Protokoll der Sitzung vom 18.05.2000

Ich stelle fest:

Erstens. Das Hohe Haus sollte sich einig sein, dass es sich um eine Regelung handelt, die in Stottern immer wieder verlängert wurde, die Verlängerungsfristen immer kürzer wurden und dass die jetzige Situation bei allen guten Begründungen, die es geben kann, nicht zuträglich ist.

Zweitens. Wir sollten gemeinsam um eine Lösung ringen. Ich sage Ihnen, dass eine Lösung mit einer anderen Abgrenzung außerordentlich schwierig sein wird und neue Probleme bringen wird. Deshalb bin ich für das

langfristige Ausgleiten. Ich werde dazu einen präzisen Vorschlag machen.

Drittens. Ich wäre sehr dankbar, wenn die SPD-Kollegen nicht nur im Landtag große Reden schwingen würden, sondern auch die Bediensteten des Freistaats Bayern dadurch unterstützen würden, dass sie die Hemmnisse der Landeshauptstadt München beim Staatsbedienstetenbau aus dem Wege räumen.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt hat Herr Kollege Wörner das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich bin etwas verunsichert, denn ich habe ein Fax bekommen,

(Zurufe von der CSU)

hören Sie gut zu, meine Damen und Herren! – in dem steht, mit einem Dringlichkeitsantrag zur Fortführung der Ballungsraumzulage habe die CSU-Landtagsfraktion die Forderung der Münchner CSU aufgegriffen.

(Zuruf von der CSU: Das stimmt doch!)

Es heißt weiter, für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst sei eine finanzielle Schlechterstellung nicht in Kauf zu nehmen. Ich finde das toll. Ich habe mich schon gewundert, Herr Unterländer, dass Sie sich mit Ihrer Begründung etwas schwer getan haben, unserem Antrag nicht zuzustimmen. Ich habe es deshalb als gut empfunden, weil man Ihnen anmerkte, dass Sie mit sich ringen. Sie verstehen die Probleme des Ballungsraums München; Sie leben hier. Wir sollten uns nicht über ein „Abschmelzen“ unterhalten, wie es der Finanzminister gerade vorgeschlagen hat, sondern über die Weiterführung. Ich glaube nicht, dass sich in den nächsten Jahren die finanzielle Situation der Beschäftigten und die Finanzentwicklung der Stadt so stark verändern wird, dass Menschen unterer Einkommensgruppen davon Abstand nehmen können, 150 DM verlieren zu wollen.

Kolleginnen und Kollegen, um was geht es? – Ein Minister beklagt, dass ein Gesetz abläuft, was bei Tarifverträgen völlig üblich ist. Er sagt, daran wären alle schuld, die das so gewollt hätten. Das ist an sich richtig. Nachdem der Finanzminister festgestellt hat, dass die Regelung falsch ist, wäre es an der Zeit gewesen, dem Parlament rechtzeitig Vorschläge zur Verbesserung vorzulegen. Er hat keine Vorschläge. Er gibt in seinem Schlusswort zu, dass die derzeit bestehende Regelung unter all den Vorschlägen die beste sei, weil sie an die Mietentwicklungen gekoppelt sei. Das war die Ausgangslage der Ballungsraumzulage. Ich meine, auf dieser Basis sollten wir die Ballungsraumzulage fortführen; denn die Einkommen im öffentlichen Dienst haben sich von der Entwicklung des Ballungsraums München und anderer Ballungsräume abgekoppelt.

Die statistischen Entwicklungen des letzten Jahres zeigen, dass sich im Ballungsraum München die Mieten im

Verhältnis zum Einkommen gravierend erhöht haben. Wer das nicht sieht, berücksichtigt die Lebenslage des sogenannten kleinen Mannes nicht. Ich meine aber, für den sind wir in erster Linie da. Ich verweise auf einige Damen und Herren, die im Hohen Haus für 3500 DM monatlich ihren Dienst verrichten für uns alle. Wer diese Leute abstrafen will und sich am Geldbeutel der kleinen Leute vergreift, entweder mit schleichender Wegnahme oder mit sofortiger Wegnahme der 150 DM, muss sich nicht wundern, dass sie nicht mehr motiviert sind.

(Beifall bei der SPD)

Die Menschen werden nämlich durch ein vernünftiges Einkommen motiviert. Wir sollten insbesondere auf die Berufsgruppen, die uns zuarbeiten und Dienste für uns leisten, Rücksicht nehmen und nicht pauschal sagen: Die Ballungsraumzulage läuft aus, sie gibt es nicht mehr, dumm gelaufen. Wir sollten die Ballungsraumzulage in der heutigen Weise fortführen. Ich bin der Meinung, dass kein System die absolute Gerechtigkeit gewährleisten kann. Die Koppelung an die Entwicklung der Mieten ist die einzig faire Form, wohl wissend, dass es auch dabei Mängel gibt. Aber es gibt nichts ohne Mängel.

Wir sollten unter Berücksichtigung der Situation aufhören, Beschäftigte des öffentlichen Dienstes durch das wiederholte Aufflammen solcher Diskussionen zu verunsichern. Wir müssen uns allerdings Gedanken über die Laufzeit machen, wenn dieses Gesetz beschlossen wird. In Tarifverträgen sind auch Laufzeiten festgelegt. Wir sollten bei diesem Gesetz ebenfalls eine Laufzeit einführen, um es später erneut diskutieren zu können. Diese Diskussion über die Laufzeit darf aber nicht zu einer permanenten Verunsicherung oder gar schleichenden Absenkung dieser Zulage führen. Heute haben 150 DM bei weitem nicht mehr den Wert, den sie vor zehn Jahren hatten. Das darf nicht übersehen werden. Die Abschmelzung, die Sie, Herr Staatsminister, fordern, ist bereits durch die Inflation erfolgt. Deshalb darf es nicht sein, dass wir langfristig zu einer vollkommenen Abschmelzung kommen und uns aus der Gewährung der Ballungsraumzulage herausschleichen. Das können Sie mit uns nicht machen.

(Beifall bei der SPD)

Im Übrigen spricht sich auch der Beamtenbund und die ÖTV für die weitere Ankoppelung an die Mieten und das Wohngeldrecht aus. Wir sind der Meinung, dass dies der einzig richtige Weg ist. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat Herr Kollege Glück das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für die CSU-Fraktion ist klar, dass das Instrument der Ballungsraumzulage erhalten bleibt und weitergeführt wird. Es kann aber im Zusammenhang mit der anstehenden Beratung nicht sinnvoll sein, von vornherein zu

unterstellen, dass es bei der Ballungsraumzulage keine Veränderungen geben kann.

In dieser Hinsicht, Herr Kollege Wörner, brauchen wir eine Klarstellung bezüglich der Zustimmung zum Dringlichkeitsantrag der SPD. Wenn Ihre Formulierung „über den 31.12. hinaus weiterhin gewährt werden kann“ so zu verstehen ist, dass die Ballungsraumzulage unverändert bleibt, dann können wir nicht zustimmen. Es macht nämlich keinen Sinn, einen Sachverhalt zu beraten, wenn man von vornherein sagt, dass keine Veränderungen vorgenommen werden dürften, ungeachtet der Erfahrungen, die vielleicht in dem einen oder anderen Punkt Differenzierungen dringend erforderlich machen. Wenn Ihre Formulierung aber bedeutet, dass es auch Veränderungen geben kann, über die im einzelnen zu beraten ist und wir nicht im Hinblick auf bestimmte Konsequenzen festgelegt sind, dann können wir Ihrem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der CSU)

Als nächster Redner hat Kollege Franzke das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Glück, ich verstehe nicht mehr das ganze Spiel in dieser Frage. Ich habe die Angelegenheit in den letzten Tagen verfolgt. Herr Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser hat in einem Interview in der „Süddeutschen Zeitung“ gesagt, bei der damaligen Beschlussfassung hätten alle Beteiligten hoch und heilig geschworen, dass dies die letzte Verlängerung sei. Im selben Interview sagt er:

Ich habe nichts verkündet. Die ganze Aufregung ist entstanden, weil wohl jetzt jemand mal ins Beamtengesetz geschaut hat. Derjenige, der zuständig ist, ist der bayerische Finanzminister. Das gehört zu meinem Job. Ich ertrage es.

Wir wollen schon festhalten, dass der Finanzminister davon ausgegangen ist, dass die Ballungsraumzulage zum 31.12.2000 ausläuft. So haben Sie, Herr Finanzminister, sich gegenüber der Presse geäußert. Auch nach dem heutigen Vorgang halte ich das Ganze für ein Spiel. Der Finanzminister hat einen Stein ins Wasser geworfen und damit Wellen erzeugt. Jetzt spielt sich die Münchner CSU als Retter der Ballungsraumzulage auf. Daher stelle ich mir die Frage, ob es sich hierbei nicht um ein gewolltes Spiel gehandelt hat. Vielleicht hat Herr Gauweiler die Fäden hinter den Kulissen gezogen.

(Zuruf des Abgeordneten Glück (CSU))

Herr Glück, ich kenne Sie lange genug und weiß Ihr Grinsen einzuschätzen. Ich glaube, dass ich auf der richtigen Fährte bin. Herr Glück, sonst hätten wir doch nicht ein Fax, das um 13.56 Uhr vom Lesesaal des Bayerischen Landtags abgeschickt worden ist und in dem zu lesen ist: „Initiative der CSU München hat Erfolg. Ballungsraumzulage wird fortgeführt.“

Herr Kollege Unterländer, wo sind wir denn eigentlich hier? Sind wir im Narrenhaus oder im Kasperltheater? Bevor die Dringlichkeitsanträge aufgerufen wurden, hat die CSU verkündet, dass sie Erfolg habe, weil die Ballungsraumzulage fortgeführt werde.

(Frau Naaß (SPD): Das ist eine Frechheit! – Herrmann (CSU): Wir haben nicht erwartet, dass Sie dagegen stimmen!)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Welnhofer?

Herr Welnhofer ist zwar nicht aus dem Ballungsraum, ich freue mich aber über jeden Fragesteller.

Herr Kollege Franzke, könnte es sein, dass Sie verstört sind, weil die CSU Ihnen die Schau gestohlen hat?

(Heiterkeit – Beifall bei der CSU)

Herr Kollege Welnhofer, auch Sie kennen mich lange genug, um zu wissen, dass ich selten in Situationen gerate, in denen ich verstört bin. Ich war irritiert, weil der Finanzminister die Streichung der Ballungsraumzulage angekündigt hat und die CSU sich als Kämpferin für die kleinen Leute darstellt. Diese Situation ist grotesk und lässt ein abgekartetes Spiel vermuten. Sonst würde es diese Presseerklärung von den CSU-Kollegen nicht geben.

Herr Kollege Glück, ich möchte Sie bitten, sich unseren Dringlichkeitsantrag einmal etwas genauer anzuschauen. In dem Antrag steht:

Die Staatsregierung wird aufgefordert, dafür zu sorgen, dass für die Beamtinnen und Beamten des Freistaates Bayern die Ballungsraumzulage über den 31.12.2000 hinaus weiterhin gewährt werden kann.

Wir haben ausdrücklich nicht angegeben, in welchem Umfang und welcher Höhe sie gewährt werden soll. Ich habe bereits während der Beratungen 1995 in diesem Hohen Haus gesagt, dass die Wohngeldstufe auch ihre Tücken hat. Die Aussagen meiner Rede von damals sind weitgehend auf die Frage der Wohngeldstufe anwendbar.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Eykmann (CSU))

Der Finanzminister weiß das doch nicht. In Bayern werden die Finanzminister so oft wie das Hemd gewechselt. Wenn man Herrn von Waldenfels zitiert, wissen Sie schon gar nicht mehr, wer das überhaupt ist.

Ich persönlich bin der Auffassung, dass es bei der Ballungsraumzulage nicht nur um München geht. Ich habe seinerzeit im Ausschuss gesagt, dass auch der Großraum Nürnberg und die Städte Augsburg, Würzburg und

Regensburg Probleme haben. Dasselbe gilt auch für Erding und die Stadt Landshut.

Insofern werden wir dafür sorgen, dass wir die Ballungsraumzulage erhalten. Ich hoffe deshalb, dass Sie unserem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Kollege Glück.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach dieser Klarstellung der SPD geht es also nicht um eine unveränderte Weiterführung. Es versteht sich, dass ich zu diesem Antrag Zustimmung empfehle. Nun lassen Sie mich aber noch etwas zu Ihren Bemerkungen von vorhin sagen: Ich finde, es ist eine ganz normale Aufgabe des Finanzministers, bei Regelungen, die auslaufen, etwas darüber zu sagen, ob es notwendig ist, sie weiterzuführen. Im Zusammenhang mit dem Haushalt ist es auch notwendig, Leistungen zu hinterfragen und auf den Prüfstand zu stellen. Der bayerische Finanzminister macht dies ungleich flexibler und politischer als Herr Eichel, der hier mit massiven Drohungen in der eigenen Fraktion Entscheidungen – –

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD)