Protokoll der Sitzung vom 12.07.2000

oder ist es die Bayerische Staatsregierung? Wer ist „wir“?

(Kobler (CSU): Die Mehrheit! – Frau Radermacher (SPD): Es könnten auch die Behindertenverbände sein!)

Oder sind es die Behindertenverbände? Wer ist „wir“?

Kolleginnen und Kollegen von der CSU, es wäre vernünftig, diesen Antrag zurückzuziehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Denn es ist mehr als peinlich, was mit diesem Antrag passiert. Er ist nämlich ein weiterer Beweis dafür, dass die CSU-Fraktion und die CSU-Staatsregierung Opposition gegen die Bundesregierung um jeden Preis machen,

(Zuruf von der CSU: Zu Recht!)

selbst auf Kosten von Menschen mit Behinderungen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie vermitteln den Eindruck – und das ist mein voller Ernst –, als würde die Bundesregierung mit diesem Gesetz auf Kosten der Menschen in den Werkstätten und in den Wohnheimen die Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt fördern und vornehmen. Es ist schlichtweg falsch, was Sie behaupten. Sie verunsichern und Sie nehmen ganz einfach die Fakten nicht zur Kenntnis.

(Herrmann (CSU): Die Fakten sind: weniger Geld für die Einrichtungen!)

Sie können sich nachher zu Wort melden oder eine Zwischenfrage stellen.

Die Bundesregierung hat einen Schwerpunkt zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gesetzt und ist damit erfolgreich.

(Kobler (CSU): Darum geht es im Prinzip gar nicht!)

Herr Kobler, ich glaube, Sie stehen schon auf der Rednerliste. Sie können also nachher reden oder eine Zwischenfrage stellen.

Es gilt, bestimmte Gruppen besonders zu fördern. Das geht eben nicht nach dem Gießkannenprinzip. Ganz besondere Gruppen sind die Jugendlichen; das geschieht durch das JUMP-Programm. Ganz besondere Gruppen sind die Frauen, die Langzeitarbeitslosen und vor allem Dinge arbeitslose Schwerbehinderte.

Das Gesetz ist am 7. Juli verabschiedet worden und tritt am 1. Oktober 2000 in Kraft. Es ist – ich sage es noch einmal – das Ergebnis von Gesprächen mit Vertretern der Gewerkschaften, der Arbeitgeberverbände, des Handwerks, der Hauptfürsorgestellen, der Bundesanstalt für Arbeit und der Verbände und Organisationen für die Behindertenarbeit. Es ist ein Konsens.

Was aber machen Sie? Sie als CSU-Fraktion übernehmen kritiklos die Fundamentaloppositionsposition der Staatsregierung bzw. von Frau Stamm,

(Kobler (CSU): Jetzt wird es schon fadenscheinig!)

basteln einen Antrag daraus und behaupten darin Dinge, die einfach nicht zutreffen, und das Schlimme ist, dass Sie das wider besseres Wissen tun.

(Frau Radermacher (SPD): Sie hat es sogar zugegeben!)

Frau Stamm sagt es wider besseres Wissen, und Vertreter des Ministeriums sagen es auch, erst letzte Woche wieder geschehen im sozialpolitischen Ausschuss. Kolleginnen und Kollegen von der CSU, das ist nicht seriös.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Frau Stamm setzt dann noch eines drauf. Bisher wurden – Frau Görlitz, das sage ich Ihnen zur Werkstättenförderung – die angemeldeten Werkstättenprojekte in Bayern koordiniert und dem Reha-Beirat gemeldet, und zwar dann, wenn von Bayern die Landesfinanzierung sichergestellt war.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Eben! – Frau Radermacher (SPD): Aha!)

Alle diese Projekte – das waren für 2000 die sieben, die gemeldet wurden – wurden vom Reha-Beirat auch bewilligt und gefördert.

(Frau Radermacher (SPD): Also, wo ist dann das Problem?)

Das war bis jetzt eine ordentliche und vernünftige Praxis.

Jetzt ist Folgendes passiert: Die Bayerische Staatsregierung verabschiedet sich von dieser Praxis. Die Frau Ministerin hat für das Jahr 2001 planlos alle in Bayern gemeldeten 29 Projekte an den Reha-Beirat gemeldet, 14 WfB-Projekte und 15 Projekte für die Wohnheimförderung. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, halte ich für nicht seriös.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abgeordneten Herrmann (CSU))

Ich habe den Brief da. Es ist so, Herr Herrmann, glauben Sie es mir.

(Kobler (CSU): Sollen denn anstehende Projekte nicht gemeldet werden?)

Die Absicht, die dahinter steht, ist leicht durchschaubar. Man kann dann nämlich den Antragstellern sagen: Wir haben alles gemeldet, aber siehe da, der Bund fördert nicht. Sie führen einen Kleinkrieg auf dem Rücken der Behinderten, der Träger und der Verbände.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, ich sage es noch einmal: Der Bund zieht sich nicht aus der Werkstättenforderung zurück. Die Förderung wird weitergeführt wie bisher. Das hat Arbeitsminister Riester im Februar Frau Stamm geschrieben.

(Gabsteiger (CSU): Dem glauben wir nichts mehr! – Kobler (CSU): Der sagt alle drei Tage etwas anderes!)

Das wurde der Staatsregierung mehrere Male mitgeteilt. Herr Kobler, regen Sie sich nicht auf., das wissen Sie doch. Was soll man eigentlich noch machen? Glauben Sie es doch endlich.

(Kobler (CSU): In dem Brief vom 3. Juni steht etwas anders! Herr Riester ist doch unglaubwürdig! Schauen Sie sich die Rentendiskussion an!)

Ach, Herr Kobler.

Wir hatten letzte Woche ein Fachgespräch mit dem Referatsleiter im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung. Herr Dr. Cramer hat das noch einmal festgestellt und gesagt, er verstehe nicht, warum die Bayerische Staatsregierung das nicht wahrhaben will. Die Förderung laufe weiter wie bisher.

Sie haben vorhin gesagt, Herr Unterländer – oder war es Herr Müller, ich weiß es nicht –: Das Gesetz ist nicht länderzustimmungspflichtig. Und eben darum muss die Förderung weiterlaufen wie bisher.

Kolleginnen und Kollegen, was steht denn in dem Gesetz? Darin steht die Änderung der Ausgleichsabgabe, eine Staffelung der Ausgleichsabgabe und die Senkung der Quote. Es steht drin, dass die Rechte der Schwerbehinderten und ihrer Vertretungen gestärkt werden. Es steht drin, dass die betriebliche Prävention ausgebaut wird.

(Kobler (CSU): Das ist doch mit den 380 Millionen nicht zu machen! – Gegenruf der Frau Radermacher (SPD): Wieso nicht, wenn es drinsteht?)

Es steht darin die Verwaltungsvereinfachung bei der Beantragung der Eingliederungshilfe und bei der Ausbildungsbeihilfe, nämlich die Verkürzung auf einen Antrag. Es steht darin die verstärkte Verwendung der Ausgleichsabgabe für Fördermaßnahmen, die Verbesserung des Rechts zur Förderung Schwerbehinderter, der Anspruch Schwerbehinderter auf Übernahme der Kosten für die Arbeitsassistenz und der Ausbau der Integrationsfachdienste. Jetzt haben wir sieben Integrationsfachdienste in Bayern. Künftig soll es ein flächendeckendes und ortsnahes Angebot geben, und zwar pro Arbeitsamtsbezirk. Wo sehen Sie da einen Zentralismus?

Die Dienstleistungen der Arbeitsämter und der Hauptfürsorgestellen werden besser nutzbar gemacht durch besondere Stellen, die ausnahmslos in allen Arbeitsämtern eingerichtet werden. Das ist wohnortnah, das ist ortsnah. Wo ist da der Zentralismus?

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Kobler?

Aber gern.

Ich bedanke mich. Frau Kollegin Steiger, können Sie vielleicht ergänzend darstellen, für wie realistisch Sie die Wunschvorstellungen des Herrn Bun

desarbeitsministers Riester hinsichtlich einer Abgabe pro Platz und Monat von bis zu 500 DM halten? Wie sollen 380 Millionen DM jährlich zusätzlich hereinkommen?

Sie brauchen sich nur die Beschäftigungsquote anzusehen, um zu merken, dass die Ausgleichsabgabe gestaffelt ist, und zwar von 200 DM bei 4% und 5% über 350 DM bei bis zu 4% bis zu 500 DM bei unter 2%.

(Kobler (SPD): Die kriegen das nie!)