schulreform. Das ist Ihre Schulpolitik.

Herr Staatssekretär, Sie werfen den Befürwortern des Volksbegehrens Desinformation vor und stilisieren sich hier selbst zum Aufklärer. Aber andere Argumente haben Sie hier nicht gebracht. Nachdem, was Sie hier geboten haben, frage ich mich ernsthaft, ob Sie eine

echte Vorstellung davon haben, wie eine echte Information auszusehen hätte.

(Zurufe von der CSU: Ah!)

Wenn Sie sagen, es würden keine Abstimmungsempfehlungen gemacht, meine ich, in dem Heft „Schulreport“ steht eindeutig: Hände weg von dieser Aufbaustufe – sieben Argumente gegen das Volksbegehren.

(Beifall bei der SPD)

Wenn dies keine politisch einseitige Einflussnahme ist, frage ich mich wirklich, was hier noch passieren muss.

Sie haben gerade den Elternwillen eingefordert, aber verschwiegen, dass Sie ihn nicht für eine nach dem Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz bestehende Schulart einfordern, sondern für einen Schulversuch, der in dem momentan betriebenen Umfang vom Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz schon lange nicht mehr getragen wird, also ungesetzlich ist, und dies ist schamlos.