Herr Kollege Straßer, Sie haben soeben gesagt, dass angeblich eine große Entlastung auf den kleinen Mann zukäme. Wenn ich es richtig mitbekommen habe, haben Sie dem kleinen Mann vorher durch die Ökosteuer das Geld aus der Hose geholt.
Worin besteht die Nettoentlastung für den kleinen Mann, nachdem Sie ihm vorher über die Ökosteuer das Geld aus der Hose gezogen haben?
Herr Kollege Dr. Vocke, Sie sollten einmal in den Landtagsprotokollen nachlesen, was ich über die Nettoentlastung ausgeführt habe. Vergleichen Sie einmal, was ein Arbeitnehmer am 1. Januar 1998 an Lohnsteuer gezahlt hat und was er zwölf Monate später zahlen musste. Wenn Sie uns vorwerfen, wir hätten eine Ökosteuer von 12 Pfennig eingeführt, so müssen wir dies zugestehen. Allerdings müssen Sie dann zugestehen, dass die CSU die Mineralölsteuer um 16 und dann um 22 Pfennig angehoben hat. Wofür haben Sie dieses Geld ausgegeben? Sie haben dieses Geld in den Haushalt gesteckt, weil Sie zu große Löcher in diesen Haushalt gerissen haben. Das war Ihr Problem. Nun zurück zur Steuerreform.
Die Entlastung beläuft sich auf 83 Milliarden DM, von denen 32 Milliarden DM gegenfinanziert wurden. Herr Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser, es ist sehr wichtig, dass hier eine klare Rechnung aufgemacht wird. Ich glaube nicht, dass sich die Wirtschaft heute mit dem Argument, es gebe eine eigene Auftriebskraft, zufrieden gibt. Das war vielleicht vor einigen Jahren in Amerika so. Unsere Wirtschaft, in der genau gerechnet werden muss, will konkrete Zahlen haben. Diese Zahlen können Sie nicht liefern. Eine Auftriebskraft ist nicht gegeben. Die Wirtschaft verlässt sich auch nicht darauf. Herr Staatsminister, mich bewegt die Auswirkung Ihrer Steuerreform auf den Haushalt des Freistaats Bayern.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege Straßer, nach § 116 GeschO entscheidet der Redner darüber, ob er mehr als zwei Zwischenfragen zulässt. Mir liegen weitere Meldungen vor. Sind Sie bereit, weitere Zwischenfragen zuzulassen, oder möchten Sie in Ihrer Rede fortfahren?
Frau Präsidentin, ich möchte einige Sätze zur Steuerreform sagen, weil dies im Hinblick auf die Verschuldung des Freistaates Bayern sehr wichtig ist.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Ich stelle fest, Herr Kollege Straßer lässt während seiner weiteren Rede keine Zwischenfragen mehr zu.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe vorhin darauf hingewiesen, dass Selbstauftriebskräfte nicht funktionieren. Wir müssen klar sagen, wie eine solche Steuerreform finanziert werden soll. Wir müssen dazu konkrete Angaben machen. Nun zur Verschuldung: Wenn wir Sozialdemokraten fragen würden, ob es richtig sei, dass sich der Freistaat Bayern im nächsten Jahr um 1,1 Milliarden DM verschulden wolle, würden die Antwort wahrscheinlich lauten, dass dies nicht richtig sei. Diese Zahl stimmt tatsächlich nicht. Sie wollen sich nämlich nicht um 1,1 Milliarden DM, sondern um 2,5 Milliarden DM verschulden. Sie wollen noch 1,4 Milliarden DM drauflegen. Dies geht auch aus Ihren Unterlagen hervor. Diese Verschuldung ist aufgrund Ihres Steuerkonzepts nötig.
Ihre Steuerreform, die Sie in dieser Broschüre vorgeschlagen haben, bedeutet für den Freistaat Bayern, dass im Jahre 2001 eine höhere Verschuldung von 1,4 Milliarden DM in Kauf genommen werden muss. Ich vermute, Sie wollen den Kurs der Verschuldung Ihres früheren Landesvorsitzenden Dr. Waigel fortsetzen. Diesem Schritt können wir nicht zustimmen. Er ist unsolide und im Grunde genommen ein Nachteil für die Wirtschaft des Freistaats Bayern und für die Arbeitsplätze. Wir werden nicht zustimmen, weil es unsolide ist, diese Steuerreform auf Pump zu finanzieren.
Dabei komme ich auch auf das Problem der Kommunen zu sprechen. Sie müssen auch den Kommunen sagen, wie es um sie bestellt ist. Wenn schon der Freistaat Bayern aufgrund dieser Vorschläge zur Steuerreform 1,4 Milliarden DM zusätzlich aufnehmen muss, müssen
auch die Kommunen mehr Schulden aufnehmen. Sie werden doch auch in die Verschuldung gedrängt. Deswegen ist die von Ihnen vorgeschlagene Steuerreform äußerst unsolide.
Interessant ist aber, dass auf einer Pressekonferenz mit Ministerpräsident Stoiber und Finanzminister Professor Faltlhauser der Bevölkerung vorgemacht wird, dass die Bayerische Staatsregierung und die CSU endlich einen Haushalt ohne Verschuldung vorlegen wollen. Das erklären Sie auf einer zweiseitigen Presseerklärung, nur ein bisschen später aber erklären Sie, dass Sie die Verschuldung erhöhen wollen. Sagen Sie doch der Bevölkerung, was Sie wirklich wollen. Wollen Sie einen Haushalt ohne Verschuldung oder wollen Sie eine höhere Verschuldung? Wir stellen fest, dass Sie eine höhere Verschuldung wollen. Dem werden die Sozialdemokraten aber nicht zustimmen.
Vorhin hat Kollege Vocke auf die Ökosteuer hingewiesen, durch die die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den ländlichen Regionen unwahrscheinlich hoch belastet würden.
Herr Kollege, Sie müssen einmal in Ihrer Broschüre blättern. Auf Seite 29 steht etwas von der Entfernungspauschale. Der letzte Satz, den der Herr Minister in diese Broschüre hineingeschrieben hat, klingt übrigens nicht schlecht. Dort heißt es, dass die neue Entfernungspauschale auch unter ökologischen Aspekten ein Fortschritt sei. Das klingt ganz gut. Sie müssen den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den ländlichen Regionen aber auch sagen, dass sie nach ihrem Konzept für eine Steuerreform 5,1 Milliarden DM zu bezahlen haben. Sie reden immer wieder von der Ökosteuer und davon, was die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dafür bezahlen müssen. 5,1 Milliarden DM aber müssen sie nach Ihrem Konzept für eine Steuerreform bezahlen. Das ist äußerst unsolide, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Herrmann (CSU): Diese Broschüre muss doch sehr interessant sein! – Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Ja, die gibt etwas her!)
Ja, mit dieser Broschüre muss man sich genau befassen. Man muss sie lesen. Es ist interessant, was alles in dieser Broschüre steht. Auf Seite 7 steht, dass die großen Unternehmen einseitig bevorzugt werden. Mir kommen die Tränen, wenn die CSU sagt, dass die großen Unternehmen einseitig bevorzugt werden. In welcher Regierungszeit sind denn die Voraussetzungen dafür geschaffen worden, dass Großunternehmen wie Daimler oder Siemens keine Steuern mehr zahlen müssen? Es war doch während Ihrer Regierungszeit, als die Großunternehmen entsprechend entlastet worden sind.
Wir glauben, dass das Konzept für eine Steuerreform, das Sie vorgelegt haben, nicht solide ist. Wir fordern Sie auf, dass Sie den Kurs der Sozialdemokraten mittragen, in Berlin mit Verantwortung übernehmen und im Vermittlungsausschuss die Steuerreform nicht blockieren, denn der Aufschwung, den wir mittlerweile erreicht haben, darf nicht gebremst werden; er muss fortgesetzt werden. Wir sind für eine solide Finanzwirtschaft. Der Weg der Konsolidierung muss im Interesse des Freistaates Bayern fortgesetzt werden. Der Kurs, den Sie fahren, schadet der Wirtschaft, den Arbeitsplätzen, und das ist nicht im Interesse des Freistaates Bayern.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir erst einmal einige Vorbemerkungen. Lieber Herr Kollege Straßer, Sie haben heute Krokodilstränen vergossen. SPD und GRÜNE haben doch über viele Jahre hinweg durch ihre Blockadepolitik eine echte Steuerentlastung für die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland verhindert. Das muss hier auch festgestellt werden.
Mit dabei waren damals Herr Eichel, Herr Schröder und Herr Lafontaine, der bei Ihnen inzwischen nichts mehr zu sagen hat.
Ein zweiter Punkt. Ich halte Ihren heutigen Antrag fast schon für heuchlerisch. Wer über viele Monate und Jahre hinweg eine Steuerentlastung verhindert, kann sich nicht hierher stellen und sagen: Nun macht mal mit, alles, was wir vorgeschlagen haben ist super; wir wollen nichts mehr anderes akzeptieren. Ich füge hinzu: Die nach Ihren Vorschlägen geplante Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland ist nach unserer Auffassung unzureichend und viel zu spät.
Sie haben mit Ihren Vorschlägen zur Steuerreform in der Steuerentlastung eine Schieflage geschaffen. Eine Steuerreform, die wirtschaftliche Impulse und Leistungsanreize schaffen und die gerecht sein soll, muss alle Steuerzahler gleichmäßig entlasten. Wir brauchen eine echte und sozial ausgewogene Steuerentlastung für alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland. Das haben Sie über viele Jahre hinweg sträflich verhindert. Erstaunlich ist für mich dabei, dass man eine Bundesregierung, die von der SPD geführt wird, daran überhaupt erinnern muss.
Noch zwei Vorbemerkungen. Nur eine Steuerreform, die darauf angelegt ist, mehr Beschäftigung zu schaffen, ist eine Steuerreform, durch die soziale Gerechtigkeit geschaffen wird. Für mich bleibt es dabei: Sozial ist das, was Arbeit schafft.
Nur eine Steuerreform, die die Bürger wirklich entlastet, bietet Spielräume zur Sicherung der sozialen Systeme. Darüber sollten wir uns im Klaren sein. Mehr Eigenverantwortung können wir Politiker nur dann verlangen, wenn wir den Bürgerinnen und Bürgern ein höheres Nettoeinkommen ermöglichen. Das Eichel-Konzept vernachlässigt dagegen sträflich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und den Mittelstand.
Nur ein Beispiel dafür: Kapitalgesellschaften zahlen künftig nach dem Vorschlag der Bundesregierung nur noch 25% Körperschaftssteuer. Mittelständische Einzelunternehmer und Personengesellschaften zahlen dagegen weiterhin bis zu 45% Einkommenssteuer. Dieses Belastungsgefälle von fast 20 Prozentpunkten ist weder rechtlich noch ökonomisch akzeptabel. Kollege Vocke hat bei seiner Zwischenfrage vorher schon richtigerweise darauf hingewiesen. Sie zwingen mit dieser Politik Personenunternehmen dazu, sich in Kapitalgesellschaften umzuwandeln, um bei der Steuerentlastung dabei sein zu können. Dies aber gefährdet unsere bewährte und erfolgreiche Unternehmensstruktur, die in den letzten Jahrzehnten ein Garant für den Erfolg in unserem Land war. Dieser Ansatz ist falsch, wir werden ihn jedenfalls nicht mittragen.
Meine Damen und Herren, darüber hinaus wehren Sie sich aus einzig und allein ideologischen Gründen gegen eine weitere Senkung der Einkommenssteuersätze, insbesondere gegen die Senkung des Spitzensteuersatzes. Dabei ist doch klar, dass bei einer Reform der Einkommenssteuer auch der Eingangssteuersatz und der Spitzensteuersatz gesenkt werden müssen, um eine insgesamt flachere Tarifkurve zu erreichen.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Kellner?
Alle drei Komponenten, die ich genannt habe, sind im Zusammenwirken für eine Steuerreform notwendig, um den Mittelstand und den „kleinen Mann“ insgesamt zu entlasten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie von der SPD und den Grünen planen darüber hinaus einen für unsere Begriffe überflüssigen Systemwechsel. Dieser ist mit CDU und CSU nicht zu machen. Die Abschaffung des Anrechnungsverfahrens bei der Körperschaftssteuer und der Übergang zur Definitivbesteuerung mit Halbeinkünfteverfahren sind überflüssig und nach unserer Auffassung auch schädlich. Diese Systemänderung schafft große Übergangsprobleme, sie benachteiligt vor allem die kleineren und mittleren Aktionäre. Sie ist auch nicht europatauglich. Liebe Frau Kollegin Kellner, Sie haben vorhin erwähnt, dass viele unser Modell kritisieren würden. Ich darf dagegen darauf hinweisen, dass gerade in den letzten Tagen über 60 Wirtschaftswissenschaftler festgestellt haben, die Chaotisierung des Steuerrechts stehe vor einem neuen Quantensprung. Das jedenfalls
Unser Vorschlag zur Entlastung von Kapitalgesellschaften enthält dagegen das bewährte Anrechnungsverfahren. Dieses Verfahren kann optimiert werden. Es kann europakompatibel gemacht werden. Vor allem führt unser Vorschlag zu einer Entlastung auf dem gleichen Level, ohne dass das System gewechselt werden muss.
Zu Ihrer Kritik. Ich glaube, dass nur eine deutliche Nettoentlastung wachstumspolitische Erfolge mit sich bringt. Der Selbstfinanzierungseffekt untrennbar dazu. Ich nenne nur die Beispiele USA, Großbritannien und viele andere mehr. Wir legen auch keine Steuerreform auf Pump vor. Wir legen eine Steuerreform mit Zukunft vor.
Im Übrigen ist das Steueraufkommen in den letzten Monaten, vor allem im Jahr 1999, um zirka 50 Milliarden DM gestiegen. Das ist sehr viel gewesen, und davon haben auch wir in Bayern profitiert. Deswegen sollten wir jetzt aber auch die Möglichkeit eröffnen, dass die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland schon im Jahr 2001 einen Teil dessen zurückbekommen, was sie vorher mehr an Steuern gezahlt haben. Das fordern wir mit unseren Vorschlägen zur Steuerreform.
Wir wollen auch einen Haushalt für das Jahr 2006 ohne Nettoneuverschuldung vorlegen. Lieber Herr Kollege Straßer, das sind nicht nur Presseerklärungen. Sie werden sehen, dass wir unsere Absichten umsetzen werden. Wir sind dazu entschlossen, und wir werden es auch erreichen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und von den GRÜNEN, Sie haben es vergessen – der Kollege Straßer hat vorhin darauf verwiesen –, dass in Ihrer Koalitionsvereinbarung die Entfernungspauschale als ein Ziel der neuen Bundesregierung festgehalten und auch beschlossen wurde. Die Bayerische Staatsregierung spricht sich dann für eine Entfernungspauschale aus, wenn in einem umfassenden Steuerkonzept mit einer massiven Senkung der Steuersätze auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter dem Strich deutlich entlastet werden. Lassen Sie mich als Abgeordneter, der das so genannte flache Land vertritt, in aller Deutlichkeit sagen: Nicht wir, sondern die rot-grüne Bundesregierung betreibt mit der Ökosteuer übelste Abzockerei zu Lasten des flachen Landes, der Pendler, des kleinen Mannes, der Jugend und auch der kleinen und mittleren Unternehmen. Lieber Herr Kollege Straßer, da nützt Ihre ganze Arithmetik überhaupt nichts.
Ich bin davon überzeugt, dass unser Entwurf die bessere Alternative ist. Wir kritisieren nicht nur Ihren Entwurf, sondern wir stellen einen eigenen Entwurf, der durchgerechnet und ausformuliert ist, Ihrer Position entgegen,