Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich vermisse das Phantom Stoiber. Der Ministerpräsident ist derjenige, der diese Diskussion anzettelt. Er ist es, der monatelang Herrn Trittin als „Verstopfungspolitiker“ beschimpft hat und nun selbst als solcher auftritt. Manchmal versteht man die Welt nicht mehr. Es hat einmal eine Zeit gegeben, in der man eine solche Person „Wendehals“ genannt hat, aber das kann man, glaube ich, nicht mehr sagen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer sich so verhält und nicht einmal in der entscheidenden Debatte anwesend ist, muss sich fragen lassen, was ihn eigentlich in Bayern interessiert.
Wer glaubt, er könne den Dreck, den er selbst macht, anderen zuschieben, wie es anscheinend der Herr Umweltminister tun will, der muss sich fragen lassen, ob man den Dreck, den man selbst produziert, nicht selbst behalten darf. Es kann wohl nicht sein, dass der Bauer seinen Mist in die Stadt fährt und ihn dort liegen lässt. So läuft es nicht. Eines werden wir von der SPD jedenfalls nicht tun, was Sie getan und damit die Demokratie beschädigt haben: über Jahre hinweg einen massiven Polizeieinsatz zu pflegen, um Wackersdorf voranzutreiben, und am Ende vor der Industrie einzuknicken. Das werden wir nicht tun, sondern wir werden das Problem im Konsens mit der Bevölkerung angehen und lösen.
Ich meine, wir können durch den Um- und Ausstieg beweisen, dass ein Ende absehbar ist. Dieses Ende wollen Sie nicht haben, und ich denke, Sie wollen es deshalb nicht haben, weil Sie Lobbyist der untergehenden Kernenergie-Unternehmen sind. Lobbyist zu sein, ist etwas Schönes, aber irgendwann sollte man merken, dass man das falsche Hobby hat. Dann sollte man aus
Herr Stoiber versuchte das gelegentlich, wenn er sich bei BMW vor dem Wasserstoffauto feiern ließ und den Hightech-Standort Bayern beschwor. Aber im nächsten Moment kommt er nicht mit, wenn es darum geht, aus einer gefährlichen Technologie auszusteigen und die Steinzeit zu beenden. Das passt nicht zusammen. Ich kann jedoch verstehen, dass man schwer davon lassen kann, einer nicht mehr zeitgemäßen Politik anzuhängen, wenn man so viel Geld in Waldenfels-Zusammenschlüsse investiert hat. Man muss sich nicht weiter darüber auslassen.
Wir sagen: Helfen Sie uns dabei, die Kraft-Wärme-Kopplung stärker zu fördern. Sie haben in Berlin verhindert, dass eine Technologie, die für Großstädte und Ballungsräume, aber auch für kleinteilige Strukturen ideal ist, besser zum Einsatz gebracht wird. Sie versuchen heute noch, den Einsatz dieser Technologie über Ihren Einfluss in der Industrie zu torpedieren, aber das wird Ihnen nicht gelingen.
Helfen Sie mit, die Geothermie zu fördern. Unter uns befindet sich Erdwärme für die nächsten 500 Jahre. Wer das nicht nutzt, kann in meinen Augen nicht ganz von dieser Welt sein.
Wer den Wasserstoff nennt, muss auch die Brennstoffzelle nennen. Wer von Wasserstoff und Brennstoffzelle spricht, muss diese Energieform fördern.
Wenn diese beiden Technologien zum Einsatz kommen, sind genug Arbeitsplätze vorhanden. Hören Sie auf, den rund 3000 Arbeitnehmern in den Kernkraftwerken Angst zu machen, dass ihre Arbeitsplätze verloren gingen. Das stimmt nicht. Bis die Kernkraftwerke abgeschaltet werden, sind diese Leute in Pension. Die Jüngeren haben die Zeichen der Zeit längst erkannt. Sie bedauern doch, dass Sie heute keinen Ingenieur für Kernkraft mehr finden. Das ist völlig in Ordnung, denn die jungen Leute haben die Lage erkannt. Sie setzen im Studium auf Wasserstoff, Brennstoffzellentechnik, Geothermie und KraftWärme-Kopplung.
Die Industrie braucht etwas länger, aber sie erkennt es auch. Ich verstehe die Industrie, die viel Geld in die Forschung investiert hat und die Kernkraftwerke so lang wie möglich nutzen will. Aber irgendwann muss sie erkennen, dass sie auf das nächste Pferd umsatteln muss, um nicht am Ende Verlierer zu sein, wie es einige Firmen sind, die die Zeichen der Zeit verschlafen haben. Einige große Unternehmen, die Kernkraftwerke gebaut haben, haben vergessen, dass die Zukunft nicht in der Kernkraft, sondern in der Kleintechnologie liegt. Es geht um Energie, die in den Häusern erzeugt wird, und um Technologie, die Energie spart. Daran sollten wir gemeinsam arbeiten. Deshalb sollten Sie dieses Programm nicht schlecht reden, zumal Sie in weiten Teilen bereit sind, es
umzusetzen. Ich bewundere, wie Sie immer die Kurve kriegen zwischen dem, was wir alle wollen und dem, was Sie verhindern wollen: den Ausstieg aus der Kernenergie. Ich kann Ihnen nur wünschen, lesen Sie die Protokolle der Enquete-Kommission genau durch und nicht so oberflächlich, wie Herr Söder. Dann werden Sie vielleicht sehen, dass die Zukunft bei den regenerativen Energien liegt.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kolleginnen und Kollegen der SPD haben den Dringlichkeitsantrag „Energiekonsens in Bayern und seine Auswirkungen“ eingebracht.
(Maget (SPD): Das stimmt nicht, das waren die GRÜNEN! – Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das waren wir! „Energiewende in Bayern umsetzen“!)
Es geht aber nicht um einen Energiekonsens, den wir heute aufgrund dieses Antrags miteinander diskutieren, meine Damen und Herren, sondern es geht ausschließlich darum, dass SPD und GRÜNE aus ihrem selbst verursachten Dilemma nicht herauskommen. Dieses Dilemma besteht darin, dass sie die ganze Bandbreite der Ausstiegsdiskussion besetzt haben. Der Bogen spannt sich dabei vom sofortigen Ausstieg über den 10 bis 20 Jahre dauernden Ausstieg bis hin zu einem, wie Wirtschaftsminister Müller erklärt hat, „Ausstieg und Wiedereinstieg“. Das Dilemma besteht aber auch darin – –
Können wir darüber nicht ernsthaft diskutieren, auch wenn es mit fünf Minuten Redezeit schwierig ist? Ist es nicht problematisch, Herr Kollege Maget, hier wie die SPD-Kollegen in den Ausschüssen zu erklären: Die Atomkraftwerke waren nie wirklich sicher, weil das – durchaus vorhandene – Restrisiko Ihrer Meinung nach nicht beherrschbar ist? Wir von der CSU sind hingegen der Meinung, dass die Betreibergesellschaften und die verantwortlichen Mitarbeiter, die Ingenieure ebenso wie die einfachen Arbeiter, in den zurückliegenden 25 Jahren bewiesen haben, dass dieses vorhandene Restrisiko beherrschbar ist, und zwar unabhängig von kleineren Störfällen, die vorhanden sind.
Wenn es aber wirklich so ist, dass Atomkraft nicht beherrschbar ist, wie einige Redner von Ihnen das heute dargestellt haben – auch Sie, Frau Paulig –,
und Sie den Menschen dennoch zumuten, die Kernenergie 20 Jahre lang weiter zu nutzen, dann ist das ein Widerspruch.
Es ist zynisch, wenn Sie den Menschen erklären: Wir sind politisch nicht in der Lage, mit den Energieversorgungsunternehmen den sofortigen Ausstieg so zu formulieren, dass es nicht zu weitreichenden finanziellen Auswirkungen kommt.
(Maget (SPD) : Weil die Alternativen im Augenblick noch nicht da sind! – Frau Radermacher (SPD): Die haben Sie jahrelang nicht gefördert!)
Dazu komme ich gleich noch. Wenn Sie sagen, für den sofortigen Ausstieg sind die finanziellen Mittel nicht vorhanden, dann sage ich Ihnen – das gilt für mich, als Abgeordneter Walter Hofmann ebenso wie für die Kollegen von der CSU –, wenn wir der Meinung wären, dass die Kernenergie und die Kernkraftwerke nicht beherrschbar wären, weil das Restrisiko zu hoch und für die Menschen ein unzumutbares Risiko ist, dann wären wir für den Ausstieg und das Abschalten, unabhängig von den daraus zu ziehenden finanziellen Konsequenzen.
Ein Zweites, Herr Kollege Maget: Nachdem hier im Zusammenhang mit dem Ersatz der Kernenergie Krokodilstränen geweint wurden, empfehle ich Ihnen, lesen Sie, was der Bundesumweltminister am 31.10.1999 im Zusammenhang mit einer Studie gesagt hat, die er zum Thema Klimaschutz in Auftrag gegeben hatte. Er erklärte: „Die angestrebten Klimaschutzziele der Bundesregierung werden nicht erreicht. Der CO2-Ausstoß bleibt annähernd auf dem Ist-Stand von 1997.“
Meine Damen und Herren, Sie haben erklärt, es wären keine alternativen Energieträger vorhanden. Sie sollten die Menschen aber nicht für dumm halten. Gerhard Schröder hat am 22. Juni 2000 erklärt: „Der Energiekonsens wird zur Folge haben, dass die Braunkohle einen höheren Stellwert in der Energieversorgung der Bundesrepublik Deutschland hat, mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergeben.“
Ich sage dazu: Wer angesichts dessen heute und hier erklärt, Kernenergie wäre durch erneuerbare Energien ersetzbar, wenn man sich nur entsprechend anstrengte, gleichzeitig aber weiß, dass nicht die erneuerbaren Energien, sondern der umweltbelastende Energieträger Kohle die Grundlast der Kernenergie ersetzen würde,
der lügt die Bevölkerung an und verleugnet gleichzeitig das gemeinsame Klimaschutzziel, das die frühere Bundesregierung unterzeichnet hat.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem mir Zwischenrufe verwehrt blieben und Fragen nicht gestattet sind, bin ich froh, dass ich nun doch noch etwas zu diesem Thema sagen darf, vor allem zu Ihnen, Herr Minister. Herr Minister Schnappauf, Ihr Redebeitrag heute war an Scheinheiligkeit wirklich nicht zu überbieten.
Wer ist in diese Technologie eingestiegen, die verantwortungsloses Handeln in einer Form offenbarte, wie wir dies bei keiner anderen Frage in unserer Gesellschaft finden? Ohne ein Konzept – –
Ich bin GRÜNE, falls Ihnen das entgangen sein sollte. Ohne ein Konzept zur Endlagerung, ohne Lösung der Entsorgungsfrage, haben Sie eine Jahrtausende dauernde Belastung für kommende Generationen in Kauf genommen. Sie haben eine Belastung Ihrer und unserer Enkelkinder in Kauf genommen, die Jahrtausende anhält, und ich frage Sie: Wie ist dies alles mit dem Prinzip der Nachhaltigkeit zu vereinbaren, das Sie so gerne im Munde führen?