Steuerreform 2000, also die Unternehmensteuerreform auf der einen Seite und die Senkung des Einkommensteuertarifs auf der anderen Seite, hat im Entstehungsjahr die beeindruckende Summe von insgesamt 44 Milliarden DM. Davon entfallen 23 Milliarden DM auf private Haushalte, 14 Milliarden DM auf den Mittelstand und knapp 7 Milliarden auf Großunternehmen.
Fazit: Endlich passiert etwas nach jahrelangem Nichtstun. Selbstverständlich gibt es noch Verbesserungsmöglichkeiten im Detail – ich habe einige angesprochen. Es muss aber auch Verhandlungsmasse für den Vermittlungsausschuss da sein. Und zuletzt: Gerade der Mittelstand profitiert von der Steuerreform sehr, sehr stark.
Ich mache darauf aufmerksam, dass soeben noch ein Dringlichkeitsantrag des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 14/3581 mit folgendem Wortlaut eingegangen ist:
1. Der Landtag begrüßt das Steuersenkungsgesetz der Bundesregierung. Gerade der Mittelstand profitiert von dieser Reform, da durch die Steuertarifsenkungen besonders des Eingangssteuersatzes Unternehmen mit geringem zu versteuerndem Gewinn entlastet werden und durch die pauschale Anrechnung des doppelten Gewerbesteuermessbetrages Unternehmen mit höherem Gewinn begünstigt werden.
2. Die Staatsregierung wird aufgefordert, im Bundesrat bei den zu erwartenden Verhandlungen im Vermittlungsausschuss folgende Kompromisslinie zu verfolgen: Annäherung der bisher unterschiedlichen Steuerbelastung bei Veräußerungen zwischen Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften, Erhöhung der Einkommensgrenze für den Spitzensteuersatz von 45% zur Abmilderung der so genannten kalten Progression, Überprüfung des Optionsmodells für Personenunternehmen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wer sich die Vorschläge zur Reform der Unternehmensbesteuerung nur oberflächlich ansieht, Herr Straßer, kann leicht leuchtende Augen bekommen, doch wer genauer hinsieht und genauer betrachtet, was da gewollt wird, der erkennt den Köder, mit dem Personenunternehmen in die Rechtsform der Kapitalgesellschaft gelockt und Unternehmer von Unternehmen getrennt werden sollen. Zu Unternehmern haben Sie in Ihrer Bundespartei nämlich nach wie vor ein gestörtes Verhältnis.
Wer genauer hinschaut, erkennt auch, dass hohe Steuern für den Mittelstand mit komplizierten Ersatzregelungen, die Sie einbauen, wieder abgemildert werden sollen, mit Ersatzregelungen, die in den meisten Fällen nicht greifen werden. Er erkennt auch, dass die zu geringen Entlastungen von Unternehmern durch gleichzeitige Belastungen wieder einkassiert werden. Die Reform der Unternehmensbesteuerung fährt nämlich immer noch in weiten Teilen in den Gleisen von Umverteilung und Wirtschaftslenkung, auf die sie Lafontaine gesetzt hat. Gegenüber der Öffentlichkeit werden zwar die Verbesserungen des Standortes Deutschland, die Förderung von Investitionen und Beschäftigung sowie die Europatauglichkeit der neuen Unternehmensbesteuerung in den Vordergrund gestellt. Mit diesen Zielen sollen Öffentlichkeit und Medien für die Reform eingenommen werden. In Wirklichkeit passen diese Ziele aber nicht zusammen. Vieles ist Schönfärberei, um damit die Schwächen dieses Konzeptes zu überdecken.
Herr Straßer, Sie sprechen die 16 Jahre der alten Bundesregierung an. Dazu muss ich Ihnen sagen: Ihr Gedächtnis bedarf einer Auffrischung. Wenn Sie von der größten Steuerreform aller Zeiten sprechen, sollten Sie wissen, dass 1986/1988 mit der damaligen Steuerreform eine Nettoentlastung von 19,4 Milliarden DM herbeigeführt wurde, dass 1990 eine Nettoentlastung von knapp 25 Milliarden DM stattgefunden hat und dass das Jahressteuergesetz 1996 noch einmal 19,1 Milliarden DM Entlastung gebracht hat.
Sie sprechen wieder einmal die Mineralölsteuererhöhung an. Mit den Mineralölsteuererhöhungen Anfang der 90er Jahre haben wir die „Verkehrsprojekte deutsche Einheit“ ins Laufen gebracht. Mitte der 90er Jahre haben wir mit dieser Erhöhung die Privatisierung der Bahn sichergestellt. Was tun Sie heute? Sie nehmen sechs Jahre hintereinander 4,5 Milliarden DM – in der Summe sind das ab 2003 dann 22 Milliarden DM pro Jahr –, aber Sie verwenden davon keine Mark für die Infrastruktur oder für Investitionen. Ab dem Jahr 2003 erhalten Sie für fünf Jahre 24 Milliarden DM aus dem Road-Pricing. Was tun Sie? Sie geben gerade einmal 7,4 Milliarden DM für das so genannte Antistauprogramm aus. Das ist der Unterschied zwischen unserer und Ihrer Politik.
Meine Damen und Herren, Sie können über Sachverständige reden, wie Sie wollen. Es gibt eine ganze Menge Aussagen vieler Sachverständiger, die ganz klar und deutlich belegen, dass Ihr Konzept eine Benachteiligung des Mittelstandes bringt. Die Bundesregierung macht eine Unternehmensteuerreform vorwiegend für die Kapitalgesellschaften, und hier wiederum für die großen Unternehmen. Der Mittelstand wird grob benachteiligt. Die Bundesregierung negiert damit, dass die deutsche Unternehmensstruktur zu 80% aus Personenunternehmen besteht, die deshalb vom Körperschaftsteuersatz nicht profitieren. Während die rot-grünen Konzepte Körperschaften mit einem Steuersatz von 25% belasten, was unter internationalen Gesichtspunkten grundsätz
lich richtig ist, werden Personenunternehmen weiterhin mit hohen Einkommensteuersätzen belastet. Die Spitzenbelastung soll zunächst bei 48,5% bleiben. In Aussicht gestellt wird, dass sie 2005 auf 45% abgesenkt wird.
Das bedeutet ein Belastungsgefälle zwischen Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften von 20 bis 23,5%. Das ist durch nichts gerechtfertigt.
Wir sehen auch, dass hier massive verfassungsrechtliche Bedenken anzumelden sind, mit denen wir uns sicherlich auch noch beschäftigen werden. Und weil sich die Regierung scheut, Personenunternehmen durch wirklich vernünftige, vertretbare niedrige Steuersätze zu entlasten, nimmt sie Zuflucht zu nicht praktikablen komplizierten Ersatzmodellen wie etwa der so genannten Optionslösung.
Meine Damen und Herren, das Steuerrecht, das vereinfacht werden sollte, wird damit wesentlich komplizierter. Nur wenige Personenunternehmen werden diese Optionen wahrnehmen. Die Annahme von Herrn Eichel, dass es 30% werden, ist generell widerlegt. Auch Ihr Koalitionspartner, die GRÜNEN, sagen, dass es maximal 5% sein werden, und der Deutsche Steuerberaterverband sagt, maximal 2% werden von dieser Option Gebrauch machen.
Das ist auch kein Wunder; denn die Option muss mit zusätzlichem Aufwand und vielen Unwägbarkeiten erkauft werden, so zum Beispiel durch den Zwang zur Einstimmigkeit aller Gesellschafter; es gibt keine Verlustverrechnung mehr. Das ist ein starker Hammer für viele mittelständische Betriebe. In vielen Fällen müssen zwei Bilanzen erstellt werden, eine Handels- und eine Steuerbilanz. Damit schaffen Sie zwar mehr Beschäftigung, allerdings bei Steuerberatern und Finanzbeamten. Und der Wechsel vollzieht sich nach dem Umwandlungssteuergesetz, was auch außerordentlich schwierig ist. Und schließlich und endlich hat das Ganze zur Folge, dass im Erbfall eine höhere Erbschaftssteuer zu zahlen ist. Man rechnet mit einem Mehrfachen der Erbschaftssteuer, weil die Bewertungsabschläge von 40% wegfallen und weil der Freibetrag von 500000 DM ebenfalls nicht mehr berücksichtigt wird.
Zudem gehen mit dem neuen System bedenkliche Ungleichbehandlungen einher. Veräußern Kapitalgesellschaften Beteiligungen an andere Gesellschaften, dann bleibt der Veräußerungsgewinn steuerfrei. Das Halbteilungsverfahren sorgt ferner dafür, dass die Veräußerungsgewinne Privater innerhalb der Spekulationsfrist nur zur Hälfte angesetzt werden. Diese Regelungen müssen deshalb als besonders krass empfunden werden, weil erst im so genannten Steuerentlastungsgesetz – man merke: Steuerentlastungsgesetz! – der halbe Steuersatz für Veräußerungsgewinne nach § 34 des Einkommensteuergesetzes abgeschafft wurde und nun auch noch die Prozentgrenze für steuerunschädliche Beteiligungen von 10% auf 1% gesenkt werden soll. Diese Ungleichbehandlung trifft damit insbesondere den Mittelstand.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist erkennbar, dass die Bundesregierung den Druck auf die Personenunternehmen erhöht; dies gefährdet unsere bewährte und erfolgreiche Unternehmensstruktur, die maßgeblich auf Personenunternehmen und persönlichem Risiko aufbaut. Sie erhöht den Druck auf die Unternehmen, die sich in Krisenzeiten durch ein hohes Stehvermögen auszeichnen. Sie erhöht den Druck auf die Unternehmen, die in einer globalisierten Wirtschaft standorttreu sind, also Arbeitsplätze im eigenen Land sichern, und sie erhöht den Druck auf die Unternehmen, die abseits vom Shearholdervalue ein besonderes soziales Klima im Zusammenhalt zwischen Belegschaft und Unternehmensführung pflegen. Dieses Unternehmenselement zu schwächen ist besonders tragisch, weil auf ihm eine stabile und leistungsfähige Gesellschaft aufbaut. Es darf nicht abgestraft werden.
Die zu geringe Entlastung ist bereits angesprochen worden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, überlegen Sie, wer denn Arbeitsplätze in der Vergangenheit geschaffen hat, und wenn Sie überlegen, wer Arbeitsplätze in der nahen Zukunft schafft, dann sind das nicht die Kapitalgesellschaften, sondern es ist der Mittelstand, den Sie mit Ihrer Steuerreform abstrafen. Das kann nicht richtig sein. Und wenn jetzt wieder gefragt wird – was auch Herr Eichel immer wieder betont –: Was wollt ihr denn mit dem Spitzensteuersatz, den – sagt Herr Eichel – sieht ein Handwerker doch nicht einmal mit dem Fernglas. Meine Damen und Herren, wenn ich von 15% eine Kurve ziehe nach 35%, dann haben alle einen niedrigeren Steuersatz, ganz gleich, wo sie sich mit ihrem Einkommen befinden, das sie besteuern müssen, als wenn ich eine Kurve nach 48,5% ziehe. Das wird wohl jedem einleuchten, der einmal Statistiken gezeichnet hat.
(Starzmann (SPD): Nur wenn Sie eine Gerade ziehen! Wenn Sie eine Kurve ziehen, kommen Sie mit dem Beispiel nicht hin!)
Hören Sie doch mit Ihren Kurven auf, Herr Kollege. Sie ziehen viel zu viele Kurven, bei denen sich am Ende keiner mehr auskennt, nicht einmal mehr Sie selber.
(Starzmann (SPD) Bitte, seien Sie genau! Sie schleudern aus der Kurve, wenn Sie nicht exakt sind! – Weitere Zurufe von der SPD)
vom unteren Steuersatz zum oberen Steuersatz. Das bedeutet, dass jeder weniger Steuern bezahlt, der sich innerhalb dieser geraden Linie befindet.
Nach unserem Konzept ist es so, dass sich generell etwa 25% Steuerermäßigung für alle ergeben und nicht nur einige viel profitieren und andere weniger.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will und muss zum Schluss kommen. Die Entlastung ist zu gering. Das ist deutlich gemacht worden. Und sie kommt vor allen Dingen viel zu spät, weil Sie alles viel zu weit hinausschieben.
Darf ich den Satz noch zu Ende bringen? Wir haben in den letzten 16 Jahren viel getan und wenn Sie nicht Obstruktionspolitik betrieben hätten, hätten wir bereits seit zwei, maximal drei Jahren eine optimale Steuerreform, die die Wirtschaft ankurbeln und voranbringen würde. Was Sie heute machen, führt uns nicht weiter, weil es nicht zu brauchbaren Ergebnissen führt. Aus diesem Grund werden wir zwar in Berlin keine Obstruktion betreiben, aber wir werden dafür sorgen, dass dieses für den Mittelstand ungerechte Modell keine Zukunft hat.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Redner der CSU zeichnen ein recht negatives Bild unserer wirtschaftlichen Lage in der Bundesrepublik. Das Gegenteil ist aber der Fall. Wenn die Bayerische Landesbank in ihrem jüngsten Konjunkturbericht schreibt, die Aussichten für einen nachhaltigen Konjunkturaufschwung in den Ländern der Euro-Zone könnten derzeit kaum günstiger sein, so ist dies ein Zeichen für die Qualität der Arbeit der Bundesregierung.
Die Konjunkturaussichten sind gut. Herr Kollege Bernhard, wenn Sie hier davon reden, dass der Rückgang der Arbeitslosigkeit allein auf das Ausscheiden älterer Arbeitnehmer zurückzuführen sei, dann sollten Sie bitte die Verlautbarungen Ihres eigenen Wirtschaftsministers zur Kenntnis nehmen, der sich gerühmt hat, dass im Jahresablauf 1998 auf 1999 in Bayern 51000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen worden sind.
Und in der Bundesrepublik sind es rund 180000 gewesen. Das ist auch ein Zeichen der Qualität der Arbeit der Bundesregierung.
Auch der Mittelstand profitiert davon. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass die Presse am 9. Mai Folgendes schrieb: