Kein Mensch begreift mehr, warum die CSU quer schießt. Die CSU vertut viele Chancen, die im Interesse Bayerns nicht vertan werden dürfen. Wir müssen jetzt in die Zukunft blicken. Dies haben die Menschen in Bayern begriffen. Die Menschen sind weiter als die Staatsregierung. Wenn es so weitergeht, wird die Wende in der Energiepolitik an der Staatsregierung vorbeilaufen. Diese Wende ist aber eine Chance für Bayern.
Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich die letzten Redebeiträge Revue passieren lasse, scheinen Sie sehr stolz auf das zu sein, was Sie in Berlin produziert haben. Sie haben keinen Konsens geschaffen, sondern ein Zwangsergebnis. So nenne ich das. Meine Damen und Herren, das politische Wort des Jahres 2000 wird sicher das Wort „Nachhaltigkeit“ sein.
(Frau Schopper (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da ist Herr Schnappauf doch vorn! – Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Unser Umweltminister hat dieses Wort zur rechten Zeit eingeführt. Er hat dieses Wort so verstanden: Wir müssen uns so verhalten, dass alle Generationen nach uns noch genügend Ressourcen zur Verfügung haben, um sich umweltgerecht entwickeln zu können. Für unsere Beschlüsse im Landtag bedeutet dies, dass wir bei allem, was wir beschließen, auch das Ende bedenken
müssen. Helmut Schmidt, der frühere SPD-Bundeskanzler, hat dieses Wort offensichtlich zur Grundlage seiner Energieentscheidung gemacht, als er im Dezember 1980 auf der Weltenergiekonferenz, die hier in München stattgefunden hat, Folgendes sagte. Ich zitiere:
Wichtig ist, wenn man die Situation von heute mit derjenigen von damals vor 50 Jahren vergleicht, dass es seinerzeit zwei Milliarden Menschen auf der Welt gab. Heute – 50 Jahre später – sind es über vier Milliarden. In weiteren 20 Jahren werden es schon sechs Milliarden Menschen sein. Für sechs Milliarden Menschen im Jahr 2000 wird die Energieversorgung zu einer zentralen Frage des Überlebens, auch des Zusammenlebens werden.
zum begrenzten Ausbau der Kernenergie, auch unter dem Hinweis auf die Umweltfolgen beim Verbrennen von Öl, Gas und Kohle.
Das Ergebnis war, dass die meisten der heute am Netz befindlichen 19 Kernkraftwerke unter Ihrer Regierung – im Bund und in den Ländern – ans Netz gegangen sind. Das Motiv der SPD war, eine CO2-neutrale Massenstromerzeugung im Grundlastbereich zu haben. Die SPD und die GRÜNEN verstehen dies entweder nicht, oder sie wollen es nicht verstehen. Danach ist Deutschland 1995 in Berlin auf der Vertragsstaatenkonferenz, der UN-Umweltkonferenz, die Verpflichtung eingegangen, bis zum Jahr 2005 25% seiner Co2-Erzeugung zu reduzieren.
Meine Damen und Herren von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, mir klingt noch Ihr Hohngelächter im Ohr, als Sie diese Verpflichtung angezweifelt und gefragt haben, wie das funktionieren solle. Heute haben diejenigen, die damals gelacht haben, in Berlin das Sagen. Sie haben damals das Ziel von Dr. Helmut Kohl in Zweifel gezogen. Dann haben Sie jedoch seine Verantwortung, die er 1995 in Berlin ausgesprochen hat, ohne Wenn und Aber übernommen. Allerdings mit einem Unterschied: Sie haben vergessen, den Weg aufzuzeigen, der dahin führen soll, obwohl genügend Vorgaben durch zwei Enquete-Kommissionen vorgelegen hätten.
Meine Damen und Herren, mit Ihrem Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie haben Sie mehr Energie– und Umweltfragen aufgeworfen als Sie Lösungen anbieten. Deshalb stelle ich der SPD in Bayern die Frage: Wie wollen Sie 60% der Stromerzeugung im Grundlastbereich ersetzen? Frau Kollegin Paulig begreifen Sie endlich, dass diese 60% Stromerzeugung im Grundlastbereich nicht durch Windenergie oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen ersetzt werden können.
In Schleswig-Holstein stammen 83% des Stromes aus der Kernenergie. In Niedersachsen sind es 65%, in der Weltstadt Hamburg stammen 83% des Stromes aus der Kernenergie. Ich frage die Genossen in diesen Ländern,
wie sie diesen Kernenergieausstieg mit Alternativen begleiten. Wir werden beantragen, dass jedes Kilowatt, das die Bundesregierung aus dem Ausland bezieht, einer Umweltbetrachtung standhalten muss, die den Maßstäben der Bundesregierung entspricht; denn es kann nicht sein, dass bei uns die sichersten Kraftwerke abgeschaltet werden und aus den Kraftwerken unseres Nachbarlandes der Strom bezogen wird. Das werden wir nicht zulassen.
Ich wollte jetzt den Staatssekretär im französischen Industrieministerium zitieren, der auf diesen Tag Ihres Kernenergieausstiegs wartet. Seine Ausführungen liegen mir schriftlich vor.
Meine Damen und Herren, ich will zum Schluss kommen. Am Anfang meines Beitrags habe ich Helmut Schmidt zitiert. Meiner Ansicht nach ist zum Jubeln kein Anlass; denn im Umkehrschluss zu seiner damaligen Meinung stelle ich fest, die SPD und die GRÜNEN gehen auch in dieser Frage einen umweltpolitischen Irrweg.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Söder und Herr Kollege Kaul haben behauptet, der Ausstieg aus der Kernenergie sei rein ideologiepolitisch begründet. Ausserdem würde sich dieser Ausstieg ökonomisch fatal auswirken. Herr Kollege Dr. Söder und Herr Kollege Kaul, ich frage mich, warum die Kapital– und Aktienmärkte auf diese Entscheidung mit einem Kursanstieg der Energieversorgungsaktien reagiert haben. Ich frage mich, wie die Vertreter der Staatsregierung im Aufsichtsrat der Viag reagieren werden. Wenn die Unterschrift des Vorstandes unter diesem Vertrag so fatal wäre, wie Sie das darstellen, müssten Ihre Vertreter im Aufsichtsrat die Absetzung von Herrn Simson fordern. Herr Simson hat nämlich diesen Vertrag unterschrieben. Wenn Sie in dieser Form argumentieren, ist das unehrlich.
Beide Redner von der CSU haben den Klimaschutz so stark in den Vordergrund gestellt, dass einem fast die Tränen gekommen sind. Wo bleiben denn Ihre Sorgen um den Klimaschutz, wenn es darum geht, die Ökosteuer als Lenkungsinstrument im Hinblick auf die Verkehrsimmissionen einzusetzen?
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Willi Müller (CSU): Das ist doch keine Ökosteuer, das ist eine Energieversteuerungssteuer!)
„Der Faktor Arbeit muss durch eine Senkung der Lohnzusatzkosten relativ verbilligt werden, der Energie- und Rohstoffverbrauch – auch der Verbrauch von Kernener
gie – muss durch eine schrittweise Anpassung der Energiepreise relativ verteuert werden. Beides muss zu einer aufkommensneutralen Lösung intelligent verbunden werden. So lautet die Aufgabe.“ Das war ein Zitat aus einem Grundsatzreferat des damaligen Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dr. Wolfgang Schäuble, vom September 1997 in Ingolstadt.
Sie sollten endlich einmal weggehen von Ihrer Fundamentalopposition und zu den Fakten und zur Sachlichkeit zurückkehren. Herr Kollege Söder, Sie haben in Ihrem Vortrag die Spritpreise angesprochen. Betrachtet man sich einmal die Statistik der Benzinpreise, dann haben die beiden Länder Europas, die selbst Erdöl exportieren – Norwegen und Großbritannien – die höchsten Benzinpreise. Diese Länder nämlich wissen, dass ihre Erdölvorräte zu Ende gehen. Wir als Energieimportland haben dagegen Benzinpreise, die im Mittelfeld liegen. Und dennoch gibt es bei uns einen mittleren Volksaufstand, wenn die Spritpreise ansteigen. Dabei wissen Sie ganz genau, dass nicht in erster Linie die Ökosteuer für den Preisanstieg verantwortlich ist, sondern dass der starke Dollarkurs und die Preispolitik der OPEC den schnellen Benzinpreisanstieg, den wir im Übrigen auch nicht begrüßen, hervorgerufen haben.
Lieber Herr Kollege, Sie müssen auch einmal die Relationen sehen. Die Ökosteuer macht nur 12 Pfennig aus, das andere macht dagegen 35 Pfennig aus. Nur knapp 30% des Preisanstiegs gehen auf die Ökosteuer zurück. Das müssen Sie einfach zur Kenntnis nehmen.
Meine Damen und Herren, wir sollten auch berücksichtigen, dass schon zu Ihrer Zeit die Benzinpreise durch eine Anhebung der Mineralölsteuer gestiegen sind. Auch Sie haben die Mineralölsteuer um 50 Pfennig erhöht. Wer wie manche von Ihnen Benzingutscheine für sozial Schwache fordert und damit so tut, als lebten wir im Jahr 1948, sollte gleichzeitig auch Bildungsgutscheine für die schwache Opposition fordern.
Die Ökosteuer und der Atomkonsens bringen Planungssicherheit. Interessant ist es, in diesem Zusammenhang auch einmal die Meinung der Automobilkonzerne zu hören. Am 13. Juni 2000 standen im Wirtschaftsteil der „Süddeutschen Zeitung“ zwei Artikel nebeneinander. Der erste Artikel lautete: BMW fordert einen schnellen Autogipfel, weil der hohe Kraftstoffpreis die Käufer von Autos verunsichere.
Daneben stand in einem Artikel, dass Daimler-Chrysler die Ökosteuer vernünftig nenne; für den Umweltchef des Autobauers sei die Benzinpreisdebatte populistisch, der Autoabsatz bleibe unbeeinflusst. Ich frage mich dann, warum der Ministerpräsident einen Auto-Gipfel verlangt. Schließlich bezeichnet der größte und erfolgreichste Automobilhersteller die Forderung nach einer Autokonferenz als populistisch. Dass BMW in der Unternehmenspolitik nicht ganz so glücklich war, haben wir in der
Meine Damen und Herren, Atomkonsens und Ökosteuer bilden eine zukunftsweisende Energiepolitik. Die SPD im Bayerischen Landtag unterstützt diese Politik. Meine Damen und Herren von der CSU, Sie sollten dies auch tun.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In einer parlamentarischen Demokratie gehört es zur Tagesordnung, dass bei Versuchen, die Probleme der Gesellschaft zu lösen, unterschiedliche Positionen hart aufeinander prallen. Jedem Realpolitiker wird klar sein, dass das politische Geschäft häufig von Kompromissen lebt. Dagegen gibt es auch nichts zu sagen, solange die eigene Identität nicht verloren geht und solange zusätzlich nicht auch noch der eigene Misserfolg als Erfolg verkauft wird. Doch genau beides ist im Rahmen der Konsensgespräche auf Seiten der Regierungsparteien geschehen.
Entgegen der Darstellung der Regierungsparteien hat der Konsens nicht zwangsläufig die Beendigung der Atomenergie zur Folge. Umfassend und unumkehrbar sollte entsprechend der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und den GRÜNEN vom 20. Oktober 1998 der Ausstieg aus der Risikotechnologie geregelt werden. In den Verhandlungen blieb dagegen eine Bestandsgarantie für den kostengünstigen Weiterbetrieb der Reaktoren bis an die durch Materialermüdung festgelegte natürliche Alters- und damit Abschaltgrenze übrig. Das ist ein unverzeihlicher Fehler für eine Regierungsmannschaft, die die Energiewende proklamiert
und – abgesehen von der Erhöhung der Deckungssumme – praktisch nichts unternimmt, um der steuerlichen Begünstigung des Einsatzes der Atomenergie ein schnelles Ende zu bereiten.
Als wahrhaft kreative Künstler zeigten sich in diesem Zusammenhang Bundeskanzler Gerhard Schröder, Bundesumweltminister Jürgen Trittin und Wirtschaftsminister Werner Müller. Sie vereinbarten mit den Energieversorgungsunternehmenschefs eine Berechnung für die Gesamt- und damit auch für die Restlaufzeit der Atomkraftwerke, deren vage Ergebnisse sie entweder selbst nicht erfassten oder ganz bewusst verschleiern wollten. Aussagen wie die, dass das letzte Kernkraftwerk 2021 abgeschaltet werden soll, sind jedenfalls schlichtweg falsch. Sollte die Vereinbarung Bestand haben, so ist zur Zeit niemand in der Lage, das exakte Abschaltdatum für die einzelnen Reaktoren anzugeben. Die Ursache dafür liegt in der schon erwähnten Berechnung, die sich auf folgende Kernpunkte stützt: Die Regelgesamtlaufzeit ist auf 32 Jahre festgelegt. Es wird eine jahresbezogene
Referenzmenge vorgegeben, die für jedes Kernkraftwerk als Durchschnitt der fünf höchsten Jahresproduktionen zwischen 1990 und 1999 berechnet wird. Angerechnet wird eine fiktiv angenommene um 5,5% höhere Jahresproduktion. Zugestanden wird eine bestimmte weitere Strommenge für ein nicht genehmigtes Atomkraftwerk, es ist das Kraftwerk Mülheim- Kärlich. Last but not least wird auch noch die Möglichkeit eingeräumt, Strommengen von einem Atomkraftwerk auf ein anderes zu übertragen.
Sicher ist danach lediglich folgendes: In dieser Legislaturperiode braucht kein Atomkraftwerk abgeschaltet zu werden. Über das weitere Vorgehen entscheidet eine neue Bundesregierung, die nach meiner Auffassung nicht mehr die gleiche Zusammensetzung wie die jetzige haben wird.
Die Gesamtlaufzeit nahezu aller Atomkraftwerke liegt allein schon ohne Inanspruchnahme der Strommengenübertragung zwischen 34 und 37 Jahren. Das letzte Atomkraftwerk wird folglich unter Berücksichtigung auch dieses Punktes voraussichtlich zwischen 2025 und 2030 abgeschaltet werden.
Für bayerische Atomkraftwerke errechnet sich ohne Strommengenübertragung und Anrechnung des zugestandenen Mülheim-Kärlich-Kontingents ein Stilllegungszeitraum zwischen 2012 und 2023. Unter Mitberücksichtigung beider Zugeständnisse wird auch bei uns das letzte Atomkraftwerk voraussichtlich erst zwischen 2025 und 2030 abgeschaltet werden.
Im Klartext heißt das, dass mindestens noch 25 Jahre lang das hochgiftige, über Tausende von Jahren radioaktiv strahlende und zur Produktion von Atomwaffen nutzbare Plutonium weiter produziert wird. Bei einer solchen Hypothek muss jedem verantwortungsbewussten Politiker das wahre Grausen kommen.
Als in gleicher Weise fatal muss die Verpflichtung der Atomkraftwerksbetreiber zur Einrichtung standortnaher Zwischenlager bezeichnet werden. Da eine rasche Genehmigung nicht zu erwarten ist, führt diese Verpflichtung zunächst einmal dazu, dass trotz gegenteiliger Ankündigung abgebrannte Brennelemente bis zur Mitte des Jahres 2005 in die Wiederaufbereitungsanlagen nach La Hague und Sellafield transportiert werden, also in Anlagen, die schon während des Normalbetriebs große Mengen an radioaktiven Substanzen emittieren und auf diese Weise Meere und weite Landstriche verseuchen und viele Menschen in ihrer Gesundheit gefährden.
Drastisch erhöht wird aber auch das Risiko einer Katastrophe am Kernkraftwerksort. Wie die Bundesregierung im März 2000 auf eine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion auf Drucksache 14/2980 mitteilte, hält sich der an den Kernkraftwerksstandorten infolge der geplanten Zwischenlagerung erforderliche zusätzliche Sicherungsaufwand in vertretbaren Grenzen, weil die bereits bestehenden Sicherungsmaßnahmen – so ein Zitat – „auch für die