Diese zu schaffen und vor allem zu sichern, sind alle Beteiligten, nämlich insbesondere die Bahn, der Bund, das Land und die Kommunen, gefordert. Die Bürgerinnen und Bürger, die täglich am Bahnsteig schier verzweifeln, haben kein Verständnis dafür, dass Lösungskonzepte im Bermudadreieck der gegenseitigen Schuldzuweisungen verschwinden.
Die Bürgerinnen und Bürger verlangen von der Politik Lösungskompetenz statt eines parteipolitischen „Schwarze-Peter-Spiels“.
Ihnen ist es auf gut bayerisch gesagt „wurscht“, aufgrund welcher Regelung der Zug fährt. Wichtig für sie ist, dass
Herr Staatssekretär Spitzner, Sie waren kürzlich im Rottal und haben die Rottalbahn getestet. Dabei sind Sie zu dem Schluss gekommen, dass die Rottalbahn den Fahrgast zwar schneller ans Ziel bringt, als wenn er zu Fuß ginge, dass aber ein guter Radfahrer die Bahn durchaus überholen könnte. Die mangelnde Schnelligkeit ist auch ein Grund, warum die Bahn auf manchen – ich sage: auf manchen – Nebenstrecken so wenig attraktiv ist. Es mag angehen, dass man, wenn man als Kurgast im Rottal unterwegs ist, für manche Strecken mit der Bahn doppelt so lang braucht wie mit dem Auto. Aber wenn man täglich vom Rottal nach München pendeln muss, dann ist es unzumutbar, statt eineinhalb Stunden drei Stunden im Zug zu sitzen.
Ich verstehe überhaupt nicht, dass gerade Sie, die ständig das Hightech-Land Bayern propagieren, es zulassen, dass wir bei der Bahntechnik in die Steinzeit zurückfallen.
Nein, ich übertreibe nicht. Ich fahre selbst sehr viel Zug. Ich bin seit 1990 im Landtag. Seitdem habe ich eine ständige Verschlechterung erlebt. Es kommt nicht von ungefähr, dass Lokomotiven heutzutage mitten auf der Strecke zum Erliegen kommen. Das hat seinen Grund auch darin, dass die Wartungsabstände bei den Lokomotiven verdoppelt wurden. Das hat seinen Grund darin, dass das Wagenmaterial mittlerweile so schlecht geworden ist, dass es mitten auf der Strecke zu Ausfällen kommt. Bei den Nahverkehrszügen werden nicht mehr die besten Bremsen eingesetzt. Ich habe mich darüber belehren lassen, dass es P- und R-Bremsen gibt. Das sagen mir alles die Zugführer, denn ich frage nach und lasse mir erzählen, was los ist. Außerdem gibt es massenhaft unbeschrankte Bahnübergänge. Als Beispiel ist wieder die Rottalbahn anzuführen. Außerdem werden Signalanlagen nicht verbessert.
Einschneidend ist aber vor allem der gigantische Personalabbau bei der Bahn. Wenn Sie sich die Zustände am Münchener Bahnhof anschauen, dann kommt Ihnen das nackte Grausen. Züge können nicht bereitgestellt werden, weil das Rangierpersonal fehlt. Erst letzten Dienstag war der Zug, der um 16.26 Uhr nach Landshut fahren sollte, um 16.49 Uhr noch nicht bereitgestellt, weil niemand da war, der den Zug in den Bahnhof gezogen hätte. Ich muss sagen, das sind Zustände, die nicht hinnehmbar sind.
Damit wir heute nicht wieder bei der gegenseitigen Schuldzuweisung enden, wie es leider nur allzu häufig der Fall ist, appelliere ich an Sie, gemeinsam mit uns nach einer tragfähigen, zukunftsweisenden Lösung zu suchen. Nicht nur bei der Bahn müssen ausgefahrene Gleise verlassen werden, sondern auch in der Politik.
Sie kommen nicht darum herum: Fakt ist, der Niedergang der Bahn begann nicht mit der Regierungsübernahme durch die rot-grüne Koalition im Herbst 1998, sondern der Niedergang wurde über Jahrzehnte hinweg nicht nur billigend in Kauf genommen, sondern regelrecht vorbereitet.
Die Nebenstrecken wurden planmäßig heruntergewirtschaftet. Investiert wurde in ehrgeizige Großprojekte. Jetzt haben sich die Probleme zugespitzt. Die jetzige Bundesregierung hat auch hier eine Erblast übernommen. Herr Kollege Rotter, Sie haben vorhin ehrlich gesagt: „Die Bahnpolitik war in der Vergangenheit schlecht.“ Jetzt setzen Sie Ihre Hoffnung vor allem in die GRÜNEN, dass sich diese Politik bessert.
(Rotter (CSU): So habe ich das nicht gesagt! – Heiterkeit bei der CSU – Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Das hat Herr Rotter gesagt. Herr Wiesheu wird nicht müde zu sagen, er habe sich nicht viel von Rot-Grün erwartet, aber er habe sich vor allem erwartet, dass es mit der Bahn besser wird. Das heißt im Umkehrschluss: Herr Wiesheu sagt, dass die Bahnpolitik der alten Regierung schlecht war und dass er jetzt eine Verbesserung erwartet.
Kolleginnen und Kollegen, die Sache ist nicht so einfach, dass man sagen könnte, jetzt geben wir einen einmaligen Zuschuss von mehreren Milliarden DM, dann ist schon alles gerichtet. So einfach ist das nicht. Wir müssen bei den Rahmenbedingungen anfangen, und hier stellen wir fest: Von einer Chancengleichheit der Schiene gegenüber den übrigen Verkehrsträgern kann nicht die Rede sein. Die fehlende Kerosinsteuer für die Flüge ist ein markantes Beispiel.
Herr Dinglreiter, wir reden von Finanzmitteln und von Vorteilen, die manche Verkehrsträger genießen, andere hingegen nicht. Sie wissen ganz genau, dass der Flug gegenüber der Bahn bevorteilt ist. Das wird auch von Vertretern Ihrer Partei aus Tourismusregionen in Bayern durchaus zugegeben.
Herr Hofmann, ich weiß, dass es einstimmige Beschlüsse der Bundesregierung und auch des Bayerischen Landtags gibt, diese Steuer europaweit einzuführen. Leider ist es aber bis zum heutigen Tag bei diesen Beschlüssen geblieben.
Herr Meyer, Sie wissen genau, was das Europaparlament beschließen kann, was die Kommission zu sagen hat und was der Ministerrat und was damit letztendlich die Regierungen beschließen.
Frau Michaele Schreyer ist dafür nun aber wirklich nicht verantwortlich. Es ist so, dass die Bahn auch im europäischen Vergleich benachteiligt ist. Kolleginnen und Kollegen, deshalb muss zumindest – und hier kommen wir zur Finanzierung – für einen mittelfristigen Zeitraum eine Entlastung der Bahn bei der Mehrwertsteuer und bei der Mineralölsteuer folgen.
Wir haben der Bahn bei der Ökosteuer 50% Erlass beim Strom gegeben. Bei der zweiten Stufe der Mineralölsteuererhöhung haben wir ihr ebenfalls 50% Erlass eingeräumt. Eine Halbierung der Steuersätze muss mittelfristig eingeführt werden. Als Gegenfinanzierung soll eine LKW-Maut ab dem Jahr 2002/2003 dienen – und jetzt werden Sie wieder nicht mehr wollen.
Ich habe niemals gesagt, dass wir die Einnahmen aus der ökologischen Steuerreform für ökologische Investitionen hernehmen wollen. Hier vernebelt sich bei einigen Diskutanten etwas.
Wir sind hier als GRÜNE immer angetreten und haben gesagt, wir wollen den Faktor Arbeit entlasten. Das heißt, wir wollen Einnahmen aus der Ökosteuer dafür hernehmen, um die Beiträge zu den Rentenversicherungen zu senken. Das war unser Modell. Ihr Modell war, die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Vergessen Sie das bitte nicht!
Ich muss mich wirklich wundern. Wir haben hier jahraus jahrein die Diskussion über die Lohnnebenkosten erlebt. Die waren immer zu hoch und an allem schuld. Doch kaum ist die rot-grüne Bundesregierung hergegangen und hat die Beiträge zur Rentenversicherung in einem ersten Schritt gesenkt, da sind für Sie die Lohnnebenkosten plötzlich kein Problem mehr. Auf einmal hatten Sie andere Verwendungsvorschläge für die Einnahmen aus der Ökosteuer.
Kolleginnen und Kollegen, es ist klar, dass die Bahn Hilfe bei der Bewältigung der Reichsbahnaltlasten über das Jahr 2003 hinaus braucht. Sie braucht weiterhin eine Finanzhilfe zur Bewältigung der Frühpensionierungen. Das Trassenpreissystem für den Güterverkehr – und hier sehe ich Sie an, Herr Dinglreiter – muss überarbeitet werden. Es muss ein fairer Wettbewerb garantiert sein.
Nun betrachten wir die Investitionspolitik der vergangenen Jahre. Hier müssen wir feststellen – und deshalb hat die Bahn heute diese Probleme –, dass in den vergangenen Jahrzehnten eine falsche Investitionspolitik betrieben wurde. Ehrgeizige Projekte – ich erinnere an die ICE-Trassen – führten und führen zu gravierenden Teuerungen. Jetzt erinnere ich Sie an ein in diesem Landtag sehr umstrittenes Projekt: die private Vorfinanzierung der Trasse Ingolstadt – Nürnberg. Es geht dabei um 3 Milliarden DM, die Sie letztendlich 9,3 Milliarden DM kosten werden.
Ja, leider uns. Fünfzehn Jahre lang werden sie uns jeden Tag 1,7 Millionen DM kosten. Das müssen Sie sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Und da sagen Sie heute, Bayern bekommt nicht mehr genügend Investitionsmittel. Es ist doch so, dass Sie, diese unsinnige Trasse mit der Brechstange durchgesetzt und auf Jahre hinaus das ganze Geld verprasst haben.
Dennoch werden nach dem vorliegenden Plan der Bundesregierung weitere 377 Millionen DM für den Schienenbau nach Bayern vergeben.
Wir haben heute, wie gesagt, die Folge dieser Fehlinvestitionen zu ertragen, denen Sie den Weg bereitet haben. Doch die Staatsregierung ist auch heute noch bereit, ehrgeizige Großprojekte wie Ulm – München vorzufinanzieren. Dabei geht es um 2,3 Milliarden DM. Es würde mich schon einmal interessieren, woher Sie diese Gelder nehmen wollen. In diesem Haus hat mir das bisher noch niemand gesagt. Minister Dr. Wiesheu fährt zu irgendwelchen Eisenbahntagungen und sagt: „Wir wollen das vorfinanzieren“. Wie will er das denn machen? Will er die Verschuldung erhöhen? Will er erneut Aktienpakete und Bürgervermögen verkaufen? Wie soll sich das gestalten? Doch weil das noch nicht reicht, kommt dann auch noch der Umweltminister und hat ebenfalls solch ein unsinniges Projekt auf Lager. Es muss ja immer einer den anderen übertrumpfen. Umweltminister Dr. Schnappauf schlägt vor, dass die ICE-Strecke Nürnberg – Erfurt als Nächstes vorfinanziert werden soll. Die Kosten werden auf 8 Milliarden DM geschätzt. Sie wurden sogar dem Bahnchef Mehdorn zu viel, der sagte, dieses Projekt kann wegen Unwirtschaftlichkeit nicht in Angriff genommen werden.