Drastisch erhöht wird aber auch das Risiko einer Katastrophe am Kernkraftwerksort. Wie die Bundesregierung im März 2000 auf eine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion auf Drucksache 14/2980 mitteilte, hält sich der an den Kernkraftwerksstandorten infolge der geplanten Zwischenlagerung erforderliche zusätzliche Sicherungsaufwand in vertretbaren Grenzen, weil die bereits bestehenden Sicherungsmaßnahmen – so ein Zitat – „auch für die
Das ist eine wunderbare Logik, nach der die bereits existierenden Sicherheitsmaßnahmen für den Betrieb der Kernkraftwerke nicht ausreichen – nicht zuletzt deshalb will man die Anlagen unter anderem abschalten –, dieselben Sicherheitsvorkehrungen aber durchaus geeignet sein sollen, die zusätzliche oberirdische Lagerung äußerst gefährlicher abgebrannter Brennelemente für rund 25 bis 30 Jahre ausreichend zu gewährleisten. Ich könnte noch eine Stunde weiterreden, aber leider steht mir die Zeit nicht zur Verfügung.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Als nächstem Redner erteile ich dem Staatsminister für Landesentwicklung und Umweltfragen das Wort. Bitte, Herr Staatsminister.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es gäbe zu diesem Thema in der Tat viel zu sagen. Ich möchte mich aber ganz bewusst nur auf einen Aspekt konzentrieren, nämlich auf die Entsorgung. Ich denke, dass wir über alle Parteigrenzen hinweg an der Sicherheit des Betriebes der Anlagen und der sicheren Entsorgung der Reststoffe ein gemeinsames Interesse haben müssen. Deshalb halte ich mich an Fakten. Ich habe den Originaltext der Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen vom 14. Juni bei mir.
Die Erkundung des Salzstockes in Gorleben wird bis zur Klärung konzeptioneller und sicherheitstechnischer Fragen für mindestens drei, längstens jedoch zehn Jahre unterbrochen.
Ich füge an dieses Zitat aus der Vereinbarung vom 14. Juni noch ein weiteres Zitat aus einer dpa-Meldung vom 24. Juni an. Exakt zehn Tage nach der Vereinbarung kündigte Bundesumweltminister Trittin Folgendes an:
Eine Expertengruppe aus Geologen, Physikern und Umweltschützern soll nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ im Auftrag von Bundesumweltminister Jürgen Trittin bundesweit nach Alternativstandorten für das umstrittene Endlager im niedersächsischen Gorleben suchen.
Als besonders untersuchungswürdige Gesteinsformationen für ein Endlager nenne der Bericht Granitvorkommen im Fichtelgebirge, im Oberpfälzer Wald, in Saldenburg, im Bayerischen Wald usw.
Ich habe soeben von den Vertretern der Opposition im Bayerischen Landtag viele große Worte zu der besonderen Bedeutung dieser Vereinbarung gehört. Ich denke, dass sie sich sehr schnell in den Realitäten wiederfinden werden, wenn die Absicht von Bundesumweltminister Trittin in die Tat umgesetzt werden sollte und in den nächsten Jahren auch in Bayern nach Endlagerstandorten gesucht werden würde. Ich sage das für die Damen und Herren Kollegen Schläger aus dem Naturpark Fichtelgebirge, Schieder, Hoderlein, Frau Peters oder Frau Gote.
Ich wünsche Ihnen schon jetzt viel Vergnügen, wenn die Suche nach Endlagern in ihren Stimmkreisen losgehen wird.
Dann vertreten Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, bitte in Ihren Stimm- bzw. Wahlkreisen mit ebenso salbungsvollen Worten die Linie von Bundesumweltminister Trittin und der rot-grünen Bundesregierung.
Ihre Reden, die Sie als Statthalter der Bundesregierung hier gehalten haben, und die Wirklichkeit vor Ort sind zwei Paar Schuhe.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Frau Gote, ich möchte Sie bitten, sich an parlamentarische Gepflogenheiten zu halten.
Lassen Sie mich zu den Fakten zurückkehren. In einer Literaturstudie aus dem Jahre 1990, die nicht von Bayern, sondern von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe erstellt wurde, sind auch diese Standorte, nämlich im Fichtelgebirge, in der nördlichen Oberpfalz und im Saldenburger Granit bereits untersucht worden. Das Ergebnis war, dass sich diese Standorte nicht eignen, weil es sich in der Regel um Schutzgebiete und zu geringe Gesteinshomogenitäten handelt, um dort Endlagerstätten zu errichten. Es besteht also weder rechtlich noch tatsächlich der geringste Grund dafür, dass man erneut im Granit in Süddeutschland und Bayern zu suchen anfängt, um neue Endlagerstätten ausfindig zu machen. In rund 20 Jahren sind über zwei Milliar
(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Rückstellungen der Energieversorgungsunternehmen liegen bei 70 Milliarden DM!)
Bis heute gibt es keinen wissenschaftlichen Anhaltspunkt, dass der Salzstock nicht geeignet wäre. Sie, meine Damen und Herren von der bayerischen SPD und den bayerischen GRÜNEN, machen sich zum Handlanger von Jürgen Trittin und den Rot-Grünen aus Berlin, damit in Bayern wieder Endlagerstätten erkundet werden können und damit Unruhe in die Bevölkerung hineingetragen wird.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Schieder?
Sehr verehrte Frau Präsidentin, ich möchte um Verständnis bitten, dass ich das nicht tue, weil die Zeit sehr knapp bemessen ist. Ich will mich noch auf einen zweiten Punkt konzentrieren und wäre dankbar, wenn ich diesen unmittelbar anschließen dürfte.
Wenn auch manch einer glauben mag, das Thema der Endlager sei weit weg und er sei dann nicht mehr im Parlament oder in der heutigen Funktion, so werden wir doch das Thema Zwischenlager oder Zwischen-Zwischenlager auch in Bayern nach dieser sogenannten Konsensvereinbarung sehr schnell auf der Tagesordnung haben.
Ich komme gleich dazu. Hören Sie mir noch einen Moment zu. In dem sogenannten Konsenspapier heißt es:
Die Energieversorgungsunternehmen errichten so zügig wie möglich an den Standorten der Kernkraftwerke oder in deren Nähe Zwischenlager. Es wird gemeinsam nach Möglichkeiten gesucht, vorläufige Lagermöglichkeiten an den Standorten vor Inbetriebnahme der Zwischenlager zu schaffen.
Lassen Sie mich etwas zu den Zwischenlagern sagen. Die jetzige Situation in Deutschland beruht auf einem Konsens über die Entsorgung, der zwischen Bund und Ländern und allen Parteien über 20 Jahre lang tragfähig war. Auf der Basis dieses Entsorgungskonzepts sind über 5 Milliarden DM bereits ausgegeben worden. In die
sem Zusammenhang wird immer nur der Entsorgungskompromiss aus dem Jahr 1979 zitiert. Frau Paulig, Sie haben das vorhin auch getan. Ich darf deshalb auch die Fortschreibung des Entsorgungskonzepts aus dem Jahr 1990 zitieren, in der es wörtlich heißt, dass der Zubau weiterer Zwischenlagerkapazitäten auf das unumgänglich notwendige Maß beschränkt werden muss. Zitat: „auf das unumgänglich notwendige Maß“.
Es gibt zwei zentrale Zwischenlager, die fast leer stehen. Jetzt sollen weitere 14 dezentrale Zwischenlager gebaut werden. Dafür sollen noch einmal rund 700 Millionen DM ausgegeben werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, ich frage Sie: Was bedeutet das im Hinblick auf die vorläufigen Lagermöglichkeiten? Der neue Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, der Ihnen besonders nahe stehen dürfte, hat wörtlich erklärt, dass die Zwischen-Zwischenlager zur Abschirmung von Strahlung sowie als Witterungsschutz eine mobile Umhausung aus Stahlbetonfertigteilen erhalten sollen und die Nutzungsdauer dieser ZwischenZwischenlager auf acht Jahre befristet ist. Das heißt, Sie nehmen in Kauf, dass in Grafenrheinfeld, in Gundremmingen und im niederbayerischen Ohu acht Jahre lang die Castorenbehälter notdürftig mit mobilen Stahlbetonteilen ummantelt herumstehen oder -liegen,
anstatt einen 24-stündigen Transport durchzuführen. Sollen diese abgebrannten Brennelemente tatsächlich acht Jahre lang oder länger in Provisorien oder dezentralen Zwischenlagern an den Standorten in Bayern verbleiben? Ist das Ihr Verständnis von Entsorgungsverantwortung? Ist das Ihre Verantwortung für Bayern?
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der roten und der grünen Partei, ich fordere Sie auf, nach Gundremmingen, Grafenrheinfeld und Ohu zu gehen und den Bürgerinnen und Bürgern zu erklären, dass es besser sein soll, die Castoren dort auf unbestimmte Zeit stehen zu lassen, anstatt sie in 24 Stunden in leer stehende Zwischenlager nach Ahaus oder Gorleben zu transportieren. Ich wünsche Ihnen schon jetzt viel Spaß dabei.
Eine letzte Anmerkung: Sie werden trotz alledem um Transporte nicht herumkommen. Ich sage Ihnen, dass wahrscheinlich noch in diesem Jahr vom Kernkraftwerk Gundremmingen aus Transporte in das Zwischenlager Ahaus durchgeführt werden. Auch später werden Transporte durchgeführt werden müssen. Machen Sie den Bürgerinnen und Bürgern nicht weis, dass die Transporte durch Zwischenlösungen vermieden werden könnten. Sie erreichen allenfalls einen Aufschub, und zwar auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger an den Standorten hier in Bayern. Das ist eine unverantwortliche Politik.
Verehrter Herr Kollege Gartzke, ich sehe heute schon den Tag kommen, an dem Ihnen der Sektkorken, den Sie vorhin so eindrucksvoll beschrieben haben, in den Ohren knallen wird. Sie werden den wunderschönen Abend, den Sie geschildert haben, noch lange Zeit bereuen, weil Sie auf ein völlig falsches Konzept setzen, indem Sie den Entsorgungskompromiss ohne Not aufkündigen und damit das Geld der Stromkunden, also der Bürgerinnen und Bürger, in den Sand setzen.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Die Redezeit des Ministers betrug 14 Minuten. Damit haben die Fraktionen auf Antrag die Möglichkeit, einen weiteren Redner oder eine weitere Rednerin für je fünf Minuten Redezeit zu benennen. Ich rufe Herrn Kollegen Wörner auf.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich vermisse das Phantom Stoiber. Der Ministerpräsident ist derjenige, der diese Diskussion anzettelt. Er ist es, der monatelang Herrn Trittin als „Verstopfungspolitiker“ beschimpft hat und nun selbst als solcher auftritt. Manchmal versteht man die Welt nicht mehr. Es hat einmal eine Zeit gegeben, in der man eine solche Person „Wendehals“ genannt hat, aber das kann man, glaube ich, nicht mehr sagen.