Protokoll der Sitzung vom 13.04.2000

(Beifall bei der CSU)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Schläger.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich sind wir uns doch einig, dass wir in Bayern eine attraktive Bahn für nachhaltige Verkehrs- und Umweltpolitik brauchen. In dieses Bild passen jedoch

nicht die Kahlschlagspläne der Deutschen Bahn AG. Teilweise gewinnt man den Eindruck, die Bayerische Staatsregierung sei sich mit der Bahn einig, den Verkehr zum Teil von der Schiene auf den Bus zu verlagern. Wir wollen Investitionen in der Fläche für regionale Zukunftsbahnprojekte statt milliardenschwere Prestigevorhaben und eine kalte Sanierung der Bahn durch Fehlinvestition, Ausverkauf und Stilllegung.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie sich die Vorschläge der Staatsregierung zum Bundesverkehrswegeplan ansehen, werden Sie eine ganze Reihe sinnvoller Massnahmen finden. Allerdings stehen darin auch Massnahmen, bei denen man den Eindruck gewinnt, diese CSU will ein Mehr an Asphalt und Beton, ganz egal wo. Das ist der Fortschritt für die CSU.

(Beifall des Abgeordneten Maget (SPD) – Dr. Bernhard (CSU): Ein sehr spärlicher Beifall!)

Herr Kollege Dr. Bernhard, Sie wissen, dass nach der Mittagspause das Plenum immer relativ leer ist. Diese Krankheit hatten wir schon immer. Ihre Vorschläge werden zu einer nachhaltigen Blechlawine im ganzen Land führen.

(Beifall bei der SPD)

Es passt überhaupt nicht in die Landschaft, dass die DB AG Interregio-Züge auf den Hauptstrecken München – Regensburg – Hof oder Stuttgart – München streicht und künftig als Nahverkehrszüge vom Freistaat bezahlen lässt. Die DB AG will sich auch aus der Verantwortung für große Teile der nach jahrelanger Vernachlässigung sanierungsbedürftig gewordenen Schieneninfrastruktur zurückziehen. Hier müssen wir gemeinsam gegensteuern. Ich hoffe, dass das zwischen uns Konsens ist.

Wir halten das Schrumpfbahnkonzept für ein ökologisches und verkehrspolitisches Desaster. Wenn wir den sich abzeichnenden Rückwärtsgang der DB AG im Fernverkehr nicht abwehren, droht eine Abwärtsspirale von ausbleibenden Fahrgästen, schlechtem Service, Preiserhöhungen und Angebotskürzungen, die das Vertrauen der Kunden in die Eisenbahn nachhaltig zerstört.

Nur mit einem offensiven Zukunftskonzept kann die Bahn wettbewerbsfähig und flächendeckend ausgebaut werden. Da man jede Mark nur einmal ausgeben kann, muss man auf einiges verzichten. Man muss wissen, auf was man verzichten kann. Entweder wir bauen noch eine oder zwei sündteure ICE-Strecken, zum Beispiel die durch den Thüringer Wald,

(Hofmann (CSU): Die ihr 1991 beantragt habt!)

oder wir geben das Geld im Rahmen des Programms Netz 21, das in der Fläche zukunftsfähig wäre, um den „Schrumpfbahn-Plänen“ Einhalt zu gebieten. Nach internen Informationen aus dem „Unternehmen Zukunft“, wie sich die Bahn nennt, steht die für das Streckennetz verantwortliche DB-Netz AG betriebswirtschaftlich mit dem Rücken an der Wand. Neben dem fortschreitenden

Abbau von Weichen und immer häufiger erzwungenen Langsamfahrstrecken sollen nun nach neuesten Erkenntnissen deutschlandweit 262 regionale Eisenbahnstrecken betriebswirtschaftlich untersucht und voraussichtlich dem Ausverkauf angeboten werden. Daneben sollen vermehrt anstatt Schienenfahrzeuge Busse eingesetzt werden, nach dem Motto: mit dem Bus im Stau statt bequem und schnell in einer modernen Regionalbahn.

(Beifall bei der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, das ist ein Salto rückwärts in der Bahnpolitik und ein Schlag ins Gesicht vieler Reaktivierungsinitiativen, die wir überall im Land haben. Das ist die Hirtenbachtalbahn im Landkreis Forchheim, die Mainschleifenbahn im Landkreis Kitzingen oder die Staudenbahn in Schwaben – um nur drei zu nennen.

(Hofmann (CSU): Weißt Du, wer in Berlin an der Regierung ist?)

Auch die schon vor zwei Jahren geplante und nur teilweise umgesetzte Streichung von Interregio-Linien soll weiter gehen. Betroffen sind zum Beispiel die Linien Hof – Nürnberg – Stuttgart – Karlsruhe, Obersdorf – München – Landshut – Regensburg – Hof oder Ulm – Günzburg – München, Würzburg – Ansbach – München oder Würzburg – Suhl – Erfurt. Insgesamt sollen deutschlandweit im Fernverkehr von 175 Millionen Zugkilometern über 43 Millionen Kilometer bis zum Jahr 2004 gestrichen werden.

Diese einfallslose Streichorgie darf auch keinen Fall stattfinden, und es darf auch nicht passieren – wie wir im letzten Absatz unseres Antrags extra erwähnen –, dass Fernverkehrslinien im großen Umfang vom Nahverkehr übernommen werden. Der derzeit laufende massive Rückbau von Kreuzungs- und Überholungsmöglichkeiten, die Zerstörung von Anlagen des Güterverkehrs, der Abbau von Abstellanlagen und der Verkauf von Bahnimmobilien müssen sofort gestoppt werden, um die zukünftigen Marktchancen nicht zu beschneiden. Es geht nicht an, nach dem Motto „Den Letzten beißen die Hunde“, überall die Kommunen einspringen zu lassen, wo die DB AG nicht mehr zurecht kommt. Die kommunalen Spitzenverbände haben das in den letzten Tagen zu Recht zurückgewiesen.

Nun gibt es die Planung, die mit dem Namen „Regent“ überschrieben ist. Das ist eine Planung, die wiederum zulasten der Kommunen gehen soll. So kann es nicht weitergehen!

Obwohl in der Politik und der breiten Öffentlichkeit seit langem Konsens besteht, dass wir mehr Verkehr auf die umweltfreundliche Schiene bringen müssen – unser Antrag geht in diese Richtung – lassen konkrete Schritte immer noch auf sich warten. Anspruch und Wirklichkeit sind meilenweit voneinander entfernt. Das Ziel ist klar. Der Verkehr soll auf die Schiene. Beim Fernverkehr hat das Land – zugegebenermaßen – nur wenig Einfluss. Dort, wo der bayerische Staat und die bayerische Eisenbahngesellschaft das Sagen haben, müssen wir anpacken und mit gutem Beispiel vorangehen.

(Spitzner (CSU): Was denn?)

Wir müssen den Schienenpersonennahverkehr in Bayern weiter ausbauen.

Im Rahmen des Durchführungsvertrags bestellte Bayern bis zum Jahr 2001 Schienenpersonennahverkehrs-Leistungen in der Zwischenzeit bis zu 94 Millionen Zugkilometer für den Nahverkehr. Wir müssen zurückblickend feststellen, dass das tadellos geklappt hat

(Sinner (CSU): Bis die Regierung gewechselt hat!)

und dass es in der Zwischenzeit, mit Ausnahme von wenigen Strecken, bis zu 40% mehr Reisende gibt. Aber, meine Damen und Herren von der CSU, wer sich auf seinen Lorbeeren ausruht, trägt sie an der falschen Stelle. Wir müssen auf dieser Basis weiter arbeiten. Wir sollten das durchführen, wozu uns der Ministerpräsident seit Jahren ermuntert. Er sagt nämlich, er wolle in Bayern von jedem Bahnhof in jede Richtung zu jeder Stunde einen Zug. Da hat er Recht. Das sollten wir endlich realisieren. Unser Antrag ist der Weg in diese richtige Richtung. Von einer „Eisenbahnrevolution“, wie sie der Ministerpräsident angekündigt hat, sind wir weit entfernt, wenn wir das nicht durchführen. Im Gegenteil, es gibt Anzeichen, dass der Rückwärtsgang eingelegt wird.

(Sinner (CSU): Das macht Klimmt vor allen Dingen!)

Wir müssen zu unserem Bedauern feststellen, dass die bayerische Eisenbahngesellschaft in letzter Zeit keine zusätzlichen Leistungen mehr bestellt hat.

(Hofmann (CSU): Das brauchen die auch nicht!)

Deshalb besteht die Forderung, auf 120 Millionen Zugkilometer aufzustocken.

(Hofmann (CSU): Wo sollen die fahren?)

Was Sie bisher haben, ist ein „Bayerntakt light“. Diesen gilt es zu verbessern. Ich vergleiche das stets mit einem Fluss. Wenn er nur schwache Seitenbäche hat, kann das nie ein großer Fluss werden. Wenn er große, starke Seitenbäche hat, wird er gross. Das gilt auch für den Regionalverkehr. Ist dieser stark, ist auch der gesamte Fernverkehr besser frequentiert.

(Hofmann (CSU): Lauter Plattheiten!)

In diesem Zusammenhang sprechen wir uns ganz entschieden gegen die Ausdünnung des Fahrplans im Interregio-Verkehr aus. Wenn schon die bayerische Staatsregierung wegfallende Fernverkehrsleistungen nicht übernehmen kann bzw. will, muss vor Streichung der Interregio-Linien ein Angebot für die betroffenen Räume geschaffen werden. Das könnte eventuell in Form von Zusammenwirken zwischen dem Nah- und dem Fernverkehr geschehen. In letzter Zeit wird der Interregio-Express immer öfter genannt. Das könnte vielleicht ein sinnvoller Ersatz sein. Man muss aber wissen, was man will, und wie man das ausgestaltet.

Die Menschen in unserem Land haben kein Verständnis, wenn Nebenstrecken anstatt ausgebaut stillgelegt werden, wie es in diesen Tagen erneut avisiert ist. Wir erleben immer das gleiche Spiel: Der Fahrplan wird ausgedünnt. Jahrzehntelang wird in der Fläche auf Investitionen in Bahnhöfe, Schienenwege und auf das Zugmaterial verzichtet. Herr Kollege Rotter, Sie sagten, das sei nicht erst seit gestern oder seit eineinhalb Jahren so, sondern das gebe es seit Jahrzehnten. Die Folge ist, dass in die klapperigen, zugigen und langsam fahrenden Züge niemand einsteigen will. Der nächste Schritt ist die Verkehrszählung, die natürlich katastrophal ausfällt. Die Strecke wird geschlossen. Der Busverkehr springt ein. Später wird versucht, das Ganze nach dem Motto auf die Kommune abzuwälzen: „Um die paar Busse könnt ihr euch im Landkreis kümmern.“

Wir haben positive Ansätze. Ich habe die Fuchstalbahn, Staudenbahn und Mainschleifenbahn schon erwähnt. Meine Damen und Herren von der CSU, während in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz in den letzten fünf Jahren je zehn Eisenbahnstrecken reaktiviert wurden, sind wir in Bayern bei Null. Wir sehen an den Nachbarländern, dass das geht. Deswegen haben wir den Antrag gestellt. Mit diesem Antrag wollen wir der Entwicklung gegensteuern.

Allein die Bayerische Staatsregierung entscheidet mit den Bestellungen durch die BEG über den Erhalt der Strecken im Regionalverkehr. Mittelfristig brauchen wir ein integriertes Nahverkehrskonzept betreffend Bus und Bahn, wobei die Schiene das Rückgrat bilden muss. Der Parallelverkehr von Bus und Bahn, den es immer noch gibt, sollte der Vergangenheit angehören, weil sich die Verkehrsmittel gegenseitig schwächen.

Mein Resümee lautet: Wir dürfen uns beim Schienenpersonennahverkehr nicht auf den Erfolgen der Vergangenheit ausruhen, sondern wir müssen handeln. Deshalb bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag. Den Antrag des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN werden wir mittragen. Er gibt einige sehr vernünftige Anstöße.

Meine Damen und Herren, anders sieht es beim Antrag der CSU aus. Lassen Sie mich kurz ein paar Sätze dazu sagen. In § 8 Absatz 2 des Bundesschienenausbaugesetzes steht, dass mindestens 20% der Investitionsmittel in die Nahverkehrsstruktur fließen sollen. Herr Kollege Rotter, ich merke aber an Ihrer Argumentation, dass die Einordnung enorme Schwierigkeiten macht. Man merkt das auch, wenn man sich bei den unterschiedlichen Ministerien informiert. Auf vielen Strecken gibt es Mischverkehr. Es fahren der ICE, der IC, die Regionalbahn und sogar die S-Bahn. Dann sieht es mit der Verteilung der Investitionsmittel ganz anders aus. Wenn man in Strecken, auf denen Mischverkehr stattfindet, etwas investiert, kommt das allen zugute. Bei Ihrer Rechnung mit 5% lassen Sie das geflissentlich weg.

Das Thema, ob genügend Mittel in den Nahverkehr investiert werden, ist nicht neu. Das Eisenbahnbundesamt hat sich immer wieder damit befasst. Es kam zu dem Ergebnis – jetzt hören Sie zu –, dass in verschiedenen Jahren sogar mehr als 20% in den Nahverkehr investiert wurden. Dies wurde auf der Konferenz der Verkehrsmi

nister der Länder zustimmend zur Kenntnis genommen. Das Eisenbahnbundesamt stellt fest, dass in Spitzenjahren sogar 30% in den Nahverkehr investiert wurden.

Herr Kollege Schläger, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich dachte, es wäre Verlängerung beantragt. Sollte dies nicht der Fall sein, kann ich nur sagen, ich brauche noch zwei Minuten. – Danke schön, Herr Präsident.

Meine Damen und Herren, nachdem jede Mark nur einmal ausgegeben werden kann, wie ich bereits gesagt habe, sind die Forderungen der CSU, auf der einen Seite jede Menge neuer ICE-Strecken zu bauen und auf der anderen Seite ein optimales Nahverkehrsnetz zu installieren, nicht miteinander vereinbar. Schön wäre es schon, aber es ist leider nur die typische Forderung einer Oppositionspartei, die im Staat nichts mehr zu sagen hat.

(Beifall bei der SPD)

Wir lehnen den Antrag der CSU ab, weil zirka 20% der Mittel heute auch für den Nahverkehr zur Verfügung stehen. Das, was im zweiten Teil Ihres Antrags steht, nämlich dass Sie sogar klagen wollen, ist völlig überflüssig. Deswegen müssen wir Ihren Antrag als einen reinen Scheinantrag, der nur populistisch wirken soll, ablehnen.

(Beifall bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat Frau Kollegin Kellner das Wort. Es ist Redezeitverlängerung beantragt.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Der Flächenstaat Bayern braucht eine attraktive und leistungsfähige Flächenbahn.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)