Protokoll der Sitzung vom 12.07.2000

Nein, ich bin aber gern bereit, mich nachher der Diskussion zu stellen. Ich bitte darum, mich die einzelnen Gesetzentwürfe einigermaßen komprimiert darstellen zu lassen.

Tatsache ist, dass Prüfer künftig ihren Besuch nicht nur ankündigen, sondern mit dem Heim einen Termin vereinbaren sollen. Bisher wurden Kontrollen unangemeldet durchgeführt. Nach dem Gesetzentwurf sollen die Kontrollen nicht nur angemeldet werden, sondern es sollen

auch noch Termine vereinbart werden. Damit wird die Kontrolle, ob sauber gearbeitet wird und ob die entsprechenden Leistungen erbracht werden, wirklich zur Farce. Wir wissen, auch in den Pflegeheimen gilt das Motto: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Das gilt auch in Zukunft. Diesen Grundsatz haben wir von der politischen Seite ernst zu nehmen. Ich warne davor, die Augen zu verschließen und zu meinen, mit einfachen Vorschriften wäre es getan.

Wir von der CSU-Fraktion fordern genauso wie die großen Sozialverbände – ich nenne zum Beispiel. den VdK – zum Schutz der Heimbewohner nicht wie die Bundesregierung eine Einschränkung, sondern eine Erweiterung der Kontrollrechte. Ich darf darauf hinweisen, der MDK und verschiedene Krankenkassen haben an den Absichten der Bundesregierung ebenfalls herbeste Kritik geäußert und stellen die Vorstellungen der Bayerischen Staatsregierung als vorbildlich dar. Wer es nicht glauben will, kann sich draußen informieren. Gestern ist ein ganzer Stoß von Mitteilungen aufgelegen. Ich nehme an, dass ein Teil der Kolleginnen und Kollegen, die hier sind, davon Kenntnis genommen hat.

Der Bundesregierung geht es um das Pflegequalitätssicherungsgesetz und das Heimbewohnerschutzgesetz. Ich weiss wirklich nicht, von welchem Gedanken sich die Bundesregierung bei der Vorlage des Qualitätssicherungsgesetzes und des Heimbewohnerschutzgesetzes leiten ließ, dass sie beschließen konnte, Menschen, die sich selbst nicht mehr helfen können, nicht einen besseren Schutz angedeihen zu lassen, sondern den Schutz zu verschlechtern. Ich verstehe das nicht. Konkret beschränkt sich die Bundesregierung im Gesetz zur Qualitätssicherung auf die Qualitätsprüfung. Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen lässt sie völlig außer Acht.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, der Ausbau der Kontrollmechanismen und die Änderungen im Vertragsrecht reichen bei weitem nicht aus, um die Qualität der Pflegeheime zu verbessern. Uns von der CSU-Landtagsfraktion erscheint es dringend notwendig, dass auch demente Pflegebedürftige entsprechend dem Entwurf eines Bayerischen Pflegezukunftssicherungsgesetzes verstärkt in die Pflegeversicherung einbezogen werden und dass bei stationärer Unterbringung die Kosten der Behandlungspflege von der Pflege- in die Krankenversicherung verlagert werden.

Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung soll der MDK künftig primär Beratungsaufgaben wahrnehmen und nur in wenigen Ausnahmefällen Kontrollen durchführen. Diese Beschneidung der Kompetenzen des MDK ist für uns nicht hinnehmbar. Denn der MDK hat sich seit Einführung der Pflegeversicherung zu einem Instrument der Qualitätssicherung entwickelt. Schließlich ist es ein Verdienst des MDK, dass bestehende Mängel in der Pflege aufgedeckt wurden. Sein Handeln in den Heimen hat zur Umsetzung qualitätssteigernder Maßnahmen geführt. Qualitätsprüfungen müssen ohne vorherige Ankündigung und ohne besonderen Anlass durchgeführt werden können. Die bayerisch-baden-württembergische Initiative fordert dies schon seit langer Zeit.

Nach Lektüre der fadenscheinigen Begründung des Gesetzentwurfs von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kann ich nur sagen, dass die Verfasser ziemlich wirklichkeitsfremd sind, wenn sie allen Ernstes die Auffassung vertreten, erfahrene Prüfungskräfte könnten ohne weiteres auch dann Qualitätsmängel erkennen, wenn Prüfungen vorangemeldet erfolgten. Es ist doch wirklichkeitsfremd zu glauben, ein erfahrener Prüfer könnte auch dann noch etwas erkennen, wenn die Prüfung eine Woche vorher mitgeteilt würde und die zu Prüfenden die Möglichkeit hätten, Briefe und Beschwerden noch zu beseitigen. Niemand kann dann mehr feststellen, ob sauber gewirtschaftet und optimale Leistungen erbracht wurden. Wer glaubt, dies sei möglich, muss seiner Fantasie wirklich sehr freien Lauf lassen.

Mit der CSU gibt es in diesem Punkt jedenfalls keinen Konsens. Wir können auch nicht unterstützen, dass Träger künftig ihre eigenen Einrichtungen prüfen. Denn sinnvolle Qualitätsprüfungen müssen durch neutrale Stellen erfolgen. Andernfalls würden sie zur Farce. Den Sinneswandel Ihrer Kollegen in Berlin können wir nicht nachvollziehen.

Über Personalrichtwertvereinbarungen könnte man diskutieren. Ein endgültiges Urteil darüber will ich aber nicht abgeben. Klar ist nur, dass es nicht angeht, sich vom Bund Vorgaben liefern zu lassen.

In den Heimen wird viel Gutes geleistet. Wir wollen keine Pauschalverdächtigung oder Sippenhaftung. Die Heimbewohner werden in Bayern in der Regel auf hohem Niveau versorgt. Skandalöse Zustände sind sicher die Ausnahme, Mängel in der Pflege jedoch keine Einzelfälle. Mit dem Entwurf eines Qualitätssicherungsgesetzes der rot-grünen Bundesregierung wird nichts erreicht. Denn er hat große Schwachstellen und ist für die Qualitätssicherung ein Rückschritt.

Nicht viel anders verhält es sich mit dem zweiten von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf eines Heimbewohnerschutzgesetzes. Konsensfähig sind hier allerdings die Stärkung der Stellung des Heimbeirats, gewisse Erfordernisse beim Betrieb des Heims, Bildung von Arbeitsgemeinschaften, Vernetzung usw. Insgesamt ist dem Gesetzentwurf aber nicht zuzustimmen. Denn er besagt, dass unangemeldete Kontrollen und Prüfungen außerhalb der üblichen Geschäftszeiten nur zulässig sein sollen, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen.

Von der Strittigkeit der Frage abgesehen, was übliche Geschäftszeiten eines Heimes sind, ist für uns unverzichtbar, dass die Heimaufsicht zu jeder Tages- und Nachtzeit Prüfungen vornehmen darf, und zwar auch dann, wenn kein besonderer Anlass gegeben ist. Ihren Höhepunkt erreicht die neue Art von Leichtgläubigkeit der rot-grünen Bundesregierung aber in § 15 des Gesetzentwurfs, wonach auch wiederkehrende Prüfungen der Heimaufsicht entfallen sollen. Und damit nicht genug: Sogar ein Automatismus soll greifen, das heißt, wenn einmal geprüft wurde, braucht man kein zweites Mal mehr prüfen.

Ich bitte Sie, unserem Dringlichkeitsantrag „Weiterentwicklung des Pflegeversicherungsgesetzes und des

Heimgesetzes“ zuzustimmen. Denn SPD und GRÜNE richten ihre Dringlichkeitsanträge an die falsche Adresse, auch wenn in den Unterpunkten das eine oder andere richtig sein mag. Mit den Dringlichkeitsanträgen wird aber gefordert, dass die Staatsregierung einschlägige Bemühungen unterstützen möge.

Herr Kollege Kobler, ich bitte Sie, zum Ende zu kommen. Ihre Redezeit ist überschritten.

Sie müssten sich an die Bundesregierung und nicht an die Staatsregierung wenden. Wir haben bereits Vorsorge getroffen. Bitte, tragen Sie dazu bei, dass unsere drei Gesetzentwürfe unterstützt werden, wie es schon einige andere Bundesländer getan haben. Mit unserem Dringlichkeitsantrag wäre eigentlich alles abgedeckt – –

Herr Kollege Kobler, Sie haben schon über eine Minute überzogen. Es gilt die individuelle Redezeit von 15 Minuten. Als Nächster hat Herr Kollege Werner das Wort.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Kollege Kobler hat in einem Recht: In den vergangenen Wochen und Monaten gab es derartige Schlagzeilen. Allerdings gibt es diese Schlagzeilen schon seit vielen, vielen Jahren. Die damalige Bundesregierung hat sie nicht zum Anlass genommen, die einschlägigen Gesetze weiter zu entwickeln. Das wurde erst von der neuen Bundesregierung in Angriff genommen. Die Ansätze sind gut. Sie werden den Menschen in den Pflegeheimen helfen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Was wir den Zeitungen in den letzten Wochen und Monaten zu entnehmen hatten, lässt nur den Schluss zu, dass die Politik die Aufgabe hat, das zu Ende gehende Leben zu schützen. Darauf müssen die entsprechenden Maßnahmen ausgerichtet sein.

Offensichtlich haben Sie, Herr Kollege Kobler, das Heimgesetz nicht richtig gelesen. Sonst würden Sie wohl keinen Dringlichkeitsantrag stellen, in dem Sie beispielsweise unangemeldete Kontrollen fordern. Denn diese Kontrollen sind selbstverständlich auch in Zukunft möglich und geboten. Darauf wird im Entwurf des Heimgesetzes ausdrücklich hingewiesen.

(Kobler (CSU): Sie haben die Absicht der Bundesgesundheitsministerin dafür überhaupt noch nicht zur Kenntnis genommen!)

Nicht so im Qualitätssicherungsgesetz. Ich räume ein, dass hier noch Ergänzungsbedarf besteht. Im Heimgesetz sind unangemeldete Kontrollen aber klipp und klar festgeschrieben, und es ermöglicht darüber hinaus, was Sie in ihrem Dringlichkeitsantrag fordern, Arbeitsgemeinschaften aus Heimaufsicht, medizinischem Dienst und anderen Institutionen zu bilden.

(Kobler (CSU): Da habe ich breiten Konsens festgestellt!)

Im Übrigen kann ich Ihnen den Vorwurf nicht ersparen, dass ihre Ausführungen zur Heimaufsicht scheinheilig waren. Denn wäre Ihnen wirklich daran gelegen, durch regelmäßige, auch unangemeldete Kontrollen etwas zu bewegen,

(Maget (SPD): Zwei Männer für ganz Oberbayern! Mehr Leute braucht man da!)

würden Sie die Heimaufsicht nicht so jämmerlich besetzen, wie es der Fall ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

In Oberbayern gibt es für 300 Heime nur vier Stellen. Auf Mannjahre umgerechnet, sind es vielleicht sogar noch weniger. Die Stelleninhaber können

(Maget (SPD):... nicht einmal angemeldet kommen!)

nur alle Jubeljahre unangemeldete Kontrollen machen. Kollege Kobler hat kritisiert, im Gesetz sei vorgesehen, dass die Träger bei eigenen Einrichtungen selbst Kontrollen durchführen können. Was machen Sie denn anderes mit der Verlagerung der Heimaufsicht auf die kommunale Ebene?

(Zustimmung des Abgeordneten Maget (SPD))

Wissen Sie, wie viele Oberbürgermeister Vorsitzende von Aufsichtsräten in Heimen, wie viele Landräte Vorsitzende beim Roten Kreuz sind – auch bei der Arbeiterwohlfahrt – und sich dann selbst kontrollieren?

(Kobler (CSU): Von wem sind denn die Privatgewerblichen kontrolliert worden?)

Sie haben eine ganz gefährliche Fehlentwicklung eingeleitet.

(Beifall bei der SPD)

In einem Punkt Ihres Dringlichkeitsantrags fordern Sie, die Leistungen der Pflegeversicherung um 5% zu erhöhen. Jeder kleine Gemeinderat, der einen Antrag stellt, muss einen Deckungsvorschlag machen. Sie aber fordern locker und flockig Milliarden Mehrausgaben in der Pflegeversicherung und wissen doch ganz genau, dass die Zeiten der Überschüsse vorbei sind.

(Kobler (CSU): Wir haben ein dreistufiges Finanzierungskonzept vorgelegt, das auch Sie kennen!)

Wenn Sie bei Ihrer Forderung bleiben, gibt es zwei Möglichkeiten: Erstens. Die Pflegeversicherung geht über kurz oder lang Pleite. Das werden auch Sie nicht wollen. Zweitens. Die Beitragssätze müssen erhöht werden. Das hätte wiederum gravierende Auswirkungen auf die Lohnnebenkosten und damit auf den Arbeitsmarkt. Wir erleben doch gerade, dass infolge der Senkung der Lohnnebenkosten die Arbeitslosenquote sinkt und

Arbeitsplätze geschaffen werden. Da können wir die Lohnnebenkosten doch nicht erhöhen wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abgeordneten Kobler (CSU))

Meine Damen und Herren von der CSU-Fraktion, den Höhepunkt Ihres nun vorliegenden glorreichen Dringlichkeitsantrags findet man unter Nummer 5. Dort sprechen Sie das Subsidiaritätsprinzip an und fordern die Verlagerung bestimmter Kompetenzen auf die Länderebene, so nach dem Motto: Wir auf Länderebene ordnen an, und die anderen sollen zahlen. Nach den Vorschlägen der Staatsregierung, nach ihren einschlägigen Bundesratsinitiativen – ich erinnere nur an den berühmten Drei-Stufen-Plan –, soll jeder zahlen, nur der Freistaat Bayern nicht.

(Fortgesetzte Zurufe des Abgeordneten Kobler (CSU))

Dabei brauchen wir 6000 zusätzliche Stellen für Pflegekräfte hier vor Ort, nirgendwo sonst. Hier brauchen wir sie. Alle sollen dafür zahlen, nur Bayern nicht. Unter Subsidiarität verstehen wir etwas anderes.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Fortgesetzte Zurufe des Abgeordneten Kobler (CSU))

Meine Damen und Herren von der CSU, was Sie da geschaffen haben, diesen Drei-Stufen-Plan, kann man bestenfalls als Rohrkrepierer bezeichnen. Wenn es Ihnen wirklich ernst damit wäre, hier in Bayern die angesprochenen zusätzlichen Stellen zu schaffen, hätten Sie unseren Anträgen zugestimmt, die darauf abzielten, 200 Millionen DM aus dem kommunalen Finanzausgleich zur Schaffung der dringend benötigten Stellen für Pflegekräfte zur Verfügung zu stellen. Das haben Sie aber abgelehnt, meine Damen und Herren von der CSU. Deswegen bezeichne ich Ihre Initiativen in Richtung Bundesrat als scheinheilig. Erledigen Sie erst einmal Ihre Hausaufgaben. Dann kann man immer noch darüber sprechen, was andere Stellen in Deutschland an zusätzlichen finanziellen Leistungen erbringen sollten, um die Situation der Pflegebedürftigen überall in Deutschland zu verbessern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren von der CSU-Fraktion, vor dem Hintergrund können wir Ihren Dringlichkeitsantrag nur ablehnen. Wir haben eine überzeugende Alternative dagegengesetzt. Was das Qualitätssicherungsgesetz angeht – das räume ich gerne ein –, besteht noch Handlungsbedarf. Doch im Rahmen des Heimgesetzes sind die entsprechenden Kontrollen zufriedenstellend geregelt.

Lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Kobler zu?

Folgen Sie im Bundesrat unseren Vorschlägen. Dann wird sich die Situation verbessern. – Herr Präsident, damit wäre ich am Ende meiner Rede