Drittens. Reform des Föderalismus. Hier ist in der Tat eine Reform angesagt. Wir müssen den Mut haben, Politikverflechtungen zurückzuweisen, Transparenz und Demokratie zu stärken, und dies im Rahmen einer Reform des Föderalismus, die auch der Friedenssicherung dient.
Lassen Sie mich dazu 10 Reformaspekte ansprechen. Erstens. Kompetenzen sind auf Landesebene zurückzuholen. Diesbezüglich teilen wir Ihre Einschätzung, meine Damen und Herren von der CSU. Eine Trennung der Politikfelder muss von einer klaren Regelung der gesetzgeberischen Kompetenzen der Länder begleitet werden. Im Bildungswesen ist das sehr gut vorstellbar, auch im Hinblick auf die Hochschulen. Probleme sehe ich in der Medienpolitik. Dort sind wir längst weiter. Die Globalisierung ist in der Medienpolitik Realität. Was ich im öffentlich-rechtlichen Rundfunkwesen beobachte, nämlich die Lenkung, die Gleichschaltung mit den Interessen der Staatskanzlei und deren Öffentlichkeitsarbeit, das entspricht nicht meinen Vorstellungen von Journalismus und Medienpolitik.
Ich kann Ihnen sagen, wir haben zahlreiche, sehr begründete Klagen und Hinweise darauf, dass gerade im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Bayern versucht wird, den kritischen Journalismus mundtot zu machen. Das geht bis hin zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Wir können auf verschiedene Beispiele verweisen.
Ich finde es in diesem Zusammenhang höchst bedenklich, wenn die Regionalisierung der Medienpolitik eingefordert wird.
Was die Bildungspolitik und die Hochschulen anbelangt, hierüber kann man sprechen. Ich möchte mir aber den Hinweis erlauben, dass den Defiziten bei der Ausbildung von Jugendlichen vor allem durch das „Jump-Programm“ der Bundesregierung entgegengewirkt wird, auch zum Wohle Bayerns.
Der erfreuliche Rückgang bei der Jugendarbeitslosigkeit geht auf die besondere Initiative der Bundesregierung zurück. Wir sollten deshalb eine Kooperation nicht leichtfertig kappen. Ein anderer Punkt: Sie fordern die Verantwortung der Wissenschafts- und Forschungspolitik bei den Ländern. Wenn diese Verantwortung aber in die Länder verlagert wird, was durchaus seine Berechtigung haben kann, dann ist diese Forschungspolitik trotzdem an internationale Verträge und an internationale Verant
wortlichkeiten gebunden. Nehmen wir doch das Beispiel des Forschungsreaktors in Garching. Dort wollen Sie schon jetzt die internationalen Verträge zur Friedenssicherung, zur Nichtverbreitung atomwaffenfähigen Materials ignorieren, indem Sie den HEU-Einsatz des Atombrennstoff im Forschungsreaktor in Garching forcieren.
Hier wäre Verantwortung endlich auch von Seiten Bayerns zu zeigen. Was die Entsorgungsfrage anbelangt, so haben Sie bereits hinlänglich bewiesen, dass Sie diese überhaupt nicht in Bayern lösen wollen.
Profit aus der Stromwirtschaft, Vorteile in einer stark fragwürdigen Forschungspolitik, das wollen Sie. Aber die Abfälle und die Risiken sollen in andere Bundesländer oder nach Russland abgeschoben werden. Das ist bayerische Politik.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hof- mann (CSU): Primitiver geht es nicht mehr! Das ist kein Entsorgungskonzept!)
Die Diskussion, welche Politikfelder wir nach Bayern verlagern und welche Gesetzgebung diesen Weg begleiten muss, diese Debatte muss in der Enquete-Kommission geführt werden.
Lassen Sie mich einen zweiten Punkt anführen, der für die Reform des Föderalismus notwendig ist. Jegliche Verlagerung von Aufgaben auf die Landesebene hat selbstverständlich dem Konnexitätsprinzip zu entsprechen. Das bedeutet, einer Aufgabenzuteilung hat auch die entsprechende Mittelzuweisung und Steuerfindung zu folgen.
Drittens. Dieses Prinzip der Konnexität gilt grundsätzlich auch innerhalb der Länder bei der Aufteilung der Aufgaben an die kommunale Ebene. Wir fordern beispielsweise eine verstärkte Unterstützung in der Altenversorgung, in der Behindertenintegration und beim Ausbau eigenständiger Schulen. Wenn man sich föderalen Strukturen im Land verantwortlich fühlt, dann kann man eben nicht mehr alles von oben herunter regeln, und schon gar nicht bis auf die hundertstel Dezimalstelle bei der Notengebung. Es muss endlich ein großer Freiraum für die pädagogische Eigenständigkeit eröffnet werden. Deshalb brauchen wir beispielsweise an den Schulen die Umsetzung des Konnexitätsprinzips, damit dort die entsprechenden Finanzmittel für die Schulen vorhanden sind, die sich auf einen eigenen Weg machen. Wir haben dies in unserem Gesetzentwurf zum EUG klar eingefordert.
Herr Ministerpräsident, Sie haben die Spielbanken angesprochen. Warum verweigert der Freistaat dann aber der Landeshauptstadt München die Möglichkeit, Spielbanken einzurichten? Weil es ein Landesrecht ist? Verlagern
Sie hier doch endlich einmal Freiraum und Verantwortung auf die Ebenen, die das auch entscheiden können.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Prof. Dr. Faltlhauser? – Bitte.
Darf ich Sie fragen, Frau Kollegin, ob Ihnen bekannt ist, dass die Situierung von Spielbanken auf einem Gesetz fußt, welches, soweit ich weiß, übbereinstimmend und über die Parteigrenzen hinweg von diesem Landtag verabschiedet wurde? Danach dürfen in den Regionen nur begrenzt Spielbanken eingerichtet werden. Wenn München eine Spielbank einrichten würde, dann wären alle Spielbanken in der Umgebung – Garmisch-Partenkirchen, Bad Wiessee – mit Sicherheit nicht mehr existenzfähig. Ist Ihnen dies bekannt?
Das ist mir bekannt. Ich stelle die Gegenfrage: Ist Ihnen auch bekannt, dass dieser Landtag Landesgesetzgebungskompetenz hat?
(Lachen bei Abgeordneten der CSU – Zuruf von der CSU: Wo ist die Logik? – Glück (CSU): Bringen Sie doch einen Antrag ein!)
Dieser Landtag kann die Gesetze sehr wohl ändern. Dieses Wettbewerbsprinzip, das Sie hier zwischen München und Garmisch anführen, das ist doch wohl lächerlich im Hinblick auf die Gesamtdebatte. Ich glaube aber, das ist eine Nebenfrage, die wir mit viel Elan in Kürze in den Ausschüssen führen werden. Ich bin auf Ihre Argumente sehr gespannt.
Lassen Sie mich zum vierten Punkt kommen: Das Prinzip der Subsidiarität muss verstärkt zur Geltung gebracht werden. Das ist – soweit ich dies Ihren Ausführungen entnehmen konnte –, eine übereinstimmende Einschätzung. Die übergeordnete Ebene soll die Aufgaben an die untere Ebene abgeben, weil die Nähe zur Sache dort meist zu den sachgerechteren Entscheidungen führt. Es ist durchaus vorstellbar – hier werden wir zu Lösungen kommen müssen –, dass beispielsweise im öffentlichen Verkehr die Region mit einer entsprechenden finanziellen Ausstattung – auch vom Bund – ein regional angepasstes, optimales Verkehrsangebot erstellt.
Wir GRÜNEN werden hier die entsprechenden parlamentarischen Initiativen ergreifen, und zwar auf Landes
Fünftens. Der Länderfinanzausgleich ist zu reformieren. Sie haben davon gesprochen. Doch ist dies nicht im Sinne eines Wettbewerbs-Föderalismus, sondern eines kooperativen Föderalismus, der sich der Solidarität verpflichtet fühlt, zu gestalten.
Lassen Sie mich sechstens über die Rolle des Bundesrats sprechen. Ich möchte hier ein Zitat von Prof. Dr. Schultze anführen, der Mitglied der Enquete-Kommission im Bayerischen Landtag ist. Ich bitte Sie, von der CSU, und insbesondere Sie, Herr Minister, hier genau zuzuhören: „Man kann nicht mittels Politikverflechtung in Berlin Bundespolitik gestalten oder im Bundesrat mitregieren wollen, und zugleich durch Trenn-Föderalismus länderzentrierte Wettbewerbspolitik betreiben.“ Ich denke, bei allen schönen Floskeln, die Sie heute gebracht haben: Hier müssen Sie sich entscheiden.
Siebtens. Die angeführten Punkte würden die Länderparlamente stärken. Gleichzeitig aber brauchen wir eine Abkehr vom Exekutivföderalismus. Das bedeutet, dass Entscheidungen im Bundesrat oder im Ausschuss der Regionen von einer Beteiligung der Landesparlamente begleitet sein müssen. Entscheidungsfindung, Diskussion der Ergebnisse – all dies muss hier im Landesparlament Fuß fassen. Es geht nicht an, dass der Föderalismus nur auf der exekutiven Ebene vollzogen wird, während die Länderparlamente davon völlig abgehängt werden.
Siebtens. Es ist in der Tat so, dass bei den Bürgerinnen und Bürgern das ohnmächtige Gefühl besteht: Die da oben machen sowieso, was sie wollen. Wenn wir Entscheidungen auf europäischer oder auf Bundesebene in den Länderparlamenten diskutieren, wenn wir sie hier hereintragen und auch die Entscheidungsfindung gemeinsam voranbringen, dann wird dies dem Ohnmachtsgefühl der Bürgerinnen und Bürger entgegenwirken.
Achtens. Lassen Sie mich die Übereinstimmung der Ministerpräsidenten gemäß dem Subsidiaritätsprinzip ansprechen, die Zustimmung zum neuen AmsterdamerVertrag an Bedingungen zu knüpfen, die gegenseitige Kompetenzen eindeutig festlegen und verbindlich vereinbaren. Hier ist allerdings zu bemerken: Gerade eine sehr feste Vereinbarung kann einer politischen Entwicklung nicht Rechnung tragen. Wenn diese Vereinbarungen wiederum nur mit allgemeinen Rechtsbegriffen ausgestaltet werden, dann helfen sie uns letzten Endes konkret auch nicht weiter. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass politische Entwicklungen ihren Raum brauchen.
Neuntens. Es ist in der Tat so, dass es zu diesen Fragen keine einfachen Lösungsantworten gibt. Die EnqueteKommissionen und die Bund-Länder-Kommission haben ein wichtiges Aufgabenfeld vor sich. Im Verlauf dieser
Es muss eine Debatte initiiert werden, an der die Bürgerinnen und Bürger beteiligt sind und die den Spannungsbogen zwischen Föderalismus und europäischer Integration in einer globalisierten Welt schlägt.
Zehntens. Es geht in der Tat um eines der brennendsten Probleme unserer Zeit, nämlich um das Problem der Identität. Eine menschliche Gemeinschaft ist nicht möglich, ohne dass gemeinsame Identitätsmuster angeboten und gelebt werden. Diese Identifizierungen dürfen sich aber nicht durch Ausgrenzung anderer etablieren und definieren.
Der Föderalismus erteilt hier den Hinweis, dass Identifikation auf mehreren Ebenen möglich und nötig ist. So wie ich mich als Breitbrunnerin, als Bürgerin Bayerns, Deutschlands oder als Europäerin verstehe, so muss den unterschiedlichen Identitäten aller Menschen, die hier leben, entsprochen werden. Dabei sind die unterschiedlichen kulturellen Identitäten anzuerkennen und eine Weiterentwicklung zu ermöglichen.
Es wird unsere Aufgabe sein, diese kulturelle Vielfalt und die internationale Kompetenz zu einer Gesellschaft mit vielfältigen Kompetenzen zusammenzuführen, damit ein Wertekonsens entsteht. Es ist unsere Aufgabe, zukunftsfähige Entwicklungsmöglichkeiten zu eröffnen und nicht zu blockieren.